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1. Kapitel:
Einleitung
Aktien stellen ein beliebtes Mittel zur Stärkung der Kapitaldecke eines Unternehmens dar. Sie sind in der Steuerbilanz als nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 EStG unabhängig von ihrer Einordnung in das Anlageoder Umlaufvermögen im Jahr des Zugangs sowie grundsätzlich auch in den Folgejahren mit ihren Anschaffungskosten zu bewerten.
Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG können Aktien in den Folgejahren im Falle
einer voraussichtlich dauernden Wertminderung auch mit ihrem im Vergleich
zum Buchwert niedrigeren Teilwert angesetzt werden. Als Teilwert bezeichnet
§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG denjenigen Betrag, den ein Erwerber des ganzen
Betriebes im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut
unter der Annahme einer Betriebsfortführung ansetzen würde. Wie der Teilwert
konkret zu ermitteln ist, lässt sich dieser Regelung nicht entnehmen. Zur Frage,
wann eine voraussichtlich dauernde Wertminderung vorliegt, schweigt das
Gesetz. Die Durchführung einer Teilwertabschreibung ist deshalb mit erheblichen Unwägbarkeiten verbunden, die nicht selten in einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit den Finanzbehörden endet.
Insbesondere bei börsennotierten Aktien des Anlagevermögens wurde diese
für den Steuerpflichtigen ungünstige Ausgangslage durch den sog. Teilwerterlass
des BMF1 noch verschärft. Nach Auffassung des BMF sollte eine Teilwertabschreibung auf börsennotierte Aktien des Anlagevermögens grundsätzlich ausgeschlossen sein und nur bei besonderen Anlässen in Betracht kommen.2 Hierdurch
wurde dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit einer Teilwertabschreibung auf
Aktien faktisch verwehrt.3 Verschiedene Finanzgerichte folgten dieser strengen
Ansicht im Ergebnis.4
Der BFH bestätigte bereits die nicht minder strenge Auffassung des BMF zur
Teilwertabschreibung auf abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens.5
Daher lag die Vermutung nahe, dass er sich auch bei börsennotierten Aktien des
Anlagevermögens, d.h. bezüglich nicht abnutzbarer Wirtschaftsgüter der Ansicht
1 Schreiben des BMF vom 25. Februar 2000, IV C 2 – S 2171 b – 14/00, BStBl. I 2000,
S. 372.
2 Schreiben des BMF vom 25. Februar 2000, IV C 2 – S 2171 b – 14/00, BStBl. I 2000,
S. 372, 373 f. (Tz. 18 ff.).
3 Vgl. 3. Kapitel, Abschnitt A. III. 1. b) aa) (2).
4 Beschluss des FG Sachsen-Anhalt vom 26. Oktober 2005, 1 V 1146/05 – rkr., EFG 2006,
S. 98, 99; Urteil des FG Köln vom 21. Juni 2006, 13 K 4033/05 – n. rkr., EFG 2006,
S. 1414, 1416 ff. = BB 2006, S. 1901, 1902 ff. m. Anm. Schlotter.
5 Urteil des BFH vom 14. März 2006, I R 22/05, DStZ 2006, S. 666, 666 f.
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des BMF anschließen würde.6 Jedoch vertrat der BFH im seinem grundlegenden
Urteil vom 26 September 20077, in dessen Rahmen er sich auch erstmals zur
Frage der Voraussetzungen einer voraussichtlich dauernden Wertminderung bei
nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens im Allgemeinen
äußerte, einen gegensätzlichen Standpunkt. Nach Auffassung des BFH soll für
eine Teilwertabschreibung auf Aktien des Anlagevermögens bereits ein gefallener Börsenkurswert am Bilanzstichtag ausreichend sein, sofern nicht konkrete
Anhaltspunkte im Wertaufhellungszeitraum für eine baldige Werterholung sprechen.8 Geht man davon aus, dass der Börsenkurswert einer Aktie den Teilwert
darstellt9, führt die Ansicht des BFH im Ergebnis zu einem Regelansatz des Zeitwerts – ein Ergebnis, dass der gesetzlichen Konzeption der Teilwertabschreibung
nicht entspricht.10
Wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, existieren erhebliche Unklarheiten und Meinungsverschiedenheiten im Hinblick auf die Voraussetzungen und
Rechtsfolgen einer Teilwertabschreibung auf Aktien. Ziel der vorliegenden
