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Ziel der Arbeit ist es die konträren Rahmenbedingungen, Regelungs- und Koordinierungsansätze für den Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten und die
Entwicklung wissenschaftlicher Verhaltensstandards in den drei Vergleichsländern
USA, Dänemark und Deutschland zu untersuchen, diese zu ordnen und für die
deutsche Debatte um die Ordnung teils staatlich teils gesellschaftlich beeinflusster
Teilsysteme sowie die daraus resultierenden Legitimationsfragen fruchtbar zu machen. Damit soll zugleich ein Beitrag zur Fortentwicklung des Wissenschaftsrechts
als Referenzgebiet des allgemeinen Verwaltungsrechts geschaffen werden. Insbesondere die gemeinwohlsichernde Bildung und Implementation von teilweise verrechtlichten teilweise außerrechtlichen Standards wissenschaftlicher Praxis in dem
zum Teil verfassungsrechtlich gestützten wissenschaftlichen Autonomiebereich und
die Verzahnung von öffentlichen und privaten Regelungs- und Organisationsformen
stehen im Mittelpunkt der Ausarbeitung.
C. Gang der Untersuchung
Zunächst werden die Maßstäbe und Verfahrensmechanismen zum Umgang mit
wissenschaftlichem Fehlverhalten in den Vergleichsländern USA (2. Teil), Dänemark (3. Teil) und Deutschland (4. Teil) in drei entsprechend der Chronologie der
Entwicklungen aufeinander folgenden Länderteilen erörtert. Dabei werden die Verfahrensmodelle der Länder jeweils anhand des nachstehenden Grobrasters analysiert:
Zum Einstieg erfolgt eine konzentrierte Darstellung der Forschungslandschaft der
betroffenen Länder (jeweils Gliederungspunkt A.) sowie der verfassungsrechtlichen
Vorgaben des dänischen, US-amerikanischen bzw. deutschen Rechts (jeweils Gliederungspunkt B.). Ohne die Kenntnis der institutionellen Rahmenbedingungen und
des jeweiligen staatlichen Einflusses auf die Forschungsförderung und die Forschungsinstitutionen ist eine vergleichende Betrachtung kaum möglich.11 Der verfassungsrechtliche Hintergrund beeinflusst maßgeblich Reichweite und Stellenwert
von wissenschaftlicher Selbstverwaltung auf der einen und staatlicher Determinierung auf der anderen Seite.
In einem nächsten Schritt wird die historische Entwicklung der landesspezifischen Mechanismen skizziert (jeweils Gliederungspunkt C.), um einen Eindruck von
den Einflüssen zu erhalten, die zur Ausprägung des jeweiligen Verfahrensmodells
geführt haben.
Anschließend werden jeweils die zuständigen Institutionen und Gremien zur Aufklärung und Ahndung wissenschaftlichen Fehlverhaltens und deren Funktion und
Arbeitsweise behandelt (jeweils Gliederungspunkt D.). Besondere Aufmerksamkeit
gilt an dieser Stelle sowohl der regulativen – insbesondere normativen Einbettung –
11 Vgl. zur Bedeutung der verfassungsrechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen Stegemann-Boehl, Fehlverhalten von Forschern, S. 29 ff.
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der Verfahrensmodelle als auch dem Verhältnis bzw. der Verantwortungsteilung
zwischen einrichtungsinternen und zentralisierten Verfahren. Wichtige Ansatzpunkte sind in diesem Zusammenhang die Betrachtung von Status, Einrichtung und Besetzung der Gremien sowie deren wesentlicher Verfahrens- und Aufsichtsbefugnisse.
