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die Programmfreiheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks über den »golde nen Zügel« der Medienabgabe ist daher nicht zu befürchten.
4) Zwischenergebnis
Die Medienabgabe wird den rundfunkverfassungsrechtlichen Anforderungen
an die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in gleichem
Umfang gerecht, wie dies schon bisher bei der Rundfunkgebühr der Fall
war.71
II. Finanzverfassungsrechtliche Anforderungen an eine geräteunabhängige
Medienabgabe
Neben ihrer Bewertung anhand der rundfunkverfassungsrechtlichen Vorgaben bedarf die Medienabgabe wegen der mit ihr bezweckten Finanzierung des
Rundfunks als einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe72 auch einer
finanzverfassungsrechtlichen Abklärung. Dies gilt umso mehr, als sich das
Grundgesetz ausweislich seines X. Abschnitts (Art. 104a ff. GG) der Finanzierung öffentlicher Aufgaben mit besonderer Sorgfalt annimmt und sich dort
ausdrücklich nur zu bestimmten Finanzierungsformen äußert. Es ist daher zu
prüfen, inwieweit sich die Medienabgabe in diesen finanzverfassungsrechtlich vorgegebenen Rahmen einfügt.73
71 Für die funktionsgerechte Finanzausstattung der einzelnen Anstalt könnte es jedoch erforderlich werden, die Aufteilung des Abgabeaufkommens neu zu regeln, da mit dem Fortfall
der Differenzierung von Grund- und Fernsehgebühr der bisherige Verteilungsschlüssel gemäß § 7 Abs. 1, 2 RGebStV i.V.m. § 9 RFinStV keine Grundlage mehr hat.
72 Zur grundlegenden Bedeutung des Rundfunks als Medium und Faktor im Prozess freier
Meinungsbildung bereits BVerfGE 12, 205 (260).
73 Zum Maßstabscharakter der grundgesetzlichen Finanzverfassung insbesondere für nichtsteuerliche Abgaben siehe etwa H. Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, vor Art. 104a Rn. 12.
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1) Verfassungsrechtliche Grundlagen hoheitlicher Abgabenerhebung
a) Steuer, Gebühr und Beitrag als klassische Abgabeformen
Als einseitig auferlegte öffentlich-rechtliche Geldleistungspflichten, die der
Einnahmeerzielung dienen und einem Träger hoheitlicher Gewalt zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben zufließen, kennt das Grundgesetz die drei klassischen Abgabeformen74 Steuer, Gebühr und Beitrag.
Unter Steuern sind in Anlehnung an die Legaldefinition des § 3 Abs. 1 AO
und nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts einmalige oder laufende
Geldleistungspflichten zu verstehen, die hoheitlich durch eine öffentlichrechtliche Körperschaft auferlegt werden, der Erzielung von endgültigen Ein nahmen dienen und keine Gegenleistung für eine besondere Leistung des
Staates darstellen.75 Steuern sind das traditionelle Hauptfinanzierungsmittel
des allgemeinen Staatshaushalts,76 die als Gemeinlasten allen auferlegt werden und neben dem Ziel der Staatsfinanzierung grundsätzlich keiner besonderen Belastungslegitimation bedürfen.77 Aus der Tatsache, dass Steuern etwa
75% der Einnahmen der Gebietskörperschaften erbringen und der Verfassungsstaat des Grundgesetzes ausweislich der Regelungen des X. Abschnitts
über das Finanzwesen (Art. 104a ff. GG) von diesem Abgabeinstrument
geprägt ist, wird gemeinhin auch von Deutschland als »Steuerstaat« gesprochen.78
Über diese quantitative Dimension des »Steuerstaates« hinaus verbindet das
Bundesverfassungsgericht mit diesem Begriff die Forderung, dass die Finanzierung der staatlichen Aufgaben in Bund und Ländern in erster Linie auf
Grundlage der steuerrechtlichen Kompetenznorm des Art. 105 GG und aus
dem Ertrag der in Art. 105 ff. GG geregelten Einnahmequellen, also vorrangig aus Steuern, zu erfolgen hat. Nichtsteuerliche Abgaben sind dadurch als
Finanzierungsquellen zwar nicht ausgeschlossen, bedürfen jedoch jeweils
einer besonderen Legitimation.