Arbeit ist daher zunächst eine systematische Aufarbeitung des Streitstandes. Ein
Schwerpunkt liegt auf dem Nachweis einer voraussichtlich dauernden Wertminderung bei börsennotierten Aktien des Anlagevermögens.11 Hierbei wäre es wünschenswert, bestimmte Parameter festzulegen, bei deren Vorliegen eine voraussichtlich dauernde Wertminderung vermutet werden könnte. Als solche Parameter kommen etwa der im Vergleich zu den Anschaffungskosten als solcher gefallene Börsenkurswert am Bilanzstichtag oder das Überschreiten bestimmter
Schwellenwerte in Betracht. Indes ist es entgegen weit verbreiteter Auffassung
nicht möglich, aus dem Börsenkurswert derartige Vermutungen herzuleiten.12
Vielmehr ist es erforderlich, ein tragfähiges Konzept zu entwickeln, in dessen
Rahmen das Vorliegen einer voraussichtlich dauernden Wertminderung auch bei
börsennotierten Aktien möglichst hinreichend ermittelt werden kann.13 Letztlich
verbleiben auf Seiten des Steuerpflichtigen jedoch erhebliche Unsicherheiten, so
dass es im Ergebnis einer gesetzlichen Neuregelung bedarf.14
Im 2. Kapitel erfolgt zunächst eine Einführung in den Untersuchungsgegenstand. Hierbei werden der Begriff der Aktie (Abschnitt A) sowie die allgemeine
Systematik der Teilwertabschreibung (Abschnitt B) vorgestellt, wobei auch zu
klären ist, wann eine voraussichtlich dauernde Wertminderung im Allgemeinen
angenommen werden kann. Der Hauptteil (3. Kapitel) ist zunächst den fremden
Aktien, und zwar gleichermaßen den börsennotierten und nicht börsennotierten
6 Vgl. Heidenreich, BBV 2006, S. 297, 299.
7 Urteil des BFH vom 26. September 2007, I R 58/06, DB 2008, S. 214 = DStR 2008, S. 187
= WPg 2008, S. 217 = BB 2008, S. 550.
8 Urteil des BFH vom 26. September 2007, I R 58/06, DB 2008, S. 214, 215.
9 Vgl. 3. Kapitel, Abschnitt A. II. 3. a) bb).
10 Vgl. 3. Kapitel, Abschnitt A. III. 1. b) aa) (3) (a) (cc).
11 Vgl. 3. Kapitel, Abschnitt A. III. 1. b) aa).
12 Vgl. 3. Kapitel, Abschnitt A. III. 1. b) aa) (3).
13 Vgl. 3. Kapitel, Abschnitt A. III. 1. b) aa) (4).
14 Vgl. 3. Kapitel, Abschnitt A. III. 1. b) aa) (5).
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Aktien gewidmet (Abschnitt A). Während sich bei Letzteren insbesondere die
Teilwertermittlung schwierig gestaltet, stellt sich bei börsennotierten Aktien insbesondere die Frage, wann eine voraussichtlich dauernde Wertminderung angenommen werden kann und inwieweit historische Börsenkurswerte in die Prüfung
dieses Merkmals einbezogen werden können. Zudem wird der Einfluss der Internationalen Rechnungslegungsstandards im Bereich der Teilwertabschreibung
untersucht (Abschnitt B). Hierbei gilt es auch zu prüfen, welchen Einfluss die
Internationalen Rechnungslegungsstandards im Allgemeinen auf das deutsche
Bilanzsteuerrecht ausüben. Hält die AG eigene Aktien und möchte sie auf diese
eine Teilwertabschreibung durchführen, ergeben sich einige Besonderheiten, die
zum besseren Verständnis in einem Sonderkapitel zusammengefasst wurden
(Abschnitt C). Das 4. Kapitel befasst sich schließlich mit den Einflüssen des
BilMoG auf die Thematik dieser Arbeit. Das letzte Kapitel ist dem Gesamtergebnis vorbehalten.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Arbeit befasst sich mit den Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Teilwertabschreibung auf Aktien. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Nachweis einer voraussichtlich dauernden Wertminderung von börsennotierten Aktien des Anlagevermögens. Der Autor weist nach, dass die in diesem Zusammenhang vertretenen Ansichten von Finanzverwaltung und Rechtsprechung mit den Erkenntnissen der Kapitalmarktforschung nicht vereinbar sind, und stellt sodann ein eigenes Konzept dar. Daneben werden auch nicht börsennotierte Aktien und Aktien des Umlaufvermögens behandelt. Zudem werden die Einflüsse der Internationalen Rechnungslegungsstandards, die Besonderheiten bei eigenen Aktien sowie etwaige Änderungen durch das BilMoG dargestellt.