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II. Schadensersatzansprüche
Der einzelne Gläubiger hat zwar auch die Möglichkeit, den Insolvenzverwalter
durch den Hinweis auf Schadensersatzansprüche gemäß § 60 InsO gemäß zu der
Vornahme einer bestimmten Handlung zu beeinflussen. Die tatsächliche Geltendmachung eines Gesamtschadens (etwa wenn der Insolvenzverwalter es unterlassen
hat, bestimmte Anfechtungsansprüche geltend zu machen) ist während des Verfahrens jedoch erschwert, da § 92 InsO bestimmt, dass der Anspruch nur von einem neu
bestellten Verwalter geltend gemacht werden kann.593
III. Antragsrechte
Eine aktive Mitgestaltung des Verfahrens ist dem einzelnen Gläubiger versagt. Sieht
man von einer Mitwirkung in den Gläubigergremien ab, kann er das Verfahren nur
über die ihm zustehenden Antragsrechte beeinflussen. Hier sind etwa das bereits
dargestellte Antragsrecht gemäß § 78 InsO594 oder das Antragsrecht auf Anordnung
der Nachtragsverteilung gemäß § 203 InsO zu nennen. In bestimmten Fällen wie etwa im Fall des § 58 InsO ist kein Antragsrecht des Gläubigers vorgesehen, da das
Gericht auch von Amts wegen tätig werden kann. Dann ist aber der Antrag eines
Gläubigers bzw. eine entsprechende Anregung gleichwohl möglich.595
IV. Beschwerderechte
In einzelnen Fällen hat der einzelne Gläubiger auch ein Beschwerderecht. Zu nennen
sind insbesondere das Beschwerderecht gegen die Versagung eines Insolvenzverwalters gemäß § 57 S. 4 InsO oder gegen die Ablehnung der Entlassung des Insolvenzverwalters gemäß § 57 Abs. 2 S. 2 InsO.
F. Zusammenfassung
Im deutschen Recht können die Gläubiger das Regelinsolvenzverfahren in erster Linie über die Gläubigerversammlung und über den fakultativen Gläubigerausschuss
beeinflussen. Entscheidungen der Gläubigerversammlung sind – innerhalb des gesetzlichen Kompetenzkatalogs – für den Insolvenzverwalter bindend. Der Verfolgung von Sonderinteressen wird in der Gläubigerversammlung durch die Aufhebungsmöglichkeit nach § 78 InsO und Stimmverbote begegnet.
593 Vgl. dazu Pape, NZI 2006, 65 (66), der von einer „faktischen Sperre“ spricht.
594 Siehe dazu oben S. 66 ff.
595 Vgl. Frind, ZInsO 2006, 182 (184); Uhlenbruck, InsO, § 58 RN 12.
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Die Gläubigerversammlung kann einen Gläubigerausschuss einsetzen, der ihre Aufgaben wahrnimmt. Eine ausgewogene Repräsentation aller Gläubigergruppen in
dem Gläubigerausschuss lässt sich nur in den Grenzen des § 78 InsO durchsetzen.
Bei Entscheidungen des Gläubigerausschusses werden die Gläubiger durch die Haftung der Ausschussmitglieder und über Stimmverbote vor der Verfolgung von Sonderinteressen geschützt.
Insgesamt können die Gläubiger in großem Umfang an dem Verfahren partizipieren.
Die Stimmrechte der absonderungsberechtigten Gläubiger und die Haftung des
Gläubigerausschusses einerseits sowie der eingeschränkte Schutzzweck von
§ 78 InsO stehen zueinander in einem Wertungswiderspruch.
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References
Zusammenfassung
Die umfassende Gläubigerbeteiligung hat eine lange Tradition im deutschen Insolvenzrecht. In der Praxis beteiligen sich die Gläubiger jedoch häufig nicht. Dieser Umstand und unausgewogene Entscheidungen der Gläubiger können das Verfahrensziel, die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger, gefährden. Die Untersuchung vergleicht die Gläubigerbeteiligung nach der deutschen Insolvenzordnung mit der durch das decreto legislativo 9 gennaio 2006, n. 5 und das decreto legislativo 12 Settembre 2007, n. 169 reformierten legge fallimentare. Die Arbeit erörtert umfassend aktuelle juristische Fragen. Der rechtsvergleichende Teil bezieht Ansätze der ökonomischen Analyse des Rechts und der Verhaltensökonomik ein, um konkrete Änderungsvorschläge zu erarbeiten.