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2. Kapitel:
Einführung in den Untersuchungsgegenstand
A. Rechtliche Einordnung der Aktie
Zunächst soll zur Klärung der im Folgenden verwendeten Begrifflichkeiten ein
Überblick über die rechtliche Einordnung der Aktie gegeben werden.
I. Begriff
Das Aktiengesetz bietet keine Legaldefinition des Begriffes der Aktie, sondern
setzt diesen voraus. Bei genauer Betrachtung verwendet das Gesetz den Begriff
»Aktie« in dreifacher Bedeutung, nämlich als Bezeichnung des Anteils am
Grundkapital, für den Inbegriff der sich aus der Mitgliedschaft ergebenden
Rechte und Pflichten sowie der Urkunde, die über die Mitgliedschaft ausgestellt
wird.15 Hierbei handelt es sich allerdings nicht um verschiedene Aktienbegriffe,
sondern vielmehr um Teilaspekte desselben Gegenstands.16
1. Aktie als Anteil am Grundkapital
Gemäß § 1 Abs. 2 AktG ist das Grundkapital einer AG in Aktien zerlegt. Das
Grundkapital stellt das Garantiekapital der Gesellschaft dar.17 Es muss gemäß § 7
AktG mindestens 50.000 Euro betragen. § 1 Abs. 2 AktG ist so zu verstehen, dass
jede Aktie einen nach der Gesamtzahl der ausgegebenen Aktien berechneten
Bruchteil des Grundkapitals repräsentiert.18 Die Aktionäre in ihrer Verbundenheit
stellen geichwohl keine Bruchteilsgemeinschaft dar.19 Die Mitgliedschaftsrechte
sind vielmehr unabhängig von der Person des Aktionärs.20 Die Beziehung des Gesellschafters zur Gesellschaft kann daher als rein kapitalistisch bezeichnet werden.21
15 Wiesner, in Münchener Handbuch des GesR IV, § 12, Rn. 1; Klunzinger, S. 161; Kraft/
Kreutz, S. 329; Hüffer, GesR, S. 288; Haag, S. 108 f.
16 Haag, S. 109 f.
17 K. Schmidt, S. 775.
18 Raiser/Veil, § 9, Rn. 1; Wiesner, in Münchener Handbuch des GesR IV, § 11, Rn. 8.
19 Kraft, in Kölner Kommentar zum AktG, § 1, Rn. 30.
20 Würdinger, S. 5 f.: »Versachlichung der Mitgliedschaftsrechte«; so auch Heider, in Münchener Kommentar zum AktG, § 1, Rn. 90; Roth, S. 410.
21 Vgl. hierzu eingehend Flume, S. 258 f.
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Auf welche Weise der Anteil des Aktionärs am Grundkapital der Gesellschaft
zu bestimmen ist, hängt von der Art der Aktie ab. Gemäß § 8 Abs. 1 AktG kann
die Gesellschaft Nennbetragsaktien oder Stückaktien ausgeben. Nennbetragsaktien lauten auf einen bestimmten, vollen Eurowert, vgl. § 8 Abs. 2 AktG. Der
Anteil des Aktionärs am Grundkapital bestimmt sich gemäß § 8 Abs. 4, 1. Halbs.
AktG nach dem Verhältnis des Nennbetrages zum Grundkapital. Hieraus lässt
sich der Umkehrschluss ziehen, dass die Summe der Nennbeträge aller Aktien der
Höhe des Grundkapitals entsprechen muss. Stückaktien hingegen weisen keinen
ziffernmäßigen Betrag auf, so dass jede Stückaktie einen gleich großen Anteil am
Grundkapital verkörpert, vgl. § 8 Abs. 1 S. 1 und 2 AktG. Der Anteil am Grundkapital bestimmt sich demgemäß nach der Zahl der Aktien, § 8 Abs. 4, 2. Halbs.
AktG. Jedoch muss dieser Anteil gemäß § 8 Abs. 3 S. 3 AktG auch bei einer
Stückaktie mindestens einen Euro betragen. Konsequenterweise wird auch hinsichtlich der Ausübung des Stimmrechts nach Nennbetragsaktien und Stückaktien differenziert, vgl. § 134 Abs. 1 S. 1 AktG.
Von diesem (rechnerischen) Anteil des Aktionärs am Grundkapital ist der kommerzielle Wert der Aktie zu unterscheiden. Beim kommerziellen Wert der Aktie
handelt es sich um den für die Veräußerung der Aktie am Markt erzielbaren
Betrag. Dieser richtet sich nach der Vermögenslage der Gesellschaft. Ist das
Gesellschaftsvermögen größer als das Grundkapital, ist auch der kommerzielle
Wert der Aktie höher als der in ihr verkörperte Anteil am Grundkapital. Entsprechendes gilt im umgekehrten Fall. Der kommerzielle Wert einer Aktie ist bei börsennotierten Aktien ein maßgeblicher Wertbildungsfaktor.22
2. Aktie als Inbegriff der Mitgliedschaftsrechte und -pflichten
Weiterhin versteht man unter Aktien die Gesamtheit der mitgliedschaftlichen
Rechte und Pflichten des Aktionärs. Jede Aktie begründet hierbei ein selbständiges Mitgliedsrecht, so dass ein Mehrfachaktionär mehrfaches Mitglied der Gesellschaft ist.23 Auch hierin kommt die rein kapitalistische Beteiligungsweise des
Aktionärs zum Ausdruck.
