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KEG, der ausdrücklich als Ziel der Stilllegung die komplette nukleare Demontage
der Anlage ausgibt.
Erst wenn das UVEK gem. Art. 29 Abs. 1 KEG festgestellt hat, dass alle radioaktiven Stoffe und kontaminierten Anlagenteile aus der Anlage entfernt und ordnungsgemäß entsorgt worden sind und damit der nukleare Abbau abgeschlossen ist, wird
der Eigentümer aus seiner Verantwortung für die Stilllegung entlassen und darf die
stilllegungspflichtige Gesellschaft auflösen.
II. Stilllegungsverfahren
Grundsätzlich ist es gem. Art. 27 KEG die Sache des Eigentümers der kerntechnischen Anlage festzulegen, wie die Anlage stillgelegt werden soll. Dies geschieht
allerdings unter behördlicher Aufsicht des UVEK. Gestützt auf das bereits bei der
Erteilung der Rahmenbewilligung einzureichende Stilllegungskonzept719 muss der
Eigentümer nach Art. 27 Abs. 1 KEG einen detaillierten Stilllegungsplan720 ausarbeiten und der Aufsichtsbehörde vor der Außerbetriebnahme der Kernanlage zur
Kontrolle vorlegen.721 Dabei braucht der Plan nicht zwingend die gesamte Stilllegungsphase umfassen. Ist vor dem Abbruch ein längerer gesicherter Einschluss
vorgesehen, kann sich der Plan zunächst auf diese Phase beschränken und später auf
weitere Schritte ausgedehnt werden.722 Hält die Aufsichtsbehörde aber einen baldigen Abbau der Anlage für erforderlich, so kann sie dem Eigentümer gem. Art. 27
Abs. 1 S. 1 KEG eine Frist zur Vorlage eines vollständigen umfassenden Stilllegungsplans setzen. Reicht der Eigentümer diesen nicht fristgemäß ein, so legt das
UVEK von Amtes wegen fest, wie und wann die Stilllegung und der Abbau durchzuführen sind.723
Während der Eigentümer der Anlage die eigentliche Außerbetriebnahme von sich
aus veranlassen kann, muss die Demontage der außer Betrieb genommenen Anlage
aus Gründen der radiologischen Sicherheit begutachtet, bewilligt und überwacht
werden. Der Eigentümer darf nach dem schweizerischen Recht erst dann mit den
Stilllegungs- und Demontagearbeiten beginnen, wenn das UVEK gem. Art. 28 KEG
die im Stilllegungsplan vorgesehenen Stilllegungsarbeiten angeordnet hat. In dieser
Stilllegungsverfügung legt das UVEK nach Art. 46 KEV nicht nur den Umfang der
Stilllegungsarbeiten, sondern auch die einzelnen Stilllegungsphasen, einschließlich
der Dauer eines möglichen sicheren Einschlusses fest.724
719 Art. 13 Abs. 1 lit. c KEG
720 Das Kernenergiegesetz in Artikel 27 KEG spricht nicht von einem Stilllegungsplan, sondern
von einem Stilllegungsprojekt. In Art. 45 KEV ist detailliert aufgeführt, was die Planbeschreibung enthalten muss.
721 Weber/Kratz, Elektrizitätswirtschaftsrecht, S. 183.
722 Bühlmann, in: Pelzer (Hrsg.), Stillegung und Beseitigung von kerntechnischen Anlagen, S. 79
(88).
723 BBl. 2001, S. 2773.
724 BBl 2001, S. 2774.
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Das Kernkraftwerk gilt während der gesamten Stilllegungsphase weiterhin als
Kernanlage im Sinne des Art. 2 Abs. 1 lit. b KEG und untersteht damit der atomrechtlichen Aufsicht nach Art. 72 ff. KEG. Erst wenn alle radioaktiven Stoffe und
kontaminierten Anlagenteile entfernt worden sind und damit die Anlage ohne Einschränkung und Aufsicht für andere als nukleare Zwecke verwendet werden kann,
ist die Stilllegung abgeschlossen.725 Dieser Zeitpunkt muss gem. Art. 29 Abs. 1
KEG der Klarheit halber vom UVEK behördlich festgestellt werden. Mit dieser
Feststellungsverfügung hört die Anlage auf, eine Kernanlage im Sinne des Art. 2
Abs. 1 lit. b KEG zu sein und untersteht dann nicht mehr dem Kernenergierecht des
Bundes. Durch diese Freigabe ist die verbleibende Anlage nicht anders zu behandeln
als andere nicht mehr genutzte Industriebauten. Maßgebend für den weiteren konventionellen Abbau ist ab diesem Zeitpunkt das kantonale Baurecht.
