144
Die CPA war mit exekutiven, legislativen und judikativen Befugnissen ausgestattet, die durch den sogenannten Verwalter auszuüben waren.656 Zur Ausübung seiner
Legislativbefugnisse konnte sich der Verwalter verschiedener rechtlicher Instrumente bedienen: er konnte Regulations erlassen, um die Befugnisse und Institutionen der
CPA auszugestalten.657 Bindende Anweisungen in anderen Angelegenheiten erfolgten durch sogenannte Orders.658 Regulations und Orders hatten Vorrang vor dem
ansonsten weiterhin anwendbaren irakischen Recht.659 Sie sollten in Kraft bleiben,
bis sie vom Verwalter zurückgenommen oder neue Gesetze von irakischen, demokratischen Institutionen erlassen würden.660 Neben den Regulations und Orders
konnte der Verwalter sogenannte Memoranda erlassen. Hierbei handelt es sich um
eine Rechtsquelle, die als Leitfaden zur Auslegung und Anwendung der Regulations
und Orders diente.661 Schließlich konnte der Verwalter die Öffentlichkeit durch
Public Notices über seine politischen Schritte informieren.662
II. Transformation des Irak
Die CPA wirkte in verschiedener Weise auf die bestehenden Strukturen im Irak ein.
Besondere Aufmerksamkeit verdient die Transformation des politischen Systems,
des Justizwesens, der Verwaltung sowie des Wirtschaftssystems.
1. Politisches System
Mit dem politischen System ist das Fundament des irakischen Staates grundlegend
geändert worden. Vergleicht man die Situation vor und nach Beginn der Besatzung,
so treten gewichtige Unterschiede zu Tage.
a. Situation vor der Besatzung
Vor der Besatzung war der Irak ein zentralisierter, totalitärer Staat.663 Die Macht
konzentrierte sich im Präsidenten, der Ba`ath Partei und dem Revolutionären Kom-
656 Ibid., Section 1 (2). Paul Bremer wurde am 06.05.2003 als Verwalter vorgeschlagen. Vgl. die
Biographie unter http://www.cpa-iraq.org/bios/ (Stand: 07. April 2008).
657 CPA Regulation No. 1 (Anm. 654), Section 3 (1).
658 Ibid.
659 Ibid., Section 2, 3 (1).
660 Ibid., Section 3 (1).
661 Ibid., Section 4.
662 Ibid., Section 3 (1).
663 Vgl. Al-Istrabadi, N.Y. L. Sch. L. Rev. 50 (2005 – 2006), 269 (276). Zur Verfassungsgeschichte des Irak vgl. N. Brown, Drake L. Rev. 53 (2004 – 2005), 923 (923 ff.).
145
mandorat. Bei dem Revolutionären Kommandorat handelte es sich um das zentrale
Staatsorgan des Irak, in dem alle ranghohen Funktionäre der Ba`ath Partei vertreten
waren.664 An seiner Spitze stand der irakische Präsident, der gleichzeitig den Vorsitz
der Ba`ath Partei führte.665 Es bestand somit eine Einheit zwischen Staat und Partei,
die Repräsentation des Volkes war nicht gewährleistet. Ebenso wenig existierte ein
System der Gewaltenteilung. Vielmehr unterlagen Exekutive, Legislative und Judikative der Kontrolle des Präsidenten.666
b. Transformation
Die Transformation des politischen Systems war explizites Ziel der CPA. So heißt es
in CPA Regulation 1:
„The CPA shall exercise powers of government temporarily in order [...] to create conditions
in which the Iraqi people can freely determine their own political future, including by advancing efforts to restore and establish national and local institutions for representative governance“.
Das irakische Volk sollte somit in die Lage versetzt werden, über seine politische
Zukunft zu entscheiden. Zu diesem Zweck wollte die CPA Strukturen einer repräsentativen Demokratie schaffen.
Eine grundlegende Maßnahme für den Übergang des Irak von einem besetzten,
totalitären Staat in einen unabhängigen, demokratischen Staat war die Schaffung des
Iraqi Governing Council (IGC) am 13.07.2003.667 Diese Institution bestand aus 25
von der CPA ernannten Mitgliedern, die die gesamte irakische Gesellschaft repräsentieren sollten. Ihre Auswahl erfolgte in Konsultation mit den Vereinten Nationen
und Vertretern des irakischen Volkes.668 Dabei wurde darauf Acht gelegt, ein ausgewogenes Verhältnis der verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppierungen
zu gewährleisten. Neben der Ethnizität und der religiösen Identität wurde auch das
Kriterium der Ansässigkeit berücksichtigt, indem neben Irakern auch Exiliraker als
Mitglieder des IGC auserkoren wurden.669
Aufgabe des IGC war es, in Zusammenarbeit mit der CPA Grundsteine für die
politische Zukunft des Irak zu legen.670 Der zeitliche Rahmen hierfür wurde im
Agreement on Political Process vom 15. November 2003 zwischen CPA und IGC
664 Vgl. Fürtig, Kleine Geschichte des Irak, 2. Aufl. (2004), S. 84.
665 Vgl. Jabar, Postconflict Iraq, A race for stability, reconstruction and legitimacy, United
States Institute of Peace, Special Report 120, May 2004, S. 1 (7).
666 Vgl. Jabar a. a. O., S. 7.
667 Vgl. CPA Regulation No. 6, 13. Juli 2003.
668 Vgl. Jabar (Anm. 665), S. 8.
669 Vgl. Report of the Secretary-General pursuant to paragraph 24 of Security Council Resolution 1483 (2003), U.N. Doc. S/2003/715, 17. Juli 2003, Rn. 24. Vgl. auch Jabar a. a. O., S. 9.
670 Vgl. CPA Regulation No. 6, 13. Juli 2003, Section 1.
146
festgelegt.671 Es ist hervorzuheben, dass die CPA dem IGC formal die Stellung als
Hauptorgan der irakischen Übergangsverwaltung einräumte.672 Tatsächlich waren
die Befugnisse des IGC jedoch überwiegend konsultativer Natur. Das Letztentscheidungsrecht lag stets bei der CPA.673
CPA und IGC erarbeiteten gemeinsam das Transitional Administration Law
(TAL).674 Diese Interimsverfassung, die gem. Art. 3 TAL Vorrang vor allen anderen
Rechtsquellen haben sollte, enthielt Vorgaben für den künftigen politischen Status
des Irak. Gem. Art. 4 TAL sollte der Irak ein republikanischer, demokratischer Bundesstaat werden, der vom Prinzip der Gewaltenteilung geprägt ist. Die föderale
Struktur des Irak wurde in den Art. 52 ff. TAL konkretisiert. Leitmotiv war die Verhinderung einer Machtkonzentration durch Dezentralisierung.675 In Art. 7 TAL wurde der Islam als Staatsreligion anerkannt. Bemerkenswert ist es, dass der Islam
gleichzeitig als Rechtsquelle betrachtet wurde.676 Die arabische und kurdische Sprache wurden als offizielle Sprachen anerkannt.677 Art. 10 bis 23 TAL enthielten einen
Katalog von Grundrechten. Schließlich finden sich Vorgaben für den Übergang in
die Unabhängigkeit, der sich in verschiedenen Phasen vollziehen und spätestens am
31. Dezember 2005 enden sollte.678 Tatsächlich erfolgte innerhalb dieses Zeitraums
eine Übertragung der Kompetenzen von der CPA auf Vertreter des irakischen Volkes.
In der ersten Phase wurde die Macht durch eine souveräne irakische Interimsregierung übernommen.679 Die Mitglieder der Interimsregierung wurden durch die
CPA ernannt.680 Am 28. Juli 2004 löste sich die CPA daraufhin auf.681 Aufgabe der
Interimsregierung war es, in Kooperation mit der United Nations Assistance Mission
to Iraq, dem Sonderbeauftragten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, den
671 Abrufbar unter: http://www.cpa-iraq.org/government/AgreementNov15.pdf (Stand: 18. Juni
07).
672 Vgl. CPA Regulation No. 6 (Anm. 667).
673 Vgl. Hamoudi, Transnat´l. L. & Contemp. Probs. 16 (2007), 523 (529). Hamoudi weist aber
darauf hin, dass der Einfluss des IGC nicht zu unterschätzen sei. Ein ungeschriebenes Vetorecht resultiere aus dem Umstand, dass der IGC die Durchsetzung erlassener Rechtsvorschriften habe verweigern können. Vgl. Hamoudi a. a. O., S. 535. Vgl. aber auch Bantekas, Int´l &
Comp. L. Q. 54 (2005), 237 (239).
674 Law of Administration for the State of Iraq for the Transitional Period, 08. März 2004.
675 Art. 52 TAL.
676 Art. 7 TAL lautet: „Islam is the official religion of the State and is to be considered a source
of legislation. No law that contradicts the universally agreed tenets of Islam, the principles of
democracy, or the rights cited in Chapter TWO of this law may be enacted during the transitional period. This Law respects the Islamic identity of the Iraqi people and guarantees the
full religious rights of all individuals to freedom of religious belief and practice.“ Eingehend
hierzu Hansen, Roger Williams U. L. Rev. 12 (2006), 256 (256 ff.); Mattar, Fordham Int´l L.
J. 30 (2006), 126 (150 ff.).
677 Art. 9 TAL.
678 Art. 2 TAL.
679 Art. 2 B (1) TAL.
680 CPA Regulation No. 10, 09. Juni 2004.
681 Vgl. Carcano, J. Conflict & Security L. 11 (2006), 41 (41).
147
Besatzungsmächten sowie Vertretern des irakischen Volkes eine unabhängige
Wahlkommission für die Wahlen zur National Assembly zu schaffen.682
In der zweiten Phase sollte das sogenannte Transitional Government geschaffen
werden.683 Seine Kompetenzen erstreckten sich gem. Art. 25 TAL auf die auswärtigen Beziehungen, den Sicherheitssektor, das Personenstandswesen, die Telekommunikation, die Fiskalpolitik, die Verwaltung der natürlichen Ressourcen sowie die
Festlegung von Maßen, Gewichten und Löhnen. Grundstein für die Schaffung des
Transitional Governments waren die Wahlen zur National Assembly, die bis zum 31.
Dezember 2004 abgehalten werden sollten.684 Dies erfolgte auf Grundlage des von
der CPA ausgearbeiteten Wahlgesetzes vom 15. Juni 2004.685 Die National Assembly bestand aus 275 Abgeordneten, die verschiedene Volksgruppen repräsentieren sollten.686 Mindestens ein Viertel aller Abgeordneten sollten Frauen sein.687 Das
Transitional Government war vom Prinzip der Gewaltenteilung geprägt.688 Die National Assembly bildete die Legislative, Presidency Council und Council of Ministers bildeten die Exekutive, und die Judikative lag in Händen der Judicial Authority.
