252
E. Behandlung des Nachlasses
I. Erbanfall und Aufteilung des Nachlasses (le mort saisit le vif / saisine)
Zum besseren Verständnis der Rechtslage hinsichtlich des Erbanfalls unter dem Wills
and Successions (Jersey) Law 1993 sind zunächst einige Ausführungen zum vor Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Recht erforderlich. Hierdurch zeigt sich auch,
inwieweit die Grundsätze des normannischen Rechts auf diesem Gebiet weiter fortwirken.
1. Altes Recht
Der Grundsatz „Le mort saisit le vif, l’hoir le plus proche, habile à succéder sans aucun ministère de Justice“, der besagt, dass der Tote seinem Haupterben seine Herrschaftsposition überträgt („der Tote erbt den Lebendigen“), ohne dass es hierfür eines
amtlichen Aktes bedürfe,1396 ist eines der ältesten, noch aus der Feudalzeit stammenden Prinzipien des Rechts Jerseys. Die saisine, die der deutschen gewere entspricht,
bezeichnete dabei die Erlangung nicht nur des faktischen Besitzes, sondern der verfestigten dinglichen Rechtsposition des Erblassers zur Sache.1397 Ziel des Grundsatzes
war die Vermeidung einer Lücke in der Eigentümerkette eines als Lehen gegebenen
Grundstücks, denn in der Feudalzeit war es notwendig, dass stets eine Person vorhanden war, die die Lehnsdienste verrichten und dem Lehnsherrn huldigen konnte.1398
Auf dieser Grundlage galt bis zum Inkrafttreten des Wills and Successions (Jersey)
Law 1993 diese Technik der Rechtsnachfolge folgendermaßen fort: Das Eigentum sowie der Besitz an dem unbeweglichen und beweglichen Nachlass fi elen automatisch
an den Haupterben, vorbehaltlich seines Rechts auf Erbausschlagung und vorbehaltlich der Rechte der Miterben beziehungsweise Legatare, ihr Erbe beziehungsweise
Vermächtnis einzufordern, entweder durch Einleitung eines clameur de partage1399
oder in gewillkürter Erbfolge durch Registrierung des Testaments. Die Rechtsstellung
der Miterben/Legatare beinhaltete aber keinen rein schuldrechtlichen Anspruch, son-
1396 Terrien, Commentaires du Droict Civil tant public que privé, observé au Pays et Duché de Normandie, S. 196 Anm. b), S. 164 Rn. 6. Zu Belegen in älteren normannischen Texten (dem frühesten von 1166) vgl. Lepointe, Les Successions dans l‘ancien Droit, S. 135.
1397 Bloch, La société féodale, S. 118; Carabie, R. H. D. 1953, 329 – 330; Lepointe, Les Successions dans l‘ancien Droit, S. 133 – 134; Timbal, Droit Romain et Ancien Droit Français, Rn. 367;
Warnkönig/Warnkönig, Französische Staats- und Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 463 – 464; Yver,
Ius Romanum Medii Aevi V, 4, a (1976), 1 (16 – 18). Vgl. auch Gordley/Mattei, Am.J.Comp.L.
1996, 293 (307). Zu dieser Zeit gab es keine klare Unterscheidung von Eigentum und Besitz.
1398 Vor dem 12./13. Jahrhundert fi elen die Lehen mit dem Tod des Lehnsmanns an den Lehnsherren
zurück und mussten neu verliehen werden. Durch den Grundsatz le mort saisit le vif wurden
die Lehen mit der Zeit erblich, vgl. Olivier-Martin, Histoire du droit français, S. 263 – 265;
Warnkönig/Warnkönig, Französische Staats- und Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 464 – 465.
1399 Vgl. zum partage sogleich 2. Teil Kapitel 1 E.I.1.a.
2. Teil: Das Erbrecht der Bailiwicks Jersey und Guernsey
253
dern, wie sich im Folgenden zeigen wird, bereits ein dinglich verfestigtes Recht, das
mit dem partage durchgesetzt wurde. Mit dem Tod des Erblassers wurde der Haupterbe jedoch zunächst Eigentümer des ganzen Vermögens allein aufgrund der Tatsache
des Erbfalls und ohne Notwendigkeit von Formalien.1400 Dies galt selbst dann, wenn
der Erblasser letztwillig verfügte, dass der gesamte Nachlass an eine andere Person
fallen sollte, denn ein kraft Testaments Bedachter wurde unter keinen Umständen
Erbe, sondern stets nur Legatar,1401 und konnte deshalb auch keine saisine haben.1402
Der Haupterbe erlangte den de jure Besitz an dem unbeweglichen und beweglichen
Vermögen und hatte das Recht, diese de jure Position auch de facto durchzusetzen.1403
Er war berechtigt, Nutzungen und Früchte des Eigentums zu ziehen, bis die Miterben
oder Mitberechtigten (sofern vorhanden) entweder das ihnen Zustehende geltend
machten oder zumindest berechtigt waren, dies zu tun – d.h. in der Intestaterbfolge
unmittelbar nach Ablauf von Jahr und Tag seit dem Erbfall.1404
Der Haupterbe wurde mit dem Tod des Erblassers kraft Gesetzes absoluter Eigentümer eines noch unbestimmten Anteils an unbeweglichem und beweglichem Vermögen zu der Quote, die nach Aufteilung des Nachlasses zwischen ihm und seinen
Miterben beziehungsweise Legataren auf ihn entfi el. Allerdings stand der Eigentumserwerb, wie bereits erwähnt, unter der aufl ösenden Bedingung einer Erbausschlagung.1405 Hinsichtlich der noch unbestimmten Anteile, die denen entsprachen, die
nach Nachlassteilung auf die Miterben beziehungsweise nach Erfüllung der Vermächtnisse auf die Legatare entfi elen, wurde der Haupterbe zwar ebenfalls rechtlicher Eigentümer; die Miterben/Legatare hatten aber bereits eine dinglich verfestigte Rechtsposition, die der Haupterbe für letztere treuhänderisch bis zur Durchführung des partage-Verfahrens verwaltete.
Flaust1406 beschrieb den rechtlichen Ablauf wie folgt: Mit dem Tod des Erblassers
erhielt der Miterbe das Recht, einen partage einzufordern, als saisine de droit; dies
wurde mit der Durchführung des partage zu einer saisine de fait.
1400 Re Vatcher-Higgs, Causes Remises, Urt. v. 15.02.1913, zitiert und teilweise abgedruckt bei Le
Gros, Traité du Droit Coutumier de l‘Ile de Jersey, S. 265; Report of the Commissioners 1861,
Minutes of Evidence, S. xii. Der Haupterbe erwarb diese Rechtsposition kraft Gesetzes, somit
hinsichtlich unbeweglichen Vermögens ohne Eintragung des Eigentümerwechsels im Public
Registry.
1401 Vgl. bereits oben 2. Teil Kapitel 1 C.I. vor 1.
1402 Matthews/Nicolle, The Jersey Law of Property, Abschnitt 8.24; vgl. auch Bart, Histoire du droit
privé, S. 370 – 371; Warnkönig/Warnkönig, Französische Staats- und Rechtsgeschichte, Bd. 2,
S. 468 – 469.
1403 Vgl. hierzu Warnkönig/Warnkönig, Französische Staats- und Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 465
– 468.
1404 Siehe hierzu unten 2. Teil Kapitel 1 E.I.1.b. sowie 2. Teil Kapitel 1 E.III.2.d(2).
1405 Le Gros, Traité du Droit Coutumier de l‘Ile de Jersey, S. 265. Zur Erbausschlagung siehe oben
2. Teil Kapitel 1 D.II.
1406 Flaust, Explication de la Coutume de Normandie, 1781, zitiert bei Falle, JLRev 2002, 41
(48).
E. Behandlung des Nachlasses
254
In einem 2002 veröffentlichten Aufsatz1407 betonte Falle, nachdem er den Grundsatz le mort saisit le vif zitiert hatte, und ohne die exakte Rechtsposition des Haupterben zu defi nieren, dass der partage ein bereits bestehendes Eigentumsrecht der Miterben implizierte und dass durch das Verfahren keine Eigentumsrechte übertragen und
neu geschaffen würden, sondern vielmehr der partage das Eigentumsrecht an einem
bestimmten Teil des Nachlasses defi nierte. Entsprechend hätten Legatare (jedenfalls
eines Stückvermächtnisses) bereits mit dem Tod des Erblassers ein Eigentumsrecht am
Vermächtnisgegenstand. Bedauerlicherweise ordnet Falle die Rechtsposition des
Haupterben einerseits und der Miterben/Legatare andererseits nicht rechtlich ein. Er
erklärt nicht, wie die Eigentumspostion des Haupterben sich zu der bereits bestehenden dinglichen Position der Miterben/Legatare verhält.
Man könnte die Konstruktion als eine Art Gesamthandsgemeinschaft zwischen dem
Haupterben und den Miterben/Legataren mit Verwaltungsrecht des Haupterben verstehen, die durch partage aufgelöst wird. Bedenken gegen diese Konstruktion ergeben
sich aber aus der Tatsache, dass bei einer Gesamthand die Gesamthandseigentümer
gleichartige und gleichgerichtete Rechtspositionen haben, jedem Gesamthänder steht
begriffnotwendig ein wesensgleicher Anteil am gesamthänderisch gebundenen Vermögen zu. Demgegenüber haben der Haupterbe und die Miterben/Legatare unterschiedliche Arten und Qualitäten ihres Eigentums und nehmen damit geradezu gegensätzliche Positionen ein.
Unter Berücksichtigung aller anderen zur Verfügung stehenden bereits zitierten
Quellen erscheint mir eine Konstruktion zwangloser und auch dem Rechtsverständnis
Jerseys näherliegend, in der man das von Falle beschriebene „Eigentumsrecht“ der
Miterben/Legatare als Recht des benefi ciary (des Begünstigen) eines trust oder quasitrust versteht. Ein Jersey trust in diesem Sinne ist eine Art von Treuhänderschaft, dessen Errichtung zu einer Spaltung des Eigentums führt, denn bei einem Jersey trust hat
sowohl der trustee Eigentum1408 an den trust-Gegenständen als auch der benefi ciary
ein Eigentumsrecht hieran und nicht nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den
trustee auf Durchführung einer ordnungsgemäßen trust-Verwaltung.1409 Dieses Recht
des benefi ciary entstand folglich bereits mit dem Tod des Erblassers; das partage-
1407 Falle, JLRev 2002, 41 (41 – 42).
1408 Das Eigentumsrecht des trustee ist allerdings auf das Maß beschränkt, das zu einer ordnungsgemäßen Verwaltung und Durchführung des trust erforderlich ist, und das trust-Vermögen als
solches ist nicht Teil des eigenen Vermögens des trustee (Art. 54 (1) (a) und (b) Trusts (Jersey)
Law 1984), so dass es insbesondere nicht seinen persönlichen Gläubigern zur Befriedigung
ihrer Forderungen zur Verfügung steht und im Insolvenzfall auch nicht in die Insolvenzmasse
fällt (Art. 54 (4) Trusts (Jersey) Law 1984). Vgl auch Matthews/Sowden, The Jersey Law of
Trusts, Abschnitt 9.1 – 9.3.
1409 Matthews/Sowden, The Jersey Law of Trusts, Abschnitt 1.20. Vgl. auch Storme, Property law
in a comparative perspective, Rn. 39. Vgl. zum trust bereits oben 2. Teil Kapitel 1 C.IV.3.a. Bei
Beendigung des trust verteilt der trustee die trust-Gegenstände an die benefi ciaries (Art. 43 (1)
Trusts (Jersey) Law 1984), wobei hierunter keine Übereignung im eigentlichen Sinne verstanden werden kann, da die benefi ciaries ja bereits Eigentumsrechte an den trust-Gegenständen
hatten, vgl. Matthews/Sowden, The Jersey Law of Trusts, Abschnitt 15.18 – 15.20.
2. Teil: Das Erbrecht der Bailiwicks Jersey und Guernsey
255
Verfahren diente nur dazu, das Recht des benefi ciary durch Beendigung des trusts zu
verwirklichen.
Im Einzelnen galt für das alte Recht Folgendes:
a. Immovables
Gab es in einer Intestaterbfolge hinsichtlich unbeweglichen Vermögens nur einen
einzigen Erben, ging dieses Vermögen im Zeitpunkt des Todes des Erblassers auf ihn
über und er benötigte kein weiteres Verfahren, um den Rechtserwerb zu vollenden.
Gab es mehr als einen Erben, ging das unbewegliche Vermögen auf den Haupterben
über, der es als trustee, also treuhänderisch, für seine Miterben hielt.1410 Die Miterben
hatten einen Anspruch gegen den Haupterben auf einen partage d’héritages, d.h. auf
Teilung des Nachlasses und Übertragung eines Anteils an dem unbeweglichen
Vermögen,1411 fällig jederzeit während der nächsten 25 Jahre1412. Nach Ablauf dieser
Frist erlosch der Anspruch und der Haupterbe erwarb absolutes Eigentum (freehold
interest) für den gesamten unbeweglichen Nachlass kraft Präskription.1413
Die Situation war ähnlich, wenn die gesetzlichen Erben des unbeweglichen Vermögens auch testamentarisch als Legatare eingesetzt worden waren mit der Anordnung,
das Vermögen „im Einklang mit dem Gesetz zu verteilen“: das unbewegliche Vermögen fi el an den Haupterben und die (gesetzlichen) Miterben konnten von ihm einen
partage verlangen. Jedoch erloschen die Rechte der Miterben hier auch dann nicht,
wenn sie nicht von ihnen geltend gemacht wurden.1414
Auch in der sonstigen Testaterbfolge fi el das unbewegliche Vermögen mit dem
Tod des Erblassers zunächst an den Haupterben als trustee und musste dann an die
entsprechenden Legatare übertragen werden.1415 Der Haupterbe hatte kein Recht, von
sich aus, also ohne die Mitwirkung der übrigen Miterben, einen partage einzuleiten,
wenn der unbewegliche Nachlass ihm und seinen Miterben testamentarisch vermacht
worden war.1416
1410 Coutanche v. Laisney (1977) 2 J.J. 19. Vgl. auch Matthews/Nicolle, The Jersey Law of Property, Abschnitt 8.25, der ohne Begründung von einem quasi-trustee spricht (vermutlich deshalb, weil es sich um eine Entstehung kraft Gesetzes und nicht kraft Rechtsgeschäfts handelt),
sowie Matthews/Sowden, The Jersey Law of Trusts, Abschnitt 1.28, nach dem der Haupterbe
das Eigentum “as a kind of trustee” für sich und seine Miterben hielt.
1411 Zum Ablauf des partage Verfahrens siehe sogleich.
1412 Bis 1862 galt die allgemeine Präskriptionsfrist von 40 Jahren, siehe A code of laws for the island of Jersey, S. 119; Le Geyt, Code Le Geyt, S. 51 Art. 6.
1413 Art. 1 Loi (1862) relative au partage d’héritages; vgl. auch Matthews/Nicolle, The Jersey Law
of Property, Abschnitt 8.25. Wurde das unbewegliche Vermögen, hingegen unangefochten sowie gutgläubig für die Dauer von 40 Jahren von einem Dritten besessen, verlor der Haupterbe
sein Recht gemäß der possession quadragenaire, vgl. Le Geyt, Code Le Geyt, S. 63 Art. 1. Diese Regel gilt noch heute.
1414 Le Mottée v. Le Mottée (1907) 225 Ex. 205: keine Verjährung des partage bei Existenz eines
Testaments, siehe bereits oben 2. Teil Kapitel 1 C.VI.5.e. Vgl auch Matthews/Nicolle, The
Jersey Law of Property, Abschnitt 8.25.
1415 Matthews/Sowden, The Jersey Law of Trusts, Abschnitt 1.28.
1416 Blampied et aus. v. Blampied et aus. (1895) 217 Ex. 424.
E. Behandlung des Nachlasses
256
Die Teilung (partage) des unbeweglichen Nachlasses zwischen den Miterben unterlag der Loi (1891) sur le partage d’héritages.1417
Das partage-Verfahren sah folgendes vor: Zunächst wurde eine komplette Aufl istung des unbeweglichen Nachlasses (das entier) erstellt und – unabhängig von der Anzahl der Erben – in drei Teile geteilt. Der erste Teil bestand aus den têtes de partie
(Kopfteilen). Unter einer tête de partie wurde ein unbeweglicher Gegenstand verstanden, der als unteilbar angesehen wurde, zum Beispiel ein Haus (allerdings konnte beispielsweise auch ein Haus mit einem „Witwenfl ügel“ aus zwei oder mehr têtes de partie und umgekehrt ein Haus mit Nebengebäuden aus einer tête de partie bestehen).1418
Der zweite Teil bestand aus unbeweglichem teilbarem Vermögen (zum Beispiel ein in
mehrere Parzellen unterteilbares Grundstück), das gemäß den Bestimmungen der Loi
(1891) sur le partage d’héritages bewertet wurde. Der dritte Teil bestand aus den hypothèques conventionnelles simples1419 und rentes, die dem Erblasser zustanden.1420
Dann wählte jeder Erbe der Reihe nach, beginnend mit dem Haupterben, dann die
männlichen Erben dem Alter nach, dann die weiblichen Erben dem Alter nach, aus
dem ersten Teil eine tête de partie. Überstieg die Zahl der Erben die Anzahl der têtes
de partie, wurden die leer ausgehenden Erben nicht entschädigt. Entsprechendes galt
für den Fall, dass die têtes de partie nicht den gleichen Wert hatten.1421
Der Haupterbe genoss bei einer solchen Verteilung gewisse Vorrechte:
– tête de partie: Wie bereits gesehen, hatte der Haupterbe das Recht der ersten Wahl
hinsichtlich der tête de partie, und es gab keine Verpfl ichtung, die anderen Erben
zu entschädigen, wenn diese eine weniger wertvolle oder überhaupt keine tête de
partie erhalten hatten.
– préciput: Wählte der Haupterbe eine tête de partie auf dem Land (d.h. nicht innerhalb
der Gemeinden von St. Helier oder St. Aubin), hatte er das Recht, fünf vergées1422
Land als eine Art gesetzliches Vorausvermächtnis zu wählen (den préciput).1423
1417 Schon vor Erlass dieses Gesetzes hatte sich das Recht Jerseys bezüglich des partage weit von
seinen normannischen Ursprüngen entfernt. Poingdestre war der Ansicht, dass dies einer der
Bereiche war, in dem der Grand Coutumier am wenigsten befolgt wurde, Poingdestre, Les
Commentaires sur l‘Ancienne Coutume de Normandie, S. 21 – 22. Vgl. hierzu auch Dicks-Mireaux, Les principes du droit successoral ab intestat dans les Iles Anglo-Normandes et leur
évolution, S. 42 – 46; 52 – 53.
1418 Matthews/Nicolle, The Jersey Law of Property, Abschnitt 8.41; vgl. auch Report of the Commissioners 1861, Minutes of Evidence, S. xiii. Zur Defi nition von tête de partie siehe Le Gros,
Traité du Droit Coutumier de l‘Ile de Jersey, S. 448 – 449.
1419 Zur Abgrenzung von hypothèque légale, hypothèque judiciaire und hypothèque conventionnelle simple vgl. oben Fn. 466.
1420 Hypothèques conventionnelles simples und rentes gelten gemäß Art. 27 (1) Loi (1880) sur la
propriété foncière als unbewegliches Vermögen.
1421 Matthews/Nicolle, The Jersey Law of Property, Abschnitt 8.43.
1422 Auf den Kanalinseln ist das vergée das Standard-Flächenmaß, wobei die genaue Defi nition
zwischen den Bailiwicks differiert. Auf Jersey entspricht 1 vergée 1798,6 m², auf Guernsey
1638,8 m².
1423 Art. 7 Loi (1891) sur le partage d’héritages; Report of the Commissioners 1861, Minutes of
Evidence, S. xii; Matthews/Nicolle, The Jersey Law of Property, Abschnitt 8.45.
2. Teil: Das Erbrecht der Bailiwicks Jersey und Guernsey
257
– dixième de terres: In einer Erbfolge in gerader Linie war der Haupterbe zusätzlich
berechtigt, Land im Werte von einem Zehntel des Gesamtwertes des Landes zu
wählen,1424 ohne dass er sein préciput, das gesetzliche Vorausvermächtnis, hierauf
in Anrechnung bringen musste.1425
– dixième de rentes et hypothèques: In einer Erbfolge in gerader Linie war der Haupterbe weiter berechtigt, dem Erblasser zustehende Rentenlasten und Hypotheken im
Wert von einem Zehntel des Gesamtwertes der rentes beziehungsweise hypothèques
zu wählen.1426
– allouance: Der sich aus dem Lehnswesen erklärende Anspruch des Haupterben auf
eine fi nanzielle Zulage für das Unterhalten von Waffen, die oftmals durch einen
zusätzlichen Teil des Grundbesitzes gewährt wurde, wurde 1891 als nicht mehr
zeitgemäß abgeschafft.1427
Im zweiten Schritt erfolgte die Aufteilung des unbeweglichen teilbaren Vermögens.
Dabei wurden zunächst die Erben in Land entschädigt, die Belastungen übernehmen
mussten, die auf ihrer tête de partie ruhten. Daraufhin wurde der Restwert des unbeweglichen teilbaren Vermögens durch die Anzahl der Erben geteilt und so der jedem
zustehende Anteil (juste part) ermittelt. Schließlich wählte wieder jeder Erbe in der
beschriebenen Reihenfolge Land bis zum Wert seines juste part.1428
Im dritten Schritt wurden die hypothèques und rentes in derselben Weise verteilt, jedoch hatte der Haupterbe diesbezüglich, wie soeben anhand der Aufl istung zu sehen, nur
Anspruch auf ein dixième, nicht auch auf ein préciput an hypothèques und rentes.1429
1424 Art. 1 Loi (1850) restreignant le droit de l’ainé (Recueil des lois, Bd. I, 1771 – 1850, S. 507 –
508); Report of the Commissioners 1861, Minutes of Evidence, S. xii; Matthews/Nicolle, The
Jersey Law of Property, Abschnitt 8.45. Vor 1850 hatte der Haupterbe das Recht, ein Zehntel
der Ländereien zu wählen, unabhängig von deren Wert (A code of laws for the island of Jersey, S. 215 – 216); da dies oft zu Ungerechtigkeiten geführt hatte, wurde dieses Recht in einen
Anspruch auf ein Zehntel des Wertes der Ländereien umgewandelt, vgl hierzu Dicks-Mireaux,
Les principes du droit successoral ab intestat dans les Iles Anglo-Normandes et leur évolution,
S. 59; Mautalent-Reboul, Le droit privé jersiais, S. 535 – 537.
1425 Art. 10 Loi (1891) sur le partage d’héritages. Vgl. auch Le Geyt, Code Le Geyt, S. 52
Art. 10.
1426 Le Geyt, Code Le Geyt, S. 52 Art. 10.
1427 Art. 9 Loi (1891) sur le partage d’héritages. Siehe zum davor geltenden Recht A code of laws
for the island of Jersey, S. 218 – 219.
1428 Le Geyt, Code Le Geyt, S. 52 Art. 11; Matthews/Nicolle, The Jersey Law of Property, Abschnitt
8.45. Zur Vermeidung einer Zerstückelung der Ländereien durch den partage wurden 1891 eine
Regelung eingeführt, nach der in dem Fall, dass Erben aneinander angrenzende têtes de partie
auf einem Grundstück gewählt hatten, von denen das eine nur über das andere erreichbar war,
der Erbe des größeren Teils einen Anspruch auf Übertragung des kleineren Teils gegen Zahlung
einer Entschädigung hatte; weiterhin hatte der Erbe, der die größte Teilfl äche eines Grundstücks gewählt hatte, einen Anspruch auf die Restfl äche (wiederum gegen Entschädigung);
schließlich war ein Erbe, der mit seiner Wahl in einem Grundstück begonnen hatte, verpfl ichtet,
mit seiner nächsten Wahl in diesem Grundstück, solange und sofern dies möglich war, fortzufahren; vgl. Art. 6 und 13 Loi (1891) sur le partage d’héritages; Le Gros, Traité du Droit Coutumier de l‘Ile de Jersey, S. 92; Mautalent-Reboul, Le droit privé jersiais, S. 540 – 541.
1429 Matthews/Nicolle, The Jersey Law of Property, Abschnitt 8.46.
E. Behandlung des Nachlasses
258
Nach Abschluss des partage wurde ein lettre de partage mit den Einzelheiten der
Teilung vor dem Royal Court erlassen und im Public Registry registriert. Hinterließ
der Erblasser mehr als einen Typ an unbeweglichem Vermögen (propres paternels,
propres maternels und acquêts) und wurden die Nachlässe nicht verbunden1430, gab es
einen eigenen partage für jeden Nachlass1431 und der Haupterbe hatte die Vorrechte
hinsichtlich jeden Nachlasses.1432
b. Movables
Der Grundsatz le mort saisit le vif griff auch bei beweglichem Vermögen ein:
Wurde in einer Intestaterbfolge der Haupterbe durch die Bestallungsurkunde zum
Nachlassverwalter ernannt, ergaben sich keine weiteren Probleme: Das bewegliche
Vermögen verblieb auch weiterhin, wie seit dem Tod des Erblassers, bei ihm als Eigentümer, bis er es an seine Miterben verteilte. Er war berechtigt, das Vermögen für
Jahr und Tag zu behalten, danach jedoch konnten die Miterben eine Verteilung des
Nachlasses verlangen.1433
Wurde in einer Intestaterbfolge eine andere Person als der Haupterbe zum Nachlassverwalter bestellt oder hatte in einer Testaterbfolge der Erblasser in seinem Testament eine andere Person als den Haupterben als Testamentsvollstrecker benannt,
erwarb der Nachlassverwalter/Testamentsvollstrecker mit Erhalt der Urkunde, das
Recht auf Besitz und Verwaltung des Nachlasses und, sofern keine besondere Verfügung in dem Testament hinsichtlich der Vergütung getroffen wurde, auf jegliches
Einkommen aus dem Vermögen für die Dauer von Jahr und Tag (bekannt unter der
Bezeichnung année de jouissance1434). Am Ende dieser Laufzeit musste er den Nachlass an die Legatare/Erben verteilen.1435
1430 Vgl. zur Verbindung von Nachlässen (confusion) unten 2. Teil Kapitel 1 E.I.3.
1431 Matthews/Nicolle, The Jersey Law of Property, Abschnitt 8.48.
1432 Nach Einführung von Art. 15 Loi (1891) sur le partage d’héritages, der für den Fall einer Erbfolge in der Seitenlinie hinsichtlich acquêts, in der halbbürtige neben vollbürtigen Geschwistern als Erben berufen waren, einen öffentlichen Verkauf der acquêts und eine anschließende
Verteilung des Erlöses unter den Erben anordnete (wobei die vollbürtigen Geschwister einen
doppelten Anteil erhielten), bestand einige Ungewissheit darüber, ob hierdurch die Vorrechte
des Ältesten faktisch abgeschafft worden waren, auch wenn die anderen Vorschriften des Gesetzes die Vorrechte formal anerkannten. Im Jahr 1989 wurde in Re Thompson (1989) JLR 184
entschieden, dass Art. 15 in der vorgenannten Konstellation einen Sonderfall beträfe und dass
auch in diesem Fall das gesamte Erbe dem Ältesten anfalle, jedoch als trustee. Während er in
den sonstigen Fällen seine Wahl traf, unterlag der Älteste in diesem Sonderfall der Verpfl ichtung, die acquêts zu verkaufen und den Erlös zu verteilen (siehe insb. S. 202). Vgl. insgesamt
Le Geyt, Code Le Geyt, S. 94; Mautalent-Reboul, Le droit privé jersiais, S. 545 – 547.
1433 Matthews/Nicolle, The Jersey Law of Property, Abschnitt 8.28; Matthews/Sowden, The Jersey
Law of Trusts, Abschnitt 1.27.
1434 Vgl. hierzu oben 2. Teil Kapitel 1 B.VI.2.a. sowie unten 2. Teil Kapitel 1 E.III.2.d(2).
1435 Falle, JLRev 2002, 41 (42 – 44); vgl. auch Matthews/Nicolle, The Jersey Law of Property, Abschnitt 8.29; Matthews/Sowden, The Jersey Law of Trusts, Abschnitt 1.27. Für die Frage, wann
ein Gericht einer Person, die als Testamentsvollstrecker benannt war, verweigern kann, den
2. Teil: Das Erbrecht der Bailiwicks Jersey und Guernsey
259
Dieser Konfl ikt zwischen den zwei saisines (der des Haupterben mit dem Tod des
Erblassers und der des Testamentsvollstreckers mit der Erteilung der Testamentsbestätigung), wurde gelöst durch die gesetzliche Fiktion, dass der Testamentsvollstrecker
der procureur légal des Haupterben war (d.h. er galt als sein Bevollmächtigter).1436 In
dieser Eigenschaft übte er auch die année de jouissance aus, die eigentlich dem
Haupterben zustand.1437 Weiterhin konnte der Haupterbe jederzeit während des Jahres,
in dem der Testamentsvollstrecker berechtigt war, das Vermögen zu verwalten, den
Besitz des Vermögens erlangen, indem er an den Testamentsvollstrecker die Summe
der Schulden, Vermächtnisse und Verwaltungskosten zahlte.1438
Der Grundsatz le mort saisit le vif sollte für bewegliches Vermögen auch durch das
Probate (Jersey) Law 1949 nicht abgeschafft werden, sondern wurde gemäß Art. 33
dieses Gesetzes ausdrücklich aufrechterhalten, allerdings vorbehaltlich der anderen
Regelungen des Gesetzes. So sah zum Beispiel Art. 22 vor, dass zum Nachweis des
Rechts auf das bewegliche Vermögen eines Verstorbenen bei gesetzlicher Erbfolge die
Erteilung von letters of administration (Bestallungsurkunde zum Nachlassverwalter)
und bei gewillkürter Erbfolge eines probate (gerichtliche Testamentsbestätigung)1439
notwendig war.1440 Eine Ausnahme bestand für bewegliches Vermögen mit einem
Wert von bis zu £ 5.000, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes sein domicile außerhalb Jerseys hatte, und im Laufe der Zeit wurden weitere Ausnahmen geschaffen. Griff keine dieser Ausnahmen ein, musste sich sogar ein Haupterbe eine
Bestallungsurkunde/Testamentsbestätigung ausstellen lassen.1441
Nachweis seiner Rechtsstellung aus dem Testament zu führen, vgl. Clapham v. Le Mesurier
(1991) JLR 5.
1436 La Cloche v. La Cloche (1870) LR 3 P.C. 125 (139): Unter dem Grundsatz le mort saisit le vif
sind die gesetzlichen Erben auch eines Erblassers, der letztwillig verfügt hatte, vom Zeitpunkt
des Todes des Erblassers an die wahren Eigentümer des ihnen zustehenden Anteils am beweglichen Nachlass. Der Haupterbe ist sofortiger Eigentümer, aber das Recht macht den Testamentsvollstrecker zum procureur legale (gesetzlichen Vertreter) der Erben bis zur Vollziehung
des Testaments (jusqu’à l’accomplissement du testament). Vgl. weiterhin Re Terry (née Priston) (1963) 1 J.J. 335.
1437 La Cloche v. La Cloche (1870) LR 3 P.C. 125; Falle, JLRev 2002, 41 (43 – 44). Dies entsprach
auch der Regelung in der Coutume Réformée (Art. 430).
1438 Matthews/Nicolle, The Jersey Law of Property, Abschnitt 8.30; Matthews/Sowden, The Jersey
Law of Trusts, Abschnitt 1.27. Siehe zu diesem Recht oben 2. Teil Kapitel 1 B.VI.2.a. sowie
unten 2. Teil Kapitel 1 E.III.2.d(2). Dieses Privileg des Haupterben wurde durch Art. 14 Wills
and Successions (Jersey) Law 1993 ausdrücklich abgeschafft.
1439 Vgl. diesbezüglich unten 2. Teil Kapitel 1 E.III.2.a.
1440 Gemäß Art. 23 des Gesetzes stellte die Inbesitznahme oder das Verwalten von beweglichem
Vermögen ohne eine solchen Bestallungsurkunde/Testamentsbestätigung eine Straftat dar. Vgl.
auch Matthews/Nicolle, The Jersey Law of Property, Abschnitt 8.26.
1441 Die wichtigsten Ausnahmen fanden sich in der Industrial and Provident Societies (Channel
Islands) Order 1965, den Trustee Savings Bank Regulations 1977, den National Savings Bank
Regulations 1972, den Savings Certifi cates Regulations 1972, den Premium Savings Bonds
Regulations 1972, dem Friendly Societies Act 1974 und der Teachers’ Superannuation (General Provisions) (Jersey) Order 1979; siehe auch Matthews/Nicolle, The Jersey Law of Property, Abschnitt 8.27.
E. Behandlung des Nachlasses
260
Klagen auf Abwicklung des beweglichen Nachlasses mussten innerhalb von 10
Jahren seit dem Tod des Erblassers eingereicht werden, andernfalls erwarb der Haupterbe einen Präskriptivtitel für das gesamte Vermögen.1442
2. Die heutige Position
a. Immovables
Gemäß Art. 4 (1) des Wills and Successions (Jersey) Law 1993 geht das unbewegliche
Vermögen, bezüglich dessen der Erblasser nicht letztwillig verfügt hat, d. h. im Falle
einer Intestaterbfolge, in gleichen ungeteilten Anteilen auf die gesetzlichen Erben
über und diese erhalten es als tenants in common (Bruchteilseigentümer).1443 Dies gilt
vorbehaltlich der anderen Bestimmungen des Wills and Successions (Jersey) Law
19931444 und der Wirkung der représentation1445. Der Grundsatz le mort saisit le vif
gilt somit an sich noch immer, jedoch erfolgt der Anfall an alle Erben und das gesetzliche Ältestenrecht ist abgeschafft.1446
Da gemäß Art. 4 in Verbindung mit Art. 24 des Wills and Successions (Jersey) Law
1993 bei Erbfällen nach dem 1.9.1993 das unbewegliche Vermögen unmittelbar auf
die gesetzlichen Erben als tenants in common (Bruchteilseigentümer) zu gleichen Teilen übergeht, wurde ein partage, eine Teilung des unbeweglichen Nachlasses, überfl üssig und dieses Instrument auch in der Folge abgeschafft.1447 Soll der Anteil eines
Bruchteilseigentümers am unbeweglichen Nachlass realisiert werden, muss eine action en licitation (eine Klage zur Aufl ösung einer ungeteilten Rechtsgemeinschaft)
eingeleitet werden (ein entsprechender Mechanismus existierte auch unter dem partage Verfahren).1448
Im Falle einer Testaterbfolge scheint die Stellung des Haupterben unverändert geblieben zu sein, so dass das unbewegliche Vermögen noch immer mit dem Erbfall auf
ihn als trustee übergeht.1449
1442 Matthews/Nicolle, The Jersey Law of Property, Abschnitt 8.31. Waren letters of administration
(die Bestallungsurkunde) an eine andere Person als den Haupterben ausgegeben worden, mussten sich die Klagen gegen diesen Nachlassverwalter und nicht gegen den Haupterben richten,
r. 10/3 (1) Royal Court Rules 1992 (R. & O. No 8509). Die Royal Court Rules 2004 formulieren
nun generell, dass sich hinsichtlich beweglichen Nachlasses entsprechende Klagen gegen den
Nachlassverwalter richten müssen, r. 13/1 (1).
1443 „en parts égales en indivis pour eux et leurs hoirs respectifs “.
1444 Z. B. Art. 5, siehe hierzu oben 2. Teil Kapitel 1 B.IV.2.a(2).
1445 Siehe hierzu oben 2. Teil Kapitel 1 B.III.5. sowie 2. Teil Kapitel 1 B.V.
1446 Vgl. auch Mautalent-Reboul, Le droit privé jersiais, S. 574 – 575.
1447 Art. 24 des Wills and Successions (Jersey) Law 1993 setzte Art. 1 der Loi (1891) sur le partage
d’héritages außer Kraft. Relevant kann das früher geltende Recht allerdings noch für Altfälle
hinsichtlich des Nachlasses von Personen, die vor dem 1.9.1993 verstarben, sein, Art. 21 Wills
and Successions (Jersey) Law 1993.
1448 Vgl. oben Fn. 472.
1449 Matthews/Sowden, The Jersey Law of Trusts, Abschnitt 1.28.
2. Teil: Das Erbrecht der Bailiwicks Jersey und Guernsey
261
Da das Eigentum somit mit dem Erbfall an den oder die Erben fällt, gibt es hinsichtlich unbeweglichen Vermögens bei gesetzlicher Erbfolge keinen Nachlassverwalter
(administrator) und gleichermaßen bei gewillkürter Erbfolge keinen Testamentsvollstrecker (executor).1450
b. Movables
(1) Erbanfall
Hinterlässt der Erblasser einen überlebenden Ehegatten und greift Art. 8 Wills and
Successions (Jersey) Law 1993 nicht ein, geht das bewegliche Eigentum auf den Ehegatten oder den Ehegatten und die Kinder über, Art. 7 (1) Wills and Successions (Jersey) Law 1993.
Problematisch sind allerdings die Fälle, in denen kein überlebender Ehegatte vorhanden ist oder Art. 8 Wills and Successions (Jersey) Law 1993 eingreift (es sind dies
insbesondere Fälle des Getrenntlebens der Ehegatten):
Da der oben beschriebene1451 Art. 4 (1) Wills and Successions (Jersey) Law 1993
nur bei unbeweglichem Vermögen Anwendung fi ndet, ist zu untersuchen, was hier
hinsichtlich des Erbanfalls bei beweglichem Vermögen gilt. Unter dem vor 1993 geltenden Recht fand sich eine Regelung des Erbanfalls für acquêts und movables in Art.
3 der Loi (1851) au sujet du partage des successions; dieses Gesetz wurde allerdings
durch Art. 24 des Wills and Successions (Jersey) Law 1993 komplett aufgehoben. Im
Wills and Successions (Jersey) Law 1993 gibt es auch keine eigene Bestimmung, die
den Übergang von beweglichem Vermögen in der Intestaterbfolge ohne überlebenden
Ehegatten behandelt. Somit müssten an sich die gewohnheitsrechtlichen Bestimmungen Anwendung fi nden, mit der Folge, dass die movables auf den Haupterben übergingen. Falle geht in einem Aufsatz1452 kommentarlos davon aus, dass seit dem Wills and
Successions (Jersey) Law 1993 auch der bewegliche Nachlass auf alle Erben gleichermaßen übergeht, obwohl sich dies, wie oben dargestellt, dem Gesetzeswortlaut gerade
nicht entnehmen lässt und, wie gleich gezeigt wird, auch nicht dem Sinn nach.
Man könnte zwar argumentieren, dass mit der Abschaffung der année de jouissance, also des Rechts des Haupterben auf Besitz, Früchte und Nutzungen des beweglichen Nachlasses für die Dauer von einem Jahr, durch Art. 12 Wills and Successions
(Jersey) Law 19931453 mittelbar zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass der bewegliche Nachlass zukünftig nicht mehr an den Haupterben falle. Aber es erscheint
kaum möglich, dass der Gesetzgeber diesen Punkt hinsichtlich des unbeweglichen
Vermögens expressis verbis geregelt hat und ihn hinsichtlich beweglichen Vermögens
lediglich über Umwege andeuten wollte. Deshalb spricht meines Erachtens die Gesetzestechnik dafür, dass der bewegliche Nachlass mit dem Tod des Erblassers (sofern
kein überlebender Ehegatte vorhanden ist oder sofern Art. 8 Wills and Successions
1450 Vgl. unten 2. Teil Kapitel 1 E.III.1.a. und 2. Teil Kapitel 1 E.III.1.b.
1451 Siehe oben 2. Teil Kapitel 1 E.I.2.a.
1452 Falle, JLRev 2002, 41 (51).
1453 Vgl. hierzu unten 2. Teil Kapitel 1 E.III.2.d(2).
E. Behandlung des Nachlasses
262
[Jersey] Law 1993 eingreift) auch nach Inkrafttreten des Wills and Successions (Jersey) Law 1993 zunächst unverändert auf den Haupterben übergeht: Das Gesetz regelt
ausdrücklich den Erbanfall bei unbeweglichem Vermögen und schweigt hinsichtlich
des beweglichen Vermögens; es liegt hier erkennbar keine planwidrige Regelungslücke vor, die im Wege eines Analogieschlusses ergänzt werden dürfte, sondern es muss
vielmehr e contrario geschlussfolgert werden, dass der Gesetzgeber die entsprechende
Regelung nicht auch für bewegliches Vermögen einführen wollte.1454
Allerdings sind, wie sich im sogleich im Folgenden1455 zeigen wird, die praktischen
Auswirkungen gering, da der bewegliche Nachlass ohnehin vom Nachlassverwalter
beziehungsweise Testamentsvollstrecker in Besitz genommen wird.
(2) Auswirkungen auf die Nachlassverwaltung
Auch heute muss es in allen Intestaterbfolgen hinsichtlich movables einen Nachlassverwalter geben.1456 Der Nachlassverwalter ist verantwortlich für die Verwertung des
beweglichen Nachlasses, für das Eintreiben der dem Nachlass geschuldeten Forderungen und für die Zahlung von Schulden des Nachlasses. Daraufhin teilt er den Überschuss zwischen den Erben entsprechend der Erbquoten.
Entsprechend muss es in allen Testaterbfolgen von beweglichem Vermögen einen
executor (Testamentsvollstrecker) geben. Üblicherweise bestimmt der Erblasser in
Jersey in seinem Testament einen Testamentsvollstrecker. Selbst wenn er aber keinen
Testamentsvollstrecker benennen würde, würde das Gericht einen bennen (dann sogenannter executor dative). Nur in dem Fall, dass gar kein Testament existiert, bleibt es
hinsichtlich der movables bei einem Nachlassverwalter.1457
Fraglich ist allerdings, ob sich die Stellung des Nachlassverwalters beziehungsweise Testamentsvollstreckers unter heutigem Recht verändert hat.
Einige Ausführungen diesbezüglich fi nden sich in dem bereits erwähnten Aufsatz
von Falle1458:
Er beschreibt, dass, während das Probate (Jersey) Law 1949 in Art. 33 den Grundsatz le mort saisit le vif für bewegliches Vermögen ausdrücklich aufrechterhielt, sich
im Probate (Jersey) Law 1998, das das Gesetz von 1949 ersetzte, keine solche Regelung mehr fi nde. Jedoch ist zu bedenken, dass auch Art. 33 Probate (Jersey) Law 1949
nach seinem ausdrücklichen Wortlaut1459 nicht konstitutiv, sondern rein deklaratorisch
war. Folglich könnte das Fehlen eines entsprechenden Artikels im Gesetz von 1998
1454 Somit gilt auch weiterhin, dass der Haupterbe, wenn keine Klage auf Nachlassabwicklung
eingereicht wird und er die Erbschaft nicht ausschlägt, den Titel am gesamten beweglichen
Nachlass nach 10 Jahren kraft Präskription erwirbt, vgl. diesbezüglich oben 2. Teil Kapitel 1
E.I.1.b.
1455 2. Teil Kapitel 1 E.I.2.b(2).
1456 Siehe unten 2. Teil Kapitel 1 E.III.2.
1457 Siehe unten 2. Teil Kapitel 1 E.III.2.
1458 Falle, JLRev 2002, 41 (51).
1459 „For the avoidance of doubt, it is hereby declared that, save as otherwise expressly provided
by this Law, nothing in this Law shall be construed as derogating from the rule of law expressed
in the maxim „le mort saisit le vif sans ministère de Justice”.”
2. Teil: Das Erbrecht der Bailiwicks Jersey und Guernsey
263
allenfalls als ein Indiz für eine Abkehr vom Grundsatz le mort saisit le vif gewertet
werden. Allerdings stellt sich die Frage, ob es vom Gesetzgeber nicht deutlicher zum
Ausdruck gebracht worden wäre, wenn eine solche Änderung wirklich bezweckt gewesen wäre. Falle hingegen schlussfolgert, dass der Testamentsvollstrecker unter heutigem Recht nicht mehr als gesetzlicher Vertreter des Haupterben gelten könne, sondern schlichtweg die Person sei, die im Testament oder durch das Gericht ernannt
wurde. Falle führt hierfür auch an, dass Art. 19 Probate (Jersey) Law 1998 für das
Recht auf den beweglichen Nachlass den Nachweis einer Bestallungsurkunde/Testamentsbestätigung verlange. Allerdings bestand diese Regelung wortgleich auch schon
unter dem Probate (Jersey) Law 1949,1460 so dass die Existenz des Art. 19 Probate
(Jersey) Law 1998 kein Argument für eine Rechtsänderung sein kann. Meines Erachtens gibt es folglich keinen stichhaltigen Nachweis dafür, dass sich die Stellung des
Nachlassverwalters beziehungsweise Testamentsvollstreckers unter heutigem Recht
verändert hat. Obwohl der Einfl uss des englischen Rechts, das in diesem Punkt der
Ansicht von Falle entspricht, auf das Recht Jerseys nicht geleugnet werden kann, achten die Rechtssetzungsorgane auf Jersey, wann immer möglich, darauf, ihre alten
Rechtstraditionen zu bewahren. Bis sich gegebenenfalls eine andere Praxis durchsetzt,
ist deshalb vom Fortbestehen der hergebrachten Rechtslage auszugehen.
3. Bei Erbfolge von immovables: confusion (Verschmelzung von Nachlässen)
a. Die Regel aus Le Geyt v. Aubin, procureur de Carteret1461
Hinterlässt der Erblasser sowohl propres als auch acquêts und sind Haupt- und Miterben hinsichtlich beider Erbfolgen personengleich, werden die beiden Nachlässe verschmolzen, d.h. als ein Nachlass geteilt.1462 Wenn die propres und acquêts verschmolzen wurden, sei es in einer Erbfolge in gerader oder in der Seitenlinie, ermitteln sich
die Erbquoten nach Stämmen wie bei den propres, nicht nach Köpfen wie bei den acquêts, und im vor Geltung des Wills and Successions (Jersey) Law 1993 durchzuführenden Teilungsverfahren (partage) hatte der Haupterbe Anspruch auf nur einen préciput (das gesetzliches Vorausvermächtnis).1463
b. Nachlässe von mehreren Erblassern
Der zweite Fall, in dem confusion eintritt, ist, wenn die Nachlässe von zwei verschiedenen Personen so verteilt werden, als formten sie nur einen einzigen Nachlass. Dies
1460 Hierauf geht Falle nicht ein, obwohl er im nächsten Satz darauf hinweist, dass die Vorschrift
des Art. 23 Probate (Jersey) Law 1998 keine Änderung zu Art. 23 Probate (Jersey) Law 1949
enthält.
1461 (1749) 31 H. 143
1462 Le Geyt v. Aubin, procureur De Carteret (1749) 31 H. 143.
1463 Matthews/Nicolle, The Jersey Law of Property, Abschnitt 8.49. Zum partage und zum préciput
siehe oben 2. Teil Kapitel 1 E.I.1.a.
E. Behandlung des Nachlasses
264
geschieht jedoch nur bei Erbfolgen in gerader Linie,1464 wenn der zweite Nachlass an
dieselben Erben fällt, bevor Schritte eingeleitet wurden, um den ersten Nachlass zu
verteilten.1465 Solch eine confusion kann eintreten bei Erbfolgen von Ehepaaren, z. B.
wenn beide Eheleute kurze Zeit nacheinander versterben.1466 Sie kann auch erfolgen
bei Erbfolgen eines Elternteils und eines Großelternteils.1467
Nach Hoüard liegt der ursprüngliche tiefere Sinn der confusion in diesen Fällen in
Folgendem: Dem Haupterben fi el das fi ef, das Lehen, als eine Art gesetzliches Vorausvermächtnis (préciput)1468 zu, damit er seine militärischen Pfl ichten in angemessenen
Verhältnissen ableisten konnte; hatte der Haupterbe nun die Früchte und Nutzungen
der Erbschaft des einen Elternteils genossen und war mit der Teilung des Nachlasses
säumig und hatte seinen Brüdern so deren Teil vorenthalten, sollten nach dem Tod des
anderen Elternteils die Nachlässe zusammen gefasst und geteilt werden, womit die
Brüder besser gestellt und für die Fruchtziehung des Haupterben am Nachlass des zuerst verstorbenen Elternteils entschädigt werden sollten. Der Haupterbe sollte zugleich
dafür bestraft werden, dass er die Teilung verschleppt hatte.1469
Confusion dieses Typus tritt ein, sofern zum Zeitpunkt des Todes des zweiten Erblassers noch keine Schritte hinsichtlich der Teilung des ersten Nachlasses eingeleitet
worden waren. Eine confusion ist nicht erst ausgeschlossen, wenn die Verteilung des
ersten Nachlasses vollständig oder auch nur teilweise vollendet ist, sondern es genügen bereits vorläufi ge Schritte.1470
Beruht die Nichtvornahme von Schritten zur Teilung des ersten Nachlasses auf der
Nachlässigkeit des tuteur (Vormunds) der Erben, haben diese einen Anspruch auf
Schadensersatz gegen den tuteur für einen erlittenen Schaden (z. B. wegen entgangener Nutzungen).1471 Ist der nachlässige tuteur der zweite Erblasser, ist es überfl üssig,
1464 Bei Erbfolgen in der Seitenlinie fi ndet dagegen keine confusion statt, De La Rocque v. Messervy, Ordres du Conseil, Urt. V. 06.11.1613; Le Cornu v. Le Cornu, Causes Remises, Urt. V.
05.06.1823, jeweils zitiert bei Le Gros, Traité du Droit Coutumier de l‘Ile de Jersey, S. 260.
1465 Le Geyt, Code Le Geyt, S. 51 Art. 3; Le Gros, Traité du Droit Coutumier de l‘Ile de Jersey, S.
254.
1466 Siehe z. B. Bertram, tuteur Costard v. Payn, tutrice Le Gallais (1745) 30 H. 121, zitiert bei
Le Gros, Traité du Droit Coutumier de l‘Ile de Jersey, S. 254 – 255, und Pipon v. Journeaux,
procureur Pipon (1821) 5 C.R. 293. Vgl. insgesamt Le Geyt, Code Le Geyt, S. 51 Art. 3;
Matthews/Nicolle, The Jersey Law of Property, Abschnitt 8.50.
1467 Siehe z. B. Le Vesconte ca: uxor v. Pinel ca: uxor (1760) 1 OC 316, zitiert bei Le Gros, Traité du Droit Coutumier de l‘Ile de Jersey, S. 256. Dies war hingegen noch anders zu Zeiten von
Le Geyt, vgl. Code Le Geyt, S. 51 Art. 3, und streitig unter den Kommentatoren der Coutûme
Réformée, vgl. Le Gros, Traité du Droit Coutumier de l‘Ile de Jersey, S. 256.
1468 Siehe zum préciput oben 2. Teil Kapitel 1 E.I.1.a.
1469 Siehe Le Gros, Traité du Droit Coutumier de l‘Ile de Jersey, S. 254.
1470 Falle v. Touzel, Cour d’Héritage, Urt. v. 18.01.1704, zitiert bei Le Gros, Traité du Droit Coutumier de l‘Ile de Jersey, S. 258; Matthews/Nicolle, The Jersey Law of Property, Abschnitt
8.51. So war vor Inkrafttreten des Wills and Successions (Jersey) Law 1993 für eine Verhinderung einer confusion bereits ausreichend, wenn nach Eröffnung des ersten und vor Eröffnung
des zweiten Nachlassverfahrens ein clameur de partage erhoben wurde.
