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zugestimmt werden. Die bezeichnete Regelung verweist lediglich auf den handelsrechtlichen Ansatz des niedrigeren beizulegenden Wertes gemäß § 253 Abs. 3
HGB. Diese Regelung ist für die Teilwertermittlung nach der hier vertretenen
Auffassung jedoch ohne Bedeutung.639 Sofern man mit der herrschenden Auffassung hingegen davon ausgehen wollte, dass die Regelung des § 253 Abs. 3 für die
Teilwertabschreibung bedeutsam ist, müsste man jedoch tatsächlich davon ausgehen, dass diese Regelung gegen eine sofortige Teilwertabschreibung auf Null
spricht. Andernfalls wäre die zu bildende Rücklage bereits zum ersten Bilanzstichtag aufzulösen. Sie wäre damit überflüssig. Es kann jedoch nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber eine überflüssige Regelung schaffen wollte.
Der Teilwert eigener Anteile ist daher nach den allgemeinen Regeln zu ermitteln. Er beträgt nicht stets Null.
IV. Teilwertabschreibung aufgrund von Gesellschaftsverlusten
Fraglich ist weiterhin, ob eine AG eine Teilwertabschreibung auf ihre eigenen
Aktien durchführen darf, wenn die dieser Abschreibung zugrunde liegende Wertminderung auf Gesellschaftsverlusten der AG beruht.
1. Keine doppelte Berücksichtigung desselben Verlustes
Nach einer insbesondere vom BFH vertretenen Auffassung berechtigen laufende
Verluste einer Kapitalgesellschaft nicht zu einer Teilwertabschreibung auf die eigenen Anteile. Diese Verluste haben bereits den Gewinn der Gesellschaft gemindert. Würde man in diesem Fall eine Teilwertabschreibung zulassen, würde dies
zu einer doppelten (jeweils ertragsmindernden) Berücksichtigung desselben Verlustes führen. Aus der Vorschrift des § 272 Abs. 4 S. 2 HGB ergebe sich, dass der
Ansatz des niedrigeren beizulegenden Wertes gemäß § 253 Abs. 3 HGB erfolgsneutral zu erfolgen habe. Dies müsse in steuerrechtlicher Hinsicht erst recht gelten.640
2. Vergleich zum Firmenwert
Einer anderen Auffassung zufolge sollen laufende Verluste einer Gesellschaft zu
einer Teilwertabschreibung auf die eigenen Anteile berechtigen. Dies ergebe sich
vor allem aus einem Vergleich zum Firmenwert. Sinke die Ertragskraft der Ge-
639 Vgl. 2. Kapitel, Abschnitt B. IV. 2. a).
640 Urteil des BFH vom 6. Dezember 1995, I R 51/95, BStBl. II 1995, S. 781, 783; Weber-
Grellet, in Schmidt, § 17, Rn. 102; Wassermeyer, in FS Schmidt, S. 621, 633; Rödder/
Wochinger, DStR 2006, S. 684, 689.
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sellschaft, so sinke regelmäßig auch der Firmenwert. Eine Teilwertabschreibung
sei in diesen Fällen jedoch unbestritten möglich. Weshalb dies bei eigenen Anteilen nicht gelten soll, sei nicht ersichtlich.641
3. Stellungnahme
Gegen die zuletzt dargelegte Auffassung spricht, dass der Vergleich zum Firmenwert nicht überzeugen kann. Der Geschäfts- bzw. Firmenwert stellt ein immaterielles Wirtschaftsgut dar, welches den über den Substanzwert der einzelnen Wirtschaftsgüter eines Unternehmens (abzüglich der bestehenden Schulden) hinausgehenden Mehrwert dieses Unternehmens abbildet, vgl. § 255 Abs. 4 S. 1 HGB.
Einen solchen Mehrwert wird der Erwerber eines Unternehmens nur dann vergüten, wenn es konkrete Anhaltspunkte für die Existenz eines solchen (z.B. gute
Marktstellung, viele langfristige Kundenkontakte etc.) gibt. Verluste der Gesellschaft führen demnach keineswegs zwangsläufig zu einer Teilwertabschreibung
auf den Firmenwert. Allein aus den Verlusten als solchen kann kein Rückschluss
auf ihre Ursache gezogen werden. Erst wenn feststeht, dass die Verluste auf solche Faktoren, aus denen sich der Firmenwert zusammensetzt, zurückzuführen ist,
kann eine Teilwertabschreibung auf diesen erfolgen. In diesem Fall stellt die Teilwertabschreibung auf den Firmenwert – im Gegensatz zur Teilwertabschreibung
auf eigene Anteile – jedoch kein »Spiegelbild« der Verluste, welche einzige Ursache der Teilwertabschreibung sein müssen, dar. Vielmehr erfolgt die Teilwertabschreibung auf den Firmenwert aufgrund von eigenständigen, von den Verlusten als solchen unabhängigen Bewertungskriterien.
