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rechts,360 die Unfähigkeit zum Richteramt und die Zeugnisunfähigkeit.361 Dabei
blieb der Infame trotz Wegfalls der Rechte grundsätzlich römischer Bürger.362
Zusätzlich zum Institut der Infamie gab es einzelne besondere Rechtsminderungen. Beispiele hierfür sind die Entziehung des Grabrechts, des ehrenvollen Gedächtnisses, die Unfähigkeit, Privatzeugnis zu leisten oder sich leisten zu lassen, der Ausschluss aus der Ämterbewerbung um den Senat sowie die Untersagung der öffentlichen und privaten Tätigkeit, insbesondere des Priestertums.363 Auf diese einzelnen
Rechte soll jedoch wegen ihrer untergeordneten Bedeutung für das Thema nicht
näher eingegangen werden.
Neben den Statusminderungen gab es in Rom Schandstrafen, die ebenfalls zur
Ehrlosigkeit mit den oben benannten Folgen führen konnten.364 Derartige Schandstrafen unterschieden sich insofern von den reinen Statusminderungen, als sie neben
ihrer Auswirkung auf die Ehre auf eine im Akt des Strafens selbst liegende Entwürdigung des Einzelnen gerichtet waren. In diesen Bereich gehörte im römischen
Recht etwa das Halsband, die rumella, bei der der Straftäter durch ein Halsband
kenntlich gemacht wurde, oder die furca, ein ursprünglich landwirtschaftliches Gerät, an das der Verteilte gebunden wurde, um ausgepeitscht zu werden, die den Straftäter in der Öffentlichkeit bloßstellen sollten.365 Wenn eine schwere Schandstrafe
wie die furca gegenüber einem Bürger angewandt wurde, führte die Sanktion zum
Verlust seines Bürgerrechts.366
II. Das römische Recht als Ausgangspunkt der Ehrenstrafe
Hinsichtlich der von der Forschung als Ehrenstrafen bezeichneten Sanktionen des
römischen Rechts lässt sich zunächst eine Auffälligkeit ausmachen, die nur auf den
ersten Blick unspektakulär erscheint. Alles, was als Ehrenstrafe bezeichnet wird,
korrespondiert mit dem Ehrbegriff des römischen Rechts. Bei Sanktionen, die sich
gegen die Ehre des Einzelnen richteten, war so immer der gesellschaftliche Status
des Einzelnen betroffen, auch bei schweren Schandstrafen. Die Minderung oder
Entziehung der Rechtsstellung nach römischem Recht wurde in der Folge in der
Forschung zu den Ehrenstrafen vielfach schon als Parallele zu späteren Sanktionen
gesehen,367 was in ihren ähnlichen Auswirkungen auf den gesellschaftlichen Status
des Einzelnen begründet ist. Die Parallelität der beiden Erscheinungen ist allerdings
360 Dolles, Die Nebenstrafen an der Ehre, Seite 19; Holzer, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte,
Seite 3; bestritten von Marezoll, Über die bürgerliche Ehre, Seite 208; vgl. aber im Einzelnen
Mommsen, Römisches Strafrecht, Seite 998ff.
361 Fuchs, Die Ehrenstrafen, Seite 30.
362 So Dolles, Die Nebenstrafen an der Ehre, Seite 19.
363 Hagen, Die Entwicklung der Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte, Seite 8; vgl. hierzu
im Einzelnen Mommsen, Römisches Strafrecht, Seite 986ff.
