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überhaupt noch zulässt. Zu bedenken ist, dass die Gemeinde offenbar nicht in der
Lage war, das ursprüngliche Unternehmen ohne erhebliche Defizite zu leiten. Erhebliche Schwierigkeiten werden schließlich bestehen, wenn die Netze nicht in eine
eigene Gesellschaft überführt wurden. In diesem Fall dürfte der Kaufpreis für die
Gemeinde nicht finanzierbar sein und somit nach Art und Umfang nicht in einem
angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde stehen.
bbb) Gründung durch den Staat?
Berücksichtigt man, dass die Insolvenz auch bei kommunalen Unternehmen die
Folge von veränderten Rahmenbedingungen oder Missmanagement sein kann, so
bleibt die Frage, inwieweit der Staat, der Adressat der Richtlinie und damit ebenfalls
Garant für die Sicherheit der Energieversorgung ist, verpflichtet sein kann, durch
Gründung eines neuen Versorgungsunternehmens die Energieversorgung in dem
betroffenen Netzgebiet aufrechtzuerhalten. Gesetzliche Regelungen für die Gründung eines staatlichen Unternehmens bestehen nicht, so dass diese Möglichkeit als
letztes Mittel in Betracht kommt. Gründet der Staat jedoch eine juristische Person,
unabhängig davon, ob sie dem öffentlichen oder dem privaten Recht zuzuordnen ist,
so bedarf dieser Gründungsakt einer gesetzlichen Grundlage.838
C. Zusammenfassung
In der misslungenen Regelung der Grundversorgung ist in bestimmen Konstellationen eine Rettungspflicht der öffentlichen Hand angelegt. Zwar hat die öffentliche
Hand ihre Leistungsverantwortung grundsätzlich zugunsten von privatwirtschaftlichem Wettbewerb aufgegeben; die in § 36 EnWG 2005 normierte Grundversorgungsregelung ist jedoch in Einzelfällen nicht ausreichend. Daher kann sich die im
Bereich der Energieversorgung unübertragbare Gewährleistungsverantwortung der
öffentlichen Hand in einigen Fällen wieder zu einer Leistungspflicht wandeln. Im
Ergebnis führt eine richtlinien- und verfassungskonforme Auslegung von § 36
EnWG 2005 zu einer Rettungspflicht der öffentlichen Hand.
Praktische Schwierigkeiten ergeben sich hinsichtlich der Frage, wie die öffentliche Hand die Sicherheit und Dauerhaftigkeit der Energieversorgung gewährleisten
kann. In Betracht kommt entweder die Verschaffung von Anreizen für Private, oder
838 Ehlers in Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13.A., 2005, § 2, Rn. 45; Böckenförde, Die
Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S. 96 f.; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 271 ff; Burmeister, Herkunft, Inhalt und Stellung des institutionellen Gesetzesvorbehalts, 1991, S. 264 ff. In Betracht kommt eine Begründung durch
oder aufgrund eines Gesetzes.
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die Übernahme der Versorgerfunktion selbst. Beide Ansätze unterliegen dabei Bedenken und verlangen Kompromisse. Es ist jedenfalls nicht ganz fern liegend, eine
stetige Versorgung der Bevölkerung mit Energie durch eine bestimmte Anzahl öffentlicher Versorgungsunternehmen zu sichern.839 Eine solche Pflicht zur Leistungs-
übernahme sieht sich zwangsläufig der Kritik ausgesetzt, dass Gewinne privatisiert
wurden, die Verluste jedoch die öffentliche Hand zu tragen hat.840 Tatsächlich hat
der Staat sich seiner Leistungsaufgaben zugunsten des Wettbewerbs entledigt. Seiner Gewährleistungsfunktion jedoch kann er sich nicht entziehen und zwar insbesondere dann nicht, wenn der für die Erbringung der Leistung vorgesehene Markt
nicht funktioniert.841 Als Letztverantwortlicher bleibt daher der Staat verpflichtet,
die Versorgung sicherzustellen. Dazu zwingt das Sozialstaatsprinzip als übergeordnete Staatszielbestimmung. Im Bereich der Energieversorgung ist dieses Ergebnis
verfassungsrechtlich nicht problematisch.842 Jeder Haushalt benötigt Energie. Wollte
man die Energieversorger verpflichten, eine hundertprozentige Ausfallsicherheit zu
gewährleisten, wären entsprechend höhere Energiekosten die Folge und der Staat als
die Summe seiner Bürger würde damit die Gewährleistungsfunktion indirekt übernehmen.
D. Rettungspflicht gegenüber kommunalen Netzbetreibern
Aufgrund des durch § 7 Abs. 1 EnWG angeordneten Legal Unbundling, das durch
die Pläne zum Ownership Unbundling noch weiter verstärkt werden soll, ist grundsätzlich die Versorgungsleistung von den Transportleistungen gesellschaftsrechtlich
zu trennen. Für die größeren kommunalen Energieversorger bedeutet dies, dass die
Netze in eigenständige Gesellschaften zu überführen sind, die ihrerseits in eine wirtschaftliche Schieflage geraten können. Zu untersuchen ist daher, ob und wenn ja,
welche Rettungspflichten sich gegenüber einem kommunalen Netzbetreiberunternehmen ergeben können.
839 Vgl. Püttner, LKV 1994, 193, 194.
840 Vgl. Lege, DÖV 2001, 969, 974.
841 Vgl. Lege, DÖV 2001, 969, 975. Das Risiko des „Rosinenpickens“ besteht in der Energieversorgung aufgrund von § 36 EnWG 2005 nicht. Anders in der Telekommunikation, dazu Lerche in Maunz/Dürig, GG, Stand Okt. 1996, Art. 87f, Rn. 71, 76; Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 393 f.
842 Für den Bereich der Telekommunikation bietet Lege, DÖV 2001, 969, 971 ff. einen Überblick und weist die Kritikpunkte zurück.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die herausfordernde Aufgabe, den Energiemarkt zu liberalisieren und dem Wettbewerb zu öffnen, hat die kommunalen Energieversorger in Deutschland, die historisch bedingt über Jahrzehnte gewachsen sind, kaum berücksichtigt. Viele Stadtwerke bewegen sich mit Ihren Mitteln, wettbewerbsfähig zu bleiben, in einer juristischen Grauzone zwischen Wettbewerbspostulat und kommunalrechtlichen Beschränkungen. Hier besteht politischer Handlungsbedarf, wobei u.a. die Bedeutung der Stadtwerke für die lokale soziale Infrastruktur mit dem Erreichen eines unverfälschten Energiemarktes abgewogen werden muss. Geraten kommunale EVU neben oder sogar aufgrund dieser „Legitimationskrise“ in eine wirtschaftliche Schieflage, so ist fraglich, ob und wie eine staatliche Rettung in Betracht kommt.
Die Verantwortung des Staates ist in der Zeit einer der schwersten Finanzkrisen der Weltwirtschaft ein hoch umstrittenes Thema. Zu berücksichtigen ist, dass es der Staat ist, der eine sichere Energieversorgung garantieren muss, wobei Grundversorgung und sozialstaatliche Verantwortung mit dem europäischen Beihilfenrecht zu vereinbaren sind. Die Arbeit regt an, die Entwicklungen in der kommunalen Energiewirtschaft zu überdenken.