1471 So noch zum dem Haupterben zustehenden Schadensersatzanspruch Poingdestre, Remarques
et Animadversions sur la Coutume réformée de Normandie, Art. 349, zitiert bei Matthews/Ni-
2. Teil: Das Erbrecht der Bailiwicks Jersey und Guernsey
265
den Erben einen Schadensersatzanspruch zuzusprechen, da das Vermögen, vorbehaltlich der Teilung, nun ohnehin im Eigentum der Erben steht. In einem solchen Fall hat
das Gericht stattdessen die Prinzipien der confusion zu missachten und anzuordnen,
dass die Nachlässe getrennt zu teilen seien.1472
Trotz confusion ist es möglich, eine Erbschaft anzunehmen und die andere auszuschlagen.1473 Dies entspricht dem Grundsatz, dass niemand gezwungen werden kann,
eine Erbschaft anzunehmen.1474 Für diejenigen, die die Erbschaft nicht ausgeschlagen
haben, bleibt die confusion aber bestehen.
II. Nachlasshaftung
Vor dem Inkrafttreten des Wills and Successions (Jersey) Law 1993 galt für den
Haupterben der Grundsatz der unbeschränkten Erbenhaftung: Für die Verbindlichkeiten des jeweiligen1475 Nachlasses war der Haupterbe grundsätzlich persönlich und
unbeschränkt haftbar, also mit dem Nachlass und dem Eigenvermögen, es sei denn, er
schlug die Erbschaft aus.1476 Hatte der Haupterbe einen bénéfi ce d’inventaire beantragt, haftete er nur den Gläubigern, die ihre Forderung angemeldet hatten.1477
Heute übersteigt gemäß Art. 18 Wills and Successions (Jersey) Law 1993 die Haftung eines Erben bezüglich des beweglichen oder unbeweglichen Nachlasses für
Nachlassverbindlichkeiten nicht den Wert seines Nachlassanteils.
colle, The Jersey Law of Property, Abschnitt 8.52; Dumaresq, ca: uxor v. Payn, tuteur Le
Moigne (1728) 25 H. 265, zitiert bei Le Gros, Traité du Droit Coutumier de l‘Ile de Jersey, S.
255 – 256. Da heute aufgrund der Regelung des Art. 4 (1) Wills and Successions (Jersey) Law
1993 das unbewegliche Vermögen aber allen Miterben gemeinsam anfällt (vgl. oben 2. Teil
Kapitel 1 E.I.2.a.), ist davon auszugehen, dass auch der Schadensersatzanspruch heute allen
Miterben zusteht.
1472 De Ste Croix ca: uxor v. Payn (1757) 32 H. 173 sowie Mauger, tuteur Baleyne v. Baleyne
(1786) 37 H. 150, jeweils zitiert bei Le Gros, Traité du Droit Coutumier de l‘Ile de Jersey, S.
255. Siehe weiterhin Matthews/Nicolle, The Jersey Law of Property, Abschnitt 8.52.
1473 Coutanche v. Coutanche, Cour d’Héritage, Urt. v. 30.04.1747; Le Sueur v. Simon, Cour
d’Héritage, Urt. v. 27.04.1749; Le Bas v. Luce, Cour d’Héritage, Urt. v. 04.10.1804, jeweils
zitiert bei Le Gros, Traité du Droit Coutumier de l‘Ile de Jersey, S. 259; siehe auch Le Geyt,
Code Le Geyt, S. 51 Art. 3.
1474 Vgl. oben 2. Teil Kapitel 1 D.II.1.
1475 Wie bereits ausgeführt, gab es bei einer Erbfolge in gerader Linie stets nur einen Haupterben,
während bei einer Erbfolge in der Seitenlinie gegebenenfalls verschiedene Haupterben für die
propres paternels, propres maternels, acquêts und movables existierten, vgl. hierzu oben 2. Teil
Kapitel 1 B.VI.1.
1476 Mautalent-Reboul, Le droit privé jersiais, S. 548. Zum Ausgleich für diese Haftung bekam der
Haupterbe eine Legalhypothek an den Anteilen der Miterben am unbeweglichen Nachlass, siehe hierzu sogleich 2. Teil Kapitel 1 E.II.2.
1477 Siehe hierzu oben 2. Teil Kapitel 1 D.II.2.
E. Behandlung des Nachlasses
266
1. Grundsätzliche Verteilung der Haftung
Schulden werden grundsätzlich als Mobiliarschulden (movables debts) eingeordnet,
sofern es sich nicht um rentes (Rentenlasten) oder hypothèques conventionnelles simples (eine rechtsgeschäftlich zwischen Gläubiger und Schuldner begründete
Hypothek)1478 handelt. Die Zahlung der Mobiliarschulden obliegt den movables, dem
beweglichen Vermögen, unabhängig davon, ob es eine Haftungsbeschränkung durch
Inventarerrichtung (bénéfi ce d’inventaire) gab oder nicht.1479 Diese Haftungstragungsregel ließ sich vor 1993 dem Art. 22 Loi (1891) sur le partage d’héritages entnehmen. Zwar ist die Loi (1891) sur le partage d’héritages durch Art. 24 des Wills
and Successions (Jersey) Law 1993 außer Kraft gesetzt worden, aber hinsichtlich der
Haftungsaufteilung ist zu bedenken, dass diese bereits dem Gewohnheitsrecht entsprach1480 und lediglich in der Loi (1891) sur le partage d’héritages kodifi ziert wurde. Es kann nicht angenommen werden, dass durch die pauschale Außerkraftsetzung
des Gesetzes von 1891 auch dieser gewohnheitsrechtliche Grundsatz abgeschafft
werden sollte. Hierfür spricht insbesondere, dass Art. 27 Loi (1880) sur la propriété
foncière weiterhin fortgilt: Dieser Artikel besagt, dass rentes und Schulden, die durch
eine hypothèque conventionnelle simple1481 gesichert wurden, immovables und deshalb aus dem unbeweglichen Vermögen zu zahlen sind.1482 Im Gegenschluss muss
somit folgen, dass alle übrigen Schulden weiterhin als bewegliche Schulden einzuordnen und aus dem beweglichen Vermögen zu begleichen sind.1483 Erst wenn der
1478 Zur Abgrenzung von hypothèque légale, hypothèque judiciaire und hypothèque conventionnelle simple vgl. oben Fn. 466.
1479 Eine bloße Registrierung einer Forderung, verbunden mit dem Erhalt einer hypothèque judiciaire (siehe hierzu sogleich unten 2. Teil Kapitel 1 E.II.3.), änderte nichts an der Einordnung
dieser Forderung als Mobiliarschuld und solch eine Schuld musste vorrangig aus dem beweglichen Nachlass bezahlt werden, Mitchell v. Mousir (1908) 77 Exs. 308.
1480 Der Grundsatz, dass die Nachlassverbindlichkeiten vorrangig vom beweglichen Vermögen getragen werden sollten, wurde mit der Formel „Meubles sont siège de dettes“ ausgedrückt, siehe
oben 2. Teil Kapitel 1 B.V. vor 1. Vgl. zur entsprechenden Regelung im normannischen Recht
Yver, R. H. D. 1952, 18 (64 – 65). Jedoch wurden die Immobiliarlasten wie z. B. rentes nicht
als vertragliche Verbindlichkeiten angesehen, sondern als negativer Bestandteil des jeweiligen
Grundstückes, so dass solche Lasten schon immer vom unbeweglichen Nachlass zu tragen waren, siehe Hoüard, Dictionnaire analytique, historique, étymologique, critique et interprétatif
de la Coutume de Normandie, Bd. 4, S. 302 – 303; vgl. auch Ourliac/Malafosse, Histoire du
droit privé, Bd. 3, S. 420.
1481 Zur Abgrenzung von hypothèque légale, hypothèque judiciaire und hypothèque conventionnelle simple vgl. oben Fn. 466.
1482 Vgl. auch oben 2. Teil Kapitel 1 A.I.1. Siehe hierzu auch The Jersey Law Commission, Consultation paper No 8 (2006), para. 7.15. Eine Witwe, die Anspruch auf das Jersey dower hat,
muss ein Drittel der Zinsen der Immobiliarschulden tragen, also der rentes und der hypothèques
conventionnelles simples (nicht aber der hypothèques légales und der hypothèques judiciaires),
Matthews/Nicolle, The Jersey Law of Property, Abschnitt 8.93; vgl. auch Le Geyt, Code Le
Geyt, S. 55 Art. 7.
1483 Da eine Witwe neben dem Jersey dower auch Anspruch auf den Pfl ichtteil (die légitime) (über
die Hälfte oder ein Drittel) hat und da légitimes auf der Basis des beweglichen Vermögens nach
2. Teil: Das Erbrecht der Bailiwicks Jersey und Guernsey
267
bewegliche Nachlass erschöpft ist, kann ein Gläubiger auf den unbeweglichen Nachlass zurückgreifen.1484
2. Instrumente zur Absicherung des Haupterben unter früherem Recht
Gab es unter früherem Recht im beweglichen Nachlass ein Defi zit, d.h. war das bewegliche Vermögen nicht ausreichend, um die Forderungen hinsichtlich der hypothèques légales und hypothèques judiciaires1485 zu begleichen, konnte der Haupterbe
gemäß Art. 22 der Loi (1891) sur le partage d’héritages von jedem Miterben seinen
Anteil am Nachlass zurückfordern, vorausgesetzt, es hatte einen partage des unbeweglichen Vermögens gegeben. Es war deshalb im Interesse des Haupterben, wenn
dieser einen verschuldeten Nachlass nicht ausschlagen wollte oder konnte, zunächst
eine Klage auf Teilung des unbeweglichen Vermögens gegen seine Miterben einzuleiten, um die Anteile dann zurückfordern zu können.1486 Diese Vorgehensweise scheint
auf den ersten Blick unnötig kompliziert zu sein. Allerdings erklärt sich mit Blick auf
die Eigentumsverhältnisse, warum der Haupterbe nicht auf die Durchführung des partage ganz verzichten konnte: Denn schon vor der Durchführung des partage waren die
Miterben die benefi ciaries, d. h. sie hatten schon eine dinglich verfestigte Rechtsposition bezüglich ihrer jeweiligen Anteile.1487 Somit konnte der Haupterbe nicht einfach
vor dem partage mit dem Argument, ihm stünden diese zu, auf ihre Anteile zurückgreifen. Durch die Geltendmachung des Rückforderungsrechts wurde der Haupterbe
mit den nötigen Mitteln ausgestattet, die Gläubiger zu befriedigen, denen er, wie gesagt, unbeschränkt haftete.
Bezüglich dieser Möglichkeit, die Miterben zur Haftung heranzuziehen, gab Art.
22 der Loi (1891) sur le partage d’héritages dem Haupterben eine gesetzliche Hypothek (hypothèque légale) an den Anteilen der Miterben am unbeweglichen Vermögen
für die Dauer von einem Jahr ab der Teilung des unbeweglichen Vermögens.
Nachdem die Haftung jedes Erben heute gemäß Art. 18 Wills and Successions (Jersey) Law 1993 den erhaltenen Erbanteil nicht mehr übersteigen kann, wurden diese
Instrumente zur Absicherung des Haupterben überfl üssig, was auch erklärt, weshalb
Abzug der Nachlassverbindlichkeiten berechnet werden, so dass der Pfl ichtteilsberechtigte und
Begünstigte hinsichtlich der partie disponible die Schulden wirtschaftlich gesehen je in einem
anteiligen Verhältnis tragen, fällt im Ergebnis die Hälfte oder ein Drittel der Schulden auf die
Witwe, Matthews/Nicolle, The Jersey Law of Property, Abschnitt 8.93; vgl. auch Le Geyt,
Code Le Geyt, S. 55 Art. 7.
1484 Zur Durchführung des Verfahrens hinsichtlich eines solchen Zugriffes siehe unten 2. Teil Kapitel 1 E.II.3.
1485 Zur Abgrenzung von hypothèque légale, hypothèque judiciaire und hypothèque conventionnelle simple vgl. oben Fn. 466.
1486 Allerdings hatte der Haupterbe kein Recht, einen partage des ungeteilten unbeweglichen Vermögens einzuleiten, wenn das Vermögen an ihn und seine Miterbe testamentarisch vermacht
worden war, Blampied et aus. v. Blampied et aus. (1895) 217 Ex. 424, siehe oben 2. Teil Kapitel 1 E.I.1.a.
1487 Siehe hierzu ausführlich oben 2. Teil Kapitel 1 E.I.1. vor a.
E. Behandlung des Nachlasses
268
sie durch die Außerkraftsetzung der Loi (1891) sur le partage d’héritages durch Art.
24 Wills and Successions (Jersey) Law 1993 ersatzlos gestrichen wurden.1488 Anders
als bei der unter Ziffer 1. beschriebenen Haftungstragungsregel gab es vor Inkrafttreten der Loi (1891) sur le partage d’héritages kein Gewohnheitsrecht, das dem Haupterben eine solche Hypothek gewährt hätte. Dieser Unterschied, d. h. dass es vor dem
Gesetz keine gewohnheitsrechtliche Regelung gab, erklärt neben der teleologischen
Begründung auch gesetzestechnisch, warum die Außerkraftsetzung der Loi (1891) sur
le partage d’héritages bezüglich der Legalhypothek auch zu einer Abschaffung dieses
Instruments führte.
3. Legalhypothek zugunsten ungesicherter Gläubiger des Erblassers
Ursprünglich gab Art. 11 Loi (1880) sur la propriété foncière ungesicherten Gläubigern des Verstorbenen eine Legalhypothek (hypothèque légale) an dem unbeweglichen Nachlass, die sie um eine gerichtliche Hypothek (hypothèque judiciaire) an dem
persönlichen Grundbesitz des Haupterben erweitern konnten, indem sie gemäß Art. 3
Loi (1862) relative au partage d’héritages ein Urteil gegen den Haupterben erlangten.1489
Art. 24 Wills and Successions (Jersey) Law 1993 setzte den relevanten Teil von Art.
11 Loi (1880) sur la propriété foncière, der die Hypothek auf das unbewegliche Vermögen des Haupterben ausdehnte, außer Kraft.1490 Art. 11 Loi (1880) sur la propri-
été foncière gibt ungesicherten Gläubigern jedoch in den folgenden beiden Fällen noch
immer eine Legalhypothek (datierend vom Zeitpunkt des Todes des Verstorbenen) an
dem unbeweglichen Vermögen1491 des Erblassers:
Die Legalhypothek entsteht zum einen zugunsten eines Gläubigers, wenn dieser die
von der Loi (1862) relative au partage d’héritages aufgestellten Formalien1492 erfüllt,
nämlich wenn er innerhalb von Jahr und Tag seit dem Tod des Verstorbenen ein Urteil
gegen den Haupterben erlangt und den Acte de la Cour Royale im Livre des Obligations registrieren lässt; gelingt ihm dies nicht, verliert er sein Privileg und die Schuld
1488 So ohne weitere Erklärung auch The Jersey Law Commission, Consultation paper No 8 (2006),
para. 7.5.
1489 Gemäß Art. 5 Loi (1862) relative au partage d’héritages konnten die Gläubiger, um Ansprüche
gegen den unbeweglichen Nachlass zu wahren, ihre Forderungen im bénéfi ce d’inventaire
(Haftungsbeschränkung durch Inventarerrichtung), sofern es ein solches gab, anmelden und ein
Urteil innerhalb von 18 Monaten seit dem Erlass des bénéfi ce sichern, vgl. oben 2. Teil Kapitel
1 D.II.2.
1490 Siehe auch The Jersey Law Commission, Consultation paper No 8 (2006), para. 7.2 (a).
1491 Genau genommen besteht die Hypothek an den einzelnen biens-fonds (Grundstücken), siehe
zu diesem Begriff oben 2. Teil Kapitel 1 A.I.1.
1492 Diesbezüglich schlägt die Jersey Law Commission The Jersey Law Commission, Consultation
paper No 8 (2006), para. 12.13 im Interesse einer größeren Verständlichkeit der Rechtslage vor,
nicht mehr mit einer Verweisungstechnik auf die Loi (1862) relative au partage d’héritages zu
arbeiten, sondern stattdessen die Formalien direkt in die Loi (1880) sur la propriété foncière
aufzunehmen.
2. Teil: Das Erbrecht der Bailiwicks Jersey und Guernsey
269
wird zu einer ungesicherten Schuld (d.h. ohne Vorrangstellung) gegen den Erben.1493
Hat der Erbe einen bénéfi ce d’inventaire (Haftungsbeschränkung durch Inventarerrichtung) erhalten, muss die Registrierung des Urteils innerhalb von 18 Monaten seit
Gewährung des bénéfi ce erfolgen.1494
Der andere Fall, in dem eine Legalhypothek entsteht, ist der, dass vor Ablauf dieser
Frist von Jahr und Tag, beziehungsweise 18 Monaten, ein dégrèvement-Verfahren (ein
bestimmtes Einzelzwangsvollstreckungsverfahren) über unbewegliches Vermögen des
Verstorbenen eröffnet wurde. Ein dégrèvement ist ein Einzelzwangsvollstreckungsverfahren, bei dem das Eigentum an einem bestimmten Gegenstand auf den erstrangigen
Gläubiger übergeht, der daraufhin die aus der Zeit vor seiner Forderung stammenden
und auf dem Gegenstand liegenden Belastungen zahlen muss, dem dafür aber auch ein
bei der Verwertung etwaig erzielter Überschuss zusteht. Hier gibt es eine Legalhypothek zugunsten aller ungesicherten Gläubiger.1495 Gemäß Art. 4 (2) Bankruptcy (Désastre) (Jersey) Law 1990 ist hingegen die Erklärung eines désastre bezüglich des
Vermögens eines Verstorbenen nicht möglich. Ein désastre ist ein Gesamtzwangsvollstreckungsverfahren, bei dem das gesamte Schuldnervermögen auf den Viscount als
Amtsperson übergeht, der es für die Gesamtheit der Gläubiger realisieren muss.1496
III. Verwaltung
1. Unbewegliches Vermögen
a. Gesetzliche Erbfolge
Bei einer gesetzlichen Erbfolge über unbewegliches Vermögen gibt es nach dem
Recht Jerseys keinen Nachlassverwalter. Die Notwendigkeit eines Nachlassverwalters
erscheint gegenüber dem früheren Rechtszustand um so geringer, als das Recht an auf
1493 Art. 3 Loi (1862) relative au partage d’héritages.
1494 Art. 5 Loi (1862) relative au partage d’héritages.
1495 Siehe auch The Jersey Law Commission, Consultation paper No 8 (2006), para. 7.2 (b). In beiden Fällen erlischt das droit de suite (das Recht, den belasteten Gegenstand von jedem Dritten
herauszuverlangen, um ihn zu veräußern und sich aus dem Erlös zu befriedigen) gemäß Art. 29
(2) Loi (1880) sur la propriété foncière nach 10 Jahren.
1496 Das Recht Jerseys kennt eine ganze Reihe von verschiedenen gewohnheitsrechtlichen sowie
gesetzlich eingeführten Einzel- und Gesamtzwangsvollstreckungsverfahren, neben dégrèvement und désastre z. B. cession, décret, realisation und remise des biens, vgl. Matthews/Sowden, The Jersey Law of Trusts, Abschnitt 1.35 – 1.37. Bei all diesen Instrumenten handelt es
sich um Verfahren zur Realisierung und Verwertung des beweglichen und unbeweglichen
Schuldnervermögens zugunsten der Gläubiger. Die von der Jersey Law Commission vorgeschlagene Vereinheitlichung der verschiedenen Insolvenzverfahren (siehe The Jersey Law
Commission, Topic paper No 2, para. 2.2 – 2.6) ist bisher nicht erfolgt, vgl. auch The Jersey
Law Commission, Consultation paper No 8 (2006), para. 10.16.
E. Behandlung des Nachlasses
270
Jersey belegenem Grundbesitz gemäß Art. 4 (1) Wills and Successions (Jersey) Law
1993 jetzt automatisch auf die Erben im Verhältnis ihrer Anteile übergeht.1497
Während im Fall von beweglichem Vermögen der Haupterbe in der Intestaterbfolge
die Erteilung von letters of administration (Bestallungsurkunde zum Nachlassverwalter) abwarten muss, bevor er den Nachlass verwalten und über ihn verfügen darf,1498
besteht kein solches Erfordernis im Bereich des unbeweglichen Nachlasses. Demzufolge kann dem Public Registry auch nicht entnommen werden, wer der rechtmäßige
Rechtsnachfolger in Bezug auf das unbewegliche Vermögen ist. Aufgrund dieser Unsicherheiten und aus rein praktischen Erwägungen schlug deshalb die Jersey Law
Commission im Jahr 2002 vor, dass auch im Falle von unbeweglichem Nachlass eine
Erteilung von letters of administration und eine Registrierung im Public Registry
zwingend vorgeschrieben werden sollte.1499 Soweit ersichtlich, wurde dieses Vorhaben aber bislang noch nicht weiter verfolgt.
b. Gewillkürte Erbfolge
Auch bei einer gewillkürten Erbfolge über unbewegliches Vermögen gibt es keinen
Testamentsvollstrecker auf Jersey, was darauf beruht, dass gemäß dem Grundsatz le
mort saisit le vif das Eigentum an dem Grundbesitz vom Tag des Todes des Erblassers
bis zum Tag der Registrierung des Testaments auf den Haupterben übergeht.1500 Mit
der Registrierung des Testaments geht das Eigentum auf die Legatare des Testaments
über, auch wenn das unbewegliche Vermögen noch ungeteilt ist.1501 Insoweit stellt
sich hier die Notwendigkeit für einen Testamentsvollstrecker nicht anders dar als bei
der gesetzlichen Erbfolge. Das Wills and Successions (Jersey) Law 1993 scheint diese
Position nicht verändert zu haben.1502
Mit der Verteilung des unbeweglichen Nachlasses darf gemäß Art. 14 Loi (1851)
sur les testaments d‘immeubles erst nach Registrierung1503 des Testaments begonnen
werden; in der Praxis wird hiermit jedoch üblicherweise erst nach Jahr und Tag seit
der Registrierung begonnen, um sich gegen die Möglichkeit abzusichern, dass das
Testament innerhalb der Jahresfrist des Art. 15 Loi (1851) sur les testaments
d‘immeubles angefochten wird.
1497 Vgl. hierzu oben 2. Teil Kapitel 1 E.I.2.a. Wie bereits erläutert (vgl. oben 2. Teil Kapitel 1
E.I.1.a.) ging vor Inkrafttreten des Wills and Successions (Jersey) Law 1993 das Recht an auf
Jersey belegenem Grundbesitz automatisch auf den Haupterben über. Beides beruht auf dem
Grundsatz le mort saisit le vif sans aucun ministère de Justice, d.h. dass das Eigentum mit dem
Tod automatisch übergeht.
1498 Siehe hierzu unten 2. Teil Kapitel 1 E.III.2.
1499 The Jersey Law Commission, Consultation paper No 6 (2002), S. 27 – 28.
1500 Matthews/Sowden, The Jersey Law of Trusts, Abschnitt 1.28.
1501 Vgl. Le Mottée v. Le Mottée (1907) 225 Ex. 205.
1502 So auch Matthews/Sowden, The Jersey Law of Trusts, Abschnitt 1.28.
1503 Zum Registrierungserfordernis und –verfahren siehe oben 2. Teil Kapitel 1 C.V.5.
2. Teil: Das Erbrecht der Bailiwicks Jersey und Guernsey
271
2. Bewegliches Vermögen
In allen Intestaterbfolgen hinsichtlich beweglichen Vermögens muss es einen administrator (Nachlassverwalter), in allen Testaterbfolgen hinsichtlich beweglichen Vermögens einen executor (Testamentsvollstrecker) geben (Prinzip der gesonderten
Nachlassabwicklung). Obwohl das bewegliche Vermögen mit dem Tod des Erblassers
gemäß der Maxime le mort saisit le vif auf den Haupterben übergeht,1504 muss sich der
Haupterbe einen grant of probate (Erteilung einer Bestallungsurkunde oder gerichtlichen Testamentsbestätigung) ausstellen lassen, in dem der administrator / executor
bezeichnet ist, der das bewegliche Vermögen im Namen des Haupterben in Besitz
nimmt. Der Haupterbe kann aber auch selbst der administrator / executor sein.1505
a. Die Erteilung von letters of administration und probate
Das Probate (Jersey) Law 1998 regelt unter anderem die Erteilung von letters of administration (Bestallungsurkunde zum Nachlassverwalter bei gesetzlicher Erbfolge),
von probate (gerichtliche Testamentsbestätigung bei gewillkürter Erbfolge) und die
Verwaltung und Verteilung von Nachlässen.
Gemäß Art. 19 (1) Probate (Jersey) Law 1998 berechtigt erst die Vorlage einer solchen Urkunde oder Bestätigung, vorbehaltlich der Ausnahmen in Art. 19 (2) – (5)1506,
dazu, das bewegliche auf Jersey belegene Vermögen eines Verstorbenen (wieder) zu
erhalten.1507
Folglich ist die Ernennung des administrator konstitutiv.1508 Obwohl bestimmte
1504 Zu der Weitergeltung dieses Grundsatzes auch unter heutigem Recht vgl. die Ausführungen
oben 2. Teil Kapitel 1 E.I.2.b.
1505 Siehe hierzu unten 2. Teil Kapitel 1 E.III.2.b.
1506 Art. 19 (2) – (5) Probate (Jersey) Law 1998: Besitzt jemand einen beweglichen, auf Jersey belegenen Nachlassgegenstand aus dem Nachlass einer Person, die ihren letzten Wohnsitz außerhalb Jerseys hatte, darf er diesen auf Aufforderung des Erbprätendenten herausgeben, der ihm
nach dem Erbstatut (Recht des Staates des letzten Wohnsitzes) nach bestem Wissen und Gewissen als erbberechtigt erscheint, sofern der Wert des Gegenstandes £ 10.000 nicht übersteigt. Die
Person, die das Eigentum in solch einem Fall herausgibt, kann vor der Herausgabe einen Nachweis oder Sicherheit verlangen, bleibt jedoch haftbar für das Eigentum, wenn sie es an die falsche Person herausgegeben hat. Deshalb erscheint es ratsam, die Vorlage einer Bestallungsurkunde oder einer Testamentsbestätigung zu fordern, bevor das Vermögen nach dieser „Ausnahme“ herausgegeben wird.
1507 Außer im Fall von Art. 19 (3) sieht Art. 23 vor, dass es ein indictable offence (schweres Vergehen) mit der Rechtfolge einer Geldstrafe und/oder Freiheitsentziehung von nicht mehr als 12
Monaten darstellt, wenn jemand irgendeinen Teil des beweglichen Vermögens ohne Bestallungsurkunde/Testamentsbestätigung in Besitz nimmt oder sonst verwaltet (intermeddling)
(ausgenommen von einer Bestrafung sind nach Abs. 2 ausdrücklich das Versorgen der Leiche
und Erhaltungsmaßnahmen des beweglichen Vermögens).
1508 Die Einführung der letters of administration im Falle von gesetzlicher Erbfolge wurde von
Poingdestre im 17. Jahrhundert als mit dem Gewohnheitsrecht im Widerspruch stehende Regelung bedauert, vgl. Poingdestre, Commentary on the Canons of James I (unveröffentlichtes
Manuskript), zitiert bei Matthews/Sowden, The Jersey Law of Trusts, Abschnitt 1.27. Manche
E. Behandlung des Nachlasses
272
Personen einen Anspruch auf die Bestellung zum Nachlassverwalter haben,1509 wird
der administrator erst mit Aushändigung der letters of administration Inhaber des
Nachlasses und vertretungsberechtigt.
Existiert ein Testament, geht der Besitz an dem beweglichen Vermögen mit dem
Erbfall zunächst bis zur Registrierung des Testaments und dem Erlass der gerichtlichen Testamentsbestätigung auf den Haupterben über (saisine). Mit Registrierung und
Erteilung der Testamentsbestätigung wird der Testamentsvollstrecker1510 procureur
légale (gesetzlicher Vertreter) des Haupterben, dessen Bevollmächtigung unwiderruflich ist, bis das Testament vollständig erfüllt wurde.1511 Mit Registrierung wird der
executor weiterhin zu einer Art trustee für die kraft Testaments oder Gesetzes Berechtigten als benefi ciaries, d. h. diese erhalten den equitable title an dem beweglichen
Vermögen, während der executor den legal title behält.1512
Die Stellung als Legatar hindert den Begünstigten nicht, auch das Amt des Testamentsvollstreckers zu bekleiden.1513
Eine Person, die als Testamentsvollstrecker im Testament benannt worden ist, wird
als executor nominate bezeichnet. Unter bestimmten Voraussetzungen ernennt das
Gericht jedoch nicht die im Testament bezeichnete Person als Testamentsvollstrecker,
sondern eine andere, die dann als executor dative (gerichtlich bestellter Testamentsvollstrecker) bezeichnet wird.1514
b. Anspruch auf Ernennung als administrator / executor dative
Art. 14 Probate (Jersey) Law 1998 ist mit dem Anspruch auf Ernennung als administrator oder executor dative befasst. Er fi ndet Anwendung, wenn ein Erblasser (a) hinsichtlich seines beweglichen Vermögens überhaupt nicht letztwillig verfügt hat oder
Autoren bezweifeln noch heute, ob die Stellung des administrator exakt der des executor entspricht, insbesondere bezüglich der Funktion als procureur legal (gesetzlicher Vertreter) des
Haupterben (siehe hierzu sogleich), vgl. Matthews/Sowden, The Jersey Law of Trusts, Abschnitt 1.27.
1509 Siehe hierzu unten 2. Teil Kapitel 1 E.III.2.b.
1510 Zur Entwicklung der Position des exécuteur unter normannischem Recht vgl. Bart, Histoire du
droit privé, S. 371; Ourliac/Gazzaniga, Histoire du droit privé français, S. 345; Timbal, Droit
Romain et Ancien Droit Français, Rn. 343.
1511 La Cloche v. La Cloche (1870) LR 3 P.C. 125.
1512 Matthews/Sowden, The Jersey Law of Trusts, Abschnitt 1.27.
1513 Vgl. z. B. G & S Executors Limited v. Manchester Grammar School Trustees (2004) JLR
N46.
1514 Zum einen ist dies der Fall, wenn keine Person benannt ist, die bereit und in der Lage ist, als
Testamentsvollstrecker zu fungieren, Art. 13 (1) Probate (Jersey) Law 1998. Der andere Fall
ist, dass der Judicial Greffi er (Gerichtssekretär) aufgrund außergewöhnlicher Umstände der
Ansicht ist, diese Person sei als Testamentsvollstrecker nicht angemessen; dann kann er die
Angelegenheit an die Inferior Number weiterleiten, Art. 13 (2) Probate (Jersey) Law 1998. Die
Inferior Number kann in diesem Fall eine andere Person benennen und den Judicial Greffi er
(Gerichtssekretär) ermächtigen, ihr die Testamentsbestätigung auszustellen, Art. 13 (3) Probate (Jersey) Law 1998. Wird ein executor dative bestellt, soll das Testament im Übrigen ausgeführt werden, als wenn der executor nominate ernannt worden wäre.
2. Teil: Das Erbrecht der Bailiwicks Jersey und Guernsey
273
(b) ein Testament hinterlässt, ohne einen Testamentsvollstrecker benannt zu haben, der
bereit und in der Lage ist, die Testamentsbestätigung zu erhalten.
Hinterlässt der Erblasser einen Ehegatten, hat dieser grundsätzlich einen Anspruch
auf Ernennung.1515 Hinterlässt der Erblasser keinen Ehegatten oder fi ndet Art. 8 (1)
Wills and Successions (Jersey) Law 1993 Anwendung (es sind dies insbesondere Fälle des Getrenntlebens der Ehegatten),1516 hat die Person, die nach Gewohnheitsrecht
hierzu berechtigt ist oder – im Fall von Art. 8 (1) Wills and Successions (Jersey) Law
1993 – gewesen wäre, wenn der Ehegatte vor dem Erblasser verstorben wäre, Anspruch auf Ernennung;1517 dies ist der Haupterbe des beweglichen Vermögens.1518
Ist dies aufgrund besonderer Umstände notwendig oder angemessen, können der
Judicial Greffi er (Gerichtssekretär) und die Inferior Number allerdings auch hier ausnahmsweise eine andere Person als diejenige, die eigentlich einen Anspruch darauf
hätte, zum Testamentsvollstrecker ernennen.1519
c. Antrag auf Erteilung einer Bestallungsurkunde oder Testamentsbestätigung
Das Verfahren bezüglich eines Antrags auf Erteilung einer Bestallungsurkunde oder
einer Testamentsbestätigung ist in Art. 6 Probate (Jersey) Law 1998 geregelt.1520 Bevor die Bestallungsurkunde/Testamentsbestätigung erteilt wird, muss jeder Nachlassverwalter und Testamentsvollstrecker einen Eid ablegen, dass er bei der Bekleidung
des Amtes die Gesetze Jerseys beachten und seine Pfl ichten nach bestem Wissen und
Gewissen erfüllen wird.1521
1515 Art. 14 (2) Probate (Jersey) Law 1998.
1516 Vgl. hierzu oben 2. Teil Kapitel 1 B.IV.1.b.
1517 Art. 14 (3) und (4) Probate (Jersey) Law 1998.
1518 Dies folgt aus dem vor Geltung des Wills and Successions (Jersey) Law 1993 und des Probate
(Jersey) Law 1998 entschiedenen Urteil Luce v. Derrien (1952) 1 P.D. 66, 70; 13 C.R. 116:
War im Testament kein Testamentsvollstrecker benannt oder gab es kein Testament, wurde für
gewöhnlich der Haupterbe ernannt; allerdings konnte in dem Fall, dass eine Ehefrau verstarb,
ohne Kinder zu hinterlassen, der überlebende Ehemann ernannt werden. Der Unterschied zu
der heutigen Rechtslage, nach der grundsätzlich der Ehegatte einen Anspruch auf Ernennung
als administrator oder executor dative hat, beruht darauf, dass vor 1993 der Ehegatte kein gesetzliches Erbrecht hatte, siehe hierzu oben 2. Teil Kapitel 1 B.IV.1.a.
1519 Art. 14 (5) und (6) Probate (Jersey) Law 1998.
1520 Gemäß Art. 6 (1) Probate (Jersey) Law 1998 ist der Antrag beim Judicial Greffi er zu stellen;
in der Praxis erfolgt in der Regel eine Einreichung beim Registrar of Probate (dem Geschäftsbeamten des Nachlassgerichts). Zu den mit dem Antrag einzureichenden Dokumenten vgl. R.
2 Probate (General) (Jersey) Rules 1998 (R. & O. No 9282), wonach grundsätzlich u. a. auch
das Testament im Original vorzulegen ist. Allerdings genügt nach der Entscheidung In the Estate of William Willox Greig (2006) JRC 58 auch eine Kopie des Testaments, wenn das Gericht davon überzeugt ist, dass das Original ordnungsgemäß errichtet wurde, aber im jetzigen
Zeitpunkt nicht auffi ndbar ist.
1521 Art. 8 Probate (Jersey) Law 1998. Vgl. zu den verschiedenen Eidesformeln den Schedule zu
den Probate (General) (Jersey) Rules 1998.
E. Behandlung des Nachlasses
274
Jede Person, die ein Interesse an dem beweglichen Nachlass des Verstorbenen hat
und beabsichtigt, die Erteilung der Bestallungsurkunde/Testamentsbestätigung zu verhindern, kann einen Einspruch (caveat) beim Judicial Greffi er einlegen.1522
Ein Einspruch hat von dem Tag an Wirkung, an dem er eingelegt wurde, bis er (a)
zurückgenommen1523 wird, (b) durch einen Beschluss der Inferior Number aufgehoben wird, (c) die fragliche Angelegenheit gerichtlich geklärt wurde oder (d) eine Frist
von 6 Monaten seit dem Tag der Einlegung verstrichen ist.1524 Ist ein Einspruch wirksam, soll hinsichtlich des Nachlasses keine Bestallungsurkunde/Testamentsbestätigung erteilt werden.1525 Personen, deren Antrag auf Erteilung einer Bestallungsurkunde/Testamentsbestätigung durch einen Einspruch gehemmt wurde, können den Einsprucheinlegenden vor die Inferior Number laden lassen, damit er darlegt, warum sein
Einspruch nicht aufgehoben werden soll.1526 Art. 10 (5) bis (10) Probate (Jersey) Law
1998 enthalten Regeln, wie die Angelegenheit zu klären ist. Das Gericht kann so entscheiden wie in einer Klage zur Aufhebung (cassation et annulation) eines Testaments
über bewegliches Vermögen.1527
d. Pfl ichten und Befugnisse des Nachlassverwalters/Testamentsvollstreckers
(1) Pfl ichten
Sofern dies zur Kosten- und Schuldendeckung erforderlich ist, muss der Nachlassverwalter das vorhandene Mobiliar der Wohnung verwerten. Weiterhin muss er alle Forderungen eintreiben und die Schulden bezahlen. Abschließend muss er den Erben einen état (Zusammenstellung) vorlegen und einen etwaigen Überschuss zwischen den
Erben nach dem geltenden Recht aufteilen.1528
Testamentsvollstrecker müssen grundsätzlich den persönlichen Willen des Erblassers so ausführen, wie er im Testament seinen Ausdruck gefunden hat. Ihre Pfl ichten
hängen deshalb davon ab, was sie nach dem Testament tun sollen. Sie müssen, abgesehen von den gesetzlichen Verpfl ichtungen wie z. B. der Schuldenabwicklung, keine
Pfl ichten erfüllen, die sich nicht aus dem Testament ergeben.
1522 Art. 9 (1) Probate (Jersey) Law 1998. Der Einspruch kann persönlich oder durch einen Anwalt
eingelegt werden, Art. 9 (2) Probate (Jersey) Law 1998.
1523 Die Möglichkeit zur Rücknahme des Einspruchs ergibt sich aus Art. 9 (6) Probate (Jersey) Law
1998.
1524 Art. 9 (3) Probate (Jersey) Law 1998.
1525 Art. 9 (4) Probate (Jersey) Law 1998.
1526 Art. 10 (1) Probate (Jersey) Law 1998.
1527 Vgl. Falle v. Falle (1951), 1 P.D. 56; 1951–58 T.D. 235.
1528 Vgl. z. B. Daisy v. Clémentine (1888) 212 Ex. 482. Das Probate (Jersey) Law 1998 enthält
keine ausdrücklichen Regelungen hinsichtlich der Befugnisse des Nachlassverwalters oder
auch Testamentsvollstreckers; es besteht lediglich in Art. 23, wie bereits erwähnt (vgl. oben Fn.
1507), eine negative Regelung, insofern als die Inbesitznahme oder das sonstige Verwalten des
beweglichen Vermögens durch eine Person, der nicht eine Bestallungsurkunde/Testamentsbescheinigung erteilt wurde, unter Strafe gestellt ist.
2. Teil: Das Erbrecht der Bailiwicks Jersey und Guernsey
275
Die zur eigentlichen Nachlassabwicklung erforderlichen Vorbereitungen und
Rechtshandlungen durch den Nachlassverwalter/Testamentsvollstrecker sollten aus
folgenden Gründen innerhalb einer Frist von Jahr und Tag erfolgen:
– Der Übergang (saisine) des beweglichen Eigentums auf den Testamentsvollstrecker
oder den Nachlassverwalter für die Dauer der Testamentsvollstreckung oder der
Nachlassabwicklung ist begrenzt auf ein Jahr und einen Tag; danach können die
jeweils Berechtigten die Gegenstände einfordern.1529
– Der Nachlassverwalter oder Testamentsvollstrecker ist berechtigt, innerhalb der
Jahresfrist jede Klage einzureichen, die notwendig zur Nachlassverwaltung oder
Testamentsvollstreckung ist. Er kann auch wegen jeder Sache, die in Bezug zum
Nachlass steht, verklagt werden.1530
– In Daisy v. Clémentine1531 entschied das Gericht, dass der Testamentsvollstrecker
nach einer Frist von Jahr und Tag eine wahrheitsgetreue Rechnungslegung vorlegen
muss. Heute ermöglicht Art. 24 Probate (Jersey) Law 1998 dem Gericht, auf Antrag
jeder Person, die ein Interesse an dem beweglichen Vermögen hat, den Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter anzuweisen, dass er vor Gericht unter Eid ein
wahres und getreues Inventar sowie eine entsprechende Rechnungslegung des beweglichen Nachlasses vorlegt, ohne dass hierfür eine bestimmte Zeitspanne abgelaufen sein müsste.1532
– Vermächtnisse sollten jedoch nicht vor Ablauf einer Frist von Jahr und Tag seit der
Erteilung einer Testamentsbestätigung erfüllt werden, da das Testament innerhalb
dieser Frist außer Kraft gesetzt werden kann.1533
Wenn sich herausstellt, dass der Nettowert des beweglichen Vermögens unterschätzt
wurde, muss der Nachlassverwalter/Testamentsvollstrecker eine berichtigende beeidigte Erklärung hinsichtlich des wahren Wertes innerhalb von 6 Monaten seit Feststellung des wahren Wertes vor dem Judicial Greffi er abgeben und die entsprechenden
zusätzlichen Nachlass-Stempelsteuern (probate duty stamps) zahlen.1534
(2) Année de jouissance und Herausgabeverlangen des Haupterben
Nach früherem Recht1535 erwarb der Nachlassverwalter/Testamentsvollstrecker vom
Haupterben als dessen gesetzlicher Vertreter die année de jouissance, d.h. das Recht,
das bewegliche Vermögen für Jahr und Tag zu behalten und sich für den eigenen Ge-
1529 Joslin v. Le Sueur (1891) H. 531.
1530 Le Sueur v. Touzel (1906) 224 Ex. 229. Siehe auch r. 4/5 (1) Royal Court Rules 2004.
1531 (1888) 212 Ex. 482.
1532 Vgl. bereits oben 2. Teil Kapitel 1 D.I.4.
1533 Entsprechendes gilt, wie bereits gesagt (vgl. oben 2. Teil Kapitel 1 E.III.1.b.), auch wenn es
dort keinen Testamentsvollstrecker gibt, hinsichtlich der Verteilung von unbeweglichem Vermögen in der Testaterbfolge.
1534 Art. 5 (5) Stamp Duties and Fees (Jersey) Law 1998. Zur Höhe der zu zahlenden Nachlass-
Stempelsteuern siehe oben Fn. 873.
1535 Vgl. hierzu oben 2. Teil Kapitel 1 E.I.1.b.
E. Behandlung des Nachlasses
276
brauch Zinsen und Erträge anzueignen.1536 Art. 12 Wills and Successions (Jersey) Law
1993 schaffte die année de jouissance ab, es sei denn, die Berechtigung stammt noch
aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1.9.1993.
Art. 14 Wills and Successions (Jersey) Law 1993 schaffte weiterhin das gewohnheitsrechtliche Recht des Haupterben1537 ab, im Falle einer gewillkürten Erbfolge den
Besitz am beweglichen Vermögen vom Testamentsvollstrecker herauszuverlangen,
vorausgesetzt, er hinterlegte den vollen Betrag für die Vermächtnisse, Schulden und
andere Verwaltungskosten bei dem Testamentsvollstrecker.
(3) Abwendungsbefugnis der Erben
Der Testamentsvollstrecker ist verpfl ichtet, den Legataren die ihnen hinterlassenen
Vermächtnisse herauszugeben. Wenn ein Verkauf von Gütern des Verstorbenen erforderlich wäre, um Mittel für die Geldvermächtnisse zur Verfügung zu haben, können
die (gesetzlichen) Erben stattdessen dem Testamentsvollstrecker einen zur Begleichung der Geldvermächtnisse ausreichenden Geldbetrag zahlen.
(4) Beschränkungen der Befugnisse des Testamentsvollstreckers
Testamentsvollstrecker können die Kosten für die Beratung durch englische Rechtsanwälte nicht dem Nachlass auferlegen, da englische Rechtsanwälte für eine Beratung
hinsichtlich des Rechts Jerseys nicht als qualifi ziert erachtet werden.1538
Der Testamentsvollstrecker sollte weiterhin uneinklagbare Schulden nicht ohne einen Gerichtsbeschluss zahlen, weil ein trustee oder persönlicher Vertreter nur berechtigt ist, aus dem Vermögen des trusts oder Nachlasses für Schulden/ausländische Steuern, die gegen ihn erzwingbar sind, entschädigt zu werden.1539
Gibt es mehr als einen Testamentsvollstrecker, müssen grundsätzlich sämtliche Testamentsvollstrecker Partei jeder Klage sein, die von ihnen zugunsten des Nachlasses
erhoben wird. Ein Testamentsvollstrecker, der sich weigert, die Klage mit seinen Mit-
Testamentsvollstreckern zu erheben, wird an dem Verfahren als Beklagter beteiligt.1540
Ein Testamentsvollstrecker kann einen Erben nicht darauf verklagen, Vorempfänge
in den hotchpot einzubringen, da dieses Recht nur den Miterben zusteht.1541
1536 Vgl. zur année de jouissance: Re Terry (née Priston) (1963) 1 J.J. 335. Vgl. weiterhin Mautalent-Reboul, Le droit privé jersiais, S. 548 – 549. Siehe auch oben 2. Teil Kapitel 1 B.VI.2.a.
sowie 2. Teil Kapitel 1 E.I.1.b.
1537 So noch in La Cloche v. La Cloche (1870) LR 3 P.C. 125 sowie in Walker v. Jasper et au.
(1889) 213 Ex. 370. Siehe auch oben 2. Teil Kapitel 1 B.VI.2.a. sowie 2. Teil Kapitel 1
E.I.1.b.
1538 Wright v. Millbrook Executor and Trustee Co Ltd; Re Crane (1960) 1 P.D. 186; 1959–63
T.D. 74.
1539 Re Walmsley (deceased) (1983) 2 J.J. 35. In diesem Fall ging es um einen englischen Steuerbescheid.
1540 Valpy v. Valpy (1886) 211 Ex. 107.
1541 Ahier v. De Gruchy (1889) 213 Ex. 473. Vgl. Hierzu bereits oben 2. Teil Kapitel 1 D.I.4 .
2. Teil: Das Erbrecht der Bailiwicks Jersey und Guernsey
277
Ein Testamentsvollstrecker, der die Erteilung der Testamentsbestätigung in seinem
Namen annimmt, kann das Testament danach nicht angreifen, auch wenn er es in seiner Eigenschaft als Erbe und nicht als Testamentsvollstrecker tun will.1542
e. Tod des Nachlassverwalters / Testamentsvollstreckers
Das Amt des Nachlassverwalters/Testamentsvollstreckers ist höchstpersönlicher Natur
und damit unübertragbar. Wenn der Nachlassverwalters/Testamentsvollstrecker verstirbt, bevor die Nachlassabwicklung abgeschlossen wurde, muss die Bestallungsurkunde auf diejenige Person ausgestellt werden, die als nächste hierzu berechtigt ist.1543
Art. 18 Probate (Jersey) Law 1998 ermächtigt den Judicial Greffi er oder das Gericht
zu einer zweiten und nachfolgenden Erteilung und sieht vor, dass die Bestimmungen
des Probate (Jersey) Law 1998 auf diese zweite Urkunde in gleichem Maße Anwendung fi nden wie auf die erste.
1542 Le Sueur v. Winter (1911) 277 Ex. 136 (255).
1543 Le Gros, Traité du Droit Coutumier de l‘Ile de Jersey, S. 133.
E. Behandlung des Nachlasses
278
279
Kapitel 2
Guernsey, Alderney und Sark
Guernsey, Alderney und Sark haben je ein eigenes, wenn auch zusammen mit Jersey
auf gemeinsamen Wurzeln beruhendes, Erbrecht. Jedes dieser Rechte weist hierbei
verschiedene Eigenarten und „Mängel“ auf.
Bis vor kurzem ließ sich sagen, dass lediglich auf Sark die Gesetzgebung von 1999
einige dieser Mängel beziehungsweise nicht mehr zeitgemäßen Regelungen aufgehoben hat und dass auf Guernsey das jüngste Gesetz auf dem Gebiet des Erbrechts von
19541544 datiert. Doch nun steht auch auf Guernsey eine Veränderung kurz bevor. Am
24. Februar 2005 beschlossen die States of Deliberation, dass das Erbrecht Guernseys
reformiert werden solle, und das Inheritance Law Review Committee erarbeitete in der
Folgezeit den Gesetzesentwurf für ein Law Reform (Inheritance and Miscellaneous
Provisions) (Guernsey) Law 2006.1545 Eines der Gebiete, auf dem eine Reform als
dringlich und vor dem Hintergrund einiger Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte1546 und des Europäischen Übereinkommens über die
Rechtsstellung der unehelichen Kinder1547 als zwingend erachtet wurde, ist die Auf-
1544 Law of Inheritance 1954 (Ordres en Conseil, Bd. XVI, S. 10 – 14), in der Fassung gemäß s. 2
Law of Inheritance (Guernsey) Law 1979 (No.11/1979, Ordres en Conseil, Bd. XXVII, S. 164
– 170).
1545 Inheritance Law Review Committee, Consultation Document; Inheritance Law Review Committee, Supplementary Report. Vgl. weiterhin den Grundsatzbericht an die States, in dem einige reformbedürftige Bereiche des Erbrechts aufgezeigt wurden und die Einsetzung des Inheritance Law Review Committee vorgeschlagen wurde, States Advisory and Finance Committe,
Policy Letter, sowie den ersten Bericht des Committee, Inheritance Law Review Committee,
First Report.
Das Reformvorhaben erstreckt sich nicht per se auf Alderney. Allerdings hat die Regierung
Alderneys in einer Sitzung am 11.08.2005 beschlossen (Beschluss 81.2/2005), dem Procureur
Guernseys gegenüber zu erklären, dass Alderney bereit sei, seine Gesetze entsprechend zu modernisieren und zu ändern.
1546 In Marckx v. Belgium, Urt. v. 13.6.1979, (1979) 2 E.H.R.R. 330 wurde entschieden, dass Art.
8 iVm Art. 14 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten das Recht jeder Person auf Achtung des Familienlebens, einschließlich von Erbrechten,
schützt, unabhängig davon, ob sie oder ein anderes Familienmitglied ehelicher oder nichtehelicher Abstammung ist. Im Jahr 1992 (Reoch v. United Kingdom) wandten sich zwar nichteheliche Kinder aus Guernsey an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, um sich
gegen die Diskriminierung durch das Erbrecht Guernseys aufgrund ihrer nichtehelichen Abstammung zu wehren, jedoch wurde dies als verspätet zurückgewiesen. Dennoch ist das Committee der Überzeugung, dass der Beschwerde inhaltlich stattgegeben worden wäre und dass
eine Rechtsänderung deshalb zwingend sei, vgl. hierzu Inheritance Law Review Committee,
First Report, Rn. 5.
1547 SEV Nr. 085, Straßburg 15.10.1975. Das Übereinkommen galt aufgrund der Erklärung des
United Kingdom gemäß Art. 13 (2) vom 24.02.1981 (sowie der im Abstand von jeweils fünf
Jahren zu erneuernden Erklärungen) auch für den Bailiwick Guernsey (für Jersey hat das United Kingdom hingegen keine Geltungserklärung abgegeben). Allerdings hatte das United King-
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References
Zusammenfassung
Wer sich für fremde Rechte und ihre Wurzeln interessiert, wird hier genauso auf seine Kosten kommen wie der Praktiker, der als Richter, Rechtsanwalt oder Notar Antworten auf konkrete Fragen über die Erbrechte der Kanalinseln sucht, für die es in Deutschland bislang noch keine systematische Darstellung gab.
Die Arbeit behandelt nach einem historischen Abriss das Erbrecht Jerseys und die Unterschiede in den Rechten des Bailiwick Guernsey (inklusive Alderney und Sark). Mit der systematischen Darstellung erschließen sich die inhaltlichen Regelungen, die sich oftmals von dem im deutschen Recht Gewohnten unterscheiden, von einem ganz anderen Rechtsverständnis ausgehen und bei denen auch die Termini andere sind. Dabei wird auch untersucht, inwieweit normannische Grundzüge heute noch fortwirken und sich in modernen Zeiten bewähren. Für den Rechtsanwender hilfreich sind der Abdruck einer Auswahl grundlegender Gerichtsentscheidungen der Kanalinseln sowie eine Aufzählung der wichtigsten einschlägigen Gesetze.