364 Schwarz, Die strafgerichtliche Aberkennung, Seite 21.
365 Quanter, Die Schand- und Ehrenstrafen, Seite 45.
366 Quanter, Die Schand- und Ehrenstrafen, Seite 46.
367 Vgl. z.B. Dolles, Die Nebenstrafen an der Ehre, Seite 18.
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begrenzt. So muss angemerkt werden, dass es sich bei den Minderungen der Ehre
zumindest in der republikanischen Zeit noch nicht um staatliche Sanktionen im
klassischen Sinn handelte. Bei Ehrenstrafen wurde dementsprechend nicht scharf
zwischen Zivil- und Strafrecht unterschieden, da die Römer diese Aufspaltung in der
heutigen Form nicht kannten.368 Vielmehr traten Konsequenzen für die Ehre als
Folge sowohl entehrender Tatsachen als auch als Folge gewisser Strafarten ein, ohne
jedoch durch den Strafrichter gesondert festgestellt werden zu müssen.369 Dennoch
bleibt festzuhalten, dass es in Rom ein System von Konsequenzen für die Ehre und
auch von Ehrenstrafen gab. Es bestand auf der einen Seite aus rechtlichen Beschränkungen, zum anderen aber aus Schandstrafen oder Statusminderung aufgrund ehrlosen Verhaltens mit tatsächlicher Wirkung für die Beteiligungsfähigkeit des Einzelnen. Dies fand über eine Einbeziehung der Gesellschaft im Rahmen der Anerkennung des Einzelnen in der Öffentlichkeit selbst statt. Unabhängig vom Anknüpfen
an ein förmliches Strafverfahren mit formalem Ausspruch, wie dies von einer modernen Sanktion erwartet werden könnte, erfolgte die Minderung der Beteiligungsfähigkeit als Reaktion auf ein Verhalten, das den Einzelnen in den Augen der Gemeinschaft als unzuverlässig erscheinen ließ. In der Folge wurde er von der Wahrnehmung bestimmter Rechtspositionen ferngehalten. Besonders interessant ist zudem, dass im römischen Recht der Entzug einzelner Rechte trotz Fortbestandes der
Bürgerschaft bekannt war, also ein absoluter Ausschluss aus der Gemeinschaft in
diesem Fall nicht beabsichtigt war.
Insgesamt ist die Konzeption des römischen Rechts, gesehen vor ihrem historischen Hintergrund, konsequent auf das Bedürfnis nach Erhaltung der Gesellschaft
ausgerichtet. Der römische Staat war nicht zuletzt durch sein zunächst republikanisches System und die Sklavenwirtschaft darauf angewiesen, die Definition des Einzelnen und seiner Rechtsstellung in der Gemeinschaft von der Funktion des Einzelnen für die Gesellschaft abhängig zu machen. Dieses Grundkonzept lässt es als folgerichtig erscheinen, denjenigen, der sich durch sein Verhalten gegen die Gemeinschaft wendet, in seinen Rechten und damit letztlich in seiner Bedeutung für die
Gemeinschaft zu mindern. Natürlich kann in Bezug auf das Römische Reich nicht
von einem dem heutigen ähnelnden Staatsgebilde im Sinne eines demokratischen
Staates gesprochen werden, das dem Menschenbild der Aufklärung verpflichtet ist.
Die Sanktionen und insbesondere die Sanktionen den gesellschaftlichen Status
betreffend sind im römischen Recht keine allgemeingültigen Sanktionen, da es
schon an Rechtsgleichheit der Mitglieder der Gesellschaft fehlt. Auch fehlte ein
durchgreifendes Prinzip des Verlustes von staatsbürgerlichen Fähigkeiten im römischen Recht.370 Dennoch zeigt das Vorliegen eines auf den Begriff der Ehre und
dessen Konzeption abgestimmten Systems von Sanktionen, dass die römischrechtlichen Sanktionen als gesellschaftserhaltend zu verstehen sind. Für die Gesellschaft
ist damit eine sichernde Funktion der Ehrenstrafen anzunehmen. Für den Umstand,
368 Dolles, Die Nebenstrafen an der Ehre, Seite 20; Kießlich, Die Ehrenstrafen, Seite 10;
Schwarz, Die strafgerichtliche Aberkennung, Seite 12.
369 Holzer, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, Seite 2; Kühne, Die Ehrenstrafen, Seite 2.
370 Dolles, Die Nebenstrafen an der Ehre, Seite 20.
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dass insbesondere die Schandstrafen letztlich in ihrem Strafübel nur von der Gesamtheit der römischen Bürger vollstreckt werden konnten, dürfte hingegen die zum
Teil fehlende Strafgewalt des Staates ausschlaggebend gewesen sein.
