186
Anteile wertbildend berücksichtigt. Hieraus folgt, dass der gemeine Wert der
Anteile – und somit auch der Teilwert, dessen »Grundlage« der gemeine Wert ist
– bei Gesellschaftsverlusten fällt. Die Werthaltigkeit der Anteile einer Gesellschaft ist somit durch laufende Verluste dieser Gesellschaft stets reflexartig
beeinträchtigt. Dann müssen diese Verluste auch zur Möglichkeit einer Teilwertabschreibung auf diese Aktien führen, zumal sich diese Wertminderung spätestens bei der Veräußerung dieser Anteile realisieren wird. Es ist daher gerade
zwangsläufige Folge der Erwerbs eigener Anteile, dass Gesellschaftsverluste
zweifach berücksichtigt werden.
Im Ergebnis ist daher der zweiten Auffassung zu folgen. Eine AG darf eine
Teilwertabschreibung auf ihre eigenen Aktien durchführen, auch wenn die dieser
Abschreibung zugrunde liegende Wertminderung auf Gesellschaftsverlusten der
AG beruht.643
V. Auswirkungen auf den steuerlichen Gewinn der Gesellschaft
Schließlich bleibt zu klären, ob die im Zusammenhang mit einer Teilwertabschreibung auf eigene Aktien stehenden Vermögensaufwendungen Einfluss auf
den steuerlichen Gewinn der AG haben können oder eine außerbilanzielle Hinzurechnung dieser Aufwendungen auf den Gewinn stattfindet.
1. Verdeckte Gewinnausschüttung
Nach einer Auffassung soll der Erwerb eigener Aktien stets eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellen. Diese Auffassung geht davon aus, dass der Teilwert
eigener Anteile stets Null beträgt. Der Erwerb eigener Aktien soll jedenfalls seinem wirtschaftlichen Gehalt nach eine Teilliquidation der Gesellschaft darstellen.644 Die Zahlung des Kaufpreises sei als Zahlung einer Liquidationsrate zu behandeln, die beim Altgesellschafter zu steuerbaren Einkünften i.S.v. § 20 Abs. 1
Nr. 2, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG führe. Eine Liquidationsrate stelle eine im Gesellschaftsverhältnis begründete Vermögensminderung und somit eine verdeckte Gewinnausschüttung gemäß § 8 Abs. 3 S. 2 KStG dar. Jene dürfe daher den Gewinn
der Kapitalgesellschaft nicht mindern.645
643 So auch Schreiben des BMF vom 2. Dezember 1998, IV C 6 – S 2741 – 12/98, DB 1998,
S. 2567, 2568 (Tz. 26).
644 Vgl. 3. Kapitel, Abschnitt C. III. 1.
645 Thiel, in FS Schmidt, S. 569, 578.
187
2. Verdeckte Gewinnausschüttung jedenfalls bei Teilwertabschreibung
Einer u.a. vom BFH vertretenen Auffassung zufolge soll der Erwerb eigener Anteile lediglich im Falle einer Teilwertabschreibung regelmäßig zu einer verdeckten Gewinnausschüttung gemäß § 8 Abs. 3 S. 2 KStG führen. Der Erwerb eigener
Anteile sei grundsätzlich nicht betrieblich, sondern ausschließlich gesellschaftlich begründet. Die Gesellschaft erwerbe aus ihrem Vermögen einen Anteil an
solchen Werten, der ihr ohnehin zustehe. Wolle daher ein Gesellschafter aus der
Gesellschaft ausscheiden, obliege es ihm, einen Dritten als Käufer für seine Anteile zu finden. Ebenso können die restlichen Gesellschafter selbst die Anteile erwerben, wenn diese das Eindringen eines Neugesellschafters in den Gesellschafterkreis verhindern wollten. Lediglich im Ausnahmefall könne daher eine betriebliche Veranlassung des Erwerbs eigener Anteile angenommen werden, etwa
wenn die Gesellschaft ihre Anteile aus einer im Katalog des § 71 Abs. 1 AktG genannten Beweggründe heraus erwerbe. Der gesellschaftlich begründete Erwerb
eigener Anteile führe dazu, dass die Gesellschaft den Altgesellschafter vom Risiko eines Wertverlustes dieses Anteils befreie. Im Falle einer Teilwertabschreibung realisiere sich sodann dieses Risiko, so dass eine effektive Vermögensminderung bei der Gesellschaft vorliege und die Voraussetzungen einer verdeckten
Gewinnausschüttung erfüllt seien.646
3. Teilwertabschreibung auf eigene Aktien als Anwendungsfall des § 8b
Abs. 3 KStG
Einer dritten Auffassung zufolge soll der sich aus einer Teilwertabschreibung auf
eigene Anteile ergebende Aufwand gemäß § 8b Abs. 3 KStG steuerlich nicht berücksichtigungsfähig sein.647 Eine Begründung liefert diese Auffassung nicht. Offenbar geht sie davon aus, dass der Wortlaut des § 8b Abs. 3 S. 3 KStG die Teilwertabschreibung auf eigene Anteile unzweifelhaft erfasst.
4. Stellungnahme
Die zuletzt dargelegte Auffassung vermag nicht zu überzeugen. Gemäß § 8b
Abs. 3 S. 3 KStG bleiben nur die im Zusammenhang mit Anteilen i.S.d. § 8b
Abs. 2 KStG stehenden Gewinnminderungen bei der Ermittlung des Gewinns der
Kapitalgesellschaft außer Ansatz und sind demgemäß außerbilanziell wieder hinzuzurechnen. Anteile an einer Gesellschaft in diesem Sinne liegen jedoch nur
646 Urteil des BFH vom 6. Dezember 1995, I R 51/95, BStBl. II 1995, S. 781, 783 f.; Urteil
des FG Münster vom 13. Oktober 1995, 9 K 3943/92 K – n. rkr., EFG 1996, S. 453, 454;
Wassermeyer, in FS Schmidt, S. 621, 634.
647 Rödder/Wochinger, DStR 2006, S. 684, 689.
188
dann vor, wenn die Leistungen dieser Gesellschaft beim Empfänger zu Einnahmen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a) EStG führen. Eigene Anteile
der Gesellschaft führen jedoch zu keinen Einnahmen, da die Gesellschaftsrechte
aus diesen Anteilen ruhen. Sie sind daher nicht von der Regelung des § 8b Abs. 3
KStG erfasst.648 Für dieses Ergebnis sprechen auch Sinn und Zweck dieser Vorschrift. Gemäß § 8b Abs. 1 S. 1 KStG sind Bezüge i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9
und 10 Buchst. a) EStG für die beziehende Körperschaft steuerfrei. Der diesen
Bezügen zugrunde liegende Gewinn der ausschüttenden Gesellschaft wurde bereits versteuert. Eine Kettenversteuerung soll jedoch vermieden werden. Nur aus
diesem Grunde sind Gewinnminderungen im Zusammenhang mit diesem Anteil
(konsequenterweise) bei der Einkommensermittlung nicht zu berücksichtigen.
Die steuerliche Nichtbeachtung dieser Gewinnminderungen stellt daher die Kehrseite der Steuerfreiheit der Anteilsgewinne dar.649 Hält eine Kapitalgesellschaft
hingegen Anteile an sich selbst, bezieht sie keine derartigen steuerfreien Einnahmen. Es erscheint nicht sachgerecht, eine Kapitalgesellschaft einseitig mit der
Nichtberücksichtigungsfähigkeit einer Teilwertabschreibung auf die eigenen Anteile zu belasten, wenn sie im Gegenzug nicht das Privileg steuerfreier Einnahmen gemäß § 8b Abs. 1 KStG erhält.
Gegen die erste Auffassung spricht, dass der Erwerb eigener Anteile nicht als
wirtschaftliche Teilliquidation anzusehen ist, da die Gesellschaft werthaltige
Wirtschaftsgüter erwirbt.650 Dementsprechend kann die Zahlung des gesamten
Kaufpreises für die eigenen Anteile keine verdeckte Gewinnausschüttung darstellen. Insoweit fehlt es an einer effektiven Vermögensminderung.
Offen ist, ob eine Teilwertabschreibung auf die eigenen Anteile, wie von der
zweiten Auffassung vertreten, zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führt.
Eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S.v. § 8 Abs. 3 S. 2 KStG ist eine im
Gesellschaftsverhältnis begründete Zuwendung außerhalb eines gesellschaftsrechtlich wirksamen Gewinnverteilungsbeschlusses. Sie stellt eine Vorteilsgewährung in Form einer Vermögensminderung oder verhinderten Vermögensmehrung dar, wobei ein ordentlicher und gewissenhafter Kaufmann diesen Vorteil
nicht gewährt hätte. Die Zuwendung wird in diesem Fall nur äußerlich aufgrund
eines zivilrechtlichen Vertrages gewährt, tatsächlich ist diese jedoch Ausfluss der
Stellung des Zuwendungsempfängers als Gesellschafter.651 Gibt es für den
Erwerb der eigenen Anteile durch die Gesellschaft keinen begründeten Anlass,
lässt dies folglich den Rückschluss darauf zu, dass dieser seine Ursache im
Gesellschaftsverhältnis hatte. Ob ein solcher Anlass tatsächlich existierte, ist im
Einzelfall eingehend zu prüfen. Das vom BFH statuierte Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten der Vermutung einer verdeckten Gewinnausschüttung ist in
sachlicher Hinsicht jedoch nicht gerechtfertigt. Wie sich bereits aus der Existenz
648 So auch Ludwig, DStR 2003, S. 1646, 1648.
649 Binnewies, in Streck, § 8b, Tz. 8.
650 Vgl. 3. Kapitel, Abschnitt C. III. 3.
651 Urteil des BFH vom 24. Januar 1989, VIII R 74/84, BStBl. II 1989, S. 419, 419; Frotscher,
in Frotscher/Maas, § 8 KStG, Rn. 120 f.
189
der Regelung des § 71 Abs. 1 AktG ergibt, existieren viele gute Gründe für den
Erwerb eigener Aktien. In diesen Fällen ist es gerade nicht Sache des Altgesellschafters, einen Dritten als Käufer für seine Anteile zu finden. Ist ein solcher
Grund jedoch nicht ersichtlich, erwirbt die Gesellschaft lediglich ein Wirtschaftsgut, dessen Wert sich für die Gesellschaft in seiner Realisierbarkeit am Markt
erschöpft. Dies ist mit erheblichen Risiken für die Gesellschaft verbunden. Im
Falle einer Teilwertabschreibung realisiert sich gerade dieses Risiko mit der
Folge einer Vermögensminderung auf Seiten der Gesellschaft. Unerheblich ist
hierbei, dass diese Vermögensminderung der Zahlung des Kaufpreises zeitlich
nachfolgt. Das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung ist unabhängig
vom Zeitpunkt des tatsächlichen Vermögensabflusses bei der Gesellschaft oder
des Vermögenszuflusses beim Gesellschafter.652 Der Auffassung des BFH ist
daher mit der Maßgabe zuzustimmen, dass die gesellschaftliche Veranlassung des
Vermögensabflusses einer eingehenden sachlichen Prüfung bedarf.
Widersprüchlich ist in diesem Zusammenhang die Auffassung der Finanzverwaltung, die einerseits davon ausgeht, dass der Erwerb eigener Aktien gesellschaftlich veranlasst ist, gleichwohl jedoch den Aufwand aus einer Teilwertabschreibung ohne weitere Begründung als steuerlich berücksichtigungsfähig
erachtet.653
Daneben kommt eine verdeckte Gewinnausschüttung auch aus anderen, nicht
im Zusammenhang mit einer Teilwertabschreibung stehenden Gründen in
Betracht. So kann etwa die Zahlung eines überhöhten Kaufpreises eine verdeckte
Gewinnausschüttung darstellen.654 Andernfalls wird es jedoch regelmäßig an
einer effektiven Vermögensminderung fehlen, da sich die Gesellschaft durch den
Rückerwerb eigener Anteile einen realisierbaren Vermögenswert verschafft.655
VI. Ergebnis
Eine Aktiengesellschaft darf grundsätzlich keine eigene Aktien erwerben. Dies
gilt nicht, wenn eine der in § 71 Abs. 1 AktG enumerativ aufgeführten Ausnahmen vorliegt. Eigene Aktien sind gemäß §§ 265 Abs. 3 S. 2, 266 B. III. Nr. 2 HGB
im Umlaufvermögen auszuweisen. In gleicher Höhe ist gemäß § 272 Abs. 4 S. 2
652 Vgl. Urteil des BFH vom 29. April 1987, I R 176/83, BStBl. II 1987, S. 733, 734; Schwedhelm, in Streck, § 8, Tz. 76.
653 Schreiben des BMF vom 2. Dezember 1998, IV C 6 – S 2741 – 12/98, DB 1998, S. 2567,
2568 (Tz. 22 und 26).
654 Schreiben des BMF vom 2. Dezember 1998, IV C 6 – S 2741 – 12/98, DB 1998, S. 2567,
2568 (Tz. 17); Ritzer-Angerer, IStR 2005, S. 318, 321; Oser, StB 1999, S. 375, 378.
655 Vgl. Wassermeyer, DStR 1990, S. 158, 160: Eine Vermögensminderung komme nur in
Betracht, wenn die Gesellschaft ihre Anteile zum Zwecke der Einziehung erwirbt, da diese
dann nicht mehr realisiert werden können. Dagegen spricht jedoch, dass die Anteile bis
zu ihrer Einziehung (vgl. § 238 S. 3 AktG) durch Gesellschafterbeschluss wieder zur Ver-
äußerung freigegeben werden können. Eine effektive Vermögensminderung tritt demnach
erst im Falle der Durchführung der Einziehung ein.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Arbeit befasst sich mit den Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Teilwertabschreibung auf Aktien. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Nachweis einer voraussichtlich dauernden Wertminderung von börsennotierten Aktien des Anlagevermögens. Der Autor weist nach, dass die in diesem Zusammenhang vertretenen Ansichten von Finanzverwaltung und Rechtsprechung mit den Erkenntnissen der Kapitalmarktforschung nicht vereinbar sind, und stellt sodann ein eigenes Konzept dar. Daneben werden auch nicht börsennotierte Aktien und Aktien des Umlaufvermögens behandelt. Zudem werden die Einflüsse der Internationalen Rechnungslegungsstandards, die Besonderheiten bei eigenen Aktien sowie etwaige Änderungen durch das BilMoG dargestellt.