226
ßen lassen; ein erwähnenswertes Beispiel ist die Gewährung der Unabhängigkeit an
die Zentralbank.1181
Die Gestaltung und Umgestaltung des Zentralbankrechts nach westlichen Vorbildern führten die MOEL zunächst ohne etwaige völkerrechtliche Verp? ichtung, ja „autonom“, durch.1182 Die Zentralbankreformen verliefen daher in der frühen Phase des
Reformprozesses entsprechend der jeweiligen länderspezi? schen Situation, den jeweiligen Reformprioritäten und -maßstäben.
Die politische Wende in Mittel- und Osteuropa bedeutete eine radikale Umorientierung der Europapolitik der MOEL in Richtung Westeuropas, einschließlich des Interesses am Beitritt zu den Europäischen Gemeinschaften.1183 Daher, über die Systemtransformation hinaus, stellte nicht zuletzt auch die angestrebte EU-Mitgliedschaft
längerfristig bestimmte Anforderungen an die Zentralbankreformen in den MOEL.1184
Bereits also frühzeitig bestand Anlass, die Zentralbankgesetze an die europäischen
Standards anzupassen. In der Tat spielte das Gemeinschaftsrecht als „Muster erfolgreicher wirtschaftlicher Integration“1185 zunehmend eine wichtige Rolle im Prozess
der Rechtsreformen und mithin auch bei den Reformen der Zentralbankgesetze in
MOE.1186
B. Rechtsangleichungsp? icht in den Europa-Abkommen
I. Kontext
Ausgehend vom Anfang der 90er-Jahre haben die Europäischen Gemeinschaften und
ihre Mitgliedstaaten mit den mittel- und osteuropäischen Ländern Assoziierungsabkommen geschlossen. Die ersten Europa-Abkommen („Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und [dem jeweiligen MOEL] andererseits“, im Folgenden Europa-Abkommen bzw. EA) wurden mit Ungarn und Polen am 16. Dezember 1991
1181 Dazu noch infra (Kapitel 5 Abschn. C. VI. 2.).
1182 Vgl. P.-Ch. Müller-Graff, in: M. Maresceau (Hrsg.), Enlarging the European Union, 1997,
S. 30f. (“autonomous adaptation”); A. Vida, in: WiRO 1994, S. 4ff. („freiwillige Anpassung”).
1183 Allgemein zu den Beziehungen der EGn zu den mittel- und osteuropäischen Staaten: P. Kalbe/
I. Bachmann, in: M. Röttinger, C. Weyringer (Hrsg.), Handbuch zur europäischen Integration,
1996, S. 484ff.
1184 Vgl. R. Kobabe, Zentralbanken in Osteuropa, 1999, S. 71ff.; A. Mehl, in: Le courrier des pays
de l’Est, Oktober 2000, S. 48.
1185 P. Goleva, in: Ch. Tomuschat u.a. (Hrsg.), Europäische Integration und nationale Rechtskulturen, 1995, S. 59.
1186 Allgemein im Hinblick auf Rechtsreformen in MOE: H.-H. Herrnfeld, Recht europäisch, 1995,
S. 21, 91. S. im Hinblick auf die Zentralbankreformen in Polen: Z. Pola?ski, in: NBP (Hrsg.),
Bank i Kredyt [Bank und Kredit] Nr. 5/2004, S. 6f., 8.
227
unterzeichnet.1187 Sie sind im Februar 1994 in Kraft getreten. Fünf Jahre später ist das
chronologisch letzte Europa-Abkommen (geschlossen mit Slowenien am 10. Juni
1996) in Kraft getreten.1188 Auf Initiative der MOEL wurde in der Präambel des jeweiligen Europa-Abkommens der Beitrittswille des betreffenden Landes ausgedrückt.
Beispielsweise heißt es in der Präambel des Europa-Abkommens mit Polen, dass das
Abkommen „in der Erkenntnis [geschlossen wird], dass Polen letztendlich die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft anstrebt und dass diese Assoziation nach Auffassung
der Vertragsparteien zur Verwirklichung dieses Ziels beitragen wird.“ 1189 Eine gleich
lautende oder ähnliche Formulierung fand sich – jeweils im letzten Erwägungsgrund
der Präambel – in allen sonstigen Europa-Abkommen. Dieser zuerst einseitige Beitrittswunsch1190 wurde seitens der Gemeinschaft durch den Europäischen Rat von
Kopenhagen im Juni 1993 politisch bestätigt. In Kopenhagen wurden die Beitrittsaussichten für beitrittswillige Staaten aus Mittel- und Osteuropa eröffnet sowie die Beitrittskriterien konkretisiert.1191 Die vom Europäischen Rat in Kopenhagen konkretisierten Beitrittsbedingungen, die seitdem oft als Kopenhagener Kriterien bezeichnet
werden, verlangen Folgendes: eine institutionelle Stabilität als Garantie für demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, für die Wahrung der Menschenrechte sowie die
Achtung und den Schutz von Minderheiten (sog. politisches Kriterium), das Vorhandensein einer funktionsfähigen Marktwirtschaft sowie die Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der Union standzuhalten (sog. wirtschaftliches Kriterium) und die Fähigkeit zur Übernahme der mit der Mitgliedschaft verbundenen Verp? ichtungen sowie die Anerkennung der Ziele der Politischen, der
Wirtschafts- und Währungsunion (sog. Kriterium der Übernahme des Acquis
communautaire).1192
Kurz nach dem Gipfel von Kopenhagen haben mehrere Länder aus Mittel- und Osteuropa den Beitritt formell beantragt.1193 Damit haben sie sich implizit – in politischer
Hinsicht – verp? ichtet, die Reformen, und darunter Rechtsreformen, durchzuführen,
die für die Vorbereitung auf die Mitgliedschaft notwendig sind.1194
1187 ABl. 1993 Nr. L 347/2 bzw. ABl. 1993 Nr. L 348/2.
1188 ABl. 1999 Nr. L 51/2.
1189 15. Erwägungsgrund EA-Polen (ABl. 1993 Nr. L 348/2).
1190 S. M. Pechstein, in: ZfRV 1996, S. 109.
1191 S. Schlussfolgerungen des Europäischen Rates in Kopenhagen, 21.-22. Juni 1993, Bull. EG
6-1993, Ziff. 1.12 und 1.13.
1192 Ebd. S. zu den Kopenhagener Kriterien z.B. T. Bruha/ O. Vogt, in: VRÜ 1997, S. 484ff.; Ch.
Hillion, in: ders. (Hrsg.), EU Enlargement: A legal Approach, 2004, S. 1ff.
1193 Ungarn hat am 31.3.1994, Polen am 5.4.1994, die Slowakei am 27.6.1995,Lettland am
13.10.1995, Estland am 24.11.1995, Litauen am 08.12.1995, die Tschechische Republik am
17.1.1996, Slowenien am 10.6.1996 den EU-Beitritt formell beantragt.
1194 Ähnlich S. Biernat, in: Przegl?d Legislacyjny [Überblick über die Gesetzgebung], Nr. 1-2/
1998, S. 20. Vgl. auch A. Albi, in: A.E. Kellermann u.a. (Hrsg.), EU enlargement: the constitutional impact at EU and national level, 2001, S. 201.
228
II. Einschlägige Regelungen in den Europa-Abkommen
1. Kapitel zur „Angleichung der Rechtsvorschriften“
In den Europa-Abkommen verp? ichteten sich die MOEL u.a. zur „Angleichung“
(engl. „approximation“)1195 der nationalen Rechtsvorschriften an das Gemeinschaftsrecht. Alle Europa-Abkommen haben eine weitgehend ähnliche Struktur.1196 Der Angleichung der Rechtsvorschriften ist der Kapitel III im Titel V des jeweiligen Europa-
Abkommens gewidmet.1197 Bemerkenswerterweise erkannten die Vertragsparteien dabei ausdrücklich an, dass die Rechtsangleichung „eine wesentliche Voraussetzung für
die wirtschaftliche Integration (...) in die Gemeinschaft darstellt“1198 und somit kein
Zweck an sich ist. Mit der Unterzeichnung und Rati? zierung des Europa-Abkommens
sind die betreffenden MOEL eine völkerrechtliche Verp? ichtung zur Anpassung des
nationalen Rechtes an das Gemeinschaftsrecht eingegangen.1199 Fraglich ist der Umfang dieser P? icht. Denn die Rechtsangleichungsp? icht war sehr allgemein formuliert.
