59
durch eine selektive Strafverfolgung realisiert werden.235 Amnestien für weniger
schwer wiegende Menschenrechtsverletzungen erweisen sich in der besonderen
Situation von Post-Konflikt-Staaten somit als angemessen.236 Die Selektion der
strafrechtlich sanktionierten Menschenrechtsverletzungen muss dabei anhand von
objektiven Kriterien wie dem Ausmaß des begangenen Unrechts oder dem Grad der
Schuld erfolgen.237 Darüber hinaus muss verhindert werden, dass vollends von einer
Aufarbeitung des begangenen Unrechts abgesehen wird. Es müssen in jedem Fall
Maßnahmen zur Wiedergutmachung ergriffen werden.238 Ein Beispiel ist die Errichtung von Wahrheitskommissionen oder die Leistung von Entschädigungszahlungen.
Für die Ergreifung administrativer Sanktionen ist die Gewährung von Amnestien
kaum relevant. Dies beruht darauf, dass eine Entlassung von Beamten aus dem öffentlichen Dienst ohnehin nur im Falle schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen geboten ist. Hier ist eine Ausnahme von der Pflicht zur Ahndung begangenen
Unrechts nicht zulässig.
IV. Wirtschaftsordnung
1. Begriff
Der Begriff „Wirtschaftsordnung“ bezeichnet das Ordnungsgefüge, innerhalb dessen
sich wirtschaftliches Handeln vollzieht.239 Zu ihren wichtigen Regelungsgegenständen zählt neben der Ausgestaltung der Eigentumsrechte die Entscheidung darüber,
ob wirtschaftliche Prozesse dezentral auf dem Markt oder durch eine zentrale Planungsinstanz gesteuert werden. Darüber hinaus schafft die Wirtschaftsordnung den
rechtlichen Rahmen für Außenhandel und Investitionen.
2. Völkerrechtliche Vorgaben
Das Völkerrecht traf traditionell lediglich Vorgaben für das Außenwirtschaftsrecht.
Es bot einen normativen Rahmen für die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen
mehreren Völkerrechtssubjekten. In heutiger Zeit haben sich die Verhältnisse gewandelt. So finden sich im modernen Völkerrecht zunehmend Standards für die
235 Vgl. Orentlicher (Anm. 165), S. 2601, sowie Kritz (Anm. 182), S. 134. Kritisch gegenüber
selektiver Strafverfolgung hingegen Nino, Yale L. J. 100 (1990 – 1991), 2619 (2638).
236 Der Menschenrechtsausschuss steht derartigen Amnestien freilich kritisch gegenüber. Vgl.
die Nachweise bei Seibert-Fohr (Anm. 173), S. 336 ff. Kritisch auch Joyner, Denv. J. Int´l L.
& Pol´y 26 (1998), 591 (613).
237 Vgl. Orentlicher (Anm. 165), S. 2602 f.
238 Vgl. Young (Anm. 190), S. 457; Slye (Anm. 220), S. 191; Sterio (Anm. 227), S. 397; Cassel
(Anm. 223), S. 228 f.
239 Vgl. nur Siebert, Einführung in die Volkswirtschaftslehre, 14. Aufl. (2003), S. 32, 387.
60
Ausgestaltung der inneren Wirtschaftsordnung einzelner Staaten. Diese Rechtslage
ist das Ergebnis von drei wichtigen Entwicklungsphasen.
a. Neuordnung der Weltwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurden mehrere Initiativen ergriffen, die
Weltwirtschaft auf ein festes völkerrechtliches Fundament zu gründen.240 Wichtige
Impulse für die Herausbildung des Wirtschaftsvölkerrechts gingen von der Bretton
Woods-Konferenz im Jahre 1944 aus. Mit der Gründung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank wurden internationale Organisationen ins Leben gerufen, in deren Aufgabenbereich die Regulierung des internationalen Zahlungsverkehrs sowie die Förderung von Wiederaufbau und Entwicklung fiel. Drei Jahre später wurde mit dem GATT 1947 die Grundordnung für den Welthandel geschaffen.
Das internationale Wirtschaftsrecht der Nachkriegszeit nahm somit vorwiegend die
Außenwirtschaftsbeziehungen ins Visier. Es existierten kaum Vorgaben für die
innere Wirtschaftsordnung der Staaten. Eine Ausnahme bildet das bereits in der UN-
Charta verankerte Selbstbestimmungsrecht, welches neben der politischen auch eine
wirtschaftliche Komponente aufweist. In seiner wirtschaftlichen Dimension gewährt
das Selbstbestimmungsrecht die freie Verfügungsbefugnis über natürliche Reichtümer und Hilfsquellen.241 Ebenso wie das politische Selbstbestimmungsrecht begründet es Ansprüche gegen die eigene Regierung. So stehen dem Volk Mitbestimmungsrechte bei der Allokation von Ressourcen zu.242
Mitbestimmungsrechte in wirtschaftlichen Angelegenheiten können nur dann
ausgeübt werden, wenn die erforderlichen organisatorischen und institutionellen
Rahmenbedingungen vorhanden sind. Aus diesem Grund setzt die wirtschaftliche
Komponente des Selbstbestimmungsrechtes seine politische Komponente voraus.
Umgekehrt schafft eine wirtschaftliche Grundordnung auch die Grundlage für ein
demokratisches Staatswesen.243 So ist ein Mindestmaß wirtschaftlicher Entwicklung
Voraussetzung für die Verbreitung von Bildungsstandards; es sichert gleichzeitig die
Stabilität und Leistungsfähigkeit staatlicher Institutionen.244 Wirtschaftliches und
politisches Selbstbestimmungsrecht bedingen somit einander. Kumulativ bilden sie
den Rahmen für die effektive Gewährung der Menschenrechte im jeweiligen
240 Vgl. Göttsche, in: Hilf / Oeter (Hrsg.), WTO Recht, 2005, S. 59 (72 ff.).
241 Vgl. Reinhard, Rechtsgleichheit und Selbstbestimmung der Völker in wirtschaftlicher Hinsicht, 1980, S. 25; Farmer, N.Y.U. J. Int´l L. & Pol´y 39 (2006), 417 (430 f.). Vgl. auch Human Rights Committee, General Comment No. 12 (Anm. 102), Rn. 5.
242 Vgl. Farmer a. a. O., S. 443; Nowak (Anm. 102), S. 25.
243 Vgl. H.R. Peters, Wirtschaftspolitik, 2. Aufl. (1995), S. 31; Oloka-Onyango, Am. U. Int´l L.
Rev. 15 (1999), 151 (196); Perrit, U.C.L.A. J. Int´l L. & Foreign Aff. 8 (2003), 385 (462);
Audi, Geo. L. J. 93 (2004), 335 (360).
244 Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 6. Aufl. (2007), S. 86; Farmer (Anm. 241), S.
456.
61
Staat.245 Dies erklärt, warum das Selbstbestimmungsrecht auch in Art. 1 der beiden
Menschenrechtspakte aufgenommen worden ist und gem. Art. 25 IPwskR bzw. Art.
47 IPBürg besonderen Schutz genießt.
b. New international economic order
Zahlreiche Resolutionen, die von der UN-Generalversammlung seit Beginn der 50er
Jahre erlassen worden sind, haben dem wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrecht
schärfere Konturen verliehen. Diese Resolutionspraxis wurde in besonderem Maße
durch das Bestreben vieler Entwicklungsländer forciert, eine neue internationale
Wirtschaftsordnung zu etablieren. Sie nahm ihren Ausgangspunkt mit Resolution
626 vom 12. Dezember 1952. Diese bekräftigt das Recht, die eigenen Ressourcen
und Reichtümer frei auszuschöpfen.246 Die Staaten werden ermahnt, den Kapitalfluss unter Bedingungen der Sicherheit, des gegenseitigen Vertrauens und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit anderen Staaten aufrechtzuerhalten.247 Ihren Höhepunkt erreichte die Resolutionspraxis mit Resolution 3171 aus dem Jahre 1974.
