34
Die Menschenwürdegarantie konkretisiert für einzelne Lebensbereiche ein Element der freien Entfaltung der Persönlichkeit, das sich als Recht auf Respektierung
des geschützten Bereichs von dem aktiven Element der allgemeinen Handlungsfreiheit abhebt.114
C. Die für die Untersuchung relevanten Ausprägungen des Schutzbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
Eine Konkretisierung des Inhalts und der Grenzen des grundrechtlichen Schutzbereichs ist unabdingbar, sind die Grundrechte doch nach ihrer sprachlichen Fassung
bloße „Lapidarformeln und Grundsatzbestimmungen“.115 Um nicht zu einer „unförmigen Masse programmatischer Gesichtspunkte zusammenzuschmelzen“,116 sondern um effektiv wirken zu können, bedürfen sie einer ausfüllenden Interpretation.
Dies gilt erst recht für das allgemeine Persönlichkeitsrecht, ergibt sich das Grundrecht selbst doch erst aus einer verfassungsinterpretierenden Zusammenschau zweier
Grundrechte, die aus sich selbst heraus von inhaltlicher Eindeutigkeit weit entfernt
sind.
I. Schutzbereich
Wird auch das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG
als umfassendes Freiheitsrecht interpretiert117 und im Vergleich dazu der Schutzumfang des allgemeinen Persönlichkeitsrechts enger ausgelegt, ist - unabhängig davon,
welche Grundrechtstheorie118 bei der Grundrechtsinterpretation zu Grunde gelegt
wird – auch der sachliche Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in
seiner Vielfalt einer abschließenden Umschreibung nicht zugänglich.
114 BVerfGE 54, S. 148, 153.
115 Böckenförde, NJW 1974, S. 1529. Vertreter der Weimarer Staatsrechtslehre verstanden einige
Grundrechte nicht zuletzt deshalb als reine Programmsätze und nicht als subjektive Rechte,
Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, S. 514.
116 Lerche, Schutzbereich, Grundrechtsprägung, Grundrechtseingriff, in: Isensee/Kirchhof,
Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 121 Rn. 1.
117 BVerfGE 80, S. 137, 152; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Art. 2 GG Rn.
11; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 2 Abs. 1 GG Rn. 12; Erichsen, Allgemeine
Handlungsfreiheit, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VI, § 152 Rn. 13.
118 Die wesentlichen Grundrechtstheorien („systematisch orientierte Auffassung über den allgemeinen Charakter, die normative Zielrichtung und die inhaltliche Reichweite der Grundrechte“, Böckenförde, NJW 1974, S. 1529) sind die bürgerlich-rechtsstaatliche, die institutionelle,
die sozialstaatliche, die demokratisch-funktionale und die Werttheorie, die teilweise miteinander kombiniert und von Rechtsprechung und Literatur fall- und grundrechtsbezogen angewandt werden, vgl. Böckenförde, NJW 1974, S. 1529, 1530, zum Ganzen Willke, Stand und
Kritik der neueren Grundrechtstheorie und Alexy, Theorie der Grundrechte.
35
Dies ist auch eine notwendige Folge der Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, weil
sich der Inhalt der Würde durch gesellschaftlichen Wandel und gesellschaftliche
Entwicklung aktualisiert.119 Die grundrechtskonturierenden Mechanismen des (einfachen) Gesetzgebers können nur eine eingeschränkte Wirkung entfalten, weil Art. 1
Abs. 3 GG den gesetzgeberischen Bewegungsbereich begrenzt.120
Ganz offen bekennt sich die Verfassungsjudikatur zu einem typologischen Vorgehen, anstatt den Schutzbereich mit einer festen Formel zu beschreiben.121
In diesem Zusammenhang spricht auch das Bundesverfassungsgericht von der
Entwicklungsoffenheit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts,122 die eine adäquate
Reaktion auf immer wieder kurzfristig zu Tage tretende Probleme ermöglicht. Gerade der Einfluss von Art. 1 Abs. 1 GG darf aber nicht dazu führen, dass mit dem
„Totschlagsargument“ der Menschenwürde, alles einer (verfassungs-) gerichtlichen
Prüfung zugeführt wird, was gerade beliebt.123
Unter Beachtung des Zwecks der Rechtsfigur, die einen Schutz vor Beeinträchtigungen der Selbstbestimmung, einer engen persönlichen Lebenssphäre und der
Grundbedingungen der Persönlichkeitsentfaltung gewähren soll,124 wird in der Literatur und Rechtsprechung versucht, eine Konkretisierung durch eine fallgruppenartige Analyse bestimmter Verletzungssituationen vorzunehmen.125 Dabei haben sich
einzelne Schutzgüter des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kasuistisch herausgebildet, die den Umfang des grundgesetzlichen Persönlichkeitsschutzes deutlicher werden lassen. Diese Bildung von Fallgruppen setzt aber notwendig die Bestimmung
dessen voraus, was verletzt wird, also die Beantwortung der Frage, worin der eigentliche verfassungsrechtliche Wert des Grundrechts liegt. Eine genauere Betrachtung
einzelner wesentlicher Fallgruppen zeigt jedoch, dass sich der Selbstbestimmungsgedanke dort inhaltlich und zum Teil auch begrifflich festgesetzt hat.