Für die Angleichung wurde auch keine Frist gesetzt. Der betreffende Staat sollte sich
„darum bemühen, dass [seine] Rechtsvorschriften schrittweise mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar gemacht werden“.1200 Gleichzeitig aber wurden ausdrücklich
Bereiche genannt, die durch die Angleichung „insbesondere“ betroffen waren. Beispielsweise listete Art. 68 EA-Ungarn folgende Angleichungsbereiche auf: „Zollrecht,
Gesellschaftsrecht, Bankenrecht, Rechnungslegung der Unternehmen und Steuern,
geistiges Eigentum, Schutz der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz, Finanzdienstleistungen, Wettbewerbsregeln, Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren und P? anzen, Nahrungsmittelrecht, Verbraucherschutz einschließlich Produkthaftung, indirekte Steuern, technische Vorschriften und Normen, Verkehr und Umwelt“.
Dadurch lässt sich jedenfalls auf einen umfassenden Charakter der Angleichung
schließen.1201 In Bezug auf den hier interessierenden Bereich des Zentralbankrechts
ist bemerkenswert, dass unter den Anpassungsbereichen das Bankenrecht genannt
1195 S. zur diesbezüglichen in den Europa-Abkommen benutzten Terminologie: A. ?azowski, in: A.
Ott/ K. Inglis (Hrsg.), Handbook on European Enlargement, 2002, S. 631.
1196 S. für eine ausführliche Kommentierung: A. Ott/ K. Inglis (Hrsg.), Handbook on European Enlargement. A Commentary on the Enlargement Process, 2002, S. 349ff.
1197 S. im Einzelnen: A. ?azowski, in: A. Ott/ K. Inglis (Hrsg.), Handbook on European Enlargement, 2002, S. 631ff.
1198 Vgl. Art. 68 S. 1 EA-Polen (ABl. 1993 Nr. L 348/2); Art. 69 S. 1 EA-Tschechien (ABl. 1994
Nr. L 360/2); Art. 68 S. 1 EA-Estland (ABl. 1998 Nr. L 68/3).
1199 So auch R. Kobabe, Zentralbanken in Osteuropa, 1999, S. 88. S. auch S. Biernat, in: Przegl?d
Legislacyjny [Überblick über die Gesetzgebung], Nr. 1-2/ 1998, S. 20.
1200 So der Wortlaut des Art. 69 S. 2 EA-Tschechien (ABl. 1994 Nr. L 360/2). Ähnlichen Wortlaut
haben die entsprechenden Vorschriften in allen anderen Europa-Abkommen. Vgl. z. B. Art. 68
S. 2 EA-Polen (ABl. 1993 Nr. L 348/2). S. im Einzelnen: H. Isak, in: EuR-Beiheft 1/1998, S.
80.
1201 P. Saganek/ T. Skoczny, Wybrane problemy dostosowywania prawa polskiego do prawa Unii
Europejskiej [Ausgewählte Probleme der Anpassung des polnischen Rechts an das Recht der
Europäischen Union], 1999, S. 44ff.
229
wurde. Denn darunter waren sowohl die Regelungen betreffend Zentralbanken als
auch Geschäftsbanken zu verstehen. Die Notwendigkeit der Rechtsangleichung im
Bereich der WWU erfuhr insgesamt keine besondere Erwähnung in den Europa-Abkommen.1202 Diesbezügliches Schweigen der Europa-Abkommen kann trotzdem nicht
verwundern: Die ersten Europa-Abkommen wurden Ende 1991 und somit noch in der
ersten Stufe der WWU geschlossen. Damals wäre der Inhalt einer solchen P? icht nur
schwer zu konkretisieren. Lange stand es auch nicht eindeutig fest, ob die neuen Mitgliedstaaten den Euro nach dem Beitritt einführen werden können. Nach alledem wäre
der konkrete Inhalt der durch die jeweilige Abkommensbestimmung zur Angleichung
der Rechtsvorschriften implizierte P? icht zur Angleichung der Rechtsvorschriften im
WWU-Bereich auch schwer zu ermitteln. Andererseits ist nicht zu übersehen, dass
beim Entwerfen der Vorschriften zur WWU 1990/1991 an die Implikationen der künftigen möglichen EU-Erweiterungen für die WWU einfach nicht gedacht wurde.1203
Mit Blick auf die zu erwartenden Erweiterungen hat erst der Vertrag von Nizza die
Notwendigkeit einer institutionellen Reform der EU besiegelt und darunter, in Bezug
auf die WWU, eine Revision von bestimmten institutionellen Bestimmungen zur EZB
in einem neuen Art. 10.6 ESZB-Satzung vorgesehen.1204
2. Regelung zur „Währungspolitik“
Vor dem historischen Hintergrund ist auch die EA-Vorschrift zur Währungspolitik zu
sehen. Unter den Vorschriften des Titels VI der Europa-Abkommen, der die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Gemeinschaft und den assoziierten Staaten
aus MOE betrifft, fand sich eine – in allen Europa-Abkommen grundsätzlich gleich
lautende – Regelung zur „Währungspolitik“.1205 Sie betraf die Unterstützung seitens
der Gemeinschaft bei der Einführung der vollen Konvertierbarkeit der nationalen
Währung und der schrittweisen Annäherung der nationalen Währungspolitik des betreffenden assoziierten Staats an die Politik des Europäischen Währungssystems
(EWS).1206 Die Zusammenarbeit in diesem Bereich beinhaltete auch informellen Informationsaustausch über die Grundsätze und das Funktionieren des EWS.1207 Lediglich im Falle der baltischen Republiken wurde die technische Hilfe bei der Einführung
der Konvertierbarkeit der nationalen Währung nicht erwähnt. Das lässt sich dadurch
1202 Vgl. A. Nowak-Far, in: Polish Yearbook of International Law 2001, S. 181 (“It is somewhat
striking that legal measures directly concerned with the implementation of the Economic and
Monetary Union are dramatically absent in the list provided for in (…) Art. 69 [EA-Polen]”).
1203 Darauf weist F. Allemand, in: Revue d’études comparatives Est-Ouest, Nr. 1/2007, S. 78, hin.
1204 S. zu den Neuerungen des Vertrags von Nizza im WWU-Bereich: U. Häde, in: EWS 2001, S.
97ff. Zur Regelung des neuen Art. 10.6 ESZB-Satzung und seiner Konsequenzen ausführlich
infra (Kapitel 6 Abschn. B.).
1205 S. z.B. Art. Art. 84 EA-Ungarn (ABl. 1993 Nr. L 347/2).
1206 S. im Einzelnen R. Kobabe, Zentralbanken in Osteuropa, 1999, S. 88f.
1207 S. z.B. Art. 84 S. 2 EA-Polen (ABl. 1993 Nr. L 348/2).
230
erklären, dass zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der betreffenden Europa-Abkommen der Kapitalverkehr in Estland, Lettland und Litauen bereits weitgehend liberalisiert war. In dem am spätestens geschlossenen Europa-Abkommen mit Slowenien
(Juni 1996) bezog sich der Informationsaustausch auch auf die Grundsätze und das
Funktionieren des EWI und des ESZB.1208
Im Lichte der angestrebten Mitgliedschaft konnte die Zusammenarbeit im Bereich
der Währungspolitik letztendlich als eine Vorbereitung auf die spätere Teilnahme an
der entsprechenden gemeinschaftsinternen Kooperation und Koordinierung verstanden werden.1209 Eine spezielle Rechtsangleichungsp? icht hat sie trotzdem nicht begründet.