Diese enthält mit der Charta über die wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten das Fundament der new international economic order. Die Charta über die wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten trifft in erster Linie Vorkehrungen,
damit Entwicklungsländer an den Früchten des internationalen Wirtschaftsverkehrs
partizipieren können.248 Es finden sich jedoch auch einige wichtige Aussagen über
die Ausgestaltung der nationalen Wirtschaftsordnung. So bekräftigt Art. 1 der Charta das Recht eines jeden Staates, im Einklang mit dem Willen des Volkes, frei von
äußeren Einflüssen, ein Wirtschaftssystem zu wählen. Art. 2 stellt es den Staaten
anheim, ausländische Investitionen nach eigenem Gutdünken zu regulieren. Schließlich werden Staaten dazu aufgerufen, Handelshemmnisse abzubauen und die fortschreitende Liberalisierung des Welthandels zu unterstützen.249
Es ist fraglich, welcher rechtliche Wert diesen Resolutionen beigemessen werden
kann. Grundsätzlich handelt es sich nur um soft law, dem mangels weiterer Anhaltspunkte keine rechtliche Verbindlichkeit zugesprochen kann.250 Die Aufforderung,
zur Liberalisierung des Welthandels beizutragen, ist dementsprechend lediglich als
unverbindlicher Programmsatz zu betrachten.251 Anderes gilt hinsichtlich der Festsstellung, dass Staaten ihre Wirtschaftsordnung in Übereinstimmung mit dem Willen
des Volkes autonom ausgestalten dürfen. Insoweit konkretisiert die Charta das wirtschaftliche Selbstbestimmungsrecht und entfaltet Rechtswirkungen.252
245 Vgl. Reinhard (Anm. 241), S. 25; Farmer a. a. O., S. 432.
246 A/RES/626 (VII), 21.12.1952, abgedruckt in: UNYB 6 (1952), 390.
247 Vgl. hierzu Farmer (Anm. 241), S. 426.
248 Vgl. Gamble / Frankowska, B.C. Int´l & Comp. L. Rev. 9 (1986), 257 (259 ff.).
249 Vgl. Art. 14, 26 und 31 der Charta.
250 Zur rechtlichen Behandlung des soft law vgl. bereits oben (Anm. 130).
251 Vgl. Reinhard (Anm. 241), S. 102.
252 Vgl. hierzu White, Int´l & Comp. L. Q. 24 (1975), 542 (543).
62
c. Zusammenbruch der sozialistischen Regime
Die Herausbildung völkerrechtlicher Vorgaben für die nationale Wirtschaftsordnung
hat mit dem Zusammenbruch der sozialistischen Regime eine weitere Zäsur erfahren. Rein faktisch betrachtet hat das Ende des kalten Krieges dem Prinzip der offenen Märkte und des prosperierenden Welthandels seine Überlegenheit gegenüber
staatlichen Volkswirtschaften attestiert. Institutionen wie der internationale Währungsfonds oder die Weltbank sind die Triebkräfte, die die fortschreitende Liberalisierung vorantreiben.253
Fraglich ist, welche rechtliche Bedeutung diesem Befund beizumessen ist. Die
Mitgliedschaft in internationalen Organisationen wie der WTO bleibt auch nach dem
heutigen Völkerrecht der freien Entscheidung der Staaten überlassen. Ein völkerrechtlicher Zwang zur Liberalisierung besteht mithin nicht. Zu beobachten ist andererseits die zunehmende Anerkennung der Eigentumsfreiheit als Menschenrecht.254
Die von der sozialistischen Ideologie propagierte Verstaatlichung sämtlicher Produktionsmittel ist daher nur schwerlich mit dem Völkerrecht in Einklang zu bringen.255 Zweifelhaft ist, ob nur ein marktwirtschaftliches System einer völkerrechtlichen Kontrolle standhält. Sicherlich wird die wirtschaftliche Autonomie des Individuums durch das marktwirtschaftliche Prinzip der dezentralen Steuerung
wirtschaftlicher Prozesse am besten gewährleistet. Auch kann das sich herausbildende Recht auf Demokratie in einer florierenden Marktwirtschaft am effektivsten
verwirklicht werden. Dies darf indes nicht zu dem Schluss verleiten, wirtschaftliche
Autonomie könne nur in einem westlichen Modell der Marktwirtschaft realisiert
werden. Die Rechtswirklichkeit zeigt überdies, dass eine an marktwirtschaftlichen
Prinzipien orientierte Wirtschaftsordnung nicht universal konsentiert ist. De lege lata
enthält das Völkerrecht somit keine Festlegung auf ein bestimmtes Wirtschaftsmodell.
Ein Teil der Lehre will der enormen faktischen Bedeutung des westlichen Wirtschaftsmodells zumindest in abgeschwächter Form rechtliche Bedeutung zuschreiben. Dies geschieht unter Hinweis auf die Figur des standard of civilization. Beim
standard of civilization handelt es sich um ein Relikt aus dem späten 19. und frühen
20. Jahrhundert.256 Zu jener Zeit waren die internationalen Beziehungen geprägt von
einem Machtgefälle zwischen westlichen Großmächten und sonstigen Staaten. Es
entsprach dem Selbstverständnis der westlichen Staaten, sich als in zivilisatorischer
Hinsicht überlegen zu betrachten. Der Kanon ihrer grundlegenden zivilisatorischen
Maßstäbe wurde als standard of civilization bezeichnet. Hiernach mussten Staaten
einen Kernbestand fundamentaler Rechte sichern, universal konsentierte völkerrechtliche Standards achten und sich grundlegende Wertvorstellungen zu eigen ma-
253 Vgl. Audi (Anm. 243), S. 342.
254 Vgl. Herdegen (Anm. 244), S. 72.
255 Vgl. H.R. Peters (Anm. 243), S. 47, zur Rechtslage nach dem Grundgesetz.
256 Vgl. Donelly, Int´l Aff. 74 (1998), 1 (3 ff.). Vgl. hierzu auch Jouannet, Eur. J. Int´l L. 18
(2007), 379 (384 ff.).
63
chen.257 Es war ein Anliegen westlicher Staaten, ihren standard of civilization weitestmöglich zu verbreiten. So wurde die Aufnahme in die Völkerrechtsgemeinschaft
von der Einhaltung des westlichen standard of civilization abhängig gemacht.258
Mittelbar erhielt der standard of civilization auf diese Weise rechtliche Bedeutung.
In den Augen einiger Autoren hat die zunehmende Handelsliberalisierung und
Verbreitung marktwirtschaftlicher Grundsätze zur Herausbildung eines neuen standard of civilization geführt.259 Ausgangspunkt ihrer These ist die Beobachtung, dass
das moderne Völkerrecht die ökonomische und politische Liberalisierung der einzelstaatlichen Rechtsordnungen favorisiere.260 So seien die wesentlichen völkerrechtlichen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts wie die Proliferation internationaler
Organisationen, die Etablierung der Welthandelsordnung oder die Herausbildung
des Menschenrechtsschutzes Ausdruck liberaler Werte.261 Hintergrund dieser Entwicklungen sei ein moderner standard of civilization. Dieser verlange neben dem
Respekt der Menschenrechte und des Rechts auf Demokratie die Etablierung freier
Marktwirtschaften und die Ausweitung des Freihandels.262
Verfechter eines modernen standard of liberalization halten sich sichtlich bedeckt, was die dogmatische Einordnung dieses Instituts anbelangt. So stellen sie
nicht in Abrede, dass die von ihnen propagierten liberalen Grundwerte nicht umfänglich durch das Völkerrecht vorgeschrieben werden. Umgekehrt tragen sie jedoch
vor, es sei unangemessen, die Liberalisierung eines Staates durch einen externen
Akteur unter Rekurs auf völkerrechtliche Maßstäbe zu kritisieren.263 In ihren Augen
überformt die politische Legitimität somit die völkerrechtliche Legalität. Die Scheidelinie von Recht und Realpolitik scheint mit einer solchen Argumentation überschritten zu sein. Es ist gerade eine Errungenschaft des 20. Jahrhunderts, dass die
internationalen Beziehungen zunehmend verrechtlicht worden sind.264 Der standard
of civilization als ein politisches und zugleich paternalistisches Konzept265 hat damit
seine Berechtigung verloren.
Um eine an rechtlichen Maßstäben ausgerichtete Argumentation führen zu können, muss auch heute primär das Selbstbestimmungsrecht ins Visier genommen
werden.266 Dabei ist zu konstatieren, dass der materielle Gehalt des heutigen Selbstbestimmungsrechts über seine Bedeutung zu Beginn des 20. Jahrhunderts hinausgeht. Die wirtschaftliche Autonomie ist im modernen Völkerrecht ein rechtlich ge-
