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schützter Wert.267 Die Errichtung einer liberalen Marktwirtschaft ist indes nicht
völkerrechtlich zwingend. Die faktisch bestehenden Vorzüge des Liberalismus mögen zwar Anreize zur Öffnung der Märkte setzen, rechtlich geboten ist diese indes
nicht.268
V. Fazit
Es existieren verbindliche Vorgaben für die Organisation von Staaten. Diese haben
ihre rechtliche Grundlage in den Menschenrechten sowie dem Selbstbestimmungsrecht der Völker. Hervorzuheben ist, dass das Völkerrecht mit unterschiedlicher
Regelungsdichte auf einzelne Bereiche des Staates Einfluss zu nehmen sucht. Überwiegend statuiert es negative Pflichten, die sich darauf beschränken, staatlichem
Agieren Schranken zu setzen. Im Einzelfall verdichten sich die Vorgaben jedoch zu
einem konkreten Handlungsgebot.
Für die Ausgestaltung des Wirtschaftssystems bestehen besonders weite Umsetzungsspielräume. Die Eigentumsfreiheit und das wirtschaftliche Selbstbestimmungsrecht bilden die Konturen der völkerrechtlichen Wirtschaftsordnung. Auch wenn
eine liberale Marktwirtschaft völkerrechtlichen Vorgaben am besten gerecht wird,
ist ein bestimmtes Wirtschaftsmodell bisher nicht bindend.
Ähnlich weit sind die Vorgaben für die Ausgestaltung des politischen Systems.
Selbstbestimmungsrecht und Menschenrechte gebieten die Einhaltung eines demokratischen Mindeststandards. Wesentliche Kennzeichen dieses demokratischen
Mindeststandards sind die Gewähr von Partizipationsrechten, politischer Gleichheit
sowie die Verwirklichung des Grundsatzes der Volkssouveränität. Das Quantum der
dem Volk zustehenden Mitbestimmungsrechte kann nicht exakt bestimmt werden.
Es kann lediglich in einer wertenden Betrachtung festgestellt werden, wann der
demokratische Mindeststandard nicht mehr gewahrt wird.
Verglichen mit den Anforderungen an das politische und wirtschaftliche System
bestehen weitaus mehr und detailliertere Vorgaben für die Ausgestaltung des Justizsystems. Das Völkerrecht verlangt, dass ein Kernbestand institutionellorganisatorischer und verfahrensrechtlicher Grundprinzipien gesichert wird. Bedeutung ist dem Umstand beizumessen, dass das Völkerrecht mit dem Erfordernis unabhängiger Gerichte eine Grundentscheidung für das Prinzip der Gewaltenteilung
trifft. Das Völkerrecht gebietet somit die Einhaltung eines rechtsstaatlichen Mindeststandards.
Schließlich wird auch die Organisation der Verwaltung durch das Völkerrecht determiniert. Zwar bestehen insoweit nur wenig völkerrechtliche Vorgaben. Eine
wichtige Ausnahme ist jedoch die Pflicht zur Ahndung begangenen Unrechts. Die
267 Vgl. Makarczyk, Principles of a New International Economic Order – A Study of International Law in the Making, 1998, S. 139.
268 Vgl. hierzu Oppermann, in: Bryde / Kunig / Oppermann (Hrsg.), Neuordnung der Weltwirtschaft?, 1986, S. 11 (24).
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Besonderheit dieser Vorgabe liegt darin, dass sie eine konkrete Handlungsanweisung gibt. Sie gebietet es, Personen, die sich Menschenrechtsverletzungen zu
Schulde kommen lassen haben, aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen. Der Prozess der Lustration unterliegt dabei selbst wiederum völkerrechtlichen Schranken.
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References
Zusammenfassung
Für den Zeitraum nach der Beendigung bewaffneter Konflikte existieren bislang nur wenige völkerrechtliche Regeln. Zu den ungelösten Problemen des ius post bellum gehört die Frage, ob externe Akteure zum Wohle der Bevölkerung regimeändernde Maßnahmen in Post-Konflikt-Staaten ergreifen dürfen.
Im vorliegenden Band wird untersucht, inwieweit die Konstitutionalisierung des Völkerrechts zur Herausbildung von Vorgaben für die Organisation von Staaten geführt hat. Am Beispiel der jüngsten Transformationsprozesse im Irak und im Kosovo werden die Kompetenzen einzelner Staaten und der Vereinten Nationen zur zwangsweisen Implementierung dieser Vorgaben einer kritischen Analyse unterzogen.