3. Regelung zur Zusammenarbeit im Hinblick auf „Banken, Versicherungen
und andere Finanzdienstleistungen“
Darüber hinaus ist auch eine weitere Vorschrift des Kapitels VI der Europa-Abkommen erwähnenswert, die die Zusammenarbeit im Hinblick auf „Banken, Versicherungen und andere Finanzdienstleistungen“ betraf.1210 Darin war vorgesehen, dass die
Vertragsparteien bei der Schaffung und Entwicklung eines geeigneten Rahmens (darunter auch normativen Rahmens) für die Förderung des Bank- und Versicherungswesens und der Finanzdienstleistungen in dem betreffenden assoziierten Land kooperieren.1211 Ausdrücklich wurden dabei das Rechnungswesen und die aufsichtsrechtlichen
Bestimmungen genannt.1212 Die sich daraus ergebende besondere Rechtsangleichungsp? icht war zwar als lex specialis gegenüber der bereits oben angesprochenen allgemeinen Rechtsangleichungsp? icht anzusehen.1213 Sie konnte allerdings nur indirekte
Implikationen für die Zentralbankgesetzgebung haben, als sie sich auf die Harmonisierung der Aufsichts- und Geschäftsregeln für Banken und Finanzdienstleistungen
bezog.1214
4. Ergebnis
Als Grundlage der P? icht zur Anpassung der Zentralbankgesetze in den MOEL lässt
sich nach alledem die jeweilige Rechtsangleichungsvorschrift in den Europa-Abkom-
1208 Art. 86 S. 2 EA-Slowenien (ABl. 1999 Nr. L 51/2).
1209 Vgl. R. Kobabe, Zentralbanken in Osteuropa, 1999, S. 89.
1210 S. z.B. Art. 83 EA-Ungarn (ABl. 1993 Nr. L 347/2), Art. 84 EA-Slowakei (ABl. 1994 Nr. L
359/2), Art. 87 EA-Lettland (ABl. 1998 Nr. L 26/3).
1211 S. z.B. Art. 84 EA-Slowakei (ABl. 1994 Nr. L 359/2). In den ersten Europa-Abkommen war
diese Vorschrift viel knapper formuliert. Vgl. Art. 83 EA-Polen (ABl. 1993 Nr. L 348/2).
1212 S. z.B. Art. 83 Abs. 1 EA-Polen (ABl. 1993 Nr. L 348/2).
1213 S. M.A. Dauses u.a., in: ders. (Hrsg.), Osterweiterung der EU, 1998, S. 61ff. (62); M. K?pi?ski,
in: Przegl?d Legislacyjny [Überblick über die Gesetzgebung], Nr. 1-2/ 1998, S. 14.
1214 Ähnlich R. Kobabe, Zentralbanken in Osteuropa, 1999, S. 89.
231
men ansehen. In der Tat bestand ein grundsätzlicher Konsens in den betreffenden Ländern Mittel- und Osteuropas, dass die Rechtsangleichung nicht nur auf die richtige
Durchführung der Europa-Abkommen ausgerichtet ist, sondern umfassend und im
Zusammenhang mit der angestrebten Mitgliedschaft, so wie es in der jeweiligen Präambel zu den Europa-Abkommen ausgedrückt war, zu verstehen war.1215 Zwar hatte
der in der Präambel des jeweiligen Europa-Abkommens enthaltene Beitrittswunsch
seitens der MOEL ursprünglich lediglich eine symbolische Bedeutung. Dies änderte
sich aber nach dem Europäischen Rat von Kopenhagen 1993, der erst die Beitrittsmöglichkeit eröffnete, sowie nach der darauf folgenden Beitrittsbeantragung durch die
mittel- und osteuropäischen Länder. Unter den in Kopenhagen konkretisierten Beitrittskriterien war vorgesehen, dass „die einzelnen Beitrittskandidaten die aus einer
Mitgliedschaft resultierenden Verp? ichtungen übernehmen und sich auch die Ziele der
politischen Union sowie der Wirtschafts- und Währungsunion zu eigen machen“ müssen.1216 Ausgelegt im Lichte der angestrebten Mitgliedschaft – wenngleich es sich
dem Wortlaut der jeweiligen Rechtsangleichungsvorschrift nach ursprünglich um eine
reine Bemühensklausel hätte handeln können1217 – bedeutete die Rechtsangleichungsp? icht aus den Europa-Abkommen letztendlich eine weitestgehende Übernahme des
Gemeinschaftsrechts, so wie es als Beitrittsvoraussetzung verlangt wurde.1218 Unter
diese umfassende Angleichungsp? icht ? el auch die Anpassung nationaler Vorschriften
bezüglich Zentralbanken an das Gemeinschaftsrecht.1219 Wichtig ist in diesem Zusammenhang der dynamische Aspekt der Rechtsangleichungsp? icht, die kraft der Europa-
Abkommen auch künftige nationale und gemeinschaftliche Rechtsvorschriften betraf.1220 In Bezug auf die mit der WWU verbundenen Anforderungen des Maastrichter
Vertrags bedeutete das in der Praxis, dass die entsprechende Angleichung in den betreffenden mittel- und osteuropäischen Ländern parallel zu der innergemeinschaftlichen, stufenweisen Verwirklichung der WWU erfolgen sollte.
1215 S. C. Banasi?ski/ P. Czechowski, in: Ch. Tomuschat u.a. (Hrsg.), Europäische Integration und
nationale Rechtskulturen, 1995, S. 369ff. (insb. 370); W. Czapli?ski, Rechtliche Probleme des
Europaabkommens und des Beitritts Polens zur Europäischen Union, 1996, S. 13; M.A. Dauses
u.a., in: ders. (Hrsg.), Osterweiterung der EU, 1998, S. 56ff. (insb. 69) m.w.N.; A. Tatham, in:
Maastricht Journal of European and Comparative Law, 1997, S. 281.
1216 Supra (Fn. 1192).
1217 Vgl. H.-H. Herrnfeld, Recht europäisch, 1995, S. 96f.; H. Isak, in: EuR-Beiheft 1/1998, S. 80;
M. Beselaere, in: K. Mal? iet/ W. Keygnaert (Hrsg.), The Baltic States in an Enlarging EU,
1999, S. 72f.
1218 So auch A. ?azowski, in: A. Ott/ K. Inglis (Hrsg.), Handbook on European Enlargement, 2002,
S. 633f. m.w.N. Anders: H.-H. Herrnfeld, Recht europäisch, 1995, S. 96f.
1219 Vgl. R. Kobabe, Zentralbanken in Osteuropa, 1999, S. 88.
1220 S. dazu A. ?azowski, in: A. Ott/ K. Inglis (Hrsg.), Handbook on European Enlargement, 2002,
S. 638.
232
C. Beitrittsvoraussetzung der Übernahme des gemeinschaftlichen
Besitzstands
Auch wenn dies in den Verträgen nicht ausdrücklich als Beitrittsvoraussetzung genannt ist, ist es allgemein anerkannt, dass der EU-Beitritt die vollständige Übernahme
des sog. Acquis communautaire durch den beitretenden Mitgliedstaat voraussetzt.1221
Das hat der EuGH durchgehend unterstrichen, indem er im Zusammenhang mit Beitritten zu den Gemeinschaften festgehalten hat, dass mit dem Beitritt das gesamte Gemeinschaftsrecht auf die neuen Mitgliedstaaten sofort anwendbar wird.1222 Ausnahmen vom „Grundsatz der sofortigen vollständigen Anwendung des Gemeinschaftsrechts auf den neuen Mitgliedstaat“1223 sind indessen nicht ausgeschlossen. Denn im
Beitrittsvertrag können Übergangsbestimmungen vorgesehen werden.1224
Die Verträge liefern auch keine De? nition des Acquis communautaire.1225 Lediglich wird an einigen Stellen des EU-Vertrags auf den „gemeinschaftlichen Besitzstand“, der dem in der französischen und englischen Fassung verwendeten Begriff
„Acquis communautaire“ entspricht, Bezug genommen. Insbesondere gehört nach Art.
2 Abs. 1, 5. Spstr. EUV die volle Wahrung des gemeinschaftlichen Besitzstands und
seine Weiterentwicklung zu den Zielen der EU.1226 Im Vorfeld der Beitritte zu den Gemeinschaften hat die Kommission jeweils ausgeführt, was unter dem Acquis zu verstehen ist. In ihrem Bericht aus dem Jahre 1992 über die Auswirkungen eines Beitritts
weiterer Staaten zur EU nach dem Vertrag von Maastricht de? nierte die Kommission
den Umfang der P? icht zur Übernahme des Acquis folgendermaßen:
„Voraussetzung für die Mitgliedschaft ist die Übernahme aller derzeitigen und
künftigen Rechte und P? ichten der Gemeinschaft und ihres institutionellen Rahmens
– des sog. ‚Besitzstandes‘. Darunter fallen: Inhalt, Grundsätze und politische Ziele der
Verträge (...); das Folgerecht und die Rechtsprechung des Gerichtshofs; die Erklärungen und Entschließungen der Gemeinschaft; die internationalen Abkommen und
Abkommen zwischen Mitgliedstaaten, die die Tätigkeit der Gemeinschaft betreffen.“1227
1221 Ch. Vedder, in: G/H [Jan. 2000], Art. 49 EUV, Rn. 43; W. Meng, in: GS, Art. 49 EUV, Rn. 69ff.;
A. Lopian, Übergangsrégime für Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften, 1994, S.
57ff.; M. Pechstein, in: K. Stern, Zukunftsprobleme der EU, 1998, S. 171; ders., in: R. Streinz,
EUV/EGV, 2003, Art. 49 EUV, Rn. 6; F. Hoffmeister, in: A. Ott/ K. Inglis (Hrsg.), Handbook
on European Enlargement, 2002, S. 97.
1222 S. z.B. EuGH, Rs. 258/81 (Metallurgiki Halyps SA/ Kommission), Slg. 1982, S. 4261, Rn. 8;
EuGH, Rs. 44/84 (Derrick Guy Edmund Hurd/ Kenneth Jones), Slg. 1986, S. 29, Rn. 29.
1223 S. z.B. EuGH, Metallurgiki Halyps SA/ Kommission, Rs. 258/81, Slg. 1982, S. 4261, Rn. 8.
1224 EuGH, Metallurgiki Halyps SA/ Kommission, Rs. 258/81, Slg. 1982, S. 4261, Rn. 8. S. auch
Ch. Vedder, in: G/H, Art. 49 EUV, Rn. 46; A. Lopian, Übergangsrégime für Mitgliedstaaten der
Europäischen Gemeinschaften, 1994, S. 71ff.
1225 W. Meng, in: GS, Art. 49 EUV, Rn. 79.
1226 Vgl. auch Art. 43 lit. c und Art. 44 Abs. 1 UAbs. 2 EUV.
1227 Kommission, Bericht an den Europäischen Rat: Die Erweiterung Europas: Eine neue Herausforderung, Beilage 3/92 zum EG Bull., Ziff. 11.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Im Zuge der EU-Osterweiterung 2004 wurde die Gemeinschaftswährung noch nicht in den neuen Mitgliedstaaten eingeführt. Die EU ist daher gespalten in Mitgliedstaaten, die bereits am Euro teilnehmen, und Länder, die noch nicht zur Eurozone gehören.
Der EG-Vertrag verpflichtet aber alle Mitgliedstaaten, unabhängig von der Einführung des Euro, die jeweilige nationale Zentralbanksatzung an das Gemeinschaftsrecht anzupassen. Diese Pflicht und die daraus resultierende rechtliche Integration der nationalen Zentralbanken in ein europäisches System stehen im Zentrum der Arbeit. Was ist der konkrete Umfang der Anpassungspflicht? Zu welchem Zeitpunkt ist sie zu erfüllen? Welche Rolle spielt sie im Kontext des Beitrittsprozesses? Welche Rolle spielt sie im Kontext der Konvergenzkriterien? Welche Neuerungen wird der Vertrag von Lissabon bringen? Diese Fragestellungen bieten einen Einblick in den facettenreichen Gegenstand der Untersuchung.