Eine Ämterhäufung war gem. Art. 28 TAL verboten. Der Presidency Council, bestehend aus dem Staatspräsidenten und zwei Abgeordneten, sollte von der National
Assembly ernannt werden.689 Aufgabe des Presidency Council war es, die Souveränität des Irak zu verkörpern und die Regierungsgeschäfte zu überwachen.690 Ihm
stand gem. Art. 37 TAL ein Vetorecht gegenüber von der National Assembly erlassenen Gesetzen zu. Ein Veto konnte mit Zweidrittelmehrheit überstimmt werden.691
Dem Presidency Council oblag die Ernennung des Prime Ministers sowie auf dessen
Empfehlung des Council of Ministers.692 Sein Vorschlag bedurfte der Zustimmung
der National Assembly; dieser stand das Recht zu, ein Misstrauensvotum einzulegen.693 Als dritte Säule des Transitional Government ist die Federal Judicial Authority zu betrachten. Unabhängig von Legislative und Exekutive sollte es Privileg der
Federal Judicial Authority sein, über die Schuld oder Unschuld Angeklagter zu
befinden.694 Mit dem Federal Supreme Court wurde ein Verfassungsgericht geschaffen.695 Schließlich wurde der Higher Juridical Council geschaffen, ein Überwachungsorgan, das die Aufgaben des Council of Judges übernehmen sollte.
682 Vgl. Bassiouni (Anm. 152), S. 353.
683 Art. 2 B (2) TAL.
684 Art. 31 (D) TAL.
685 CPA Order 96, 15. Juni 2004.
686 Art. 31 TAL.
687 Ibid.
688 Art. 24 (B) TAL.
689 Art. 36 (A) TAL.
690 Art. 36 (A) TAL.
691 Art. 37 TAL.
692 Art. 38 (A) TAL.
693 Ibid.
694 Art. 43 (A) TAL.
695 Art. 44 TAL.
148
Für die letzte Phase war schließlich die Ausarbeitung einer neuen Verfassung geplant. Zu diesem Zweck sollte von der National Assembly ein Verfassungsentwurf
erarbeitet werden, der im Rahmen eines Referendums vom Volk angenommen werden sollte.696 Es war vorgesehen, dass in Übereinstimmung mit der neuen Verfassung Wahlen zur Bildung einer permanenten Regierung angesetzt werden. Wie
geplant trat die Verfassung am 15. Oktober 2005 in Kraft.697 Wahlen wurden im
Dezember 2005 durchgeführt.698
c. Fazit
Das politische System des Irak hat in vielerlei Hinsicht eine Transformation erfahren. Ins Auge sticht der Übergang von einem totalitären in einen demokratisch verfassten Staat, in dem die Bürger de jure Mitbestimmungsrechte ausüben können.699
Darüber hinaus sind die zentralistischen Herrschaftsstrukturen im Zuge der Föderalisierung des Irak aufgebrochen worden.
Der Prozess der Verfassungsgebung vollzog sich zwischen zwei Polen: dem Modell der demokratischen Verfassungsgebung eines Volkes und dem Modell der Oktroyierung einer Verfassung durch einen externen Akteur.700 So ist zum einen hervorzuheben, dass die Reform des politischen Systems unter Einbeziehung des irakischen Volkes erfolgte. Mit dem IGC wurde eigens ein Organ geschaffen, um die
Interessen der irakischen Bevölkerung zu ermitteln. Das irakische Volk konnte dar-
über hinaus in freier Abstimmung über die Annahme der Verfassung befinden. Zum
anderen ist nicht zu verkennen, dass die wesentlichen Impulse für die Änderung des
politischen Systems von der CPA ausgingen. Auch wenn die Verfassung vom irakischen Volk formal angenommen worden ist, handelt es sich dennoch um ein Produkt
der CPA. Die Einbeziehung von Vertretern des irakischen Volkes während des Prozesses der Ausarbeitung vermag hieran nichts zu ändern. Denn bereits die Auswahl
der Repräsentanten erfolgte durch die CPA, teilweise in Zusammenarbeit mit den
Vereinten Nationen, und somit auf undemokratischem Wege.701 Ungeachtet der
Einräumung von Beteiligungsrechten blieben überdies stets umfassende Befugnisse
696 Art. 61 TAL.
697 Zum Inhalt der neuen irakischen Verfassung vgl. Jimenez, Hum. Rts. Brief 13 (2005), 21 (21
f.). Eine politologische Auseinandersetzung findet sich bei McGarry / O´Leary, Int´l J. Const.
L. 5 (2007), 670 (676 ff.).
698 N.N., Harv. L. Rev. 119 (2005 – 2006), 1201 (1205 f.).
699 Es ist hinlänglich bekannt und bedarf keiner weiteren Erörterung, dass die politische Situation
im Irak de facto äußerst unstabil ist und der Irak weit davon entfernt ist, als Demokratie bezeichnet werden zu können.
700 Vgl. Arato, N.Y.L. Sch. L. Rev. 51 (2006 – 2007), 535 (547). A.A. Soudriette, Hum. Rts. 32
(2005), 22 (23), demzufolge lediglich „Hilfe zur Selbsthilfe“ geleistet wurde.
