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Zahlungspflicht auf einer vermuteten, aber individuell widerlegbaren Empfangsmöglichkeit beruht49 und damit im Streitfall durch die »Hintertür« die
gleichen Abgrenzungsprobleme wie bei der herkömmlichen Rundfunkgebühr
auftreten können.
Die völlige Abkehr der Medienabgabe vom Gerätebezug und einer auch nur
vermuteten Empfangsmöglichkeit bedeutete jedoch zugleich, dass sich ihre
Legitimation – anders als bei der herkömmlichen oder einer modifizierten
Rundfunkgebühr – nicht mehr aus dem Gedanken des gegenleistungsbezogenen Äquivalenzprinzips begründen lässt,50 sondern einer anderen Rechtfertigung bedarf.51
2) Weitere Ausgestaltung der Medienabgabe – Annahmen
Die nachfolgende Abklärung der verfassungsrechtlichen Fragen,52 die sich
bei dem Finanzierungsmodell des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch
eine geräteunabhängige Haushalts- und Betriebsstättenabgabe stellen, geht
von der Annahme aus, dass
– dem Gesetzgeber eine tatbestandliche Fassung der Medienabgabe gelingt,
die den rechtsstaatlichen Anforderungen hinreichender Bestimmtheit genügt. Dies gilt insbesondere für die Definition des objektiven wie des sub jektiven Abgabetatbestandes, also der näheren Umschreibung dessen, was
als Haushalt bzw. Betriebsstätte gilt und wer als jeweiliger Abgabenschuldner anzusehen ist;
– die Gläubigerstellung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in
Fortschreibung von § 7 RGebStV auch bei der Medienabgabe erhalten
bleibt;
– eine Binnenverteilung des Abgabenaufkommens zwischen den öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten erfolgt, die – nach Fortfall der bisherigen
Unterscheidung von Grund- und Fernsehgebühr sowie des veränderten
Anknüpfungspunktes für die Abgabepflicht – auch weiterhin die funkti onsgerechte Finanzierung jeder einzelnen Anstalt gewährleistet;
– ein Erhebungsverfahren vorgesehen wird, das unter Beachtung insbesondere melde- und datenschutzrechtlicher Vorgaben eine verwaltungsöko-
49 Siehe dazu oben Teil A. I. 2) und H.-D. Jarass, Verfassungsrechtliche Fragen einer Reform
der Rundfunkgebühr, Rechtsgutachten, 2007, S. 20 ff.
50 Siehe dazu näher unten Teil B. III. 1) b).
51 Siehe dazu umfassend Teil B. der Untersuchung.
52 Zur Eingrenzung dieses Gutachtens auf die verfassungsrechtlichen Fragestellungen einer
geräteunabhängigen Medienabgabe siehe sogleich unten Teil A. II. 3).
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nomisch effiziente und gleichmäßige Durchsetzung der Abgabepflicht sicherstellt und
– für die Bestimmung der Höhe der Medienabgabe das bisherige Verfahren
zur Festsetzung der Rundfunkgebühr (KEF-Verfahren) gemäß §§ 1-7
RFinStV im Wesentlichen beibehalten wird.
Die nachfolgende Untersuchung wird zeigen, dass die Verfassungskonformität der Medienabgabe nicht zuletzt von diesen Annahmen abhängig ist, so
dass ihrer Realisierung für die Einführung der Medienabgabe eine besondere
Bedeutung zukommt.
3) Eingrenzung der Untersuchung
Entsprechend dem Gutachtenauftrag beschränkt sich die Untersuchung dieser
Finanzierungsform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf die Abklärung
der verfassungsrechtlichen Fragen, die sich bei einer derartigen Medienabgabe vor allem unter rundfunk- und finanzverfassungsrechtlichen Aspekten
sowie im Hinblick auf die grundrechtlichen Implikationen stellen.
Die mit der näheren tatbestandlichen Ausgestaltung einer geräteunabhängigen
Haushalts- und Betriebsstättenabgabe zusammenhängenden Probleme bleiben demgegenüber grundsätzlich ebenso ausgeklammert wie alle Fragen
melde- und datenschutzrechtlicher Art, die sich bei der Ausgestaltung des
Erhebungsverfahrens und seines Vollzuges ergeben. Allerdings werden diese
und ähnliche Folgeaspekte53 anzusprechen sein, sofern sie für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Medienabgabe von Bedeutung sind.54
Zu den europarechtlichen Implikationen einer Umstellung der Finanzierung
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vom derzeitigen Gebührenmodell auf
eine andere Form der Finanzierung liegt mit dem Rechtsgutachten von
Streinz/Herrmann bereits eine Untersuchung vor, die in ihren grundsätzlichen
Aussagen zum Thema »alte« bzw. »neue« Beihilfe und den sich daraus ergebenden Konsequenzen einer etwaigen Notifizierungspflicht gegenüber der
Kommission der Europäischen Gemeinschaft auch das hier zu untersuchende
Abgabenmodell abdeckt.55
53 Z.B. die Frage, welche Konsequenzen sich aus dem Fortfall der Unterscheidung von Grundund Fernsehgebühr für die Binnenverteilung zwischen den Rundfunkanstalten, dem
Deutschlandradio und den Landesmedienanstalten ergeben.
54 Siehe dazu z.B. die Bedeutung der tatbestandlichen Abgrenzung der Abgabepflichtigen im
Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG unten Teil B. III. 1) d) (2).
55 Streinz/Herrmann, Die Reform der Rundfunkfinanzierung im Lichte des EG-Beihilfenrechts, Rechtsgutachten, 2007, insbes. S. 37 f.
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References
Zusammenfassung
Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch die Rundfunkgebühr ist in die Kritik geraten und soll nach dem Willen der Länder ab 2013 durch eine andere Form der Finanzierung ersetzt werden. In der Diskussion ist dabei u. a. eine geräteunabhängige Haushalts- und Betriebsstättenabgabe (Medienabgabe), die die Abgabepflicht von jeglichem Geräte- und Gegenleistungsbezug löst und allein an die Innehabung eines Haushalts bzw. einer Betriebsstätte bindet.
Der Autor legt dar, dass es sich bei der Medienabgabe nicht um eine Sonderabgabe handelt, sondern um eine durch die Rundfunkhoheit der Länder sachkompetenziell legitimierte Abgabe, die den rundfunkverfassungsrechtlichen Anforderungen an die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ebenso genügt wie den finanzverfassungs- und grundrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes.
Der Autor ist ordentlicher Professor für Öffentliches Recht an der Universität Hohenheim und seit 1992 Vorstandsmitglied der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg.