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gieversorger wie ein Privater Dienstleistungen erbringt. In Art. 86 Abs. 1 EG-
Vertrag sind besondere Ausnahmen für öffentliche Unternehmen ausdrücklich untersagt. Es wäre eine nicht erklärbare Ungleichbehandlung, diesem Unternehmen
weitergehende öffentliche Pflichten aufzuerlegen, als seinen Mitbewerbern, sofern
nicht die Versorgung mit Energie bereits ausgefallen ist oder ein Ausfall unmittelbar
droht.1050 Es ist daher konsequent, dass ein kommunaler Energieversorger auch in
einer Situation, in der die Versorgung der Bevölkerung mit Energie auf einem lokalen Markt für die Zukunft geregelt werden soll, genau so behandelt wird,wie alle
anderen privaten Unternehmen, die mit der Aufgabe der Energieversorgung betraut
werden könnten. Dieses Ergebnis rechtfertigt sich auch mit der Überlegung, dass
sonst die Betrauung eines kommunalen Energieversorgers stets um den angemessenen Gewinnanteil günstiger wäre als bei einem vergleichbaren privaten Unternehmen. Im Wettbewerb um die Betrauung im Rahmen einer Ausschreibung der Übernahme der Grundversorgung hätten private Unternehmen daher einen nicht zu rechtfertigenden Nachteil, da ihr Angebot mit Gewinnanteil günstiger sein müsste als das
Angebot des kommunalen Energieversorgers ohne Gewinnanteil.
VI. Verobjektivierter Kostenmaßstab eines durchschnittlich gut geführten Unternehmens
Die größten praktischen Probleme wirft die letzte vom EuGH aufgestellte Voraussetzung auf, nämlich der verobjektivierte Kostenmaßstab eines durchschnittlich gut
geführten Unternehmens. Während der EuGH in der Rechtssache „Ferring“1051 noch
offen ließ, ob nicht die subjektiven Kosten des betrauten Unternehmens zu ersetzen
seien1052, die tatsächlich bei der Erledigung der übertragenen Aufgabe anfallen1053,
wird in der „Altmark Trans“ – Entscheidung ein objektiver Maßstab angelegt. Ersetzt werden nur die Kosten eines durchschnittlichen, unter Wettbewerbsbedingungen gut geführten Unternehmens, das so angemessen mit Transportmitteln ausgestattet ist, dass es den gestellten gemeinwirtschaftlichen Anforderungen genügen kann,
wobei die erzielten Einnahmen und ein angemessener Gewinn zu berücksichtigen
sind.1054 Allerdings stellen weder der EuGH noch die Kommission klar, wann ein
Unternehmen durchschnittlich gut geführt ist. Möglich wäre beispielsweise eine
1050 Zu dieser besonderen Situation der Leistungsverantwortung des Staates vgl. schon oben.
1051 EuGH, Urt. v. 22.11.2001, Rs. C-53/00 – „Ferring“, Slg. 2001, I-9067, Tz. 92.
1052 Im Bereich der Telekommunikation wurde beispielsweise für die Entgeltregulierung der
Effizienzansatz gewählt, vgl. dazu Busse von Colbe in Säcker, Berliner Kommentar zum
TKG, 2006, vor § 27, Rn. 40 ff.; Stamm, Die Entgeltregulierung im TKG, 2001, S. 174 ff.
1053 Vgl. Nettesheim, EWS 2002, 253, 262 f.; kritisch Koenig/Kühling, DVBl. 2003, 289, 293.
1054 EuGH, Urt. v. 24.07.2003, Rs. 280/00 – „Altmark Trans“, Slg. 2003, I-7747, Rz. 93; Kritisch
Jennert, NVwZ 2004, 425, 427: Dies bringe nicht nur Rechtsunsicherheit, sondern auch eine
Bevorzugung der öffentlichen Hand.
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Analyse aller vergleichbaren Märkte und der darauf tätigen Teilnehmer, aus deren
Durchschnitt sich ergibt, was von einem durchschnittlich gut geführten Unternehmen an Effizienz erwartet werden kann. Sind mehrere Wettbewerber auf einem
räumlichen Markt tätig, kommt grundsätzlich eine Analyse nur dieser Marktteilnehmer in Betracht; dadurch würden die Besonderheiten eines bestimmten räumlichen Marktes besser berücksichtigt.
1. Monopolmärkte und fehlende Vergleichsmärkte für Netzbetreiber
Schwierigkeiten bereitet diese Methode insbesondere auf Märkten, in denen kein
Wettbewerb herrscht. So ist beispielsweise für den Netzbetrieb ein Vergleich mit
Unternehmen auf dem gleichen Markt nicht möglich. Auch ein anderer lokaler
Markt kann nur bedingt als Vergleichsmarkt herangezogen werden, da auch dort
regelmäßig nur Wettbewerb um den Markt, nicht jedoch im Markt herrscht. Es ist
zweifelhaft, ob bei einer Konzessionsdauer von 20 Jahren tatsächlich davon ausgegangen werden kann, dass das netzbetreibende Unternehmen durchschnittlich gut
geführt wird. Monopolistische Märkte führen häufig zu Ineffizienzen, da nach der
Übernahme des Konzessionsgebietes Anreize zur Kostenminimierung fehlen.1055
Diese Folge könnte durch die Anreizregulierung im Netzbereich verhindert werden.
Wie gezeigt, substituiert die Anreizregulierung auf Monopolmärkten den Wettbewerb, indem sie den Unternehmen vergleichbare Bedingungen auferlegt, wie sie sich
sonst im Wettbewerb ergeben würden.1056 Die regulierten Netzentgelte orientieren
sich dabei jeweils am effizientest arbeitenden Netzbetreiber. Allerdings bestehen
noch keine empirischen Belege, dass dieses Verfahren tatsächlich den gewünschten
Erfolg mit sich bringt. Ineffizienzen können deshalb durch die Anreizregulierung
vermindert werden, zwingend ist dies jedoch nicht. Daher ist auch auf dem regulierten Netzmarkt in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen, ob ein Abschlag für gegebenenfalls existierende Ineffizienzen vorzunehmen ist.1057
2. Vergleichsmärkte für die Endkundenversorgung mit Energie
Einfacher gestaltet sich der Vergleich im Bereich der Endkundenversorgungsleistungen. Durch die Liberalisierung des Energiemarktes handelt es sich hier grundsätzlich um Wettbewerbsmärkte. Daher können die Unternehmen und Preise auf
Vergleichsmärkten, auf denen tatsächlich Wettbewerb herrscht, herangezogen werden, um die Kosten eines durchschnittlich gut geführten Unternehmens zu ermitteln.
1055 Vgl. Borrmann/Fiesinger, Markt und Regulierung, 1999, S. 47 m.w.N.
1056 Siehe dazu oben S. 198 f.
1057 Vgl. auch Koenig, BB 2003, 2185, 2187 f.
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Je mehr vergleichbare lokale Märkte bestehen, die für diesen Vergleich hinsichtlich
Größe, Verbrauch, Struktur und regionaler Besonderheiten mit dem Markt, auf dem
ein Unternehmen besonders mit der Grundversorgung betraut werden soll, in Betracht kommen, desto genauer können die Effizienzvorgaben für ein durchschnittlich
gut geführtes Unternehmen ermittelt werden.
3. Vergleichsmärkte für integrierte Energieversorgungsunternehmen
Auch für Energieversorgungsunternehmen, die sowohl die Versorgung als auch den
Netzbetrieb in einem Netzgebiet übernommen haben, da auf Grund der de-minimis-
Klausel in § 7 Abs. 2 EnWG 2005 der Netzbetrieb nicht von der Versorgung getrennt wurde, bietet die Vergleichsmarktmethode ebenfalls einen Ansatz, um möglichst präzise die objektiven Kosten für die Versorgung des Netzgebietes zu errechnen. Zwar lassen sich die Kosten durch Quersubventionen möglicherweise in den
beiden Bereichen verzerren, in der Gesamtschau lässt sich jedoch ein annäherungsweise verlässlicher Maßstab finden. Gegebenenfalls ist ein Abschlag für vermutete
Ineffizienzen vorzunehmen.
VII. Pflicht zu einem Ausschreibungsverfahren?
Eine Kostenanalyse ist nach den vom EuGH aufgestellten Grundsätzen jedoch dann
nicht notwendig, wenn der Auftrag im Rahmen eines „hinreichend publizierten,
allgemeinen und bedingungsfreien Bietverfahrens“1058 vergeben wird, in dem dasjenige Unternehmen mit der Versorgung bzw. dem Netzbetrieb betraut wird, das das
wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat.1059 Fraglich ist, ob für den Fall, dass nur
ein kommunales Energieversorgungsunternehmen auf einem Markt tätig ist und sich
in einer Krise befindet, oder im Übrigen die aktuellen Wettbewerber nicht in der
Lage wären, die Grundversorgung zu übernehmen, die öffentliche Hand verpflichtet
ist, die Betrauung mit der Grundversorgung nach vergaberechtlichen Grundsätzen1060 auszuschreiben. Diese Ausschreibung muss als Bedingung insbesondere das
Zielpentagon des § 1 EnWG 2005 enthalten. Sie erfolgt nach der Verordnung über
1058 Kommission, Entsch. v. 09.04.2001, Beihilfe N 610/01 – „Tourismusinfrastrukturprogramm
Baden-Württemberg“; EuGH, Urt. v. 24.07.2003, Rs. 280/00 – „Altmark Trans“, Slg. 2003, I-
7747, Rz. 92, 95.
1059 Vgl. § 97 Abs. 5 GWB. Dieses Kriterium ist eng mit dem Begriff des Preis-Leistungs-
Verhältnisses verbunden, vgl. Bechtold, GWB, 4.A., 2006, § 97, Rn. 36.
1060 Vgl. Koenig/Kühling/Ritter, EG-Beihilfenrecht, 2.A., 2005, Rn. 92 mit dem Hinweis, dass die
„Beihilfenrechtliche Anforderungstrias der Diskriminierungsfreiheit, Transparenz und Wettbewerbsoffenheit mit den allgemeinen Steuerungsprinzipien des Vergaberechts korrespondiert“.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die herausfordernde Aufgabe, den Energiemarkt zu liberalisieren und dem Wettbewerb zu öffnen, hat die kommunalen Energieversorger in Deutschland, die historisch bedingt über Jahrzehnte gewachsen sind, kaum berücksichtigt. Viele Stadtwerke bewegen sich mit Ihren Mitteln, wettbewerbsfähig zu bleiben, in einer juristischen Grauzone zwischen Wettbewerbspostulat und kommunalrechtlichen Beschränkungen. Hier besteht politischer Handlungsbedarf, wobei u.a. die Bedeutung der Stadtwerke für die lokale soziale Infrastruktur mit dem Erreichen eines unverfälschten Energiemarktes abgewogen werden muss. Geraten kommunale EVU neben oder sogar aufgrund dieser „Legitimationskrise“ in eine wirtschaftliche Schieflage, so ist fraglich, ob und wie eine staatliche Rettung in Betracht kommt.
Die Verantwortung des Staates ist in der Zeit einer der schwersten Finanzkrisen der Weltwirtschaft ein hoch umstrittenes Thema. Zu berücksichtigen ist, dass es der Staat ist, der eine sichere Energieversorgung garantieren muss, wobei Grundversorgung und sozialstaatliche Verantwortung mit dem europäischen Beihilfenrecht zu vereinbaren sind. Die Arbeit regt an, die Entwicklungen in der kommunalen Energiewirtschaft zu überdenken.