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Als weiteres Steuermodell zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird schließlich die Einführung einer Rundfunksteuer analog der Kirchensteuer nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV in Betracht gezogen.37 Demgemäß sollen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die
Befugnis erhalten, eine eigene Rundfunksteuer festzusetzen.
Auf diese Weise entfiele zwar wie bei jeder Steuerlösung die gebührenspezi fische PC- und Schwarzhörer- bzw. Schwarzseherproblematik. Es bedürfte
für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer solchen Rundfunksteuer
jedoch einer Grundgesetzänderung, da die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bisher nicht steuerertragsberechtigt sind.
Abschließend sei an dieser Stelle angemerkt, dass Formen einer nutzungsabhängigen Finanzierung38 für die verfassungsrechtlich gebotene funktionsgerechte Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von vornherein nicht in Betracht kommen. Eine Finanzierung über das Angebot marktgängiger Dienstleistungen an die Rezipienten (z.B. pay-TV) bzw. an die Wirtschaft (z.B. Werbung, Sponsoring, eventuell auch product-placement) scheidet wegen der damit verbundenen Gefahr programm- und vielfaltverengender
Tendenzen39 aus verfassungsrechtlichen Gründen als alternative Finanzierungsform aus40 und erweitert damit nicht den Kreis der Modelle, die dem
Gesetzgeber für eine Neuordnung der Rundfunkfinanzierung zumindest
grundsätzlich zur Verfügung stehen.
II. Gegenstand der Untersuchung – Die Medienabgabe
Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung ist das ebenfalls als Alternative
zur derzeitigen Rundfunkgebühr diskutierte Modell einer geräteunabhängi gen Haushalts- und Betriebsstättenabgabe.41 Wesentliches Kennzeichen dieser Abgabe ist eine tatbestandliche Ausgestaltung, die
37 Dazu Zwischenbericht der ARD/ZDF-Arbeitsgruppe »Rundfunkfinanzierung«, Juli 2000,
S. 22 f.
38 Zu derartigen Vorstellungen Überblick bei A. Hasse, Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, 2005, S. 224 ff.
39 Dazu BVerfGE 90, 60 (91). Zur verfassungsrechtlich gebotenen weitgehenden Abkoppelung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vom ökonomischen Markt
BVerfGE 119, 181 (219).
40 So im Ergebnis auch A. Hasse, Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks,
2005, S. 234.
41 Im Zwischenbericht der ARD/ZDF-Arbeitsgruppe »Rundfunkfinanzierung«, Juli 2000,
S. 15 wird die Anknüpfung einer geräteunabhängigen Abgabe an den Haushalt als alterna-
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– die Abgabepflicht ausschließlich an die Innehabung eines Haushaltes bzw.
einer Betriebsstätte bindet,
– von jeglichem Gegenleistungsbezug im Sinne einer gebühren- oder beitragsrechtlichen Legitimation löst und
– die bisherige Differenzierung zwischen Grund- und Fernsehgebühr42
zugunsten einer einheitlichen Abgabe aufgibt.43
Aus Gründen der terminologischen Vereinfachung wird diese geräteunabhängige Haushalts- und Betriebsstättenabgabe im Folgenden grundsätzlich verkürzt als »Medienabgabe« bezeichnet. Der auf den ersten Blick nahe liegende
Begriff der »Rundfunkabgabe« wird bewusst nicht gewählt, um den Finanzierungszweck dieser neuen Abgabe – angesichts der im Entwurf des
12. Rundfunkänderungsstaatsvertrags vorgesehenen Neudefinition des Rundfunkbegriffs44 – nicht von vornherein terminologisch auf lineare Angebote
der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu begrenzen. Mit dem Begriff
der »Medienabgabe« werden demgegenüber auch nicht-lineare Angebote
(Telemedien) der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten45 erfasst, allerdings um den Preis, dass diese Bezeichnung semantisch auch auf Printmedien
ausgreift, die nicht zu den Destinatären des Aufkommens aus der Medienabgabe gehören.
1) Grundgedanke einer geräteunabhängigen Medienabgabe
Durch die Einführung einer geräteunabhängigen Medienabgabe zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks soll in erster Linie der bisherige
Anknüpfungspunkt für die Abgabepflicht – das Bereithalten eines Rundfunk empfangsgeräts – geändert und von jeglichem Gerätebezug gelöst werden.
Während nach der derzeitigen gesetzlichen Regelung gemäß § 2 Abs. 2
RGebStV der Rundfunkteilnehmer im Grundsatz für jedes zum Empfang
bereitgehaltene Hörfunkgerät eine Grundgebühr und für jedes zum Empfang
bereitgehaltene Fernsehgerät eine zusätzliche Fernsehgebühr zu entrichten
41
tive Form einer an den Erwachsenenstatus anknüpfenden »Bürgerabgabe« erwähnt. Kurze
Nennung dieses Modells auch bei Chr. Degenhart, Rechtsfragen einer Neuordnung der
Rundfunkgebühr, Rechtsgutachten, 2007, S. 67.
42 Vgl. § 2 Abs. 1 RGebStV.
43 Zu Einzelheiten sogleich unten Teil A. II. 1).
44 Nach Art. 1 Ziff. 2a des Arbeitsentwurfs (Stand 26.3.2008) soll der Rundfunkbegriff in § 2
RStV auf lineare Informations- und Kommunikationsdienste beschränkt werden.
45 Dazu B. Grzeszick, Der Telemedien-Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zwischen Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht, NVwZ 2008, S. 608 ff.
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hat, wird mit der geräteunabhängigen Medienabgabe jeder Haushalts- bzw.
Betriebstätteninhaber nur einmal belastet.
Die faktischen Auswirkungen eines solchen Systemwechsels dürften jedoch
vergleichsweise gering sein, da es vom Grundsatz des § 2 Abs. 2 RGebStV
bereits heute zahlreiche Ausnahmen gibt. So sind etwa Zweitgeräte in Privatwohnungen nach § 5 Abs. 1 RGebStV grundsätzlich gebührenbefreit, und für
neuartige Rundfunkgeräte, die Rundfunkprogramme ausschließlich über das
Internet wiedergeben können, fällt gemäß § 5 Abs. 3 RGebStV in der Regel
dann keine weitere Rundfunkgebühr an, wenn sie einem Grundstück zuzurechnen sind, auf dem bereits ein herkömmliches Rundfunkempfangsgerät
zum Empfang bereitgehalten wird. In der Konsequenz bedeutet dies, dass
jedenfalls im privaten Bereich schon jetzt in der Regel pro Haushalt nur eine
Rundfunkgebühr zu entrichten ist.46 Die Einführung der Medienabgabe
bedeutete insofern also keinen »revolutionären« Schritt sondern eine Rückkehr zu den Vorstellungen, die der ursprünglichen Konzeption der gerätebezogenen Rundfunkgebühr als einer de facto Haushaltsabgabe zugrunde
lagen.47
Durch die Einführung einer geräteunabhängigen Medienabgabe würde jedoch
eine Vielzahl von rechtlichen Streitigkeiten über die Gebührenpflichtigkeit
einzelner Rundfunkempfangsgeräte von vornherein ausgeschlossen; das
Gebühreneinzugsverfahren würde transparenter und auch praktisch erleichtert.48 Diese Vorteile ergeben sich jedoch nur dann, wenn sich die Medienabgabe tatbestandlich so konsequent von der Rundfunkgebühr abhebt, dass die
hergebrachten Auseinandersetzungen über die Einordnung eines Gerätes tatsächlich obsolet werden. Erforderlich ist dafür eine Ausgestaltung der Medienabgabe, die sich sowohl tatbestandlich von jeglichem Gerätebezug löst als
auch ihre innere Legitimation nicht in einer gesetzlich vermuteten Rundfunkempfangsmöglichkeit sieht. Die Medienabgabe muss insofern deutlich über
das Modell einer »modifizierten Rundfunkgebühr« hinausgehen, bei der die
46 So H.-D. Jarass, Verfassungsrechtliche Fragen einer Reform der Rundfunkgebühr, Rechtsgutachten, 2007, S. 8. Die GEZ-Dokumentation »Rundfunkfinanzierung. Ertragsauswirkungen von diskutierten Modellveränderungen auf Basis des Rundfunkgebührenmodells
der Staatskanzlei Thüringen vom 27.8.2007«, Versionsnummer 1.1 vom 28.9.2007, S. 21 f.
geht im Bundesgebiet von ca. 38,9 Mio. Haushalten bei derzeit 37,5 Mio. GEZ-Teilnehmerkonten im privaten Bereich aus. – In einigen Fällen knüpft die Rundfunkgebührenpflicht
schon jetzt am Tatbestandsmerkmal der »Wohnung« an (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1
RGebStV).
47 So Chr. Degenhart, Rechtsfragen einer Neuordnung der Rundfunkgebühr, Rechtsgutachten,
2007, S. 17.
48 Zu den vollzugstechnischen Vorteilen einer Haushalts- und Betriebsstättenabgabe im Vergleich zur bisherigen Rundfunkgebühr C.-E. Eberle, Medien und Datenschutz – Antinomien
und Antipathien, MMR 2008, S. 508 ff. (513).
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Zahlungspflicht auf einer vermuteten, aber individuell widerlegbaren Empfangsmöglichkeit beruht49 und damit im Streitfall durch die »Hintertür« die
gleichen Abgrenzungsprobleme wie bei der herkömmlichen Rundfunkgebühr
auftreten können.
Die völlige Abkehr der Medienabgabe vom Gerätebezug und einer auch nur
vermuteten Empfangsmöglichkeit bedeutete jedoch zugleich, dass sich ihre
Legitimation – anders als bei der herkömmlichen oder einer modifizierten
Rundfunkgebühr – nicht mehr aus dem Gedanken des gegenleistungsbezogenen Äquivalenzprinzips begründen lässt,50 sondern einer anderen Rechtfertigung bedarf.51
2) Weitere Ausgestaltung der Medienabgabe – Annahmen
Die nachfolgende Abklärung der verfassungsrechtlichen Fragen,52 die sich
bei dem Finanzierungsmodell des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch
eine geräteunabhängige Haushalts- und Betriebsstättenabgabe stellen, geht
von der Annahme aus, dass
– dem Gesetzgeber eine tatbestandliche Fassung der Medienabgabe gelingt,
die den rechtsstaatlichen Anforderungen hinreichender Bestimmtheit genügt. Dies gilt insbesondere für die Definition des objektiven wie des sub jektiven Abgabetatbestandes, also der näheren Umschreibung dessen, was
als Haushalt bzw. Betriebsstätte gilt und wer als jeweiliger Abgabenschuldner anzusehen ist;
– die Gläubigerstellung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in
Fortschreibung von § 7 RGebStV auch bei der Medienabgabe erhalten
bleibt;
– eine Binnenverteilung des Abgabenaufkommens zwischen den öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten erfolgt, die – nach Fortfall der bisherigen
Unterscheidung von Grund- und Fernsehgebühr sowie des veränderten
Anknüpfungspunktes für die Abgabepflicht – auch weiterhin die funkti onsgerechte Finanzierung jeder einzelnen Anstalt gewährleistet;
– ein Erhebungsverfahren vorgesehen wird, das unter Beachtung insbesondere melde- und datenschutzrechtlicher Vorgaben eine verwaltungsöko-
49 Siehe dazu oben Teil A. I. 2) und H.-D. Jarass, Verfassungsrechtliche Fragen einer Reform
der Rundfunkgebühr, Rechtsgutachten, 2007, S. 20 ff.
50 Siehe dazu näher unten Teil B. III. 1) b).
51 Siehe dazu umfassend Teil B. der Untersuchung.
52 Zur Eingrenzung dieses Gutachtens auf die verfassungsrechtlichen Fragestellungen einer
geräteunabhängigen Medienabgabe siehe sogleich unten Teil A. II. 3).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch die Rundfunkgebühr ist in die Kritik geraten und soll nach dem Willen der Länder ab 2013 durch eine andere Form der Finanzierung ersetzt werden. In der Diskussion ist dabei u. a. eine geräteunabhängige Haushalts- und Betriebsstättenabgabe (Medienabgabe), die die Abgabepflicht von jeglichem Geräte- und Gegenleistungsbezug löst und allein an die Innehabung eines Haushalts bzw. einer Betriebsstätte bindet.
Der Autor legt dar, dass es sich bei der Medienabgabe nicht um eine Sonderabgabe handelt, sondern um eine durch die Rundfunkhoheit der Länder sachkompetenziell legitimierte Abgabe, die den rundfunkverfassungsrechtlichen Anforderungen an die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ebenso genügt wie den finanzverfassungs- und grundrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes.
Der Autor ist ordentlicher Professor für Öffentliches Recht an der Universität Hohenheim und seit 1992 Vorstandsmitglied der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg.