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Es ist nicht völlig klar, welche der beiden unterschiedlichen Konzeptionen in der
aus den unterschiedlichen Entwürfen des Justiz- und Wirtschaftsministeriums hervorgegangenen Legge fallimentare letztlich überwogen hat.679 Der Streit um das
richtige Maß der Gläubigerbeteiligung setzt sich in der Interpretation der einzelnen
Regelungen fort.
V. Die Reformen von 2006 und 2007
Die Legge fallimentare von 1942 wurde durch das Decreto legislativo 9 gennaio
2006, n. 5 grundlegend reformiert. Die ersten erkannten Mängel hat der Gesetzgeber
durch das Decreto legislativo 12 Settembre 2007, n. 169 zu beheben versucht, das
zum 01.01.2008 in Kraft getreten ist. Beide sind Gegenstand der folgenden Darstellung.
C. Einteilung der Gläubigergruppen
Wie in Deutschland unterscheidet man im italienischen Insolvenzrecht verschiedene
Gläubigergruppen.
I. Privilegierte Gläubiger (Creditori privilegiati)
In Italien unterscheidet sich die Stellung der gesicherten Gläubiger stark von der Art
des jeweiligen Sicherungsrechts. Daher bedarf es nicht nur einer kurzen Darstellung
der Rechtslage im Insolvenzrecht (dazu 1. und 2.), sondern auch eines kurzen Überblicks über die Sicherungsrechte in Italien (dazu 3.).
1. Grundsatz
Nach Art. 54 Abs. 1 LF können Gläubiger, die durch Hypothek, Pfandrecht oder
durch Privileg (ein gesetzliches, akzessorisches Sicherungsrecht für bestimmte Forderungen an beweglichen oder unbeweglichen Gegenständen, das dem Pfandrecht
und der Hypothek in der Regel vorrangig ist680) gesichert sind, ihr Vorrecht in Bezug auf den erzielten Erlös des jeweiligen Gegenstands geltend machen. Nach
Art. 111 Abs. 1 LF werden sie aus dem Verwertungserlös des jeweiligen Sicherungsgegenstands nach Abzug der vorab zu begleichenden Forderungen (insbeson-
679 Jorio, in: Jorio/Fabiani (Hrsg.), Il nuovo diritto fallimentare, I, S. 26.
680 Zu den privilegi im italienischen Recht siehe Greving, Der Treuhandgedanke bei Sicherungs-
übertragungen im italienischen und deutschen Recht, S. 141 ff.
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References
Zusammenfassung
Die umfassende Gläubigerbeteiligung hat eine lange Tradition im deutschen Insolvenzrecht. In der Praxis beteiligen sich die Gläubiger jedoch häufig nicht. Dieser Umstand und unausgewogene Entscheidungen der Gläubiger können das Verfahrensziel, die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger, gefährden. Die Untersuchung vergleicht die Gläubigerbeteiligung nach der deutschen Insolvenzordnung mit der durch das decreto legislativo 9 gennaio 2006, n. 5 und das decreto legislativo 12 Settembre 2007, n. 169 reformierten legge fallimentare. Die Arbeit erörtert umfassend aktuelle juristische Fragen. Der rechtsvergleichende Teil bezieht Ansätze der ökonomischen Analyse des Rechts und der Verhaltensökonomik ein, um konkrete Änderungsvorschläge zu erarbeiten.