Sodann werden die Kataloge und Definitionen derjenigen Verhaltensweisen, die
in Abgrenzung zu guter wissenschaftlicher Praxis als wissenschaftliches Fehlverhalten anzusehen sind, als Verfahrens- bzw. Entscheidungsgrundlage erfasst (jeweils
Gliederungspunkt E.). Die Grunddefinition unterscheidet sich in den behandelten
Ländern wenig. Erfasst werden insbesondere das Erfinden und Fälschen von Daten,
Plagiat und Sabotage. Dennoch wird der Frage der genauen Definition durchweg
hohe Bedeutung beigemessen.12 So gilt es mit ihrer Hilfe Unredlichkeit und Unregelmäßigkeit zu unterscheiden, angesichts einer breiten Grauzone eine oft gar nicht
oder nur schwer realisierbare Aufgabe.13
Im Hinblick auf die Verfahrensausgestaltung (jeweils Gliederungspunkt F.) werden die Akzente, die in einzelnen Verfahrensabschnitten der berücksichtigten Länder gesetzt werden, herausgearbeitet. Besonderes Augenmerk wird auf Verfahrensregeln zur Wahrung von Neutralität, Vertraulichkeit, Fairness und Transparenz sowie den Schutz des Informanten und die Art und Reichweite der verfahrensrechtlichen Umsetzung unter Berücksichtigung des Spannungsverhältnisses zu den Aufklärungsinteressen des Beschuldigten gerichtet. Gleichfalls von Interesse sind die
Umsetzung des Schutzes der Betroffenen durch Geheimhaltungs-, Belehrungs- und
Anhörungspflichten, das Verhältnis des Beschuldigtenschutzes zum vertrauenssichernden Einbezug der Öffentlichkeit sowie Bestrebungen nach Verfahrensbeschleunigung durch Festlegung von Ermittlungsfristen. Außerdem gehört hierher die
Erfassung von Ermittlungsbefugnissen und Beweisregeln, die der förmlichen Sachverhaltsfeststellung dienen, sowie von Anforderungen, welche die Schlichtung,
Entscheidungsfindung und Entscheidungsbegründung betreffen.
Schließlich werden mögliche Sanktionen und Konsequenzen bei wissenschaftlichem Fehlverhalten sowie Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen der jeweils zuständigen Verfahrensgremien erfasst (jeweils Gliederungspunkt G. bzw. H.).
Im Anschluss an die Länderberichte folgt ein nationenübergreifender 5. Teil, der
nach einer vergleichende Zusammenfassung der Erkenntnisse aus der Untersuchung
der landesspezifischen Verfahrensmodelle die Handlungs- und Kooperationsstrukturen unter Zuhilfenahme der neutralen Governance-Perspektive zu analysieren und
abzubilden versucht (Gliederungspunkt A.). Schließlich widmet sich dieser Teil
schwerpunktmäßig der Öffnung des Rechts für wissenschaftseigene Standardisie-
12 Axelsen/Korst in: The Danish Committees on Scientific Dishonesty, Annual Report 1996;
Commission on Scientific Integrity, Integrity and Misconduct in Research, Report to the Secretary of Health and Human Services, November 1995, S. 6 ff.; allgemein zur Bandbreite der
frühen amerikanischen Definitionsansätze sowie dem deutschen Begriff Stegemann-Boehl,
Fehlverhalten von Forschern, S. 11 ff.
13 Vgl. die Beispiele von Bleisiegel, Gegenworte. Zeitschrift für Disput über das Wissen, Heft 2
(1998), S. 18 f.
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rungsprozesse und den Bedingungen der Rezeption von durch Fehlverhaltensverfahren mitbestimmte Standards wissenschaftlicher Praxis unter Legitimationsgesichtspunkten (Gliederungspunkt B.). Dabei soll keine Übertragung deutscher Legitimationsvorstellungen in andere Nationen oder einen supranationalen Kontext
folgen. Stattdessen wird die sachgerechte Anpassung und Abstimmung des nationationalen demokratischen Prinzips mit den Besonderheiten der international
lussten Bildung und Implementierung von Verhaltensstandards durch Fehlverhaltens-verfahren Gegenstand der Analyse sein.
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References
Zusammenfassung
Wissenschaftliches Fehlverhalten ist kein neuartiges, aber ein in Deutschland lange unbeachtetes Phänomen. Die Autorin vergleicht verschiedene nationale Standards und Verfahrensmodelle des Umgangs mit wissenschaftlichem Fehlverhalten und erkennt Tendenzen einer allgegenwärtigen zunehmenden Verkomplizierung und zugleich Internationalisierung von Regulierungssystemen in diesem Bereich.