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IV. Fazit
Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass das Fahrverbot als Nebenfolge einer Verkehrsordnungswidrigkeit für den Betroffenen nicht im Sinne einer Denkzettelmaßnahme zu fungieren vermag.
Die vom Fahrverbot aufgrund seiner empfindlichen Eingriffswirkung vorausgesetzte
Einzelfallprüfung steht einerseits im Widerspruch zu dem eigentlichen Zweck des
Bußgeldverfahrens, auf die Masse an Bagatellverstößen möglichst einfach, effizient
und zügig reagieren zu können. Zur Auflösung dieses Widerspruchs ist die gesetzliche Normierung sog. Regelfahrverbote ungeeignet, da sie zu einer schematisierten
Anwendung der Sanktion führt. In der Folge steht nicht die Denkzetteleinwirkung
auf den Täter, sondern die Ahndung des Pflichtverstoßes im Vordergrund. Mithin
verliert das Fahrverbot durch Regelanordnungen seinen Charakter als Denkzettelmaßnahme und wird zur Strafe.
Unabhängig davon wird auch folgender Aspekt auf unzulässiger Weise vernachlässigt: Der Gesetzgeber gestaltete das Fahrverbot als Nebenfolge einer Geldbuße aus.
In der Folge kann das Fahrverbot verhängt werden, um mit der Geldbuße zusammen
auf den Betroffenen als „Denkzettel“ einzuwirken. Gleichwohl muss diese Einwirkung in einem gerechten Verhältnis zum vorwerfbaren Handeln und Verschulden
des Betroffenen stehen. Hier hätte der Gesetzgeber berücksichtigen müssen, dass das
Fahrverbot als Nebenfolge und Nebenstrafe in jeder Hinsicht, also auch in der Wirkung identisch ist1184. Mithin muss der Betroffene – nach der BKatV sogar in der
Regel – für den als Bagatelle eingestuften Pflichtverstoß einen gleichartigen Eingriff
in seine allgemeine Handlungsfreiheit hinnehmen wie der Straftäter. Tatsächlich
vermag die zugrunde liegende Verkehrsordnungswidrigkeit aber allenfalls eine
Denkzetteleinwirkung im Ausmaße der Hauptsanktion des Ordnungswidrigkeitenrechts – der Geldbuße – zu rechtfertigen. Um die von ihr zu erzielende Denkzettelwirkung zu unterstützen, soll das Fahrverbot verhängt werden. Da jedoch die Eingriffswirkung des Fahrverbotes weit über die der Geldbuße hinausgeht, kann das
Fahrverbot als ordnungswidrigkeitenrechtlicher Denkzettel nicht fungieren, es ist für
den Betroffenen Strafe! Mithin bilden Geldbuße und Fahrverbot einen Sanktionenmix, der in keinem gerechten Verhältnis zur begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit steht und folglich gegen das Schuldprinzip (Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 GG) verstößt.
1184 BT-Drucks. V/1319, S. 89.
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References
Zusammenfassung
Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die rechtsdogmatisch relevante Frage, inwieweit die Kriminalrechtsfolge Fahrverbot (§ 44 StGB) gleichzeitig als Rechtsfolge einer typischen Jugendverfehlung (§ 44 StGB i.V.m. § 8 Abs. 3 JGG) und einer Verkehrsordnungswidrigkeit (§ 25 StVG) fungieren kann.
Unter diesem Blickwinkel werden zunächst das Wesen und die Funktion des Fahrverbotes als sog. „Denkzettel“ herausgearbeitet. Anschließend wird das Fahrverbot in das jeweilige Sanktionssystem eingeordnet und die Voraussetzungen für seine Anordnung und Vollstreckung kritisch hinterfragt. Im Ergebnis ist festzustellen, dass das Fahrverbot im Strafrecht noch nicht den Platz einnimmt, der ihm ursprünglich vom Gesetzgeber zugedacht war. Dazu bedarf es in erster Linie einer zurückhaltenden Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB. Im Jugendstrafrecht verstößt die Verhängung des Fahrverbotes nach derzeitiger Rechtslage gegen das Analogieverbot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG. Neben der Verhängung einer Geldbuße für eine begangene Verkehrsordnungswidrigkeit vermag das Fahrverbot als sog. „Denkzettel“ nicht zu fungieren, es entfaltet für den Betroffenen vielmehr Strafwirkung.