701 Kritisch Arato a. a. O., S. 548 f., der die Bevorzugung der Kurden moniert.
149
bei der CPA.702 Bezeichnender Weise nahmen auch Teile der irakischen Bevölkerung die Verfassung als illegitim wahr. So boykottierten die Sunniten die Wahlen im
Januar 2005.703
2. Transformation des Justizwesens
Das Justizwesen des Irak wurde ebenso grundlegend reformiert. Die CPA rief zum
einen neue Institutionen zur Ahndung des begangenen Unrechts und zur Sicherung
der Unabhängigkeit der Justiz ins Leben. Zum anderen wurde durch Änderungen des
materiellen Strafrechts und der Strafprozessordnung auf das normative Gefüge des
Justizwesens eingewirkt.
a. Justizsystem vor der Besatzung
Das irakische Justizsystem entsprach im Zeitpunkt der Besatzung nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen. Das Strafrecht wurde instrumentalisiert, um Regimegegner zu
unterdrücken.704 Korruption und Parteilichkeit prägten die Justiz.705 Durch die
Schaffung außerordentlicher Gerichte wurden fundamentale Verfahrensgarantien
unterlaufen.706 Schließlich wurde die Ausbildungszeit der Richter mehr zu ihrer
Indoktrinierung als zur Übermittlung juristischer Kenntnisse genutzt.707
Anhaltende Plünderungen und Versuche ehemaliger Regimesympathisanten,
Nachweise ihrer Verwicklung in das ehemalige Regime zu vernichten, verschlimmerten die Missstände.708 Aus Sicht der CPA waren daher Reformen unentbehrlich,
um die Funktionsfähigkeit des Justizwesens zu sichern.
702 Vgl. Arato, From Interim to Permanent Constitution in Iraq?, abrufbar unter:
http://www.law.nyu.edu/kingsburyb/fall05/globalization/Arato_Interim_Iraq.pdf (Stand: 18.
Juni. 2007), S. 1 (2).
703 Vgl. Arato (Anm. 700), S. 550; Deeks, Whittier L. Rev. 28 (2007), 837 (852).
704 Vgl. Farhang, L.A. Law. 27 – AUG (2004), 45 (46).
705 Vgl. Bâli (Anm. 376), S. 452; Perito, Establishing the Rule of Law in Iraq, United States
Institute of Peace, Special Report 104, April 2004, S. 4; Williamson, Ga. J. Int´l & Comp. L.
33 (2004 – 2005), 229 (231); Roberts, Hofstra L. Rev. 33 (2004), 367 (385).
706 Vgl. Perito a. a. O., S. 4; Roberts a. a. O., S. 380.
707 Vgl. M. Franck, Fla. J. Int´l L. 18 (2006), 1 (14).
708 Vgl. Williamson (Anm. 705), S. 233; Scharf, J. Int´l Crim. Just. 2 (2004), 330 (333).
150
b. Transformation
aa. Institutionell
Eine der ersten Schritte der CPA zur Reform des Justizwesens war die Schaffung
von Institutionen, die über die Unabhängigkeit der Justiz wachen sollten. Zu diesem
Zweck wurde am 23.06.2003 das sogenannte Judicial Review Committee geschaffen.709 Bestehend aus drei irakischen und drei internationalen Juristen sollte diese
Institution die Eignung von Richtern und Staatsanwälten für die von ihnen ausgeübte Tätigkeit überprüfen.710 Das Judicial Review Committee hatte das Recht, Richter
und Staatsanwälte ihres Amtes zu entheben und über die Neubesetzung von Stellen
zu befinden.711
Kurze Zeit später wurde mit dem Council of Judges ein weiteres Organ für die
Aufsicht über die Justiz geschaffen.712 Ähnlich wie das Judicial Review Committee
wachte auch der Council of Judges über die Tätigkeit von Richtern und Staatsanwälten und konnte diese befördern oder mit Disziplinarmaßnahmen belegen. Es ist hervorzuheben, dass ein solches Organ bereits in der Zeit vor der Besatzung existiert
hatte.713 Unter der Herrschaft von Saddam Hussein war seine Tätigkeit jedoch zum
Erliegen gekommen.
Zur Ahndung bestimmter schwerer Verbrechen des vorherigen Regimes wurde
das Iraqi Special Tribunal (IST) ins Leben gerufen.714 Die Schaffung dieses Gerichts
wurde durch Order 48 an den Iraqi Governing Council delegiert.715 Der Verwalter
der CPA behielt sich jedoch das Recht vor, Änderungen des Gerichtsstatuts vorzunehmen. Das IST-Statut trat bereits am 10. Dezember 2003 in Kraft. Auch wenn es
in Art. 48 TAL bestätigt wurde716 und unter Mitwirkung des IGC zustande kam,
handelt es sich um ein Produkt der Besatzungsmacht.717 Die Jurisdiktion des IST
erstreckte sich auf Verbrechen, die zwischen dem 17. Juli 1968 und dem 1. März
2003 begangen wurden.718 Art. 10 des IST-Statuts nennt Genozid, Verbrechen gegen
die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen sowie bestimmte Verbrechen gegen die öf-
709 CPA Order No. 15, 23. Juni 2003.
710 Ibid., Section 3 f.
711 Ibid., Section 4.
712 CPA Order No. 35, 13. September 2003.
713 Ibid.
714 CPA Order No. 48, 09. Dezember 2003.
715 Zu diesem Zeitpunkt existierte jedoch bereits ein Entwurf für das Statut, so dass der Mitwirkung des IGC nicht zu große Bedeutung beizumessen ist. Vgl. Bantekas (Anm. 673), S. 239.
716 Es ist darauf hinzuweisen, dass der IST mit Gesetz vom 18. Oktober 2005 durch das Supreme
Iraqi Criminal Tribunal (SICT) ersetzt worden ist. Abgesehen von dem neuen Namen und
dem Ursprung des SICT bestanden jedoch kaum Unterschiede zum IST. Vgl. Scheuermann,
Tul. J. Int´l & Comp. L. 15 (2006), 291 (293 f.).
717 Vgl. Bassiouni (Anm. 152), S. 358; Bantekas (Anm. 673), S. 239.
718 Erfasst werden damit die Meilensteine des irakischen Unrechtssystems: die Etablierung des
Bakr Regimes, der Iran – Irak Krieg, die Anfal Kampagne sowie die Besatzung Kuwaits.
151
fentliche Ordnung, die bereits zuvor im irakischen Strafgesetzbuch existierten.719 Es
besteht somit eine große Ähnlichkeit zur Jurisdiktion der internationalen Straftribunale.720 Ausgenommen wurden Akte der Besatzungsmächte.721 In organisatorischer
Hinsicht untergliedert sich das IST in fünf Abteilungen. Es ist hervorzuheben, dass
sowohl eine Abteilung für die Anklage, vergleichbar der Staatsanwaltschaft im deutschen Rechtssystem, als auch das Amt eines Untersuchungsrichters zur Erforschung
des Sachverhalts vorgesehen ist.722 Damit ist das IST ebenso von Elementen des
inquisitorischen wie von Elementen des adversatorischen Strafverfahrens geprägt.723
Was die Auswahl der Richter anbelangt, so finden sich nur wenige Vorgaben. Art. 5
des Statuts bestimmt, dass Richter über eine hinreichende Qualifikation verfügen
müssen und unparteiisch sein sollen. Regelungen über das konkrete Verfahren der
Richterernennung existieren indes nicht. Auch das Verfahren zur Ablehnung von
Richtern wird kaum näher gekennzeichnet. Weitaus detaillierter sind die Rechte des
Beschuldigten geregelt. Art. 20 des Statuts enthält eine Auflistung wichtiger Gewährleistungen wie das Recht auf Gleichbehandlung, Verteidigerbeistand, rechtliches Gehör oder das Recht, sich selbst nicht zu belasten. Hier sind auch wichtige
Prozessmaximen wie die Unschuldsvermutung oder die Konzentrationsmaxime
verankert.
Neben dem IST wurde mit dem Central Criminal Court of Iraq (CCCI) ein Gerichtshof zur Verfolgung weiterer schwerer Straftaten geschaffen.724 Der CCCI sollte sich insbesondere Straftaten wie Terrorismus, organisiertes Verbrechen oder Korruption von Beamten widmen.725 Dies erfolgte in Kooperation mit existierenden
lokalen Gerichten, denen der CCCI als Vorbild dienen sollte.726 Um die Unabhängigkeit der Richter des CCCI zu sichern, wurden in CPA order 13 Section 6 verschiedene Regelungen getroffen. Hier ist niedergelegt, dass Richter während ihrer
Amtszeit keinen anderen Erwerbstätigkeiten nachgehen dürfen. Ihre Unabhängigkeit
darf ebenso wenig durch interne hierarchische Strukturen beeinträchtigt werden.
Ergänzend regelt Section 8, dass Richter unter bestimmten Voraussetzungen wegen
Befangenheit abgelehnt werden dürfen.
CPA Order 13 enthält schließlich einige wichtige Prozessmaximen für das Verfahren vor dem CCCI. Hierzu zählen der Grundsatz der Öffentlichkeit727 und das
Recht auf Verteidigerbeistand728.
719 Art. 14 listet folgende Straftaten auf: Versuch der Bestechung eines Richters, Verschwendung
natürlicher Ressourcen oder staatlicher Güter sowie Amtsmissbrauch und sonstiges Verhalten, das die Gefahr birgt, einen Krieg mit einem arabischen Land herbeizuführen.
720 Vgl. Shany, J. Int´l Crim. Just. 2 (2004), 338 (338).
721 Die Immunität wird jedenfalls durch CPA Order 17 vom 27. Juni 2004 gewährt.
722 Art. 3 Statut des IST.
723 Kritisch zu dieser Dichotomie Zappala, J. Int´l Crim. Just. 2 (2004), 855 (861).
724 CPA Order 13, 22. April 2004.
725 Ibid., Section 18, mit weiteren Beispielen schwerer Straftaten.
726 Ibid., Section 9. Vgl. auch Fox (Anm. 401), S. 213 f.
727 Ibid., Section 10.
728 Ibid., Section 22.
152
bb. Normativ
Normative Änderungen betreffen zum einen das materielle Strafrecht. Wie bereits
erwähnt, sollten vor dem Iraqi Special Tribunal neben Delikten gegen die öffentliche Ordnung Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Genozid
verhandelt werden. Diese Straftatbestände existierten nicht in der Rechtsordnung
unter Saddam Hussein.729
Umfassende Reform erfuhr zum anderen auch die irakische Strafprozessordnung
von 1971. Von Bedeutung sind insbesondere die Regeln, die die Stellung des Beschuldigten im Verfahren betreffen. Zu nennen sind das Recht auf Verteidigerbeistand, das Recht zu schweigen oder rechtliche Sicherungen im Fall einer Inhaftierung.730 Darüber hinaus wurde die Todesstrafe ausgesetzt und ein Verbot von Folter
und unmenschlicher Behandlung statuiert.731 Schließlich wurden Maßnahmen zur
Verbesserung der Haftbedingungen ergriffen.732 Zu nennen sind die Gewährleistung
von angemessenen Schlafmöglichkeiten und sanitären Einrichtungen sowie das
Verbot körperlicher Bestrafung oder Diskriminierung.
3. Transformation der Verwaltung
Im Bereich der Verwaltung wurden seitens der CPA ebenso Reformen forciert. Besonders nachhaltig wirkten sich die Maßnahmen der Entba`athifizierung aus.
a. Situation vor der Besatzung
Die Ba`ath Partei unter dem Vorsitz Saddam Husseins gehörte zu den wichtigen
Akteuren des irakischen Unrechtsregimes. Geprägt vom Gedankengut des nationalistischen Panarabismus und sozialistischen Islamismus verbreiteten ihre Anhänger
die staatstragende Ideologie des Irak.733 Die öffentlichen Ämter waren im Irak fast
durchweg mit Mitgliedern oder Sympathisanten der Ba`ath Partei besetzt.734 Viele
von ihnen hatten sich schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen zu Schulde
kommen lassen. Aus diesem Grund sah sich die CPA zur Entba`athifizierung des
irakischen Staates veranlasst.
729 Vgl. Bantekas (Anm. 673), S. 241.
730 CPA Memo 3, 27. Juni 2004.
731 CPA Order 7, 09. Juni 2003.
732 CPA Memo 2, 08. Juni 2003.
733 Vgl. Hollywood, Brook. J. Int´l L. 33 (2007), 59 (107); Stover / Megally / Mufti, Hum. Rts. Q.
27 (2005), 830 (844).
734 Vgl. Fürtig (Anm. 664), S. 142.
153
b. Transformation
Zentrale Maßnahme war die Auflösung der Ba`ath Partei. Ehemalige Führungskräfte
der Ba`ath Partei wurden aus dem öffentlichen Dienst entfernt.735 In den höheren
Ebenen von Regierungsinstitutionen wurde sogar die bloße Mitgliedschaft in der
Ba`ath Partei als Grund genommen, eine Amtsenthebung zu rechtfertigen.736
Mitte Mai 2003 wurde ein irakischer Entba`athifizierungsrat geschaffen.737 Diesem oblag die Aufgabe, Informationen über Vermögen, Verbleib und etwaige Straftaten von Mitgliedern der Ba`ath Partei zu beschaffen. Ende 2003 wurden diese
Aufgaben dem Iraqi Governing Council übertragen.738
Schließlich wurden im Zuge der Entba`athifizierung zahlreiche Institutionen abgeschafft; ihr Vermögen wurde konfisziert.739 Betroffen von dieser Maßnahme waren insbesondere Institutionen im Bereich des Sicherheitssektors wie Geheimdienste
oder das Verteidigungsministerium.
4. Wirtschaftliche Transformation
Erwähnung verdienen zu guter Letzt auch die Reformen des Wirtschaftssystems. So
forcierte die CPA den Wandel eines planwirtschaftlichen Systems in eine Marktwirtschaft. Einem äußerst investorunfreundlichen Regime wurde eine Wirtschaftsverfassung verliehen, die dem Außenhandel kaum Schranken setzt.
a. Situation im Zeitpunkt der Besatzung
Die wirtschaftliche Situation des Irak erwies sich im Zeitpunkt der Besetzung als
äußerst prekär. Zum einen waren enorme Missstände durch die Wirtschaftsverfassung des Irak verursacht worden.740 Diese war deutlich von sozialistischen Zügen
geprägt. Gemäß Art. 13 standen nationale Ressourcen und Produktionsmittel im
Eigentum des irakischen Volkes. Nur in Einzelfällen wurde Privateigentum mit der
Auflage anerkannt, dass es nicht in Widerspruch zu staatlichen Wirtschaftsplänen
ausgeübt wird. Ausländern wurde das Eigentum an Immobilien gar vollends verwehrt. Auch war jegliche Form ausländischer Direktinvestition unzulässig. Der
wirtschaftliche Niedergang wurde verschärft durch Korruption und eine uneffiziente
735 Vgl. CPA Order No. 1, 16. Mai 2003.
736 Ibid.
737 Vgl. CPA Order No. 5, 25. Mai 2003.
738 Vgl. Memo No. 7, 04. November 2003, sowie CPA Order No. 100, 28. April 2004.
739 Vgl. CPA Order No. 2, 23. Mai 2003.
740 Vgl. McCarthy (Anm. 276), S. 52.
154
Regulierung der Volkswirtschaft.741 Zum anderen hatten Kriege und Wirtschaftssanktionen deutliche Spuren hinterlassen.742 Die wirtschaftliche Infrastruktur – insbesondere das Verkehrsnetz, Pipelines und öffentliche Gebäude – hatten in großem
Maße Schaden erlitten. Auch die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser und Elektrizität war nicht sichergestellt.
Die wirtschaftliche Unterentwicklung kann an konkreten Zahlen gemessen werden. Ca. 80 % der Bevölkerung lebten in Armut.743 Ein ähnlich hoher Anteil war
arbeitslos.744 Das Bruttoinlandsprodukt lag im Jahre 2001 bei nur 770 bis 1020 Dollar, Tendenz fallend.745 Hinzu kam eine extrem hohe Staatsverschuldung zwischen
60 und 100 Milliarden Dollar.746
Die Besonderheit der irakischen Volkswirtschaft lag nun darin, dass der Irak das
Potential für eine mittelfristige Konsolidierung seiner wirtschaftlichen Situation
aufwies. Große Ölvorkommen sowie Humankapital gehören zu den komparativen
Vorteilen des Irak. Nach der Einschätzung internationaler Beobachter versprach der
Übergang in eine liberale Marktwirtschaft – insbesondere die Förderung von privaten Investitionen und Handel – wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand.747 Dies
veranlasste die CPA zur Vornahme weitgehender transformativer Maßnahmen.
b. Transformation
Eines der primären Ziele der CPA war es, die Koordination von Produktion und
Konsumtion über den Markt zu steuern. Es wurden zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um eine solche Dezentralisierung der Wirtschaftsordnung hin zur Marktwirtschaft zu forcieren. Viele der ehemals staatlichen Betriebe wurden privatisiert und
damit dem Einfluss der öffentlichen Hand entzogen.748 Mit der Schaffung des Iraqi
Stock Exchange749 wurde auf den Kapitalmarkt eingewirkt: Die staatliche Kontrolle
wurde zurückgedrängt und durch ein Prinzip der Selbstregulierung ersetzt. In gleicher Weise erfolgten Änderungen auf dem Bankensektor. So erließ die CPA ein
741 Vgl. Henderson, The Coalition provisional Authority´s Experience with Economic Reconstruction in Iraq, United States Institute of Peace, Special Report 138, April 2005, S. 3.
742 Vgl. McCarthy (Anm. 276), S. 55; United Nations / World Bank Joint Iraq Needs Assessment
(Anm. 71), S. 4 f. Vgl. auch Post conflict Iraq – A UNDP humanitarian action plan, 28. März
2003, abrufbar unter: http://www.undp.org/dpa/journalists/Iraqflashpreser28March.pdf
(Stand: 02. August 2007), S. 1 (4).
743 Vgl. den Bericht des Generalsekretärs U.N. Doc. S/715/2003, 17. Juli 2003, Rn. 84.
744 Vgl. McCarthy (Anm. 276), S. 55 f. Vgl. auch Hope / Griffin, Cardozo J. Int´l & Comp. L. 11
(2003 – 2004), 875 (883).
745 Vgl. McCarthy a. a. O., S. 55 f.
746 Post conflict Iraq – A UNDP humanitarian action plan (Anm. 742), S. 4.
747 United Nations / World Bank Joint Iraq Needs Assessment (Anm. 71), S. 8 f.
748 Vgl. McCarthy (Anm. 276), S. 65.
749 CPA Order 74, 18. April 2004.
155
neues Bankgesetz, um das Bankensystem zu liberalisieren.750 Auch die irakische
Zentralbank wurde grundlegend reformiert.751
Weitreichende Änderungen erfolgten darüber hinaus zur Förderung ausländischer
Direktinvestitionen und des Handels: Ausländischen Investoren wurde der Weg
geebnet, irakische Unternehmen zu erwerben.752 Das neue Investment Regime
zeichnet sich dadurch aus, dass keine Kontrollinstanz mehr besteht, die den Zufluss
ausländischer Investitionen reguliert. Die Gewinne und Dividenden können ohne
jegliche Einschränkung ins Ausland überwiesen werden. Eine National treatment-
Bestimmung stellt sicher, dass Ausländer den gleichen Bestimmungen unterworfen
werden wie Inländer.753 Diese radikale Form der Liberalisierung übersteigt damit
die Vorgaben internationaler Standards wie den Guidelines on the Treatment of
Direct Foreign Investment der Weltbank.754 Weitere Maßnahmen zur Forcierung des
Handels waren die übergangsweise Aussetzung sämtlicher Zölle755 sowie die Schaffung der Trade Bank of Iraq.756 Anfang des Jahres 2004 erlangte der Irak sogar Beobachterstatus in der WTO.757
Schließlich wurden auch das zivile Wirtschaftsrecht und das Steuerwesen grundlegend reformiert. So erfuhren das Gesellschafts- und Insolvenzrecht ebenso wie das
Recht des geistigen Eigentums weitreichende Änderungen.758 Die CPA führte eine
Wiederaufbausteuer von 5 % ein und setzte die übrigen Steuern temporär aus.759 Für
die Folgejahre wurde der Steuerhöchstsatz auf 15 % festgelegt.760
5. Fazit
Die Grundpfeiler der irakischen Rechtsordnung sind von den Besatzungsmächten
aus ihrem Fundament gerissen und durch neue Vorgaben ersetzt worden. Eine umfassende Transformation des status quo erfolgte insbesondere in den vier Bereichen
Politik, Justiz, Verwaltung und Wirtschaft. Hervorzuheben ist dabei, dass viele der