Die Mitgliedschaftsrechte des Aktionärs werden systematisch in Verwaltungsrechte und Vermögensrechte unterteilt.24 Zu den wichtigsten Verwaltungsrechten
zählen das Recht auf Teilnahme an der Hauptversammlung (§ 118 Abs. 1 AktG),
das Auskunftsrecht gegenüber dem Vorstand und der Gesellschaft (§ 131 AktG),
das Stimmrecht (§§ 12, 134 AktG) sowie das Recht auf Erhebung einer Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage (§§ 245 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, 249 Abs. 1 S. 1 AktG).
Daneben gewähren die Aktien dem Inhaber eine Reihe von Minderheitsrechten,
so etwa das Recht zur Einberufung einer Hauptversammlung (§ 122 AktG) oder
auf Geltendmachung von Ersatzansprüchen im eigenen Namen (§ 148 AktG).
22 Roth, Rn. 413; Kraft/Kreutz, S. 329.
23 Raiser/Veil, § 9, Rn. 7.
24 Wiesner, in Münchner Handbuch des GesR IV, § 17, Rn. 3; Kraft/Kreutz, S. 349.
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Vermögensrechte sind insbesondere der Anspruch auf den anteiligen Bilanzgewinn (Dividende, § 58 Abs. 4 AktG), das Bezugsrecht bei Kapitalerhöhungen
(§ 186 Abs. 1 AktG), der Anspruch auf Beteiligung am Liquidationserlös (§ 271
AktG) sowie das Recht auf Zahlung eines wiederkehrenden Ausgleichs (§ 304
AktG) oder einer Abfindung (§ 305 AktG) im Falle des Abschlusses eines
Gewinnabführungsvertrages durch die Gesellschaft. Zu den Pflichten des Aktionärs zählt vor allem Leistung der Einlage (§ 27 AktG).
In der Regel gewährt jede Aktie – entsprechend ihres Anteils am Grundkapital – die gleichen Rechte. Diese Aktiengattung wird als Stammaktien bezeichnet.
Bestimmten Aktiengruppen können in der Satzung besondere Vorzugsrechte eingeräumt werden. Dies setzt § 12 Abs. 1 S. 2 AktG als selbstverständlich voraus.
Diese Aktien bezeichnet man als Vorzugsaktien.25 In Betracht kommt hierbei insbesondere die Gewährung einer Vorzugsdividende. Für derartige Vorzugsaktien
kann gemäß §§ 12 Abs. 1 S. 2, 139 Abs. 1 AktG das Stimmrecht ausgeschlossen
werden. Wird eine Vorzugsdividende nicht vollständig ausgezahlt und wird dieser
Rückstand auch im folgenden Jahr (neben der vollständigen Zahlung der Vorzugsdividende für dieses Jahr) nicht ausgeglichen, lebt das Stimmrecht des Vorzugsaktionärs wieder auf, § 140 Abs. 2 S. 1 AktG.
3. Aktie als Urkunde
Schließlich versteht man unter einer Aktie die Urkunde, in welcher die Mitgliedschaft des Aktionärs verbrieft ist. Dieses Verständnis des Begriffs der Aktie liegt
insbesondere der Regelung des § 10 AktG zugrunde. Obwohl dieses Verständnis
am weitesten verbreitet sein dürfte, ist eine Verbriefung der Mitgliedschaft in einer Aktienurkunde keinesfalls zwingend.26 Nach ganz herrschender Auffassung
hat der Aktionär aber grundsätzlich einen Anspruch auf (deklaratorische) Verbriefung seines Mitgliedschaftsrechts.27 Hierfür spricht schon der Wortlaut von
§ 10 Abs. 5 AktG, demzufolge dieser Anspruch in der Satzung ausgeschlossen
werden kann.
Die Aktienurkunde ist Wertpapier »im weiteren Sinne«28, so dass zur Aus-
übung der Mitgliedschaftsrechte der Besitz der Urkunde (oder einer entsprechenden Hinterlegungsbescheinigung im Sinne von § 123 Abs. 3 S. 2 AktG) notwendig ist.29 Sinn und Zweck der Verbriefung des Mitgliedschaftsrechts in einer
25 Vgl. zu den unterschiedlichen Aktiengattungen Wiesner, in Münchener Handbuch des
GesR IV, § 13, Rn. 7; Klunzinger, S. 162; Kraft/Kreutz, S. 329.
26 Kraft, in Kölner Kommentar zum AktG, § 10, Rn. 7; Eckardt, in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 10, Rn. 4.
