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laut auf die Mitglieder.729 Dieses Ergebnis rechtfertige sich auch über eine Analogie
zu den ministeriellen Verordnungen zum Überwachungsausschuss bei der liquidazione coatta amministrativa.730
IV. Beschlüsse der Gläubigerversammlung
1. Verfahren
Auch über die Verfahrensweise herrscht kaum Einigkeit. Überwiegend schließt man
aus dem Wortlaut, wonach die persönlich anwesenden oder vertretenen Gläubiger
eine Wahl vornehmen können, dass die Wahl des Verwalters nur im Prüfungstermin
möglich sei. Die Willensbildung der Gläubiger und daher auch die Stimmabgabe
seien nur innerhalb des Termins möglich.731
Nach abweichender Auffassung ist die Stimmabgabe sowohl außerhalb der Versammlung als auch schriftlich möglich.732 Danach wäre es also auch denkbar, dass
eine Gläubigermehrheit eine eigene Versammlung abhält und Entscheidungen nach
Art. 37-bis LF trifft, ohne die übrigen Gläubiger auch nur zu beteiligen (wobei sich
natürlich auch dann die Mehrheitserfordernisse nach allen zugelassenen und nicht
allein den anwesenden Gläubigern zu richten haben).733
2. Erforderliche Mehrheiten
Je nach Beschlussgegenstand sind unterschiedliche Mehrheiten erforderlich.
a) Summenmehrheit
Für die Wahl eines neuen Insolvenzverwalters oder neuer Ausschussmitglieder ist
gemäß Art. 37-bis Abs. 1 LF die Summenmehrheit der Forderungen erforderlich,734
729 Bonfatti/Censoni, Manuale di diritto fallimentare, S. 81; Schiavon, in: Jorio/Fabiani (Hrsg.),
Il nuovo diritto fallimentare, I, S. 684; Grossi, La riforma della legge fallimentare, S. 557;
Proto, in: Schiano di Pepe (Hrsg.), Il diritto fallimentare riformato, S. 129.
730 Nardecchia, Informazione prevedenziale 2006, 1 (6); Schiera, in: Ferro/Nappi (Hrsg.), Le
insinuazioni al passivo, S. 252.
731 D’Attorre, in: Nigro/Sandulli (Hrsg.), La riforma della legge fallimentare, I, S. 237; Grossi,
La riforma della legge fallimentare, S. 553; Schiavon, in: Jorio/Fabiani (Hrsg.), Il nuovo diritto fallimentare, I, S. 676.
732 Bruno, in: Terranova (Hrsg.), La nuova legge fallimentare,, S. 74; Cabras, Il sistema di governance nelle imprese in crisi, S. 17; Cabras, La governance del fallimento, S. 8; Lamanna,
Accertamento del passivo, S. 495.
733 So ausdrücklich Lamanna, Accertamento del passivo, S. 495.
734 Zu der Kritik dieser Regelung siehe unten S. 198 ff.
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die insgesamt zur Tabelle zugelassen worden sind (also nicht nur die Summenmehrheit der anwesenden Gläubiger).735 Um einem Missbrauch einiger Gläubiger vorzubeugen, hatte die Abgeordnetenkammer (camera dei deputati) zwar ursprünglich
gefordert, dass die Entlassung des Insolvenzverwalters nur auf Initiative der Gläubiger stattfinden könne, die zwei Drittel der zur Tabelle angemeldeten Forderungen
repräsentierten.736 Diese Forderung hat sich jedoch nicht durchgesetzt.
b) Kopfmehrheit
Für die Bestimmung, ob die Ausschussmitglieder über den Aufwendungsersatz hinaus eine Vergütung erhalten, ist nach Art. 37-bis Abs. 3 LF die bloße Kopfmehrheit
der Gläubiger für die Beschlussfassung erforderlich („i creditori che rappresentano
la maggioranza di quelli allo stato ammessi, indipendentemente dall'entità dei crediti vantati“).737 Diese Regelung steht vor dem Hintergrund, dass durch eine Vergütung gerade die Gläubiger mit geringen Forderungen zu der Mitarbeit im Ausschuss
motiviert werden sollen.738 Die Gläubiger, die die Summenmehrheit in der Versammlung repräsentieren, haben regelmäßig kein Interesse an einer Vergütung, da
die Mitwirkung im Ausschuss sich bereits durch den Informationsvorsprung und den
erhöhten Einfluss auf das Verfahren lohnt. Daher werden sie eher gegen eine Vergütungsregelung stimmen, da sie dadurch die Machtverhältnisse im Ausschuss indirekt
beeinflussen können. Haben die Gläubiger mit geringen Forderungen wegen fehlender Vergütung kein Interesse, im Ausschuss mitzuwirken, stärkt das die Stellung der
vertretenen Großgläubiger.
In Anbetracht der Tatsache, dass die starken Gläubiger aber den dominierenden
Einfluss auf die Besetzung des Ausschusses haben, wird dieser Regelung eine geringe Bedeutung beigemessen.739 Demgegenüber scheint das in Art. 40 Abs. 2 LF normierte Repräsentationsprinzip eine höhere Gewähr dafür zu bieten, dass es zu einer
pluralistischen Besetzung des Ausschusses kommt.740 Dabei handelt es sich jedoch
nur um ein ephemerisches Hindernis, denn das Repräsentationserfordernis gewinnt
735 D’Attorre, in: Nigro/Sandulli (Hrsg.), La riforma della legge fallimentare, I, S. 239; Ghedini/Michelotti, in: Ferro, La legge fallimentare, S. 284.
736 Parere della Camera die Deputati sullo Schema di decreto legislativo recante la riforma organica delle procedure concorsuali, abgedruckt in: Terranova (Hrsg.), La nuova legge fallimentare, S. 448 ff.
737 D’Attorre, in: Nigro/Sandulli (Hrsg.), La riforma della legge fallimentare, I, S. 243; Ghedini/Michelotti, in Ferro, La legge fallimentare, S. 284; Michelotti, Il diritto fallimentare e delle
società commerciali 2007, S. 745 .
738 Abete, in: Jorio/Fabiani (Hrsg.), Il nuovo diritto fallimentare, S. 639; Ianniello, Il nuovo diritto fallimentare, S. 99; vgl. auch Ghedini/Michelotti, in: Ferro, La legge fallimentare, S. 288.
739 Abete, in: Jorio/Fabiani (Hrsg.), Il nuovo diritto fallimentare, S. 639.
740 Abete, in: Jorio/Fabiani (Hrsg.), Il nuovo diritto fallimentare, S. 639.
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nur insoweit an Bedeutung als es die Reproduktion der Kräfteverhältnisse der Gläubiger außerhalb des Ausschusses rechtfertigt.741
V. Stimmrechte
1. Wer ist grundsätzlich zugelassen?
Für die Entscheidungen gemäß Art. 37-bis LF sind die Gläubiger stimmberechtigt,
deren Forderungen zur Insolvenztabelle zugelassen sind („i creditori che rappresentano la maggioranza di quelli allo stato ammessi“). Damit hat sich der Gesetzgeber
zum einen gegen die in dem ursprünglichen Gesetzesentwurf vorgesehene Regelung
entschieden, wonach die Gläubiger, die ihre Forderung angemeldet („insinuati“) hatten, ein Stimmrecht haben.742 Zum anderen wurde aber auch die aus den Regelungen
zu dem insolvenzabwendenden Vergleich bekannte Regelung nicht übernommen,
nach der der beauftragte Richter vorläufig ganz oder teilweise bestrittene Forderungen allein zum Zweck der Abstimmung und der Berechnung von Mehrheiten zulassen kann.743
a) Gläubigergruppen, die zur Tabelle zugelassen werden können
Zu den Gläubigern, die nach Art. 37-bis LF grundsätzlich stimmberechtigt sind, gehören nicht nur die ungesicherten Gläubiger. Vielmehr haben auch die gesicherten
Gläubiger ein Stimmrecht, wenn sie zur Tabelle zugelassen werden.744 Das ergibt
sich zum einen aus dem Wortlaut, der nicht zwischen den verschiedenen Gläubigergruppen differenziert, und zum anderen aus einem Vergleich mit Art. 177 Abs. 3
LF.745 Dort ist vorgesehen, dass die bei einem insolvenzabwendenden Vergleich
(„concordato preventivo“) voll zu befriedigenden gesicherten Gläubiger bei der Abstimmung der Versammlung über den Vergleich kein Stimmrecht haben, es sei
denn, dass sie auf ihre Sicherheit verzichten. Das Fehlen einer solchen Regelung in
Art. 37-bis LF belegt, dass die gesicherten Gläubiger voll stimmberechtigt sind.
741 Abete, in: Jorio/Fabiani (Hrsg.), Il nuovo diritto fallimentare, S. 639.
742 Im Einzelnen dazu Schiavon, Il comitato dei creditori, S. 4; vgl. auch Proto, Il fallimento,
1001 (1005).
743 Die erwähnte Regelung des Art. 176 LF geht zurück auf eine entsprechende Gestaltung in den
Art. 12 - 16 des aufgehobenen Gesetzes 24.05.1903, n. 197; vgl. dazu Dimundo, Il fallimento
1992, 272 (277) ; Frascaroli Santi, L'adunanza dei creditori, S. 4.
744 Ghedini/Michelotti, in: Ferro, La legge fallimentare, S. 284; Grossi, La riforma della legge
fallimentare, S. 554; vgl. auch Abete, in: Jorio/Fabiani (Hrsg.), Il nuovo diritto fallimentare,
S. 629.
745 So auch Grossi, La riforma della legge fallimentare, S. 554.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die umfassende Gläubigerbeteiligung hat eine lange Tradition im deutschen Insolvenzrecht. In der Praxis beteiligen sich die Gläubiger jedoch häufig nicht. Dieser Umstand und unausgewogene Entscheidungen der Gläubiger können das Verfahrensziel, die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger, gefährden. Die Untersuchung vergleicht die Gläubigerbeteiligung nach der deutschen Insolvenzordnung mit der durch das decreto legislativo 9 gennaio 2006, n. 5 und das decreto legislativo 12 Settembre 2007, n. 169 reformierten legge fallimentare. Die Arbeit erörtert umfassend aktuelle juristische Fragen. Der rechtsvergleichende Teil bezieht Ansätze der ökonomischen Analyse des Rechts und der Verhaltensökonomik ein, um konkrete Änderungsvorschläge zu erarbeiten.