B. Die Ehrenstrafe im germanischen Rechtskreis
I. Darstellung der bisherigen Forschung zur germanischen Ehrenstrafe
In der Geschichte der Darstellung der Ehrenstrafe wird davon ausgegangen, dass ihr
das germanische Recht als Gemeinschaftsrecht einen weiten Anwendungsbereich
gegeben habe.371 Das germanische System der Ehrenstrafe soll sich in die Friedlosigkeit, die Benehmung der Mannheiligkeit, die Rechtlosigkeit372, die Echtlosigkeit373 (Anrüchigkeit) und die Ehrlosigkeit374 unterteilt haben, die eine Abstufung im
Hinblick auf das den Betroffenen durch die Ehrenstrafe erwartende Übel beinhaltet
haben sollen.375
Anknüpfungspunkt für diese Sanktionen soll eine germanische Ehre gewesen
sein, die sich aus dem Stand der Person ergeben haben soll und so letztlich einer
individualistischen Ehrvorstellung entsprochen habe.376 Wegen des fehlenden
Staatsgebildes habe sich der Ehrbegriff auf die Standesehre beziehen müssen, da der
Germane nicht Untertan eines Staates, sondern Freier im Kreis ebenbürtiger Genossen gewesen sei.377 In Teilen ging die Wissenschaft sogar soweit, hieraus auf eine
allgemeine Bürgerehre in germanischer Zeit zu schließen.378 Wesentlicher Inhalt
dieses Ehrbegriffs sei dabei die Treue gewesen.379 Diese Konstruktion hat zur Folge,
dass die schärfste Rechtsfolge des Ehrverlusts, der Verlust des Standesschutzes,
vorherbestimmt wäre.380 Obwohl nämlich der Ehrbegriff nach diesem Ansatz nicht
371 Vgl. z.B. Betz, Die Ehrenstrafen, Seite 8.
372 Nach Holzer, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, Seite 4, die Entziehung bestimmter, meist
prozeßrechtlicher Ehrenrechte, wie des Rechtes, Zeuge zu sein, als Folge einer Verurteilung
oder eines ehrlosen Lebenswandels.
373 Nach Holzer, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, Seite 4, Folge eines ehrlosen Lebenswandels, z.B. der Spielleute.
374 Vgl. Fuchs, Die Ehrenstrafen, Seite 32; zu den Folgen der Rechtlosigkeit/Ehrlosigkeit vgl.
Dolles, Die Nebenstrafen an der Ehre, Seite 23; Holzer, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte,
Seite 4, der die Ehrlosigkeit insbesondere als Spezialfall der Rechtlosigkeit bei bestimmten
Delikten ansieht.
375 Vgl. hierzu die Darstellungen von Holzer, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, Seite 4 und
Kühne, Die Ehrenstrafen, Seite 5.
376 Schwarz, Die strafgerichtliche Aberkennung, Seite 21; Fuchs, Die Ehrenstrafen, Seite 31;
Kießlich, Die Ehrenstrafen, Seite 11.
377 Dolles, Die Nebenstrafen an der Ehre, Seite 22; Holzer, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte,
Seite 3.
378 Holzer, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, Seite 3.
379 Hagen, Die Entwicklung der Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte, Seite 9; Betz, Die
Ehrenstrafen, Seite 9.
380 Schwarz, Die strafgerichtliche Aberkennung, Seite 21.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die statusmindernden Nebenfolgen stellen die Ehrenstrafen des heutigen StGB dar. Dieses Ergebnis steht am Ende einer Untersuchung, in der der Autor sich mit den Nebenfolgen, aber auch mit den Begriffen Ehre und Strafe auseinandersetzt. Dabei gelingt es ihm, die Verbindung von Ehrverständnissen und Ehrenstrafen durch die Geschichte nachzuweisen und zu zeigen, dass die Geschichte der Ehrenstrafe in Deutschland mit der Strafrechtsreform von 1969 keinen Abbruch gefunden hat. Gleichzeitig stellt er sich die Frage nach der Notwendigkeit von Ehrenstrafen in heutiger Zeit, die er in begrenztem Umfang für notwendig erachtet.