750 CPA Order 40, 19. September 2003, sowie CPA Order 94, 06. Juni 2004.
751 CPA Order 18, 07. Juli 2003, sowie CPA Order 56, 01. März 2004.
752 CPA Order 39, 19. September 2003, Section 4.
753 Ibid., Section 4 und 13.
754 Vgl. Audi (Anm. 243), S. 348 f.
755 CPA Order 12, 07. Juni 2003, geändert durch CPA Order 54, 24. Februar 2004.
756 CPA Order 20, 14. Juli 2003.
757 CPA Press Release, 12. Februar 2004. In diesem Zusammenhang ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass der Irak am 25. Mai 2007 Gespräche über die endgültige Aufnahme in der
WTO aufgenommen hat. Vgl. www.wto.org.
758 CPA Order 64, 29. Februar 2004, CPA Order 81, 26. April 2004. CPA Order 83, 01. Mai
2004. Ziel der CPA war es, das Recht des geistigen Eigentums internationalen Vorgaben anzupassen. Vgl. hierzu Kassinger / Williams, Ga. J. Int´l L. & Pol´y 33 (2004 – 2005), 217
(224).
759 CPA Order 9, 09. September 2003, ergänzt durch CPA Order 47, 04. April 2004.
760 CPA Order 37, 19. September 2003.
156
Reformen in Kooperation mit Vertretern des irakischen Volkes erfolgten. Deren
Mitwirkung beschränkte sich jedoch häufig auf bloße Konsultationen.
III. Rechtliche Beurteilung
In rechtlicher Hinsicht wirft die von den Besatzungsmächten initiierte Transformation des Irak besondere Probleme auf. Denn trotz der Einbeziehung von Repräsentanten des irakischen Volkes handelte es sich um eine nichtkonsensuale Intervention
externer Akteure. Überdies waren die Maßnahmen allenfalls zu einem sehr geringen
Teil vom Sicherheitsrat mandatiert. Es bleiben somit das Besatzungsrecht und die
Menschenrechte als wesentlicher Maßstab für das Handeln der Besatzungsmächte.
1. Konsens
Zunächst ist hervorzuheben, dass das Handeln der Besatzungsmächte nicht von
Konsens gedeckt war. Zwar wurden einige Maßnahmen wie die Schaffung des IST
in Abstimmung mit dem IGC getroffen. Die hier vereinigten Vertreter des irakischen
Volkes waren jedoch zuvor von der CPA auserkoren worden und konnten schon aus
diesem Grund nicht wirksam ihr Einverständnis erklären.761 Im humanitären Völkerrecht kommt dieser Gedanke in Art. 47 IV. Genfer Konvention zum Ausdruck. Hier
findet sich der Grundsatz, dass der Schutz der Konvention nicht durch eine Änderung des institutionellen Gefüges im besetzten Staat unterlaufen werden kann.762
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Schaffung des IGC in Resolution 1500 des UN-Sicherheitsrates als Fortschritt auf dem Weg zu einem unabhängigen Weg bezeichnet worden ist763 und es in Resolution 1511 heißt, der IGC verkörpere temporär die Souveränität des Irak.764 Denn aus dem Kontext der Resolutionen geht hervor, dass der Sicherheitsrat lediglich die Einbeziehung von
Repräsentanten des irakischen Volkes in den Prozess des Wiederaufbaus gutheißen
wollte. Es war demgegenüber nicht sein Anliegen, jede unter Mitwirkung des IGC
getroffene Reformmaßnahme zu rechtfertigen.765 Die Entstehungsgeschichte von
Resolution 1500 unterstreicht dies.766 So ist den Ausführungen des Vertreters von
Mexiko eindeutig zu entnehmen, dass mit der Resolution keine rechtliche Anerkennung des IGC erfolgen sollte.767
761 Vgl. Fox (Anm. 401), S. 247 ff. Vgl. auch Carcano (Anm. 681), S. 50.
762 Vgl. hierzu Pictet (Anm. 324), S. 293 ff.; McCarthy (Anm. 276), S. 59; Zahawi (Anm. 343),
S. 2324.
763 S/RES/1500, 14. August 2003.
764 S/RES/1511, 16. Oktober 2003, Rn. 4.
765 Vgl. McCarthy (Anm. 276), S. 59, sowie Wolfrum (Anm. 306), S. 28.
766 Vgl. hierzu Grant, Am. J. Int´l L. 97 (2003), 823 (836 f.).
767 SC/7843, Pressemitteilung vom 14.08.2003.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Für den Zeitraum nach der Beendigung bewaffneter Konflikte existieren bislang nur wenige völkerrechtliche Regeln. Zu den ungelösten Problemen des ius post bellum gehört die Frage, ob externe Akteure zum Wohle der Bevölkerung regimeändernde Maßnahmen in Post-Konflikt-Staaten ergreifen dürfen.
Im vorliegenden Band wird untersucht, inwieweit die Konstitutionalisierung des Völkerrechts zur Herausbildung von Vorgaben für die Organisation von Staaten geführt hat. Am Beispiel der jüngsten Transformationsprozesse im Irak und im Kosovo werden die Kompetenzen einzelner Staaten und der Vereinten Nationen zur zwangsweisen Implementierung dieser Vorgaben einer kritischen Analyse unterzogen.