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V. Kompetenzen des Gläubigerausschusses
1. Erteilung von Zustimmungen
a) Allgemeines
Die Legge fallimentare sieht in einer Reihe von Bestimmungen vor, dass die Vornahme bestimmter Rechtshandlungen nur in Übereinstimmung mit dem Gläubigerausschuss erfolgen darf. Dies ist gegenüber der bisherigen Rechtslage eine große
Neuerung, da nach altem Recht eine solche Mitwirkung des Gläubigerausschusses
allein in dem Fall der vorläufigen Unternehmensfortführung erforderlich war.889 Im
Übrigen mussten die Handlungen, die heute des Wohlwollens des Gläubigerausschusses bedürfen, nach altem Recht durch den beauftragten Richter autorisiert werden.
Bei allen Handlungen, die nicht der Zustimmung des Ausschusses (oder der des
beauftragten Richters) bedürfen, hat der Insolvenzverwalter ein eigenes Entscheidungsermessen.890
b) Bedeutung der unterschiedlichen Terminologie
Im heutigen Recht wird in den einzelnen Bestimmungen eine unterschiedliche Terminologie gebraucht. Teilweise ist eine Ermächtigung („autorizzazione“), teilweise
eine Zustimmung („approvazione“) oder auch eine positive Stellungnahme („parere
favorevole“) des Gläubigerausschusses erforderlich. Die unterschiedliche Terminologie, die aus dem italienischen Verwaltungsrecht stammt, hat durch die Zusammenführung zweier unterschiedlicher Gesetzesentwürfe Eingang in die Legge fallimen-
889 Art. 90 Abs. 2 LF a.F. lautete: “Dopo il decreto previsto dall’Art. 97, il comitato dei creditori
deve pronunciarsi sull’opportunità di continuare in tutto o in parte l’esercizio dell’impresa
del fallito, indicandone le condizioni. La continuazione o la ripresa può essere disposta dal
tribunale solo se il comitato dei creditori si è pronunciato favorevolmente.”.
890 Abete, Il fallimento 2007, 480 (481).
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tare gefunden.891 Dies soll aber keine inhaltlichen Konsequenzen haben,892 da keine
Gründe für die unterschiedliche Behandlung ersichtlich sind.893
c) Die einzelnen Zustimmungskompetenzen
Der Ausschuss hat umfassende Ermächtigungs- und Zustimmungskompetenzen.
Von geringerer Bedeutung sind dabei etwa die Regelungen, nach der der Ausschuss
den Insolvenzverwalter nach Art. 32 Abs. 2 LF dazu ermächtigen kann, sich bestimmter Hilfspersonen zu bedienen („a farsi coadiuvare“),894 der Anlegung der liquiden Mittel in Staatsanleihen nach Art. 34 Abs. 3 LF zustimmen kann, nach
Art. 87-bis Abs. 1 LF sein Einverständnis erteilen muss, wenn der Insolvenzverwalter bestimmte Gegenstände freigeben soll, an denen sich Dritte dinglicher Rechte
berühmen, oder nach der der Insolvenzverwalter nach Art. 42 Abs. 2 LF der Ermächtigung des Ausschusses bedarf, wenn er bestimmte Gegenstände nicht erwerben will, weil die Kosten für den Erwerb oder die Erhaltung größer sind als der voraussichtlich realisierbare Erlös. Erwähnt sei auch das Regime nach Art. 72 Abs. 1
LF über den Eintritt des Insolvenzverwalters in unerfüllte und damit schwebende
Verträge,895 der nur mit der Ermächtigung des Ausschusses möglich ist.
891 Dort muss eine „autorizzazione“ vor der vorzunehmenden Handlung erteilt werden. Ein Entscheidungsermessen besteht nur insoweit, als vorher überprüft werden muss, ob ein Nachteil
für denjenigen entstehen kann, in dessen Interesse die Ermächtigungsregelung besteht. Die
„approvazione“ impliziert demgegenüber ein Ermessen und bedingt die Wirksamkeit der
Handlung (die also auch vor der Erteilung der Zustimmung abgegeben werden kann). Proto,
Il fallimento, 1001 (1004).
892 D’Aquino, in: Ferro, La legge fallimentare, S. 780 f.; Pacchi, in: Bertacchini et al., Manuale
di diritto fallimentare, S. 118; Proto, in: Schiano di Pepe (Hrsg.), Il diritto fallimentare riformato, S. 133; Rocco di Torrepadula, in: Nigro/Sandulli (Hrsg.), La riforma della legge fallimentare, I, S. 269 ff..
893 Vgl. Rocco di Torrepadula, in: Nigro/Sandulli (Hrsg.), La riforma della legge fallimentare, I,
S. 269.
894 Art. 32 LF unterscheidet die Hilfspersonen, derer sich der Insolvenzverwalter bedienen kann.
Für den Einsatz eines „delagato“ gemäß Art. 32 Abs. 1 LF bedarf es der Zustimmung des beauftragten Richters. Für den Einsatz eines „coadiutore“ nach Art. 32 Abs. 2 LF bedarf es der
Zustimmung des Gläubigerausschusses. Dem „delegato“ werden spezielle Aufgaben übertragen, die der Verwalter selbst etwa aus zeitlichen Gründen nicht erfüllen kann (Spagnuolo, in:
Nigro/Sandulli (Hrsg.), La riforma della legge fallimentare, I, S. 194). Der „delegato“ ersetzt
den Verwalter insoweit (Corte di Cassazione, 25.01.1995, n. 882; Bruno, in: Terranova
(Hrsg.), La nuova legge fallimentare,, S. 64). Der „coadiuatore“ hingegen wird mit Aufgaben
betraut, die ein spezielles Fachwissen erfordern (Spagnuolo, in: Nigro/Sandulli (Hrsg.), La riforma della legge fallimentare, I, S. 194 f.). Er ersetzt den Insolvenzverwalter nicht (vgl. aber
Spagnuolo, in: Nigro/Sandulli (Hrsg.), La riforma della legge fallimentare, I, S. 196), sondern
untersteht ihm und unterliegt seiner Kontrolle (Corte di Cassazione, 25.01.1995, n. 882; Bruno, in: Terranova (Hrsg.), La nuova legge fallimentare, S. 64).
Vgl. im Übrigen auch Corte di Cassazione, 25.01.1995, Nr. 882.
895 Siehe dazu ausführlich Inzitari, Il diritto fallimentare e delle società commerciali 2007,
306 ff.
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Die wichtigeren Mitwirkungsbefugnisse werden im Folgenden erläutert.
aa) Handlungen der außerordentlichen Verwaltung
Nach Art. 35 Abs. 1 LF erfolgen der Verzicht auf Forderungen, Vergleiche („transazioni“896 und „compromessi“), der Verzicht auf einen Prozess, die Anerkennung
von Rechten Dritter, die Löschung von Hypotheken, die Erstattung von Pfandgegenständen, die Freigabe von Sicherungsmitteln und die Handlungen der außerordentlichen Verwaltung durch den Insolvenzverwalter nach vorheriger Ermächtigung
durch den Gläubigerausschuss.897 Zu Rechtshandlungen der außerordentlichen Verwaltung gehört etwa auch die Beauftragung eines Rechtsanwalts, der Schadensersatzansprüche gegen die Masse geltend macht.898
Über Rechtshandlungen, deren Wert einen bestimmten Betrag überschreitet,899
und alle Vergleiche wird nach Art. 35 Abs. 3 LF vorher900 der beauftragte Richter
von dem Insolvenzverwalter unterrichtet.901 Dies dient der Kontrolle des Ausschusses.902 Zwar hat der beauftragte Richter nicht die Möglichkeit, ein Veto einzulegen
oder die jeweilige Handlung sonst direkt zu beeinflussen.903 Sollten aber Unregelmäßigkeiten auftreten, kann er die Mitglieder des Ausschusses bzw. den Verwalter
nach Art. 25 Abs. 1 Nr. 3 LF einberufen und sie auch im Hinblick auf Haftungsklagen zu der korrekten Führung des Verfahrens ermahnen.904 In Extremfällen kann er
sogar von seinem Recht Gebrauch machen, den Insolvenzverwalter oder einzelne
Mitglieder des Ausschusses zu ersetzen.905
896 Der Begriff der transazione ist in Art. 1965 Codice Civile legaldefiniert als Vertrag, mit dem
die Parteien durch gegenseitige Zugeständnisse einen zwischen ihnen begonnen Streit beenden oder einem solchen zuvorzukommen.
897 Zu den Auswirkungen einer fehlenden Ermächtigung auf die Wirksamkeit der Handlung des
Verwalters siehe S. 173 ff.
898 Abete, Il fallimento 2007, 480 (483, FN 15).
899 Die Grenze legt Art. 35 Abs. 2 LF auf EUR 50.000,- fest. Sie kann aber gemäß Art. 35
Abs. 3 LF von dem Justizministerium durch Verordnung geändert werden.
900 Nach Ansicht des Tribunale di Firenze, Il fallimento 2008, 194 (195) bezieht sich das Tatbestandsmerkmal vorher auch auf die Zustimmung des Gläubigerausschusses.
901 Zu den Auswirkungen einer fehlenden Informierung des beauftragten Richters vgl. Ghedini,
in: Ferro, La legge fallimentare, S. 266.
902 Spagnuolo, in: Nigro/Sandulli (Hrsg.), La riforma della legge fallimentare, I, S. 216.
903 Vgl. Ghedini, NDS 2006, Nr. 4, 13 (16); Ghedini, in: Ferro, La legge fallimentare, S. 266;
Grossi, La riforma della legge fallimentare, S. 519; Schiavon, Informazione prevedenziale
2005, 549 (555); siehe auch Tribunale di Firenze, Il fallimento 2008, 194 (195).
904 Vgl. Spagnuolo, in: Nigro/Sandulli (Hrsg.), La riforma della legge fallimentare, I, S. 216 f.
905 Ghedini, in: Ferro, La legge fallimentare, S. 266; Spagnuolo, in: Nigro/Sandulli (Hrsg.), La
riforma della legge fallimentare, I, S. 216.
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bb) Klage gegen den früheren Insolvenzverwalter
Nach Art. 38 Abs. 2 LF wird während des Insolvenzverfahrens eine Schadensersatzklage gegen den abberufenen Insolvenzverwalter von dem neuen Insolvenzverwalter
nach vorheriger Ermächtigung („autorizzazione“) des beauftragten Richters oder des
Gläubigerausschusses906 erhoben. Entsprechend dem Wortlaut der Norm existiert
kein Rangverhältnis zwischen den beiden Ermächtigungsoptionen etwa in dem Sinne, dass die Ablehnung der Zustimmung durch den Gläubigerausschuss die Zustimmung durch den beauftragten Richter ausschlösse.907
cc) Die vorläufige Fortführung des Unternehmens
Art. 104 LF regelt die Entscheidung über die vorläufige Betriebsfortführung bzw.
die Stilllegung. Entscheidungsträger ist nicht allein der Gläubigerausschuss. Vielmehr kommt es zu einer Aufspaltung der Entscheidungskompetenzen, die sich teilweise überlagern.
aaa) Entscheidungszuständigkeit des Gerichts bei Eröffnung des Verfahrens
Nach Art. 104 Abs. 1 LF hat das Gericht in dem Eröffnungsbeschluss die vorläufige Fortführung des Unternehmens oder von bestimmten Teilen anordnen, wenn
aus der Unterbrechung ein schwerer Schaden entstehen kann und soweit dies nicht
zum Nachteil der Gläubiger gereicht. Bei dieser Entscheidung kann das Gericht also
auch Drittinteressen berücksichtigen.
bbb) Fortführung
Erst nach dem Eröffnungsbeschluss geht die Entscheidungskompetenz auf den
beauftragten Richter bzw. den Ausschuss über. Art. 104 Abs. 2 LF bestimmt, dass
im Folgenden die vorläufige Betriebsfortführung der beauftragte Richter auf Vorschlag des Verwalters und nach positiver Stellungnahme („parere favorevole“) des
906 Kritisch zu dieser Befugnis des Gläubigerausschusses Forgillo, Il nuovo ruolo del curatore, S.
19.
907 D’Attorre, in: Nigro/Sandulli (Hrsg.), La riforma della legge fallimentare, I, S. 249; vgl. auch
Pacchi, in: Bertacchini et al., Manuale di diritto fallimentare, S. 111.
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Gläubigerausschusses anordnet.908 Für die vorläufige Fortführung ist die positive
Stellungnahme des Ausschusses also zwingende Voraussetzung.909
Zweifelhaft ist, ob dem beauftragten Richter bei der Anordnung hier ein eigenes
Entscheidungsermessen insoweit zusteht, als er trotz positiver Stellungnahme die
Einstellung anordnen kann.910 Freilich soll dann das Interesse der Gläubiger das Ermessen des Richters leiten bzw. begrenzen.911 Nach abweichender Auffassung kontrolliert er nur, ob die rechtlichen Voraussetzungen (Vorschlag des Verwalters, Zustimmung des Ausschusses) gegeben sind und dann ohne eine weitere eigene Wertung die Anordnung treffen muss.912 Dafür sprächen auch der Wortlaut und die Gesetzesbegründung.913 Vermittelnd wird vertreten, dass der Richter die logische Kongruenz des Beschlusses der Gläubiger und seiner Begründung überprüfen kann.914
Die Ermächtigung zu der Betriebsfortführung soll nach der herrschenden Auffassung zugleich als Zustimmung zu allen mit der Betriebsfortführung verbundenen
Rechtshandlungen gelten.915
ccc) Einstellung auf Initiative des Ausschusses
Nach Art. 104 Abs. 4 LF ordnet der beauftragte Richter die Einstellung der vorläufigen Betriebsfortführung an, wenn der Gläubigerausschuss die Fortführung nicht
908 Schiavon, Informazione prevedenziale 2005, 549 (556) hält die Norm für systemwidrig, da
der beauftragte Richter im Übrigen nur Rechtmäßigkeitsentscheidungen zu treffen habe.
909 Fimmanò/Esposito, La liquidazione dell'attivo fallimentare, S. 56; Fimmanò, in: Jorio/Fabiani
(Hrsg.), Il nuovo diritto fallimentare, II, S. 1606; Fontana/Ghedini, in: Ferro, La legge fallimentare, S. 760; Liconti, in: S. 397; Stasi, Il fallimento 2007, 853 (857).
910 In diesem Sinne Grossi, La riforma della legge fallimentare, S. 1331; Ghedini/Fontana, in:
Ferro, La legge fallimentare, S. 760; Mattei, in: Ambrosini, La riforma della legge fallimentare, S. 219; Nardecchia, in: Ferro/Nappi (Hrsg.), Le insinuazioni al passivo, S. 343; Trisorio
Liuzzi, in: Fabiani et al., Il Foro Italiano 2006, V, 174 (198).
911 Fimmanò, in: Jorio/Fabiani (Hrsg.), Il nuovo diritto fallimentare, II, S. 1603 f.; Grossi, La
riforma della legge fallimentare, S. 1332; Meoli, Il fallimento 2005, 1042 (1046). Im Einzelnen gehen die Meinungen auseinander. Teilweise geht man auch davon aus, dass der beauftragte Richter überhaupt keine Drittinteressen berücksichtigen dürfe; vgl. Bonfatti/Censoni,
Manuale di diritto fallimentare, S. 94; Nardecchia, in: Ferro/Nappi (Hrsg.), Le insinuazioni al
passivo, S. 343; Sandulli, in: Nigro, Diritto della banca e del mercato finanziario 2006, II, S.
608.
912 Abete, Il diritto fallimentare e delle società commerciali 2005, 659 (666); Fimmanò/Esposito,
La liquidazione dell'attivo fallimentare, S. 59; Fondazione Luca Pacioli, esercizio provvisorio
ed affitto di azienda, S. 5; Sorci, in: Terranova (Hrsg.), La nuova legge fallimentare, S. 199;
Liconti, in: S. 393; Schiavon, Informazione prevedenziale 2005, 549 (556); Stasi, Il fallimento 2007, 853 (855); vgl. auch Bonfatti/Censoni, Manuale di diritto fallimentare, S. 94; Fondazione Luca Pacioli, Tutela delle minoranze, S. 6.
913 Fimmanò, in: Jorio/Fabiani (Hrsg.), Il nuovo diritto fallimentare, II, S. 1606; Stasi, Il fallimento 2007, 853 (857).
914 Fimmanò, in: Jorio/Fabiani (Hrsg.), Il nuovo diritto fallimentare, II, S. 1606.
915 Nardecchia, in: Ferro/Nappi (Hrsg.), Le insinuazioni al passivo, S. 345; differenzierend Fimmanò, in: Jorio/Fabiani (Hrsg.), Il nuovo diritto fallimentare, II, S. 1608; Liconti, in: S. 408.
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für zweckmäßig hält. Hier steht dem beauftragten Richter kein eigenes Entscheidungsermessen zu.916
ddd) Die Befugnis des Gerichts den Betrieb stillzulegen
Eine Besonderheit stellt die Bestimmung des Art. 104 Abs. 6 LF dar. Danach
kann das Gericht nach Anhörung des Insolvenzverwalters und des Gläubigerausschusses die Einstellung der vorläufigen Betriebsfortführung anordnen, wenn es dies
für zweckmäßig hält. An die Stellungnahme des Ausschusses ist es aber nicht gebunden.917
Diese gerichtliche Befugnis steht in einen gewissen Kontrast einerseits zu der
veränderten Rolle der Gläubiger918 und zum anderen zu der Regelung des
Art. 104 Abs. 1 LF, nach der auch Drittinteressen bei der Entscheidung über die Betriebsfortführung zu berücksichtigen sind.919 Außerdem hat sie zu einer gewissen
Perplexität hinsichtlich der Frage geführt, wie die unterschiedlichen Kompetenzen
von Gericht, beauftragtem Richter und Ausschuss aufeinander abzustimmen sind.920
dd) Verpachtung des Unternehmens
Die positive Stellungnahme („parere favorevole“) des Gläubigerausschusses ist nach
Art. 104-bis Abs. 1 LF auch erforderlich, wenn das Unternehmen des Schuldners
verpachtet werden soll.
916 Fondazione Luca Pacioli, esercizio provvisorio ed affitto di azienda, S. 5; Liconti, in: S. 402;
Minutoli, Il fallimento 2005, 1460 (1464); Minutoli, NDS 2006, Nr. 4, 22 (25 f.); Schiavon,
Informazione prevedenziale 2005, 549 (556).
917 Fimmanò/Esposito, La liquidazione dell'attivo fallimentare, S. 59; Fimmanò, in: Jorio/Fabiani
(Hrsg.), Il nuovo diritto fallimentare, II, S. 1617; Ghedini/Fontana, in: Ferro, La legge fallimentare, S. 760; Nardecchia, in: Ferro/Nappi (Hrsg.), Le insinuazioni al passivo, S. 345; Stasi, Il fallimento 2007, 853 (856); zweifelnd Mattei, in: Ambrosini, La riforma della legge fallimentare, S. 219.
918 Fondazione Luca Pacioli, esercizio provvisorio ed affitto di azienda, S. 4.
919 Dazu ausführlich unten S. 205 und S. 227 ff.
920 Vgl. zu diesem Problemkreis Bonfatti/Censoni, Manuale di diritto fallimentare, S. 94; Fimmanò, in: Jorio/Fabiani (Hrsg.), Il nuovo diritto fallimentare, II, S. 1617; Mattei, in: Ambrosini, La riforma della legge fallimentare, S. 219; Sandulli, in: Nigro/Sandulli (Hrsg.), La riforma della legge fallimentare, II, S. 609 und 610 a.E.; Sorci, in: Terranova (Hrsg.), La nuova
legge fallimentare, S. 199.
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ee) Liquidationsprogramm
Nach Art. 104-ter LF erstellt der Insolvenzverwalter innerhalb von sechzig Tagen921
nach Abfassung der Inventarliste922 ein Liquidationsprogramm, zu dem er die Zustimmung („approvazione“) des Gläubigerausschusses einholt. Die Stellungnahme
des beauftragten Richters ist seit der Reform durch das Decreto legislativo 12 settembre 2007, n. 169 nicht mehr erforderlich.923
Das Programm gibt nach Abs. 2 die Richtung für die Art und die Abfolge der
Verwertung der Aktiva vor. Es dient daher zum einen dazu, die Verwertungshandlungen zu koordinieren und Verbundwerte des schuldnerischen Vermögens zu erhalten.924 Zum anderen soll es die Gläubiger in die Lage versetzen, beurteilen zu können, inwieweit der Insolvenzverwalter in der Lage ist, das Verfahren zu führen.925
In dem Liquidationsprogramm muss nach Art. 104-ter Abs. 2 a) und d) LF auch
aufgeführt werden, inwieweit es möglich ist, das Unternehmen oder einzelne Teile
fortzuführen bzw. zu verkaufen. Außerdem sind nach Abs. 2 c) geplante Anfechtungs- und Schadensersatzklagen darzulegen.