257 Vgl. Gong, The Standard of Civilization in International Society, 1984, S. 15.
258 Vgl. Gong a. a. O., S. 8.
259 Vgl. Gong a. a. O., S. 86.
260 Vgl. Fidler, Chi. J. Int´l L. 2 (2001), 137 (149).
261 Vgl. Fidler, Tex. Int´l L. J. 35 (2000), 387 (407).
262 Vgl. Fidler a. a. O., S. 409.
263 Vgl. Audi (Anm. 243), S. 361.
264 Vgl. Donelly (Anm. 256), S. 3 ff.
265 Vgl. Matz, Max Planck UNYB 9 (2005), 47 (61, 67).
266 Vgl. Whyte, Brit. J. Criminology 47 (2007), 177 (183).
64
schützter Wert.267 Die Errichtung einer liberalen Marktwirtschaft ist indes nicht
völkerrechtlich zwingend. Die faktisch bestehenden Vorzüge des Liberalismus mögen zwar Anreize zur Öffnung der Märkte setzen, rechtlich geboten ist diese indes
nicht.268
V. Fazit
Es existieren verbindliche Vorgaben für die Organisation von Staaten. Diese haben
ihre rechtliche Grundlage in den Menschenrechten sowie dem Selbstbestimmungsrecht der Völker. Hervorzuheben ist, dass das Völkerrecht mit unterschiedlicher
Regelungsdichte auf einzelne Bereiche des Staates Einfluss zu nehmen sucht. Überwiegend statuiert es negative Pflichten, die sich darauf beschränken, staatlichem
Agieren Schranken zu setzen. Im Einzelfall verdichten sich die Vorgaben jedoch zu
einem konkreten Handlungsgebot.
Für die Ausgestaltung des Wirtschaftssystems bestehen besonders weite Umsetzungsspielräume. Die Eigentumsfreiheit und das wirtschaftliche Selbstbestimmungsrecht bilden die Konturen der völkerrechtlichen Wirtschaftsordnung. Auch wenn
eine liberale Marktwirtschaft völkerrechtlichen Vorgaben am besten gerecht wird,
ist ein bestimmtes Wirtschaftsmodell bisher nicht bindend.
Ähnlich weit sind die Vorgaben für die Ausgestaltung des politischen Systems.
Selbstbestimmungsrecht und Menschenrechte gebieten die Einhaltung eines demokratischen Mindeststandards. Wesentliche Kennzeichen dieses demokratischen
Mindeststandards sind die Gewähr von Partizipationsrechten, politischer Gleichheit
sowie die Verwirklichung des Grundsatzes der Volkssouveränität. Das Quantum der
dem Volk zustehenden Mitbestimmungsrechte kann nicht exakt bestimmt werden.
Es kann lediglich in einer wertenden Betrachtung festgestellt werden, wann der
demokratische Mindeststandard nicht mehr gewahrt wird.
Verglichen mit den Anforderungen an das politische und wirtschaftliche System
bestehen weitaus mehr und detailliertere Vorgaben für die Ausgestaltung des Justizsystems. Das Völkerrecht verlangt, dass ein Kernbestand institutionellorganisatorischer und verfahrensrechtlicher Grundprinzipien gesichert wird. Bedeutung ist dem Umstand beizumessen, dass das Völkerrecht mit dem Erfordernis unabhängiger Gerichte eine Grundentscheidung für das Prinzip der Gewaltenteilung
trifft. Das Völkerrecht gebietet somit die Einhaltung eines rechtsstaatlichen Mindeststandards.
Schließlich wird auch die Organisation der Verwaltung durch das Völkerrecht determiniert. Zwar bestehen insoweit nur wenig völkerrechtliche Vorgaben. Eine
wichtige Ausnahme ist jedoch die Pflicht zur Ahndung begangenen Unrechts. Die
267 Vgl. Makarczyk, Principles of a New International Economic Order – A Study of International Law in the Making, 1998, S. 139.
268 Vgl. hierzu Oppermann, in: Bryde / Kunig / Oppermann (Hrsg.), Neuordnung der Weltwirtschaft?, 1986, S. 11 (24).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Für den Zeitraum nach der Beendigung bewaffneter Konflikte existieren bislang nur wenige völkerrechtliche Regeln. Zu den ungelösten Problemen des ius post bellum gehört die Frage, ob externe Akteure zum Wohle der Bevölkerung regimeändernde Maßnahmen in Post-Konflikt-Staaten ergreifen dürfen.
Im vorliegenden Band wird untersucht, inwieweit die Konstitutionalisierung des Völkerrechts zur Herausbildung von Vorgaben für die Organisation von Staaten geführt hat. Am Beispiel der jüngsten Transformationsprozesse im Irak und im Kosovo werden die Kompetenzen einzelner Staaten und der Vereinten Nationen zur zwangsweisen Implementierung dieser Vorgaben einer kritischen Analyse unterzogen.