119 Vgl. oben, Erster Teil, § 1 B, S. 31.
120 Lerche, Schutzbereich, Grundrechtsprägung, Grundrechtseingriff, in: Isensee/Kirchhof,
Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 121 Rn. 3.
121 Vgl. BVerfGE 54, S. 148, 153; BVerfGE 65, S. 1, 41.
122 BVerfGE 54, S. 148, 153; BVerfGE 65, S. 1, 41; BVerfGE 72, S. 155, 170; BVerfGE 79, S.
256, 268.
123 Vgl. Giesen, JZ 1994, S. 286, 289.
124 Vgl. Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 2 Abs. 1 GG Rn. 147.
125 BVerfGE 54, S. 208, 217; BVerfGE 65, S. 1, 42.
Diese Einteilungen sind zum einen nicht als abschließend zu verstehen und unterscheiden sich
zum anderen in ihren Einzelheiten, vgl. Degenhart, JuS 1992, S. 361, 363; Dreier, in Dreier,
Grundgesetz, Art. 2 GG Rn. 70 ff; Jarass, NJW 1989, S.857, 858; Hillgruber, in: Umbach/Clemens, Grundgesetz, Art. 2 Abs. 1 GG Rn. 45.
36
1. Ehrschutz
Dieses Element der Selbstbestimmung lässt sich bei näherer Betrachtung auch bei
dem vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützten Recht auf Ehre finden. Die
persönliche Ehre ist in Art. 5 Abs. 2 GG zwar ausdrücklich genannt, allerdings nicht
als eigenständiges Grundrecht, sondern als Schranke der Kommunikationsgrundrechte. Für den verfassungsrechtlichen Schutz der Ehre bedarf es daher des Rückgriffs auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht.126 Die grundrechtliche Verankerung
bewirkt aber in gewisser Weise eine Verstärkung des Ehrschutzes gegenüber kollidierenden Drittrechten aus Art. 5 Abs. 1 GG.
Der Einzelne wird dadurch vor Herabsetzung und Kränkung,127 also vor Rufschädigungen, die geeignet sind, das Bild des Betroffenen in der Öffentlichkeit negativ
zu beeinflussen,128 geschützt. Ehrschutz bedeutet Schutz der sozialen Anerkennung,
des sozialen Geltungsanspruchs.129 Dieser soziale Geltungsanspruch wird freilich
nicht vom Rechtsträger in freier Selbstbestimmung festgelegt. Schutzobjekt ist der
dem Einzelnen berechtigterweise zustehende Geltungswert.130 Dieser Wert ist aber
das Ergebnis dessen selbstbestimmten Verhaltens.
2. Selbstdarstellung (in der Öffentlichkeit)
Der verfassungsrechtlich gewährte Schutz der Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit
geht in die Richtung, dass der Einzelne grundsätzlich selbst darüber befinden dürfen
soll, wie er sich gegenüber Dritten oder der Öffentlichkeit darstellen will, was seinen
sozialen Geltungsanspruch ausmachen soll und ob oder inwieweit Dritte über seine
Persönlichkeit verfügen können, indem sie diese zum Gegenstand öffentlicher Erörterung machen.131 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht wirkt hier als „Schutz des
Selbstbestimmungsrechts über die Darstellung des persönlichen Lebens- und Charakterbildes“.132
Der Schutz der Selbstdarstellung und der Schutz der Privatsphäre berühren sich
dort, wo die Darstellung in der Öffentlichkeit zugleich die engere persönliche Lebenssphäre betrifft.
126 BVerfGE 54, S. 208, 217; Bethge, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 5 Rn. 163; Kunig, in: v.
Münch/Kunig, Grundgesetz, Art. 2 GG Rn. 35; vereinzelt wird die grundrechtliche Verankerung des Ehrenschutzes in Frage gestellt, Kübler, NJW 1999, S. 1281, 1285.
127 BVerfG NJW 1991, S. 95, 96.
128 BVerfGE 54, S. 208, 218; BVerfGE 99, S. 185, 193; BGHZ 26, S. 349 ff.; BGHZ 66, S. 182
ff.
129 BVerfGE 54, S. 208, 217; BVerfGE 99, S. 185, 193; Vgl. Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 2 Abs. 1 GG Rn. 169.
130 Vgl. BGHSt 11, S. 71; Lenckner, in: Schöncke/Schröder, StGB, Vor § 185 StGB Rn. 1.
131 BVerfGE 63, S. 131, 142.
132 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 2 Abs. 1 GG Rn. 166; Vgl. BVerfGE 35, S.
202, 220 ff.; BVerfG NJW 2000, S. 1859 ff.; Degenhart, JuS 1992, S. 361, 365.
37
Das klassische Beispiel hierfür ist die Verwertung von Tagebuchaufzeichnungen
im Strafprozess.133 Das Bundesverfassungsgericht verknüpft in dieser Entscheidung
den Gedanken der Selbstbestimmung in Bezug auf die Offenbarung bestimmter persönlicher Lebenssachverhalte mit dem unantastbaren Bereich privaten Lebens.
Die Eigenständigkeit des Selbstdarstellungsschutzes tritt dort hervor, wo die Darstellung des Einzelnen nicht den Bereich seiner Privatsphäre betrifft, denn der
Schutz der Selbstdarstellung ist gerade nicht auf diesen Bereich beschränkt, sondern
ist thematisch offen.134
Im auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht als besondere Ausprägung des Selbstdarstellungsschutzes in der Öffentlichkeit135 zurückgehenden Recht auf informationelle Selbstbestimmung,136 manifestiert sich die enge Beziehung zwischen Persönlichkeitsanspruch und Autonomiegedanke schon sprachlich. Inhaltlich gewährleistet
das neu geschaffene „Grundrecht auf Datenschutz“ 137 gerade die freie Selbstbestimmung über die eigene Person.138
3. Insbesondere: Privatsphäre/Selbstentfaltung
Neben den speziellen Privatsphärenschutzgrundrechten der Art. 10 und 13 GG139
wird der Schutz über eine besondere Fallgruppe des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gewährt. Gewährleistung der Privatsphäre meint hier Selbstentfaltung innerhalb und Schutz der „engeren persönlichen Lebenssphäre“140. Dem Einzelnen wird
ein abgeschirmter Bereich privater Lebensgestaltung und persönlicher Entwicklung
gewährt.
133 BVerfGE 80, S. 367, 373 ff.
134 Vgl. BVerfGE 65, S. 1, 45 ff.
135 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 2 Abs. 1 GG Rn. 166.
136 Zusammenfassend gewährt dieses Recht einen Abwehranspruch gegen die staatliche Erhebung personenbezogener Daten. Umfassend hierzu Vogelgesang, Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung?, S. 1 ff.
137 Vgl. Ipsen, Staatsrecht II: Grundrechte, Rn. 318, der in der Kreation dieses Rechts eine Umgehung der parlamentarischen Willensbildung zur Verfassungsänderung sieht.
138 BVerfGE 65, S. 1, 42.
139 Zum Teil werden auch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, vgl. Schmitt-Glaeser, Schutz der Privatsphäre,
in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VI, § 129 Rn. 3 und auch Art. 5, 6, 8
und 9 GG als spezielle Gewährleistungen der Privatsphäre angesehen, vgl. Rohlf, Der grundrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 136 ff, 171 ff. Dabei ist Schutzgegenstand vordergründig das Erheben von Informationen aus dem Persönlichkeitsbereich. Das BVerfG hingegen
hat diese Grundrechte bisher noch nicht als Prüfungsmaßstab für den Privatsphärenschutz herangezogen.
140 Der Begriff wird bspw. verwendet von BVerfGE 54, S. 148, 153; BVerfGE 96, S. 171, 181.
38
In diesem Bereich kann er Intimität wahren, sich dem Einblick des Staates und
Dritter entziehen, hier muss er sich nicht öffentlicher Kontrolle unterwerfen, kann
selbst gestaltend tätig werden und ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Verhaltenserwartungen verkehren.141
Der Persönlichkeitsschutz in diesem Bereich verläuft in zwei Richtungen, eine
thematische und eine räumliche.142 Die thematische Komponente erfasst Angelegenheiten, die typischerweise der engeren persönlichen Lebenssphäre zugewiesen werden, „weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt,
das bekannt werden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der
Umwelt auslöst.“ 143
Hierher gehören etwa Tagebuchaufzeichnungen144, die vertrauliche Kommunikation unter Eheleuten145, der Bereich der Sexualität146 oder auch als besonders aktueller Aspekt der Umgang mit dem persönlichen DNA-Identifizierungsmuster147.
Die räumliche Komponente erstreckt den Schutz auf einen Bereich, „in dem der
Einzelne zu sich kommen, sich entspannen oder auch gehen lassen kann“148, gewährleistet also einen räumlichen Rückzugsbereich, wo er nicht mit der Anwesenheit Fremder rechnen muss und sich daher rein selbstbestimmt bewegen kann. Auch
hier ist es also letztlich die Autonomie, die die Basis für die Sphärenbildung darstellt.
4. Recht am eigenen Bild
Eng verbunden mit dem Privatsphärenschutz aber auch mit der Selbstdarstellung ist
der Schutz des Rechts am eigenen Bild.
a) Dogmatischer Ansatz
Das Recht am eigenen Bild stellt in Rechtsprechung und Literatur unbestritten eine
besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar,149 die mit der Person als solcher besonders eng – weil untrennbar mit ihr verbunden - verknüpft ist.
141 Vgl. BVerfG NJW 1995, S. 1477; Kunig, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz, Art. 2 GG Rn. 32
ff.
142 BVerfGE 101, S. 361, 382.
143 BVerfGE 101, S. 361, 382.
144 BVerfGE 80, S. 307.
145 BVerfGE 27, S. 344.
146 BVerfGE 47, S. 46.
147 BVerfG NJW 2001, S. 879 ff.
148 BVerfGE 101, S. 361, 382.
149 BVerfGE 34, S. 238, 246; BVerfGE 35, S. 202, 224; BVerfGE 54, S. 148, 154; BVerfGE 97,
S. 228, 268; Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 781; Seifert, NJW 1999, S. 1889, 1890.
39
Gerade das Abbild verleiht dem Menschen seine unverwechselbare, einmalige
Individualität und Identität.150 Zwar liegen die rechtstheoretischen Ansätze hier im
Urheberrecht, sollte sich doch an den erschaffenen Objekten das Recht der schaffenden Person fortsetzen.151 Doch bald wurde erkannt, dass der dogmatische Ansatz des
Rechts am eigenen Bild nicht auf der Erschaffung des Bildes basieren darf, sondern
vom Persönlichkeitsrecht ausgehen muss.152 Eine andere Sichtweise würde den
Bildnisschutz auf die Fälle reduzieren, in denen die Fotografie zugleich dem Schutz
des Urheberrechts unterfällt. In Abgrenzung zum urheberrechtlichen Güterschutz
wirkt auch hier das Selbstbestimmungsrecht als Verfügungsmacht über persönliche
Inhalte.153
b) Konkretisierung des Schutzinhalts
Vor dem Hintergrund der Entscheidung des EGMR vom 24.06.2004154 bedarf die
Schutzbereichsbestimmung des Rechts am eigenen Bild einer eingehenderen Betrachtung. Mit der fortschreitenden Entwicklung der Bild- und Kommunikationstechnik gewinnt gerade dieser Aspekt des Persönlichkeitsschutzes immer mehr an
Bedeutung, weil die dadurch möglich gewordenen Einbrüche in das Leben der Menschen ein bedrohliches Ausmaß erreichen.155 So erklärt das BVerfG die Notwendigkeit eines solchen Schutzes des Bildnisses explizit mit dem Hinweis auf die heutigen
technischen Möglichkeiten, „das Erscheinungsbild eines Menschen in einer be-
150 Keyßner, Das Recht am eigenen Bilde, S. 19 ff.: „Die Person wird gekennzeichnet durch den
Namen. (...) Die Person wird in ihrem Bilde wahrnehmbar vorgeführt. Die Kennzeichnung
durch das eigene Bild ist deshalb für die Person eine viel ergreifendere als durch den verhallenden Namen.“ Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögenswerte, S. 12.
151 Vgl. Coing, Die Entwicklung der Persönlichkeitsrechte im 19. Jahrhundert, in: FS Maihofer,
S. 82; Gareis, Buschs Archiv 1877, S. 185 ff.
152 Kohler, Das Eigenbild im Recht, S.9.
153 Vgl. Lehmann/Hübner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, S. 431.
154 EGMR NJW 2004, S. 2647 ff.-Caroline von Hannover.
155 Erkannte bereits das Reichsgericht die mit der Entwicklung der Fotografie aufkommende
Problematik, siehe oben, Erster Teil, § 1 A I 1, S. 21, so gilt dies heute um so mehr. Die neuen unauffälligen technischen Möglichkeiten der Herstellung von Bildern durch Webcams und
Mobiltelefone - 9 von 10 der heute neu verkauften Mobiltelefone haben eine eingebaute Digitalkamera mit einer technischen Ausstattung, die bis vor wenigen Jahren nur professionelles
Fotoequipment aufweisen konnte – machen heimliche Aufnahmen an allen möglichen Orten
und intimer Situationen kinderleicht. Über das Internet werden so hergestellte Bilder in diversen Foren einem breiten Publikum zugänglich gemacht. Auf diese Gefahr weist auch der Bundesdatenschutzbeauftragte zutreffend hin, der eine steigende Anzahl solcher voyeuristischer
Fälle unter Ausnutzung der eben beschriebenen technischen Möglichkeiten festgestellt hat, 19.
Tätigkeitsbericht 2001/2002, S. 50 unter www.bundesdatenschutzbeauftragter.de; vgl. auch
den 20. Tätigkeitsbericht 2003/2004, S. 99, ebenfalls unter www.bundesdatenschutzbeauftragter.de.
40
stimmten Situation von diesem abzulösen, datenmäßig zu fixieren und jederzeit vor
einem unüberschaubaren Personenkreis zu reproduzieren“156.
Diese Entwicklung zeigt sich auch an einer ständig zunehmenden Visualisierung
der Medienlandschaft. Damit einher geht eine stetig steigende Zahl an Bildrechtsverletzungen, die zu einem großen Teil nicht einmal bekannt werden.157 Bereits früh
erkannte in diesem Zusammenhang daher auch das Bundesverfassungsgericht: „Das
Recht darf sich in diesem Punkt der technischen Entwicklung nicht beugen.“158 Die
gestiegene Bedeutung des Bildnisschutzes ist aber nicht nur der technischen Entwicklung geschuldet, sondern ist zugleich Ausdruck dessen, dass sich das allgemeine Persönlichkeitsbewusstsein verfeinert hat.
Das Recht am eigenen Bild schützt den Einzelnen vor der Anfertigung und Verwendung von Fotografien oder Aufzeichnungen seiner Person durch andere.159 Das
Schutzbedürfnis geht dabei in zwei Richtungen.
Zum einen besteht die Möglichkeit, die jeweiligen Bilder durch Veröffentlichung
einem unüberschaubaren Personenkreis zugänglich zu machen, zum anderen setzen
die technischen Möglichkeiten der Manipulation und Verfälschung kaum noch
Grenzen.
5. Zusammenfassung
Werden auch einzelne Ausprägungen und Schutzgüter des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Fallgruppenbildung erfasst, so zeigt sich durchgängig der von der
Menschenwürdegarantie ausstrahlende Selbstbestimmungsgedanke als Basis und
jeweiliges Leitmotiv.160 Entscheidungen des BVerfG lassen allerdings zuweilen
Zweifel daran aufkommen, ob diesem Recht im Konfliktfall der ihm gebührende
Stellenwert beigemessen wird.
II. Die Schranken des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht wird trotz seines Bezugs zur Würde des Menschen aus Art. 1 GG nicht uneingeschränkt gewährleistet. Als soziales Wesen steht
der Mensch zwingend mehr oder weniger in Beziehungen mit anderen, was seine
persönliche Freiheit naturgemäß beschränken muss.
156 BVerfGE 101, S. 361, 381.
157 Vgl. Fn. 155.
158 BVerfG NJW 1996, S. 2353, 2354; BVerfGE 35, S. 202, 227.
159 BVerfGE 101, S. 361, 381; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Art. 2 GG Rn.
92.
160 Vgl. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch
des Verfassungsrechts, Band 1, § 12 Rn. 104 ff.
41
Die Zulässigkeit von Eingriffen in den Bereich des privaten Lebens misst das
Bundesverfassungsgericht streng am Verhältnismäßigkeitsgebot und wendet dabei
die Grundsätze an, die es in seiner Rechtsprechung über die verfassungsrechtliche
Zulässigkeit von Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit entwickelt hat.161 Das
allgemeine Persönlichkeitsrecht ist der Schrankentrias des Art. 2 Abs. 1 GG unterworfen162 und unterliegt daher grundsätzlich denselben Beschränkungsmöglichkeiten, wie das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit.
Im Ergebnis muss das allgemeine Persönlichkeitsrecht aber weniger weit gehenden Einschränkungsmöglichkeiten unterliegen, als die allgemeine Handlungsfreiheit.163 Denn letztlich garantiert Art. 2 Abs. 1 GG zwei Grundrechte. Das allgemeine
Persönlichkeitsrecht hat sich zu einem eigenen Grundrecht verselbständigt. Anders
als die allgemeine Handlungsfreiheit hat es aber durch die Verbindung mit Art. 1
Abs. 1 GG eine deutliche Verstärkung erfahren. Diese Verstärkung beschränkt sich
nicht nur auf die Ermittlung des Schutzbereichs, sondern muss sich konsequenterweise auch in der Schrankenregelung niederschlagen. Anderenfalls verlöre der Menschenwürdegehalt des Grundrechts deutlich an Einfluss.
Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Beschränkbarkeit dieses
Grundrechts dürfen aber auch nicht überspitzt werden. Denn dogmatisch bleibt das
allgemeine Persönlichkeitsrecht in Art. 2 Abs. 1 verankert, der Bezug zur Menschenwürde dient „nur“ der inhaltlichen Ausgestaltung, der Reichweite des Grundrechts (vgl. § 1 B II, S. 18). Dieser Konflikt wird dadurch gelöst, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht zwar einerseits im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung einschränkbar ist, andererseits aber hinsichtlich Verhältnismäßigkeit und Bestimmtheit strengere Anforderungen gelten als es bei der allgemeinen Handlungsfreiheit der Fall ist.164
§ 2: Das „allgemeine Persönlichkeitsrecht“ in der EMRK
Das Ziel der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden EMRK, Konvention) war es, Schutz gegen Tyrannei, Unterdrückung und Totalitarismus zu gewährleisten.165
161 BVerfGE 32, S. 373, 379; BVerfGE 34, S. 238, 246.
162 BVerfGE 65, S. 1, 44; BVerfGE 78, S. 77, 85.
163 Jedenfalls im Ergebnis nicht ernsthaft bestritten; Dreier, in Dreier, Grundgesetz, Art. 2 GG
Rn. 86; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 2 Abs.1 GG Rn. 157.
164 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Art. 2 GG Rn. 59, 60; Sachs, Verfassungsrecht II, S.
193.
165 Stieglitz, Allgemeine Lehren im Grundrechtsverständnis nach der EMRK und der Grundrechtsjudikatur des EuGH, S. 21.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Der Autor wendet sich der viel diskutierten Frage zu, wie Persönlichkeitsschutz einerseits, Meinungs- und Pressefreiheit andererseits in einer freiheitlichen Rechtsordnung zueinander stehen. Neu dimensionierte Verletzungsmodalitäten in der Medien- und Informationsgesellschaft verlangen eine Überprüfung der bisher nach deutschem Recht vor allem von der Rechtsprechung zum Verhältnis Persönlichkeitsrecht – Meinungs-/Pressefreiheit entwickelten Rechtsgrundsätze.
Ausgehend vom Schutzgut des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, dem fundamentalen und mit der Menschenwürde in Verbindung stehenden Recht auf Selbstbestimmung, misst der Verfasser die Grundsätze der Konfliktlösung nach deutschem Recht an europäischen Standards und rekonstruiert davon ausgehend den Problemzugang zum nationalen Recht.
Das Werk weist einen Weg, wie der Achtungsanspruch des Einzelnen in verfassungsrechtlich gebotener Weise aufgewertet werden kann, ohne die konstitutive Funktion der Meinungs- und Pressefreiheit für das europäische Modell der pluralistischen Demokratie zu vernachlässigen.