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III. Ergebnis
Mit der vorstehenden Darstellung hat sich gezeigt, dass es innerhalb des StGB auch
heute noch Ehrenstrafen gibt. Diese finden sich in den Sanktionen des § 45 und in
der Urteilsbekanntgabe. Die fehlende Bezeichnung der Sanktionen als Ehrenstrafen
kann an ihrem Inhalt nichts ändern, denn sie richten sich gegen Partizipationsrechte
des Einzelnen als Reaktion auf vergangenes Unrecht. Das Fehlen des Begriffs Ehrenstrafe erscheint dabei als Maßnahme durch den Gesetzgeber, der die Herbeiführung der Einheitsstrafe nicht durch die Begrifflichkeit der Ehrenstrafe stören wollte.
IV. Die Abgrenzung der Ehrenstrafe von der Maßregel des Berufsverbots
Neben den hier dargestellten Ehrenstrafen besteht in § 70 I das Berufsverbot, das,
zumindest auf den ersten Blick, ebenfalls eine Statusminderung beinhaltet. Schon in
der Debatte um die Ehrenstrafe alten Rechts wurde diese vom Berufsverbot abgegrenzt, indem ein fehlender Übelcharakter des Berufsverbots attestiert und demzufolge im Gegensatz zur Strafe eine Maßregel angenommen wurde.982 Dabei wurde
die hier im Vordergrund stehende Wiederholungsgefahr als Unterscheidungskriterium zur Ehrenstrafe angesehen,983 die eine Einbeziehung der Schuld unzulässig werden lasse.984 Auch für das heutige Recht lässt sich diese Unterscheidung mit dieser
Begründung aufrechterhalten. Das in den §§ 70ff. geregelte Berufsverbot setzt für
dessen Anordnung nach § 70 I voraus, dass die „Gesamtwürdigung des Täters und
der Tat die Gefahr erkennen lässt, dass er bei weiterer Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges erhebliche rechtswidrige Taten der
bezeichneten Art begehen wird.“ Hiermit wird alleine auf die Gefährlichkeit als
Entscheidungskriterium abgestellt, womit das Berufsverbot zur reinen Sicherungsmaßregel wird.985 Eine Anbindung an den Schuldgrundsatz erfolgt damit nicht, die
jedoch wie gesehen Voraussetzung für die Einordnung als Ehrenstrafe ist. Dieser
Unterschied besteht auch zu den Anknüpfungsvorschriften von § 45.986 Die Sanktion
ist im Übrigen unter dem Kapitel „Maßregeln der Besserung und Sicherung“ eingeordnet. § 45 kennt den Begriff der Wiederholungsgefahr im Gesetzeswortlaut hingegen nicht. Im Unterschied zum Berufsverbot wird, den Traditionen der Ehrenstrafe
entsprechend, an Deliktsbeschreibungen des Besonderen Teils angeknüpft. Hiermit
lässt sich die Unterscheidung zwischen Ehrenstrafe und Berufsverbot rechtfertigen,
wenngleich das Berufsverbot vor dem Hintergrund des Fernhaltens des Einzelnen
von einzelnen Positionen zum Schutze der Gesellschaft die geschichtliche Tradition
der Ehrenstrafe teilt, aber eine Fortentwicklung dieser Sanktionen darstellt. Während
982 Vgl. z.B. Metten, Die Natur der Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte, Seite 30.
983 Gallas in Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, Seite 218.
984 NK-Lemke, § 70, Rn. 1.
985 Vgl. LK-Hanack (11. Auflage), § 70, Rn. 1.
986 Zur Abgrenzung von Berufsverbot und dem Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft vgl.
Schmid, ZRP 1975, Seite 80.
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die letztere aber auch heute noch Strafe ist, ist das Berufsverbot in konsequenter
Weiterentwicklung des Rechtsgedankens zur Maßregel der Besserung und Sicherung geworden.
D. Die Ehrenstrafen im System des StGB
Aus der Wertung von § 45 und der Urteilsbekanntgabe als Ehrenstrafe ergibt sich
die bereits eingangs aufgestellte These, dass diese Wertung Einfluss auf die Interpretation der Sanktionen haben muss. Hieraus folgt die weitere These, dass die offenen
Fragestellungen der Vorschriften durch die entsprechende Einordnung systematisch
beantwortet werden können und somit ein praktischer Nutzen aus ihr zu ziehen ist.
Dies soll im folgenden untersucht werden.
I. Systematische Stellung der Ehrenstrafen im Sanktionensystem
Zunächst stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage nach der Einordnung der
Ehrenstrafen in das Sanktionensystem des StGB.
1. Die systematische Einordnung von § 45 in das StGB
Bereits vor dem Entstehen des modernen § 45 StGB bestand wegen der Automatik
der Sanktion Uneinigkeit hinsichtlich der systematischen Einordnung der Aberkennung des Wahlrechts und der Wählbarkeit wie auch der Amtsfähigkeit.987 Innerhalb
des alten Rechts wurden allerdings durch den Gesetzestext nur Buße und Einziehung
als Nebenfolgen bezeichnet,988 so dass eine Einordnung als Nebenfolge damals verwehrt blieb. Dieser alte Streit hat sich mit der Neuformulierung der Ehrenstrafe
1969 fortgesetzt, was nicht zuletzt darin begründet liegt, dass die Automatik des
Verlustes der Amtsfähigkeit und der Wählbarkeit beibehalten wurde. Innerhalb der
Systematik des StGB stehen die Sanktionen des § 45 im Dritten Abschnitt des Allgemeinen Teils, dessen erster Titel die Überschrift Strafen trägt. Gleichwohl ist § 45
mit einer eigenständigen amtlichen Überschrift versehen, die den Namen Nebenfolgen trägt. Aus dieser Feststellung alleine ist jedoch noch nicht viel gewonnen, da der
Begriff der Nebenfolge weder eindeutig dem Oberbegriff der Strafe des ersten Titels
noch dem der Maßregel der Besserung und Sicherung aus dem sechsten Titel zuzuordnen ist. Demzufolge ergibt sich auch zunächst die Feststellung, dass der Rechtscharakter des § 45 und seine Einordnung in das Sanktionensystem nicht eindeutig
987 Schmidt, ZStW 45 (1925), Seite 14.
988 Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II,, § 61 I, Rn. 1.
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References
Zusammenfassung
Die statusmindernden Nebenfolgen stellen die Ehrenstrafen des heutigen StGB dar. Dieses Ergebnis steht am Ende einer Untersuchung, in der der Autor sich mit den Nebenfolgen, aber auch mit den Begriffen Ehre und Strafe auseinandersetzt. Dabei gelingt es ihm, die Verbindung von Ehrverständnissen und Ehrenstrafen durch die Geschichte nachzuweisen und zu zeigen, dass die Geschichte der Ehrenstrafe in Deutschland mit der Strafrechtsreform von 1969 keinen Abbruch gefunden hat. Gleichzeitig stellt er sich die Frage nach der Notwendigkeit von Ehrenstrafen in heutiger Zeit, die er in begrenztem Umfang für notwendig erachtet.