Der ersten Auffassung ist entgegenzuhalten, dass sie zu einer inkonsequenten
Ungleichbehandlung eigener und fremder Anteile führt. Während eine Teilwertabschreibung auf fremde Anteile bei laufenden Verlusten dieser Gesellschaft
unzweifelhaft möglich ist, soll dies für eigene Anteile nicht gelten. Erkennt man
die Wirtschaftsgutqualität eigener Anteile an, so fragt es sich jedoch, weshalb
eine Teilwertabschreibung auf diese nach anderen Regeln verlaufen soll als eine
Teilwertabschreibung auf fremde Anteile. Dagegen spricht schon, dass der Wortlaut der § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 bzw. Nr. 2 S. 2 EStG keine Ausnahme für eine Teilwertabschreibung auf eigene Anteile, sondern die Möglichkeit einer Teilwertabschreibung allgemein für alle Wirtschaftsgüter vorsieht. Die Versagung der Möglichkeit einer Teilwertabschreibung auf eigene Anteile bedürfte somit einer
eigenständigen positiven Regelung.642 Eine solche existiert jedoch nicht.
Zudem haben die Verluste einer Gesellschaft, die ihre eigenen Anteile hält,
entgegen der ersten Auffassung sehr wohl Auswirkungen auf den Wert dieser
Anteile. Würde die Gesellschaft ihre eigenen Anteile nämlich unmittelbar nach
den Verlusten veräußern, würden diese bei der Bemessung des Kaufpreises der
641 Ludwig, DStR 2003, S. 1646, 1648.
642 So auch Ludwig, DStZ 2003, S. 1646, 1648.
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Anteile wertbildend berücksichtigt. Hieraus folgt, dass der gemeine Wert der
Anteile – und somit auch der Teilwert, dessen »Grundlage« der gemeine Wert ist
– bei Gesellschaftsverlusten fällt. Die Werthaltigkeit der Anteile einer Gesellschaft ist somit durch laufende Verluste dieser Gesellschaft stets reflexartig
beeinträchtigt. Dann müssen diese Verluste auch zur Möglichkeit einer Teilwertabschreibung auf diese Aktien führen, zumal sich diese Wertminderung spätestens bei der Veräußerung dieser Anteile realisieren wird. Es ist daher gerade
zwangsläufige Folge der Erwerbs eigener Anteile, dass Gesellschaftsverluste
zweifach berücksichtigt werden.
Im Ergebnis ist daher der zweiten Auffassung zu folgen. Eine AG darf eine
Teilwertabschreibung auf ihre eigenen Aktien durchführen, auch wenn die dieser
Abschreibung zugrunde liegende Wertminderung auf Gesellschaftsverlusten der
AG beruht.643
V. Auswirkungen auf den steuerlichen Gewinn der Gesellschaft
Schließlich bleibt zu klären, ob die im Zusammenhang mit einer Teilwertabschreibung auf eigene Aktien stehenden Vermögensaufwendungen Einfluss auf
den steuerlichen Gewinn der AG haben können oder eine außerbilanzielle Hinzurechnung dieser Aufwendungen auf den Gewinn stattfindet.
1. Verdeckte Gewinnausschüttung
Nach einer Auffassung soll der Erwerb eigener Aktien stets eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellen. Diese Auffassung geht davon aus, dass der Teilwert
eigener Anteile stets Null beträgt. Der Erwerb eigener Aktien soll jedenfalls seinem wirtschaftlichen Gehalt nach eine Teilliquidation der Gesellschaft darstellen.644 Die Zahlung des Kaufpreises sei als Zahlung einer Liquidationsrate zu behandeln, die beim Altgesellschafter zu steuerbaren Einkünften i.S.v. § 20 Abs. 1
Nr. 2, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG führe. Eine Liquidationsrate stelle eine im Gesellschaftsverhältnis begründete Vermögensminderung und somit eine verdeckte Gewinnausschüttung gemäß § 8 Abs. 3 S. 2 KStG dar. Jene dürfe daher den Gewinn
der Kapitalgesellschaft nicht mindern.645
643 So auch Schreiben des BMF vom 2. Dezember 1998, IV C 6 – S 2741 – 12/98, DB 1998,
S. 2567, 2568 (Tz. 26).
644 Vgl. 3. Kapitel, Abschnitt C. III. 1.
645 Thiel, in FS Schmidt, S. 569, 578.
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References
Zusammenfassung
Die Arbeit befasst sich mit den Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Teilwertabschreibung auf Aktien. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Nachweis einer voraussichtlich dauernden Wertminderung von börsennotierten Aktien des Anlagevermögens. Der Autor weist nach, dass die in diesem Zusammenhang vertretenen Ansichten von Finanzverwaltung und Rechtsprechung mit den Erkenntnissen der Kapitalmarktforschung nicht vereinbar sind, und stellt sodann ein eigenes Konzept dar. Daneben werden auch nicht börsennotierte Aktien und Aktien des Umlaufvermögens behandelt. Zudem werden die Einflüsse der Internationalen Rechnungslegungsstandards, die Besonderheiten bei eigenen Aktien sowie etwaige Änderungen durch das BilMoG dargestellt.