Zu den verfassungsrechtlich ausdrücklich zugelassenen und neben der Steuer
grundsätzlich akzeptierten nichtsteuerlichen Abgaben gehören Gebühren und
Beiträge als tradierter Bestand staatlicher Tätigkeit.79 Diese Abgabeformen
werden im Grundgesetz nur vereinzelt erwähnt – Gebühren in Art. 74 Abs. 1
74 Zum allgemeinen Abgabebegriff F. Kirchhof, Grundriß des Steuer- und Abgabenrechts,
2. Aufl. 2001, Rn. 2.
75 Etwa BVerfGE 3, 407 (435); 38, 61 (79 f.); 72, 330 (433).
76 BVerfGE 55, 274 (299); 93, 319 (342).
77 F. Kirchhof, Grundriß des Steuer- und Abgabenrechts, 2. Aufl. 2001, Rn. 10.
78 BVerfGE 93, 319 (342); J. Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: FS Ipsen, 1977, S. 409 ff.
79 BVerfGE 34, 52 (61); 92, 91 (113); 108, 1 (17).
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Nr. 22 und Art. 80 Abs. 2 GG, Beiträge in Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG –, aber
verfassungsrechtlich nicht näher definiert.
Im Unterschied zur Steuer werden Gebühren und Beiträge nur geschuldet,
wenn der Staat dem Bürger eine individuell zurechenbare Leistung erbringt
oder zumindest anbietet. Ihre sachliche Rechtfertigung finden diese Abgabeformen in ihrer Ausgleichsfunktion für eine besondere individuell zurechenbare öffentliche Leistung.80 Gebühren und Beiträge sind also anders als Steuern nicht von Jedermann zu entrichten sondern, nur von einem Teil der leistungsfähigen Steuerbürger und damit Sonderlasten, die einen besonderen
Belastungsgrund vorweisen müssen. In ihrer Bezeichnung als Vorzugslasten
kommt treffend zum Ausdruck, dass mit ihnen eine individuell bevorzugte
Leistung der öffentlichen Hand entgolten wird.81
Gebühren und Beiträge unterscheiden sich ihrerseits darin, dass Gebühren aus
Anlass einer individuell zurechenbaren Staatsleistung dem Empfänger durch
öffentlich-rechtliche Norm oder hoheitliche Maßnahme auferlegt werden,82
Beiträge hingegen dafür entrichtet werden müssen, dass der Staat dem Bürger
einen individuellen Vorteil anbietet und dabei unerheblich ist, ob er diesen
auch tatsächlich individuell in Anspruch nimmt.83 Die Gesetzgebungskompetenzen für Gebühren und Beiträge sind im Sinne einer Annexkompetenz84 aus
den allgemeinen Regeln der Art. 70 ff. GG herzuleiten.85
b) Zuordnung der Medienabgabe?
Die Medienabgabe ist keiner dieser grundgesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Abgabeformen (Steuer, Gebühr, Beitrag) zuzuordnen.
Dies gilt zunächst für die Abgrenzung der Medienabgabe zur Steuer. Mit dem
tatbestandlichen Verzicht auf jeglichen Gegenleistungsbezug wird die geräteunabhängige Medienabgabe zwar voraussetzungslos geschuldet, wodurch sie
eine gewisse Nähe zur Steuer aufweist.86 Die Voraussetzungslosigkeit ist
jedoch lediglich eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Voraussetzung
dafür, eine Abgabe als Steuer zu qualifizieren. Über die Tatbestandsmerkmale
des § 3 AO hinaus sieht das Bundesverfassungsgericht Abgaben nur dann als
80 BVerfGE 93, 319 (343 f.); 108, 1 (17).
81 F. Kirchhof, Grundriß des Steuer- und Abgabenrechts, 2. Aufl. 2001, Rn. 14.
82 BVerfGE 50, 217 (226); 97, 332 (343); 108, 1 (13).
83 BVerwGE 74, 196 (198); BVerwG, NJW 1987, S. 793 ff. (794).
84 Dazu P. Kirchhof, Nichtsteuerliche Abgaben, in: HStR V, 3. Aufl. 2007, § 119 Rn. 59, 68.
85 St. Rspr. seit BVerfGE 4, 7 (13); zuletzt BVerfGE 108, 1 (13).
86 Zur Voraussetzungslosigkeit als wesentliches Kennzeichen der Steuer siehe etwa
BVerfGE 55, 274 (298 f.); 108, 1 (16).
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Steuern an, wenn deren Aufkommen dem allgemeinen Staatshaushalt zufließt
und dort endgültig verbleiben soll.87 Diese essentielle Voraussetzung einer
Steuer erfüllt die Medienabgabe erkennbar nicht. Die Einnahmen aus ihr sollen nicht dem allgemeinen Staatshaushalt zufließen und dort verbleiben, sondern – wie bisher schon die Rundfunkgebühr – unmittelbar den öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten zur Verfügung stehen. Angesichts dieses eindeutigen Befundes kann dahin stehen, ob die Medienabgabe nicht schon auch
deshalb keine Steuer sein kann, weil ein Steueraufkommen begriffsnotwendig
im Staatshaushalt zu veranschlagen ist, jegliche Zuweisung eines Abgabenaufkommens außerhalb des Staatshaushalts – wie bei der Medienabgabe –
mithin den Steuercharakter von vornherein ausschließt.88
Einer Qualifikation als Gebühr oder Beitrag ist die Medienabgabe von vornherein dadurch entzogen, dass sie – im Gegensatz zur Rundfunkgebühr – nicht
mehr an die tatsächliche oder potenzielle Inanspruchnahme einer Gegenleistung durch die »Gesamtveranstaltung Rundfunk« gebunden ist, sondern sich
durch ihre Geräteunabhängigkeit von den bisherigen Grundlagen der Gebührenpflicht vollständig löst.89.
Für die Frage nach der finanzverfassungsrechtlichen Grundlage einer Medienabgabe folgt aus diesem Befund ihres Abgleichs mit den klassischen Abgabeformen, dass sich ihre Einführung weder auf steuerrechtliche Kompetenzen
der Länder noch auf den Gedanken gebühren- bzw. beitragsrechtlicher Annexkompetenzen der Länder stützen kann. Die Medienabgabe bedarf mithin einer
anderen kompetenziellen Grundlage, um zulässigerweise an die Stelle der bisherigen Rundfunkgebühr treten zu können.
2) Sonderabgaben als eigenständige Finanzierungsform
a) Grundsätzliche Zulässigkeit von Sonderabgaben
Neben den klassischen Abgabeformen (Steuer, Gebühr, Beitrag) hat sich in
der Staatspraxis schon seit geraumer Zeit die Sonderabgabe etabliert.90 Nach
87 So BVerfGE 67, 256 (287). Zur Einnahmenerzielung für den allgemeinen Finanzbedarf des
Gemeinwesens als begriffliches Wesensmerkmal der Steuer siehe BVerfGE 82, 159 (178);
91, 186 (201); 108, 186 (212); 113, 128 (146).
88 Nach BVerfGE 101, 141 (148) ist der Zufluss in den allgemeinen Haushalt Voraussetzung
für die Steuer; zurückhaltend jetzt BVerfGE 108, 186 (213).
89 Siehe dazu oben Teil A. II. 1).
90 Zur Entwicklung von Staatspraxis und Rspr. in Bezug auf die Sonderabgabe zusammenfassender Überblick etwa bei Vogel/Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz,
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References
Zusammenfassung
Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch die Rundfunkgebühr ist in die Kritik geraten und soll nach dem Willen der Länder ab 2013 durch eine andere Form der Finanzierung ersetzt werden. In der Diskussion ist dabei u. a. eine geräteunabhängige Haushalts- und Betriebsstättenabgabe (Medienabgabe), die die Abgabepflicht von jeglichem Geräte- und Gegenleistungsbezug löst und allein an die Innehabung eines Haushalts bzw. einer Betriebsstätte bindet.
Der Autor legt dar, dass es sich bei der Medienabgabe nicht um eine Sonderabgabe handelt, sondern um eine durch die Rundfunkhoheit der Länder sachkompetenziell legitimierte Abgabe, die den rundfunkverfassungsrechtlichen Anforderungen an die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ebenso genügt wie den finanzverfassungs- und grundrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes.
Der Autor ist ordentlicher Professor für Öffentliches Recht an der Universität Hohenheim und seit 1992 Vorstandsmitglied der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg.