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Gewährleistungsverantwortung verletzen. Konsequenzen ergeben sich daraus allerdings nur in haushaltsrechtlicher Hinsicht. Sollte die öffentliche Hand erneut verpflichtet sein, die Leistungsverantwortung übernehmen zu müssen, weil das zuvor
begünstigte kommunale Unternehmen auch mit der Begünstigung nicht kostendeckend wirtschaften konnte, wird gegen den Grundsatz einer sparsamen Haushaltsführung1044 verstoßen.
V. Ausgleich der tatsächlichen Mehrkosten des kommunalen Energieversorgers
Die öffentliche Hand kann die Begünstigung nicht zum Anlass nehmen, den kommunalen Energieversorger vollständig zu sanieren. Kompensationsfähig sind nur
diejenigen Kosten, die bei der Leistungsbereitstellung entstehen, wobei davon die
erzielten Einnahmen abgezogen werden müssen (Netto-Mehrkosten-Prinzip).1045
Abzuziehen sind auch alle sonstigen Vorteile, die durch die Übernahme entstehen,
z.B. die durch die Übernahme der Grundversorgung erzielten Skaleneffekte.1046
Damit darf auch für die Zukunft nur ein Ausgleich gewährt werden, der die dem
Unternehmen durch die Betrauung mit der öffentlichen Aufgabe entstehenden Kosten, nicht aber die bereits in der Vergangenheit entstandenen Kosten deckt.1047 Allerdings ist nach der Rechtsprechung des EuGH auch grundsätzlich ein angemessener Gewinn in die Berechnung der Kosten mit einzustellen.1048 Die Erbringung von
Gemeinwohlleistungen soll nicht ausschließlich eine lästige bzw. nicht lukrative
Tätigkeit sein.
Bedenken bestehen jedoch, ob dies auch für ein kommunales Energieversorgungsunternehmen gelten kann. Anders als ein privater Wettbewerber, unterliegt ein
öffentlicher kommunaler Energieversorger möglicherweise weiterreichenden Verpflichtungen als private Unternehmen. Außerdem bedarf es einer besonderen Erklärung, warum die öffentliche Hand ihren eigenen Unternehmen mit Steuermitteln
einen Gewinn ermöglichen können soll. Allerdings wurde bereits festgestellt, dass
das Verwaltungsprivatrecht auf dem liberalisierten Energiemarkt keine Anwendung
findet.1049 Dieses Ergebnis wurde damit gerechtfertigt, dass der kommunale Ener-
1044 Vgl. dazu schon oben unter V.2.b.bb.ccc.
1045 Koenig/Kühling/Ritter, EG-Beihilfenrecht, 2.A., 2005, Rn. 88; Koenig, BB 2003, 2185, 2186
f.
1046 Koenig/Kühling, ZHR 2002, 656, 680 ff.; dies. EWS, Heft 3/2003, „Die erste Seite“; Koenig/Kühling/Ritter, EG-Beihilfenrecht, 2.A., 2005, Rn. 88.
1047 Entscheidung der Kommission vom 28.11.2005 über die Anwendung von Artikel 86 Abs. 2
EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen, die bestimmten mit der Erbringung von Dienstleistungen
von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betrauten Unternehmen als Ausgleich gewährt, L
312/67, Rz. 12.
1048 EuGH, Urt. v. 24.07.2003, Rs. 280/00 – „Altmark Trans“, Slg. 2003, I-7747, Rz. 92, 95.
1049 Vgl. dazu oben S. 89; 177.
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gieversorger wie ein Privater Dienstleistungen erbringt. In Art. 86 Abs. 1 EG-
Vertrag sind besondere Ausnahmen für öffentliche Unternehmen ausdrücklich untersagt. Es wäre eine nicht erklärbare Ungleichbehandlung, diesem Unternehmen
weitergehende öffentliche Pflichten aufzuerlegen, als seinen Mitbewerbern, sofern
nicht die Versorgung mit Energie bereits ausgefallen ist oder ein Ausfall unmittelbar
droht.1050 Es ist daher konsequent, dass ein kommunaler Energieversorger auch in
einer Situation, in der die Versorgung der Bevölkerung mit Energie auf einem lokalen Markt für die Zukunft geregelt werden soll, genau so behandelt wird,wie alle
anderen privaten Unternehmen, die mit der Aufgabe der Energieversorgung betraut
werden könnten. Dieses Ergebnis rechtfertigt sich auch mit der Überlegung, dass
sonst die Betrauung eines kommunalen Energieversorgers stets um den angemessenen Gewinnanteil günstiger wäre als bei einem vergleichbaren privaten Unternehmen. Im Wettbewerb um die Betrauung im Rahmen einer Ausschreibung der Übernahme der Grundversorgung hätten private Unternehmen daher einen nicht zu rechtfertigenden Nachteil, da ihr Angebot mit Gewinnanteil günstiger sein müsste als das
Angebot des kommunalen Energieversorgers ohne Gewinnanteil.
VI. Verobjektivierter Kostenmaßstab eines durchschnittlich gut geführten Unternehmens
Die größten praktischen Probleme wirft die letzte vom EuGH aufgestellte Voraussetzung auf, nämlich der verobjektivierte Kostenmaßstab eines durchschnittlich gut
geführten Unternehmens. Während der EuGH in der Rechtssache „Ferring“1051 noch
offen ließ, ob nicht die subjektiven Kosten des betrauten Unternehmens zu ersetzen
seien1052, die tatsächlich bei der Erledigung der übertragenen Aufgabe anfallen1053,
wird in der „Altmark Trans“ – Entscheidung ein objektiver Maßstab angelegt. Ersetzt werden nur die Kosten eines durchschnittlichen, unter Wettbewerbsbedingungen gut geführten Unternehmens, das so angemessen mit Transportmitteln ausgestattet ist, dass es den gestellten gemeinwirtschaftlichen Anforderungen genügen kann,
wobei die erzielten Einnahmen und ein angemessener Gewinn zu berücksichtigen
sind.1054 Allerdings stellen weder der EuGH noch die Kommission klar, wann ein
Unternehmen durchschnittlich gut geführt ist. Möglich wäre beispielsweise eine
1050 Zu dieser besonderen Situation der Leistungsverantwortung des Staates vgl. schon oben.
1051 EuGH, Urt. v. 22.11.2001, Rs. C-53/00 – „Ferring“, Slg. 2001, I-9067, Tz. 92.
1052 Im Bereich der Telekommunikation wurde beispielsweise für die Entgeltregulierung der
Effizienzansatz gewählt, vgl. dazu Busse von Colbe in Säcker, Berliner Kommentar zum
TKG, 2006, vor § 27, Rn. 40 ff.; Stamm, Die Entgeltregulierung im TKG, 2001, S. 174 ff.
1053 Vgl. Nettesheim, EWS 2002, 253, 262 f.; kritisch Koenig/Kühling, DVBl. 2003, 289, 293.
1054 EuGH, Urt. v. 24.07.2003, Rs. 280/00 – „Altmark Trans“, Slg. 2003, I-7747, Rz. 93; Kritisch
Jennert, NVwZ 2004, 425, 427: Dies bringe nicht nur Rechtsunsicherheit, sondern auch eine
Bevorzugung der öffentlichen Hand.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die herausfordernde Aufgabe, den Energiemarkt zu liberalisieren und dem Wettbewerb zu öffnen, hat die kommunalen Energieversorger in Deutschland, die historisch bedingt über Jahrzehnte gewachsen sind, kaum berücksichtigt. Viele Stadtwerke bewegen sich mit Ihren Mitteln, wettbewerbsfähig zu bleiben, in einer juristischen Grauzone zwischen Wettbewerbspostulat und kommunalrechtlichen Beschränkungen. Hier besteht politischer Handlungsbedarf, wobei u.a. die Bedeutung der Stadtwerke für die lokale soziale Infrastruktur mit dem Erreichen eines unverfälschten Energiemarktes abgewogen werden muss. Geraten kommunale EVU neben oder sogar aufgrund dieser „Legitimationskrise“ in eine wirtschaftliche Schieflage, so ist fraglich, ob und wie eine staatliche Rettung in Betracht kommt.
Die Verantwortung des Staates ist in der Zeit einer der schwersten Finanzkrisen der Weltwirtschaft ein hoch umstrittenes Thema. Zu berücksichtigen ist, dass es der Staat ist, der eine sichere Energieversorgung garantieren muss, wobei Grundversorgung und sozialstaatliche Verantwortung mit dem europäischen Beihilfenrecht zu vereinbaren sind. Die Arbeit regt an, die Entwicklungen in der kommunalen Energiewirtschaft zu überdenken.