27 Urteil des RGH vom 22. Oktober 1918, II 158/18, RGZ 94, S. 61, 64; Brändel, in Großkommentar AktG, § 10, Rn. 23; Kraft, in Kölner Kommentar zum AktG, § 10, Rn. 8; Hüffer, AktG, § 10, Rn. 3.
28 Zur Aktienurkunde als Wertpapier im engeren Sinne siehe sogleich.
29 Hüffer, GesR, S. 288; Gursky, S. 134.
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Aktienurkunde ist die Verschaffung der Möglichkeit einer umfassenden Nutzung
und Verwertung der Mitgliedschaft (insb. Börsenhandel).
Gemäß § 10 Abs. 1 AktG können die Aktienurkunden auf den Inhaber oder den
Namen lauten. Hiervon hängt ab, welche Voraussetzungen an die Übertragung der
Aktie zu stellen sind.
II. Übertragung
Die Mitgliedschaftsrechte sind – allerdings nur in ihrer Gesamtheit – grundsätzlich frei übertragbar.30 Zur Beantwortung der Frage, ob davon abweichend einschränkende Voraussetzungen zu erfüllen sind, ist danach zu unterscheiden, ob
die Mitgliedschaft in einer Aktienurkunde verbrieft ist oder nicht.
Ist dies nicht der Fall, so ist gemäß §§ 413, 398 BGB lediglich eine formlose
Abtretung der Mitgliedschaftsrechte erforderlich. Insoweit bestehen keine
Besonderheiten zur Übertragung anderer Rechte. Sofern eine Aktienurkunde ausgestellt worden ist, stellt diese zugleich ein Wertpapier »im engeren Sinne« dar.31
Folglich kann eine Übertragung der Mitgliedschaftsrechte entweder durch Abtretung derselben oder unter Anknüpfung an die Urkunde nach sachenrechtlichen
Grundsätzen erfolgen.32 Werden die Mitgliedschaftsrechte durch Abtretung übertragen, so ist nach Auffassung der Rechtsprechung daneben die Übergabe der
Urkunde zur Erfüllung des Übertragungstatbestandes erforderlich.33 Soll die
Übereignung nach sachenrechtlichen Grundsätzen erfolgen, ist weiter danach zu
differenzieren, ob die Verbriefung der Mitgliedschaftsrechte durch die Ausgabe
von Inhaber- oder Stammaktien erfolgt ist. Inhaberaktien gehören zur Gruppe der
Inhaberpapiere. Ihre Übertragung erfolgt nach den Vorschriften über die Übereignung beweglicher Sachen, mithin durch Einigung und Übergabe gemäß §§ 929 ff.
BGB.34 Inhaberaktien stellen den Regelfall der Beurkundung der Mitgliedschaftsrechte dar. Namensaktien hingegen sind Orderpapiere35, so dass ihre wertpapierrechtliche Übertragung gemäß § 68 Abs. 1 S. 1 AktG durch Indossament erfolgt.
Hierfür gelten gemäß § 68 Abs. 1 S. 2 AktG die wechselrechtlichen Vorschriften
zur Übertragung durch Indossament entsprechend.36 Zu beachten ist hier allerdings, dass die Übertragung von Namensaktien gemäß § 68 Abs. 2 S. 1 AktG in
der Gesellschaftssatzung an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden werden
kann. In diesem Fall spricht man von vinkulierten Namensaktien.37
30 Urteil des BGH vom 1. Dezember 1986, II ZR 287/85, WM 1987, S 174, 175; Wiesner, in
Münchener Handbuch des GesR IV, § 14, Rn. 16.
31 K. Schmidt, S. 776 f.
32 »Das Recht aus dem Papier folgt dem Recht am Papier«, vgl. Gursky, S. 11 f.
33 Urteil des BGH vom 12. Dezember 1957, II ZR 43/57, NJW 1958, S. 302, 303.
34 Hüffer, GesR, S 288.
35 Kraft, in Kölner Kommentar zum AktG, § 10, Rn. 18.
36 Vgl. Art. 11 ff. WG.
37 Wiesner, in Münchener Handbuch des GesR IV, § 14, Rn. 16; Klunzinger, S. 163.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Arbeit befasst sich mit den Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Teilwertabschreibung auf Aktien. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Nachweis einer voraussichtlich dauernden Wertminderung von börsennotierten Aktien des Anlagevermögens. Der Autor weist nach, dass die in diesem Zusammenhang vertretenen Ansichten von Finanzverwaltung und Rechtsprechung mit den Erkenntnissen der Kapitalmarktforschung nicht vereinbar sind, und stellt sodann ein eigenes Konzept dar. Daneben werden auch nicht börsennotierte Aktien und Aktien des Umlaufvermögens behandelt. Zudem werden die Einflüsse der Internationalen Rechnungslegungsstandards, die Besonderheiten bei eigenen Aktien sowie etwaige Änderungen durch das BilMoG dargestellt.