Einziges Beispiel für einen vollständigen nuklearen Abbau einer kerntechnischen
Anlage in der Schweiz ist bisher das ehemalige Versuchskernkraftwerk Lucens. Sein
Gelände mit den unter- und oberirdischen Anlagen untersteht bis auf ein kleines
Zwischenlager seit der Verfügung des Bundesrates vom 12. April 1995 nicht mehr
dem Kernenergierecht. Die Anlage dient dem Kanton Waadt seither zur Aufbewahrung von kulturellen und archäologischen Gütern.726
III. Finanzierungsvorsorge für die Stilllegung und Beseitigung der Kernkraftwerke in der Schweiz
Die Stilllegungskosten der schweizerischen Kernkraftwerke belaufen sich nach einer
erstmals 1980 erstellten und seit dem alle drei Jahre überprüften Kostenstudie auf
rund 1,96 Mrd. Schweizer Franken (ca. 1,2 Mrd. Euro).727 Diese Kosten trägt nach
dem KEG der Eigentümer des Kernkraftwerks.
Zur Sicherstellung der Finanzmittel ist ein Stilllegungsfonds als juristische Person
des öffentlichen Rechts geschaffen worden, der von Beiträgen der Eigentümer der
kerntechnischen Anlagen finanziert wird.
IV. Stilllegungsfonds
Der Stilllegungsfonds basiert auf der Stilllegungsfondsverordnung vom 5. Dezember
1983 und dem auf dessen Grundlage erlassenen Reglement des UVEK für den Still-
725 Jagmetti, Energierecht, Rdnr. 5474.
726 BBl 2001, S. 2773.
727 Preisbasis: 1. Januar 2001. Unter Berücksichtigung einer angenommenen jährlichen Teuerung
von 3 Prozent betragen die Kosten im Zeitpunkt der Stilllegung rund 3,0 Mrd. Schweizer
Franken (ca. 1,8 Mrd. Euro). Zurzeit wird eine neue Kostenstudie erstellt. Vgl. Verwaltungskommission des Stilllegungsfonds, Zielwerte, „www.entsorgungsfonds.ch/de/ stand_stilllegung.html“; besucht am 1.09.2007.
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References
Zusammenfassung
Die nukleare Entsorgung und die Stilllegung von Kernkraftwerken ist nicht nur eine technische, sondern auch eine finanzielle Herausforderung. Die hohen Kosten und der lange Zeitraum, über den sich die notwendigen Stilllegungs- und Entsorgungsmaßnahmen erstrecken, stellen besondere Anforderungen an die finanzielle Vorsorge.
Dieses Buch analysiert die gesetzlichen Vorschriften, nach denen in Deutschland und der Schweiz finanzielle Vorsorge für die Stilllegung und Entsorgung betrieben wird, da diese beiden Länder unterschiedliche Wege gewählt haben, die weltweit exemplarisch für die unterschiedliche Herangehensweise an dieses Problem sind. In Deutschland basiert die Finanzierungsvorsorge auf einer unternehmensinternen Lösung durch die Bildung von Rückstellungen bei den kernkraftwerkbetreibenden Unternehmen. Diese Art der Finanzierungsvorsorge führt zu erheblichen Wettbewerbsvorteilen zugunsten der Kernkraftwerkbetreiber. Inwieweit diese mit dem nationalen und dem europäischen Recht vereinbar sind, bildet ein Schwerpunkt dieses Buchs. Ein anderer Schwerpunkt ist der Vergleich mit dem unternehmensexternen Finanzierungssystem, das die Schweiz zur Finanzierungsvorsorge gewählt hat.