Das Liquidationsprogramm soll die Verwertungshandlungen koordinieren. Daher
bestimmt Art. 107 Abs. 1 LF als Voraussetzung für die Vornahme von Verwertungshandlungen, dass diese im Liquidationsprogramm enthalten sind. Über die
Konformität der einzelnen Verwertungshandlungen mit dem Liquidationsplan wacht
der beauftragte Richter, dem der Plan nach der Zustimmung des Gläubigerausschusses gemäß Art. 104-ter Abs. 8 LF mitgeteilt wird und der die einzelnen Handlungen
autorisiert.926
921 Nach D’Aquino, in: Ferro, La legge fallimentare, S. 780; Panzani, Il fallimento, 1065 (1066)
soll das Verstreichen der Frist keine negativen Folgen nach sich ziehen; die Norm sei eine
reine Ordnungsvorschrift; a.A.: Esposito, in: Jorio/Fabiani (Hrsg.), Il nuovo diritto fallimentare, II, S. 1673; Fimmanò, Il diritto fallimentare e delle società commerciali 2008, 845 (854
ff.).
922 Nach Grossi, La riforma della legge fallimentare, S. 1373 soll dem Liquidationsplan bereits
vor der Gläubigerversammlung zugestimmt werden, damit die Gläubiger in der Lage sind, die
Professionalität des Insolvenzverwalters einzuschätzen.
923 Damit hat sich auch der Streit erledigt, ob der beauftragte Richter einen eigenen Ermessenspielraum habe, vgl. dazu einerseits Allegritti, Diritto delle banche e del mercato finanziario
2006, 91 (97 und 106 f.); D’Attorre/Sandulli, in: Nigro/Sandulli (Hrsg.), La riforma della legge fallimentare, II, S. 622; D’Aquino, in: Ferro/Nappi (Hrsg.), Le insinuazioni al passivo, S.
143; Esposito, in: Jorio/Fabiani (Hrsg.), Il nuovo diritto fallimentare, II, S. 1726; Fimmanò/Esposito, La liquidazione dell'attivo fallimentare, S. 303; Meoli, Il fallimento 2005, 1042
(1045); Proto, in: S. 451; Zanichelli, La nuova disciplina del fallimento, S. 72; vgl. auch Trisorio Liuzzi, in: Fabiani et al., Il Foro Italiano 2006, V, 174 (199) und andererseits Bonfatti/Censoni, Manuale di diritto fallimentare, S. 334; Schiavon, Informazione prevedenziale
2005, 549 (564).
924 Vgl. D’Aquino, in: Ferro/Nappi (Hrsg.), Le insinuazioni al passivo, S. 139; Fimmanò, Il diritto fallimentare e delle società commerciali 2008, 845; Schiavon, Informazione prevedenziale
2005, 549 (563); Trisorio Liuzzi, in: Fabiani et al., Il Foro Italiano 2006, V, 174.
925 Grossi, La riforma della legge fallimentare, S. 1366.
926 Vgl. dazu Fimmanò, Il diritto fallimentare e delle società commerciali 2008, 845 (849 ff.).
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Vor der Zustimmung des Ausschusses zu dem Liquidationsplan kann der Insolvenzverwalter nach Art. 104-ter Abs. 6 LF nur dann einzelne Gegenstände verwerten, wenn andernfalls ein Nachteil für die Gläubiger droht.927
2. Überwachungs- und Kontrollrechte
Entsprechend der in Art. 31, 41 LF festgelegten Überwachungsfunktion hat der
Gläubigerausschuss diverse Überwachungs- und Kontrollrechte. Insbesondere können der Ausschuss und jedes Mitglied nach Art. 41 Abs. 5 LF zu jeder Zeit die Akten über die Buchhaltung und die Schriftstücke des Verfahrens einsehen und haben
das Recht, Neuigkeiten und Klärungen von dem Insolvenzverwalter und dem
Schuldner zu verlangen.
Im Besonderen können die Ausschussmitglieder etwa der Abfassung der Inventarliste nach Art. 87 Abs. 1 LF beiwohnen und sie können nach Art. 49 Abs. 2 LF
die Unternehmer, Verwalter oder Liquidatoren der Gesellschaft anhören, wenn sie
entsprechende Informationen benötigen. Außerdem werden sie nach Art. 104 Abs. 3
LF von dem Insolvenzverwalter alle drei Monate über den Verlauf der Betriebsfortführung informiert.
Um zu verhindern, dass einzelne Gläubiger als Mitglieder des Ausschusses frühzeitig sensible Informationen, wie etwa gegen sie geplante Anfechtungsklagen, erfahren, ist man allerdings in Fortführung der bisherigen Praxis bestrebt, die umfangreichen Informationsrechte einzuschränken.928
3. Recht zur Stellungnahme
Der Ausschuss kann nach Art. 41 Abs. 1 LF bei verschiedenen Gelegenheiten Stellungnahmen abgeben und hat daher auch eine beratende Funktion.
So muss der Ausschuss etwa vor der Entscheidung über die Abberufung des Insolvenzverwalters nach Art. 37 Abs. 2 LF, im Fall der Masseunzulänglichkeit nach
Art. 102 LF, vor der Einstellung der vorläufigen Betriebsfortführung nach Art. 104
Abs. 6 LF, vor der Gestaltung eines Pachtvertrages über das schuldnerische Unternehmen nach Art. 104-bis LF und vor der Aussetzung von Verwertungshandlungen
nach Art. 108 Abs. 1 LF angehört werden.
927 Vgl. dazu Fimmanò, Il diritto fallimentare e delle società commerciali 2008, 845 (846).
928 Die Einsicht in den vom Insolvenzverwalter nach Art. 33 Abs. 1 LF verfassten Bericht, in
dem auch geplante Anfechtungsklagen aufzuführen sind, soll nach Ferretti, Le funzioni del
curatore fallimentare, S. 12 f. nur nach vorheriger Zustimmung des beauftragten Richters möglich sein.
171
Außerdem kann er Veränderungen des Liquidationsplanes nach Art. 104-ter Abs.
4 LF vorschlagen.929
4. Antragsrechte
Schließlich stehen dem Gläubigerausschuss verschiedene Antragsrechte zu.
a) Antrag auf Abberufung des Insolvenzverwalters
Er kann nach Art. 37 Abs. 1 LF bei dem Insolvenzgericht einen Antrag auf Abberufung des Insolvenzverwalters stellen.930
b) Aussetzung von Verwertungshandlungen
Der beauftragte Richter kann nach Art. 108 Abs. 1 LF auf Antrag des Schuldners,
des Gläubigerausschusses oder anderer Betroffener Verkaufshandlungen aussetzen,
wenn schwere und berechtigte Gründe („gravi e giustificati motivi“)931 vorliegen, zu
denen auch solche der Zweckmäßigkeit zählen,932 oder den Vollzug des Verkaufes
verhindern, wenn der angebotene Preis deutlich unter dem in Anbetracht der Marktverhältnisse angemessenen Preis liegt. In letzterem Fall muss der Antrag innerhalb
von zehn Tagen ab Hinterlegung der Verkaufsdokumentation durch den Verwalter
nach Art. 107 Abs. 4 LF gestellt werden. Damit kann ein Kaufvertrag also noch
nach seinem Abschluss verhindert werden.933
Dieses Antragsrecht ist von besonderer Bedeutung, da der Gläubigerausschuss
über das Zustimmungserfordernis zu dem Liquidationsprogramm nach Art. 104-ter
zwar Einfluss darauf hat, ob das schuldnerische Unternehmen grundsätzlich verkauft
wird. Da der Verkauf nach Art. 107 LF von dem Insolvenzverwalter durchgeführt
wird, ohne dass eine weitere Zustimmung erforderlich ist, hat der Ausschuss auf die
Modalitäten (Käufer, Preis, Sicherheiten, etc.) aber keinen Einfluss.
929 Es ist streitig, ob der Gläubigerausschuss auch nach seiner Zustimmung zu dem Programm
weitere Vorschläge zu der Verwertung unterbreiten kann, vgl. Sorci, in: Terranova (Hrsg.),
La nuova legge fallimentare, S. 211 einerseits und D’Aquino, in: Ferro/Nappi (Hrsg.), Le insinuazioni al passivo, S. 142; Panzani, Il fallimento 2005, 1065 (1067) andererseits; allgemein kritisch zu diesem Vorschlagsrecht Ghedini, NDS 2006, Nr. 4, 13 (20).
930 Auf die Abberufung des Insolvenzverwalters wird detailliert im Abschnitt über die Durchsetzbarkeit von Beschlüssen der Gläubigerversammlung eingegangen, unten S. 179 ff.
931 Zu dem Begriff des motivo giustificato unten S. 179.
932 D’Aquino, in: Ferro, La legge fallimentare, S. 831 f.
933 Sandulli, in: Nigro/Sandulli (Hrsg.), La riforma della legge fallimentare, II, S. 648.
172
Damit hat der beauftragte Richter die Möglichkeit, eine eigene Wertung hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit eines Verkaufs durchzuführen und den Verkauf ggf. mittels seines Vetos zu verhindern.934 Der beauftragte Richter behält somit in der Verwertungsphase eine entscheidende Machtstellung.935
5. Zusammenfassung
Es fällt auf, dass das italienische Recht auch heute noch vergleichsweise viele Zustimmungserfordernisse des Ausschusses vorsieht. In der Verwertungsphase hat der
Gläubigerausschuss hingegen wenig Rechte. Die Interessen der Gläubiger werden
allein über das Zustimmungserfordernis zu dem Liquidationsplan nach Art. 104-ter
LF und das Antragsrecht nach Art. 108 LF gewahrt.
VI. Rechtsfehlerhafte Beschlüsse
Die Beschlussfassung des Ausschusses kann aus unterschiedlichen Gründen fehlerhaft sein.936 Fraglich ist, welche Rechtsfolge dies im Einzelnen für den Beschluss
selbst nach sich zieht. Für das alte Recht wurde teilweise vertreten, dass die fehlende
oder die mangelbehaftete Mitwirkung des Ausschusses die Handlung, bei der die
Mitwirkung erforderlich war, anfechtbar machte.937
1. Grundsatz
Beschlüsse des Ausschusses, die unter Verletzung des Gesetzes zustande gekommen
sind (insbesondere solche, die nicht mit der erforderlichen Mehrheit gefasst worden
sind),938 können grundsätzlich mit der Beschwerde nach Art. 36 LF angefochten
werden. Nach Art. 36 LF können der Schuldner und andere Betroffene gegen die
Zustimmungen (und Unterlassungen) des Gläubigerausschusses wegen einer Gesetzesverletzung innerhalb von acht Tagen ab Kenntnisnahme Beschwerde bei dem beauftragten Richter einlegen.
Die Beschränkung auf Gesetzesverletzungen de lege lata soll verhindern, dass der
beauftragte Richter über die im Gesetz bestimmten Fälle hinaus Zweckmäßigkeitserwägungen anstellen kann.939 De lege ferenda plädiert man allerdings teilweise
934 D’Aquino, in: Ferro, La legge fallimentare, S. 831 f.; Sandulli, in: Nigro/Sandulli (Hrsg.), La
riforma della legge fallimentare, II, S. 647.
935 Sandulli, in: Nigro/Sandulli (Hrsg.), La riforma della legge fallimentare, II, S. 674.
936 Zu den Folgen einer rechtsfehlerhaften Unterlassung des Ausschusses siehe oben S. 162.
937 Cesqui, Rivista di diritto processuale 1994, 690 (704 f.).
938 So zu Art. 35 LF Abete, in: Jorio/Fabiani (Hrsg.), Il nuovo diritto fallimentare, I, S. 599.
939 Allegritti, Diritto delle banche e del mercato finanziario 2006, 91 (109).
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References
Zusammenfassung
Die umfassende Gläubigerbeteiligung hat eine lange Tradition im deutschen Insolvenzrecht. In der Praxis beteiligen sich die Gläubiger jedoch häufig nicht. Dieser Umstand und unausgewogene Entscheidungen der Gläubiger können das Verfahrensziel, die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger, gefährden. Die Untersuchung vergleicht die Gläubigerbeteiligung nach der deutschen Insolvenzordnung mit der durch das decreto legislativo 9 gennaio 2006, n. 5 und das decreto legislativo 12 Settembre 2007, n. 169 reformierten legge fallimentare. Die Arbeit erörtert umfassend aktuelle juristische Fragen. Der rechtsvergleichende Teil bezieht Ansätze der ökonomischen Analyse des Rechts und der Verhaltensökonomik ein, um konkrete Änderungsvorschläge zu erarbeiten.