136
berücksichtigt ist; im Übrigen aber wird das kommunale Unternehmen behandelt,
wie ein privater Wettbewerber. Früher bestehende Sonderrechte gibt es nicht mehr.
Dies gilt nicht nur hinsichtlich des Schutzes vor Wettbewerb654, sondern auch hinsichtlich der Frage, inwieweit diese Unternehmen und ihre Gläubiger vor einer Insolvenz geschützt sind. Allen Marktteilnehmern werden im Rahmen der Regulierung
bestimmte Pflichten auferlegt, wie beispielsweise die der Grundversorgung und der
Anschlusspflicht, was ein klassisches Beispiel655 für einen regulierten Wirtschaftssektor ist. Eine spezifische Rettungspflicht stellt für einen Teilnehmer auf einem
Wettbewerbsmarkt eine Bevorzugung dar, für die es einer besonderen Rechtfertigung bedarf. Sofern es um die Leistungserbringung geht, auf die die bisher diskutierten Rettungsansätze ausnahmslos abstellen, ist eine solche Bevorzugung nicht zu
erkennen und auch nicht sachgerecht, weil die Etablierung eines - wenn auch regulierten - Wettbewerbsmarktes auf diese Weise von Anfang an erschwert wäre.
Etwas anderes könnte gelten, wenn der Staat im Rahmen seiner Gewährleistungsverantwortung tätig wird. Dies kommt aber nicht schon bei einem Marktversagen in
Betracht, das möglicherweise dazu führt, dass die Wettbewerbsziele nicht erreicht
werden können. Ein Marktversagen muss keinen Versorgungsausfall bedeuten. Erforderlich ist vielmehr ein drohendes Versagen der Leistungserbringung in einem
konkreten Versorgungsgebiet. Dies ist erst dann gegeben, wenn kein Versorger mehr
auf dem relevanten Markt tätig ist, der in der Lage wäre, die Versorgung in der Zukunft sicherzustellen. Daher wird im Folgenden untersucht, ob sich aus den neuen
energierechtlichen Vorschriften eine besondere Garantenstellung für eine sichere
Versorgung der Bevölkerung mit Energie ergibt.
IV. Rettungspflicht aufgrund einer energierechtlichen Garantenstellung für eine
sichere Versorgung?
1. Überblick
Sowohl der europäische656 als auch der deutsche657 Gesetzgeber haben erkannt, dass
die Liberalisierung ehemals monopolistischer Märkte und damit einhergehend die
Einführung von Verdrängungswettbewerb eine höhere Gefahr für die Versorgungssicherheit bedeuten würde. Nicht zuletzt deshalb wurde das Ziel der Versorgungssicherheit im bereits aufgezeigten Maße in den Vordergrund gestellt. In Art. 3 Abs. 3
654 Vgl. dazu die §§ 103 ff. GWB a.F.
655 Mestmäcker/Schweitzer in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht EG, Teil 1, 4.A., 2007,
Art. 31, 86 Abs. 2, Rn. 55.
656 Richtlinie 2003/54/EG vom 26.07.2003, Erwägungsgrund 24, 27.
657 Für die Versorgungssicherheit wurde ein eigener Teil 4 in das EnWG 2005 eingefügt, der
unter anderem die Grund- und Ersatzversorgung enthält.
137
der Beschleunigungsrichtlinie Elektrizität658 ist ausdrücklich geregelt, dass es Sache
der einzelnen Mitgliedsstaaten sei, dafür Sorge zu tragen, dass alle Haushaltskunden
in ihrem Hoheitsgebiet über eine Grundversorgung verfügen. Dazu ist es den Staaten
gestattet, einen Versorger letzter Instanz zu benennen. In Deutschland hat sich der
Gesetzgeber im EnWG 2005 dafür entschieden, die Grundversorgung ausdrücklich
zu regeln, um der besonderen Schutzbedürftigkeit des Letztverbrauchers Nachdruck
zu verleihen.659 § 36 Abs. 2 EnWG 2005 normiert, dass dasjenige Unternehmen
Grundversorger ist, das die meisten Haushaltskunden in einem Netzgebiet der allgemeinen Versorgung beliefert. In der Literatur wird dieser Schritt als ein notwendiges Korrektiv im Konzept einer Daseinsvorsorge durch Wettbewerb angesehen.660
Rechtstechnisch handelt es sich um eine regulatorische Maßnahme, die alle am
Wettbewerb teilnehmenden Unternehmen gleichermaßen bindet.
Der Wettbewerb dient nach dem Willen des Gesetzgebers einer maximalen Daseinsvorsorgesicherung.661 Zwar soll der Wettbewerb erreichen, dass die Versorgung
mit Energie in Zukunft billiger und besser wird662, jedoch steigt mit den Chancen,
dass dieses Ziel durch Wettbewerb erfüllt wird, auch das Risiko, dass es zu einem
vollständigen Ausfall der Versorgung kommt.663 Nachdem voranstehend festgestellt
wurde, dass aus den herkömmlichen Prinzipien eine Rettungspflicht nicht abgeleitet
werden kann, da diese im liberalisierten Markt keine Anwendung finden können, ist
Gegenstand dieses Abschnittes die Frage, ob sich aus den speziellen energierechtlichen Vorschriften, die den Wettbewerb erst ermöglichen, eine Rettungspflicht zugunsten kommunaler Energieversorger herleiten lässt.
658 Richtlinie 2003/54/EG vom 26.07.2003 „Beschleunigungsrichtlinie Elektrizität“.
659 Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht, 2006, S. 139.
660 Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht, 2006, S. 139; dies., ZNER 2003, 3 ff.
661 Kühling, Bereiche öffentlicher Daseinsvorsorge in Deutschland: Die Telekommunikationswirtschaft als Paradebeispiel einer Daseinsvorsorge im Wettbewerb, in Hrbek/Nettesheim,
Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, 2002, S. 138, 140. Vgl. für die
europarechtliche Beurteilung Windhorst, Der Universaldienst im Bereich der Telekommunikation, 2000, S. 168 ff.
662 Koenig/Kühling/Rasbach, ZNER 2003, 3, 6; Mitteilung der Kommission v. 20.09.2000 Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa, ABl. EG 2001, C 17/4, Anhang I, Ziff. 3; Wobei festzuhalten ist, dass die Versorgung vor der Liberalisierung weder überdurchschnittlich teuer
noch besonders ausfallanfällig war.
663 Jedenfalls betriebswirtschaftlich lässt sich das Ziel nicht erklären. Dort gilt entweder das
Maximumprinzip, nach dem mit den bestehenden Mitteln ein maximaler Erfolg erreicht werden soll, oder aber das Minimumprinzip, nach dem ein bestimmtes definiertes Ziel mit möglichst geringen Mitteln erreicht werden soll. Eine Mischung der Prinzipien dergestalt hingegen, dass ein möglichst hohes Ziel mit sowenig Mitteln wie möglich angestrebt wird, ist nicht
bekannt; so aber Richtlinie 2003/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
26.06.2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG, ABlEU 2003 Nr. L 176, S. 37, Art. 2, Nr. 29.
138
2. Gewährleistung der Versorgung in anderen liberalisierten Sektoren
Gerade weil durch die Einführung von Wettbewerb für Dienste von allgemeinem
wirtschaftlichen Interesse die Versorgungssicherheit eine neue und wesentliche
Rolle spielt, liegt es nahe, auf die gewonnenen Erkenntnisse bereits liberalisierter
Märkte zurückzugreifen.
Insbesondere die Liberalisierung des Telekommunikationsrechts gilt als Musterbeispiel für die Erbringung von Dienstleistungen durch Wettbewerb, die der Daseinsvorsorge zuzuordnen sind.664 Art. 87 f. Abs. 1 GG bindet den Bund, für flächendeckende qualitativ und quantitativ angemessene und ausreichende Dienstleistungen im Bereich des Post- und Telekommunikationswesens zu sorgen.665 Mit
dieser Regelung nahm der Staat gleichzeitig Abschied von der Leistungsverantwortung. Das Dienstleistungsmonopol durch die Deutsche Post wurde aufgelöst. Der
Staat übernimmt nunmehr lediglich die Gewährleistung, dass diese Dienstleistungen
auch tatsächlich erbracht werden - insbesondere in dünn besiedelten Flächen. Eine
hoheitliche Leistungsverwaltung wird durch die genannte Vorschrift des Grundgesetzes vollständig ausgeschlossen.666
Gesichert wird die universelle Versorgung der Bevölkerung mit Sprachtelefondiensten durch die so genannte Universaldienstabgabe in einen Fonds, wie es in § 83
Telekommunikationsgesetz (TKG) geregelt ist. Stellt die Regulierungsbehörde fest,
dass es in einem Gebiet zur Unterversorgung mit Universaldienstleistungen
kommt667, greift eine Verpflichtung zur Erbringung von Universaldienstleistungen
ohne Ausgleich, die nach § 80 TKG jedes Unternehmen trifft, das auf dem sachlich
relevanten Markt mindestens 4% Marktanteil hat. Findet sich innerhalb eines Monats kein freiwilliger Anbieter für das unterversorgte Gebiet, so verpflichtet die
Behörde ein Unternehmen ihrer Wahl mit der Erbringung der Dienstleistung. Macht
dieses Unternehmen nach § 81 Abs. 3 TKG glaubhaft geltend, einen Ausgleich für
die zu erbringenden Universaldienstleistungen nach § 82 TKG verlangen zu können,
so schreibt die Regulierungsbehörde anstelle der Entscheidung, ein oder mehrere
Unternehmen zu verpflichten, nach § 82 Abs. 3 TKG die Universaldienstleistung
aus und vergibt sie an denjenigen Bewerber, der sich als geeignet erweist und den
geringsten finanziellen Ausgleich dafür verlangt, die Universaldienstleistung nach
Maßgabe der in den Vorschriften dieses Gesetzes festgelegten Bedingungen zu
erbringen.
664 Koenig/Kühling/Rasbach, ZNER 2003, 3; Kühling, Bereiche öffentlicher Daseinsvorsorge in
Deutschland: Die Telekommunikationswirtschaft als Paradebeispiel einer Daseinsvorsorge im
Wettbewerb, in Hrbek/Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, 2002, S. 138, 140 f.
665 BT-Drucks. 12/7269, S. 10.
666 Gersdorf in v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, 4.A., 2001, Art. 87 f, Rn. 67.
667 Die Anforderungen richten sich nach § 2 TUDLV, BGBl. 1997 I, S. 141.
139
Der Fonds, aus dem dieser Ausgleich für die Universaldienste erbracht wird, wird
von den universaldienstpflichtigen Unternehmen nach § 83 TKG finanziert. Unternehmen, die sich um die Erbringung von Universaldiensten drücken, müssen folglich die Erbringung dieser Dienstleistung mitfinanzieren. Damit wird nicht die öffentliche Hand - und insofern der Steuerzahler direkt - sondern vielmehr werden die
am Markt tätigen Unternehmen für die Kosten der Beseitigung des Marktversagens
in Anspruch genommen.668 Letztlich finanziert damit der Endkunde von Telefongesellschaften dieses System. Dadurch wird nicht nur eine Entlastung der öffentlichen
Hand, sondern darüber hinaus auch eine wettbewerbsorientierte Lösung des Versorgungsdefizits im Moment des Marktversagens erreicht. Selbst im Falle der Verpflichtung eines Unternehmens zur Wahrnehmung des Universaldienstes bleibt nach
§ 82 Abs. 2 TKG eine Orientierung des Ausgleichs an den Kosten der effizienten
Leistungsbereitstellung bestehen. Wird ein Unternehmen nach § 81 Abs. 5 verpflichtet, eine Universaldienstleistung zu erbringen, ermittelt die Regulierungsbehörde den
zu leistenden Ausgleich für die Bereitstellung des Universaldienstes aus der Differenz der Kosten eines verpflichteten Unternehmens für den Betrieb ohne Universaldienstverpflichtung und den Kosten für den Betrieb unter Einhaltung der Universaldienstverpflichtung. Außerdem sind Vorteile und Erträge des Universaldienstbetreibers, einschließlich immaterieller Vorteile, zu berücksichtigen.
3. Grundversorgung nach § 36 EnWG
a) Ursprünge im EnWG 1935 und EnWG 1998
Bereits im Geltungsbereich des EnWG 1935 war die Versorgung mit Strom und Gas
von zentraler Bedeutung, obwohl es zu diesem Zeitpunkt noch keinesfalls selbstverständlich war, dass jeder Haushalt über einen Stromanschluss verfügte. § 6 EnWG
führte eine Anschluss- und Versorgungspflicht zu allgemeinen Bedingungen und
Preisen für jedes Energieversorgungsunternehmen ein, das ein bestimmtes Gebiet
versorgte.669 Diese Bedingungen wurden im Jahr 1942 durch die Allgemeinen Versorgungsbedingungen Elektrizität und Gas (AVBEltV und AVBGasV) von Staats
wegen allgemeinverbindlich ergänzt.670 Sie waren nach § 6 Abs. 2 S. 1 EnWG 1935
nur ausgeschlossen, wenn der Anschluss oder die Versorgung dem Versorgungsun-
668 Kühling, Bereiche öffentlicher Daseinsvorsorge in Deutschland: Die Telekommunikationswirtschaft als Paradebeispiel einer Daseinsvorsorge im Wettbewerb, in Hrbek/Nettesheim,
Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, 2002, S. 138, 147.
669 In Umsetzung der höchstrichterlichen Rechtsprechung RGZ 111, 311; vgl. zu den weitreichenden Konsequenzen OLG Celle, RdE 1986, 16 f.
670 Zuvor hatten die einzelnen Versorger jeweils ihre eigenen Bedingungen, vgl. Theobald in
Schneider/Theobald, Handbuch zum Recht der Energiewirtschaft, 2003, § 1, Rn. 54; Büdenbender, JuS 1978, 150, 155.
140
ternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht zugemutet werden konnte. Das Tatbestandsmerkmal war schon dann erfüllt, wenn das in Frage stehende Geschäft verlustbringend gewesen wäre; für diesen Fall entfiel die Anschluss- und Versorgungspflicht.671 Dem lag der Gedanke zugrunde, dass die Energiewirtschaft nach den
Regeln der Wirtschaftlichkeit geführt werde und nicht nur die Selbstkosten gedeckt,
sondern auch ein angemessener Ertrag erwirtschaftet werden solle.672 Dies gelte
auch für gemeindliche Betriebe, wie auch § 72 DGO zeige. Zu berücksichtigen ist
dabei die historische Gegebenheit, dass im Zeitpunkt der Verabschiedung des
EnWG 1935 noch keineswegs eine vollständige und flächendeckende Netzinfrastruktur bestand, aber gerade der Ausbau des Versorgungsnetzes erhebliche Kosten
mit sich brachte.
Hinsichtlich der allgemeinen Anschluss- und Versorgungspflicht hat sich im
EnWG 1998 kaum etwas geändert. § 10 Abs. 1 S. 1 EnWG 1998 sah vor, dass ein
Energieversorgungsunternehmen, das in einem Gemeindegebiet die Versorgung von
Letztverbrauchern mit Energie durchführt, jedermann an das Versorgungsnetz anschließen und versorgen müsse. Aufgrund der bestehenden Demarkationen war
grundsätzlich davon auszugehen, dass es sich bei diesem Unternehmen um ein
marktbeherrschendes handelte, so dass dieses Unternehmen auch kartellrechtlich zur
Versorgung verpflichtet war.673 Schon die amtliche Begründung zum Gesetzesentwurf ging davon aus, dass sich trotz Aufhebung der kartellrechtlichen Bereichsausnahmen in den §§ 130 und 130a GWB an der faktischen Monopolstellung der Energieversorger in einem Gemeindegebiet nichts ändern werde.674
b) Europarechtliche Vorgaben
Die Elektrizitätsrichtlinie erschöpft sich in ihren Erwägungsgründen darin festzustellen, dass in einigen Mitgliedsstaaten die Auflage gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen erforderlich sein könne, um Versorgungssicherheit sowie Verbraucher- und
Umweltschutz zu gewährleisten.675 Im Übrigen stellt die Richtlinie die Entflechtung
und den Betrieb der Netze in den Vordergrund.
In den Beschleunigungsrichtlinien werden die Staaten verpflichtet dafür Sorge zu
tragen, dass eine sichere, dauerhafte und preisgünstige Versorgung der Bevölkerung
mit Energie gewährleistet ist.676 Es bleibt mangels detaillierterer Ausführungen den
671 Darge/Melchinger/Rumpf, Gesetz zur Förderung der Energiewirtschaft, Bd. 1, 1936, S. 169.
672 Darge/Melchinger/Rumpf, Gesetz zur Förderung der Energiewirtschaft, Bd. 1, 1936, S. 168.
673 Amtliche Begründung BT-Drucks. 13/7274, S. 16.
674 Amtliche Begründung BT-Drucks. 13/7274, S. 16 f.
675 Richtlinie 96/92/EG v. 19.12.1996; ABl. EG Nr. L 27 v. 30.01.1997, S. 20, Erwägungsgrund
Nr. 13; Art. 3 Abs. 2.
676 Richtlinie 2003/54/EG v. 26.06.2003, ABl. EG L 176 v. 15.07.2003, S. 20. Erwägungsgrund
24.
141
Mitgliedsstaaten überlassen, ein System zu entwickeln, das diesen Vorgaben gerecht
wird und die Energieversorgung nachhaltig sichert. Die Endkundenversorgung ist
dabei nur sekundär im Blickfeld des Rates gewesen. Betont wurden vielmehr die
Energieerzeugung und die Aufrechterhaltung der Netze. Die Richtlinie weist lediglich darauf hin, dass die Mitgliedsstaaten einen Versorger letzter Instanz benennen
können, wobei es sich auch um die Verkaufsabteilung eines vertikal integrierten
Unternehmens handeln könne, das ebenfalls die Tätigkeit der Verteilung ausübe,
sofern die Entflechtungsanforderungen erfüllt seien.677
c) Umsetzung in Deutschland: Grundversorgung, §§ 36 ff. EnWG 2005
cc) Überblick
Der deutsche Gesetzgeber widmet den immerhin sechs Paragraphen starken Teil 4
des EnWG 2005, der leitungsgebundenen Energielieferung - die nach § 3 Nr. 14
EnWG Strom und Gas umfasst - an Letztverbraucher und gibt damit zu erkennen,
dass die Sicherheit der Versorgung des Endkunden im Wettbewerb ein wichtiges
Anliegen ist. Durch diese Regelungen erlangt jeder Haushaltskunde grundsätzlich
einen Anspruch auf Versorgung mit Energie zu angemessenen Preisen.678 Es handelt
sich bei diesen Regelungen um ein Notfallinstrumentarium679, das im Falle des drohenden vollständigen Versorgungsausfalls die Grundversorgung der Bevölkerung
mit einem lebensnotwendigen Gut sicherstellen soll.680 Es ist weiter ein Zeichen
dafür, dass der Gesetzgeber nicht genug Vertrauen in den Wettbewerb hat, um diesem die Versorgungsaufgabe ohne eine Absicherung zu überlassen.681
Auf den ersten Blick unterscheidet sich die Regelung der Grundversorgung nicht
erheblich von der der Allgemeinversorgung in § 10 EnWG 1998. Unter der Geltung
beider Rechtslagen ist ein Versorgungsunternehmen verpflichtet, alle Letztverbraucher mit Energie zu allgemeinen Preisen und Bedingungen zu versorgen, wobei
diese Pflicht nicht besteht, wenn dies wirtschaftlich unzumutbar ist. Unterschiede
ergeben sich jedoch hinsichtlich des Adressaten der Vorschrift sowie hinsichtlich
des zu versorgenden Gebietes. Während unter Geltung der alten Rechtslage der
Gesetzgeber noch davon ausging, dass ein Gemeindegebiet nach wie vor von einem
einzigen marktbeherrschenden Unternehmen versorgt werde682, und der allgemeine
677 Richtlinie 2003/54/EG v. 26.06.2003, ABl. EG L 176 v. 15.07.2003, S. 20. Erwägungsgrund
27; vgl. auch Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie.
678 Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht, 2006, S. 139.
679 Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht, 2006, S. 139; die Regelungen werden im Bereich der
Netze durch die Anschlusspflicht nach § 18 Abs. 1 S. 1 EnWG 2005 ergänzt.
680 Ähnlich Holznagel/Schumacher, ZNER 2006, 218, 223; Hampel, ZNER 2004, 117, 124 f.
681 Holznagel/Schumacher, ZNER 2006, 118, 223.
682 Amtliche Begründung zum EnWG 1998, BT-Drucks. 13/7274, S. 16.
142
Versorger in der Regel mit dem Netzbetreiber identisch sei683, definiert § 36 Abs. 2
S. 1 EnWG 2005 den Grundversorger allgemein als dasjenige Unternehmen, das in
einem Netzgebiet der allgemeinen Versorgung die meisten Haushaltskunden beliefert. Zwar sind auch die Netzbetreiber Normadressaten, jedoch nach § 36 Abs. 2 S. 2
EnWG nur zur Feststellung des Grundversorgers verpflichtet. Netzbetreiber und
Endkunden-Versorger sind damit nach der neuen Rechtslage gerade nicht mehr
zwingend identisch. Aufgrund des Legal Unbundling soll es vielmehr die Regel
sein, dass Netzbetreiber und Versorger zwei rechtlich verschiedene Unternehmen
sind.684 Die Vorschrift ist damit zwingende Konsequenz und Ausprägung der Entflechtungsvorschriften in den §§ 6 ff. EnWG 2005.685
Zu berücksichtigen bleibt allerdings, dass aufgrund der de-minimis-Regelung in
§ 7 Abs. 2 S. 1 EnWG 2005 die Entflechtungsvorschriften für Energieversorger, die
nicht mehr als 100.000 Kunden unmittelbar oder mittelbar versorgen, nicht zwingende Voraussetzung sind. Gerade bei kleineren Stadtwerken kann es daher auch
unter Geltung des EnWG 2005 durchaus sein, dass Netzbetrieb und Versorgungsleistungen von ein und demselben Unternehmen vorgenommen werden. Diese Situation bereitet insbesondere Schwierigkeiten bei der Frage der Unzumutbarkeit der
Versorgung. Hat der Kunde beispielsweise Schulden aus Anschlussverpflichtung, so
ist fraglich, ob es dem Versorger zumutbar ist, diesen Kunden dennoch zu beliefern,
wenn Netzbetreiber und Grundversorger ein identisches Unternehmen sind. Eine
solche Lösung würde kleine Energieversorgungsunternehmen privilegieren, gleichzeitig aber die Kunden solcher Energieversorger schlechter stellen als wenn sie
Kunde eines großen Versorgers wären.
Dazu wird vertreten, es sei Konsequenz des Unbundling, dass in jeder Hinsicht
Netz- und Versorgungsleistung voneinander getrennt werden müssten.686 Das EnWG
2005 hat zum Ziel, für den Verbraucher den Energiemarkt dem Wettbewerb zu öffnen.687 Durch die Trennung von Netz und Versorgung sollte es neuen Unternehmen
ermöglicht werden, am Markt als Wettbewerber aufzutreten und somit für sinkende
Preise zu sorgen. Es war nicht das Ziel der Novelle, dem Endkunden weitere Möglichkeiten zu eröffnen, ohne Bezahlung von Teilleistungen weiterhin mit Energie
versorgt zu werden und es gibt auch keinen ersichtlichen Grund, warum einem nicht
rechtstreuen Kunden nunmehr eine solche Möglichkeit eröffnet werden sollte. Gerade kleinere Stadtwerke, die keine eigenständige Netzbetriebs-GmbH haben, können
sich damit auf die Unzumutbarkeit der Versorgung, die in der Person des zu Belie-
683 Hempel in Energiewirtschaftsgesetz 1998 (VWEW), Art. 1, § 10, Tz. 2.2.1.1. mit Verweis auf
§ 13 Abs. 2 S. 2 EnWG 1998.
684 Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht, 2006, S. 140.
685 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, 2006, § 36, Rn. 1.
686 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, 2006, § 36, Rn. 20; § 18, Rn. 63 ff.
687 Vgl. die Begründung zum Gesetzesentwurf in BT-Drucks. 15/3917, S. 1 ff.
143
fernden liegt, berufen, wenn nur eine ihrer Leistungen nicht bezahlt worden ist.688
Die erstgenannte Ansicht vermag nicht zu überzeugen.
Nach der Definition in § 36 Abs. 1 S. 1 EnWG 2005 ist Grundversorgung die
Versorgung von Haushaltskunden im Bereich der Niederspannung (Strom) bzw. des
Niederdrucks (Gas) zu allgemeinen Bedingungen und allgemeinen Preisen, deren
Veröffentlichung es im Internet bedarf. Das Unternehmen, das die Grundversorgung
zu leisten hat - der Grundversorger - wird durch das in § 36 Abs. 2 EnWG 2005
festgelegte Verfahren festgestellt. Alle drei Jahre zum 01.07. ist von den Betreibern
der Energieversorgungsnetze der allgemeinen Versorgung nach § 18 Abs. 1 EnWG
2005 zu ermitteln, welches Versorgungsunternehmen im jeweiligen Netzgebiet die
meisten Haushaltskunden versorgt. Dieses Unternehmen ist dann gemäß § 36 Abs. 2
S. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 2 EnWG 2005 für die nächsten drei Jahre Grundversorger in
jenem Netzgebiet und unterliegt den genannten Anforderungen des Abs. 1. Mit der
Gruppe der Haushaltskunden, die nach § 3 Nr. 22 EnWG 2005 als „Letztverbraucher, die Energie überwiegend für den Eigenverbrauch im Haushalt oder für den
einen Jahresverbrauch von 10.000 kWh nicht übersteigenden Eigenverbrauch für
berufliche, landwirtschaftliche oder gewerbliche Zwecke kaufen“ legal definiert ist,
besteht damit ein gesetzlicher Kontrahierungszwang.689
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat von seiner Verordnungsermächtigung in § 39 Abs. 2 EnWG 2005 Gebrauch gemacht und mit der
„Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz
(Stromgrundversorgungsverordnung - StromGVV)“690 allgemeine Bedingungen
normiert, die jeweils Vertragsbestandteil von Verträgen zwischen Grundversorger
und Haushaltskunden werden, vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 StromGVV.691 Eine Verordnung
über die Bestimmung der allgemeinen Preise beim Strom existierte noch mit der
Bundestarifordnung Elektrizität (BTOElt)692, die zum 01.07.2007 ausgelaufen ist
und nicht verlängert wurde.693 Bis dahin fand sie auf die Allgemeinen Preise jedoch
Anwendung, obgleich § 12 Tarifgenehmigung ausdrücklich nur von „Tarifen und
ihren einzelnen Bestandteilen“ spricht und den Begriff der „Allgemeinen Preise“
nicht kennt. Da dieser zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung aber noch nicht
688 In diesem Sinne zum alten Recht: Hempel, Energiewirtschaftsgesetz 1998, Art. 1, § 10, Tz.
5.2, S. 218.
689 Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht, 2006, S. 142; Salje, Energiewirtschaftsgesetz, 2006,
§ 36, Rn. 13.
690 BGBl. I-2006, S. 2391 ff.
691 Siehe im Einzelnen zur StromGVV unten unter V.2.d.cc.ccc. (4).
692 BGBl. I, S. 2255, v. 18.12.1989; hingegen ist die Bundestarifordnung Gas, BGBl. I, S. 46, v.
21.06.1959, mit Inkrafttreten des EnWG 1998 am 29.04.1998 außer Kraft getreten, vgl. Art. 5
Abs. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts, BT-Drucks.
13/7274.
693 Vgl. Art. 5 Abs. 3 des zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsgesetzes,
BGBl. I S. 1970, v. 07.07.2005.
144
bekannt war und sich der Gesetzgeber zu dieser Frage nicht geäußert hat, ist davon
auszugehen, dass die Allgemeinen Tarife und die Allgemeinen Preise gleich zu
behandeln sind.694
Damit besteht zur Überprüfung der allgemeinen Endkundenpreise nur noch die
allgemeine kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht gemäß den §§ 19, 20 GWB, soweit
es sich um ein marktbeherrschendes Unternehmen handelt sowie der sektorspezifische § 29 GWB, der am 22.12.2007 in Kraft getreten ist.695
bb) Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum Telekommunikationsbereich
Der Liberalisierung in der Telekommunikation ist die Liberalisierung in der Energieversorgung nur zum Teil ähnlich. Insbesondere ergeben sich Unterschiede aufgrund der dezentralen Anordnung der Endkundenversorgung mit Energie. Auf staatlicher Ebene hingegen bleibt der Ansatz dem Rückzug der öffentlichen Hand vergleichbar. Der Staat zieht sich auf beiden Märkten von der Leistungsverantwortung
zurück und übernimmt lediglich die Gewährleistungsverantwortung für eine dauerhafte und sichere Versorgung mit dem jeweiligen Gut. Der entscheidende Unterschied besteht darin, dass die Gemeinden zwar öffentliche Hand, jedoch nichtstaatlich696 sind und weiterhin auch die Leistungsverantwortung für die Versorgung mit
Energie über die Stadtwerke übernehmen. Konsequenz ist, dass die öffentliche Hand
weiterhin in der Endkundenversorgung tätig ist. Während in der Telekommunikation, die vor der Liberalisierung über ein einziges staatliches Unternehmen die Versorgung der Endkunden sicherstellte, das mit der Liberalisierung privatisiert wurde,
eine klarere Trennung zwischen öffentlicher und privater Wirtschaftstätigkeit erreicht worden ist, ist dies im Energiebereich aufgrund der historischen Entwicklung
nicht gelungen und in absehbarer Zeit auch nicht möglich. Der Verkauf der Beteiligungen an den großen Energieerzeugern führte nicht zu einem Rückzug der öffentlichen Hand aus der Energieversorgung, sondern überließ lediglich einen Teilbereich
der Energiewirtschaft den Privaten. Die hier fraglichen Versorgungsleistungen der
Endkunden sind weiter überwiegend in öffentlicher Hand. Nur der Staat hat sich aus
den Versorgungsleistungen zurückgezogen, nicht aber die nichtstaatlichen Kommunen. Die sich daraus ergebenden Probleme für den Wettbewerb stellen sich lediglich
694 In diesem Sinne auch Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht, 2006, S. 143. Das Problem hat
sich am 01.07.2007 erledigt.
695 Siehe dazu den Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 16/5847 sowie die mittlerweile umfangreiche
Literatur
696 Das BVerfG stellt zwar fest, dass die Gemeinden als Träger öffentlicher Gewalt selbst ein
Stück „Staat“ darstellten; dies bezieht sich jedoch lediglich auf die Frage der Abwehrstellung
zur Staatsorganisation, vgl. BVerfGE 73, 118, 191; 83, 37, 54. Vorliegend geht es nicht um
die Rechte, sondern um die Pflichten der Gemeinden. Sie nehmen im Bereich der Energieversorgung keine staatlichen Aufgaben wahr.
145
auf dem Energiesektor und sind mit den anderen liberalisierten Sektoren nicht vergleichbar. Fraglich bleibt aber, ob die in den §§ 36 ff. EnWG getroffene Lösung der
Sicherung der Leistungserbringung geeignet ist, die Besonderheiten der Konstellation angemessen zu berücksichtigen.
cc) Feststellung des Grundversorgers
Die Grundversorgungspflicht nach § 36 EnWG trifft den so genannten Grundversorger. Gemäß Abs. 2 S. 1 ist dies das Unternehmen, das in einem Netzgebiet der allgemeinen Versorgung die meisten Haushaltskunden beliefert. Der Grundversorger
wird für einen Zeitraum von drei Jahren ermittelt, jeweils zum 1. Juli. Die Feststellung obliegt dem jeweiligen Netzbetreiber. Dies hat den praktischen Hintergrund,
dass dem Netzbetreiber die Anzahl der Anschlüsse und damit auch die Gesamtzahl
der Haushaltskunden bekannt sind. Ohne größere Schwierigkeiten kann damit der
Netzbetreiber die Zahl der belieferten Kunden ermitteln, die von den verschiedenen
Versorgern beliefert wurden. Typischerweise werden kurz- und mittelfristig die
Stadtwerke als ehemaliges Monopolunternehmen die Grundversorger sein.
aaa) Netzgebiete
Die Grundversorgungspflicht besteht für „Netzgebiete“. Der Begriff wird im EnWG
2005 nicht legal definiert, obgleich er für die Grundversorgung von zentraler Bedeutung ist.697 Beim Versuch der Definition wird in der vorhandenen Literatur allgemein698 auf § 3 Nr. 16 EnWG 2005 und im Zusammenhang mit der allgemeinen
Versorgung auf § 3 Nr. 17 EnWG 2005 Bezug genommen.699 Energieversorgungsnetze der allgemeinen Versorgung sind solche, „die der Verteilung von Energie an
Dritte dienen und von ihrer Dimensionierung nicht von vornherein nur auf die Versorgung bestimmter, schon bei der Netzerrichtung feststehender oder bestimmbarer
Letztverbraucher ausgelegt sind, sondern grundsätzlich für die Versorgung jedes
Letztverbrauchers offen stehen“. Damit ist in sachlicher Hinsicht eine Abgrenzung
zu Objektnetzen im Sinne von § 110 EnWG möglich.
Die praktisch wesentlich wichtigere Frage der räumlichen Abgrenzung aber bleibt
offen. Unklar ist insbesondere, welche Spannungsebene gemeint ist.700 Bei einer
697 So auch Schau, IR 2007, 98; Hampel sagte bereits 2004 Streitigkeiten bei der Abgrenzung
des Netzgebietes voraus, Hampel, ZNER 2004, 117, 126, Fn. 76.
698 Schau, IR 2007, 98, 99.
699 Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht, 2006, S. 141; Salje, Energiewirtschaftsgesetz, 2006,
§ 36, Rn. 26.
700 Kritisch auch Bartsch/Kästner, ET 2004, 837, 838.
146
wörtlichen Verhaftung am Wortlaut von § 3 Nr. 17 EnWG könnte vertreten werden,
dass die Niederspannungsnetze bzw. Niederdrucknetze aus der räumlichen Betrachtung ausscheiden, da sie in ihrer Dimensionierung von vornherein auf einen bestimmbaren Personenkreis beschränkt sind. Räumlich ist dies z.B. ein Gemeindegebiet, da die technischen Möglichkeiten es unwirtschaftlich machen, auf der Niederspannungsebene Energie über eine längere Distanz zu transportieren701; sachlich
sind es private Endverbraucher und kleine Unternehmen mit nicht mehr als 10.000
kWh Abnahmemenge. Konsequenz wäre, dass beispielsweise das Mittelspannungsnetz auf der 110kV-Ebene als das relevante Netzgebiet definiert werden könnte, eine
Auslegung, die insbesondere den vier großen Verbundunternehmen entgegenkommen würde. Denn sie würden in vielen Teilen der Bundesrepublik damit Grundversorger im Regionalbereich werden und hätten für den Fall des Marktversagens zumindest die Möglichkeit des direkten Kundenzugangs eröffnet. Ebenso würde ihnen
im Falle der Ersatzversorgung nach § 38 EnWG der Abnehmer zugeordnet.
Gegen die Annahme, die Niederspannungs- oder Niederdrucknetze als relevantes
räumliches Netzgebiet anzusehen, spricht, dass der Netzbetreiber über den Ausbau
seines Netzes in der Lage wäre, auf die Festlegung des Grundversorgers Einfluss zu
nehmen.702 Dies kann z.B. durch Zusammenlegen zweier Niederspannungsnetze
geschehen, in denen zwei verschiedene Unternehmen Grundversorger waren und
von denen im neuen Netzgebiet nur eines Grundversorger bleibt; oder es wird ein
Netzgebiet geteilt, um so einen neuen Grundversorger erforderlich zu machen.
Zuletzt verbleibt die Möglichkeit, an das Konzessionsgebiet einer Gemeinde anzuknüpfen.703 Vorteil dieser Auslegung ist, dass das räumliche Gebiet klar definiert
ist. Auch im Gesetz findet diese Definition des Netzgebietes eine Stütze. § 3 Nr. 29b
i.V.m. § 46 Abs. 2 EnWG 2005 legal definiert das örtliche Verteilernetz als „ein
Netz, das überwiegend der Belieferung von Letztverbrauchern über örtliche Leitungen, unabhängig von der Druckstufe oder dem Durchmesser der Leitungen, dient“;
für die Abgrenzung der örtlichen Verteilernetze von den vorgelagerten Netzebenen
wird auf das Konzessionsgebiet abgestellt, in dem ein Netz der allgemeinen Versorgung im Sinne des § 18 Abs. 1 und des § 46 Abs. 2 betrieben wird, einschließlich
von Leitungen, die ein örtliches Verteilernetz mit einem benachbarten örtlichen
Verteilernetz verbinden“. Weiter stellt § 18 Abs. 1 S. 1 EnWG 2005 für die Allgemeine Anschlusspflicht auf „Gemeindegebiete“ ab.
701 Die Übertragungsverluste betragen beispielsweise etwa 6 % je 100 km bei einer 110-kV-
Leitung und lassen sich mit 800 kV Höchstspannungsleitungen auf etwa 0,5 % je 100 km reduzieren, vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Hochspannungsleitung, zuletzt abgerufen am
12.11.2008.
702 So Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht, 2006, S. 141; Bartsch/Kästner, ET 2004, 837,
838.
703 Ähnlich Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht, 2006, S. 141; Bartsch/Kästner, ET 2004,
837, 838.
147
Insbesondere unter Berücksichtigung dieser Tatsache ist es daher sachgerecht, als
Netzgebiet das Konzessionsgebiet einer Gemeinde zu definieren. Abgesehen von der
konstanten Größe des Netzgebietes, das seine Grenzen in den Gemeindegrenzen
findet, spricht auch der Gleichlauf mit der allgemeinen Anschlusspflicht für eine
solche Einteilung. Es würde nicht nur praktische Probleme mit sich bringen, wenn
die Pflicht zur Grundversorgung ein (teilweise) anderes räumliches Gebiet umfassen
würde als die Allgemeine Anschlusspflicht, sondern es ist auch kein sachlicher
Grund erkennbar, warum diese beiden Verpflichtungen unterschiedlich ausgestaltet
sein sollten. Berücksichtigt man zusätzlich die Konstellation, dass ein Stadtwerk in
einer Gemeinde nicht mehr als 100.000 Kunden mit Energie versorgt und sein Netz
deshalb nicht in eine eigenständige GmbH ausgegliedert hat, so führt diese Definition des Netzgebietes zu dem Ergebnis, dass sich Versorgungsgebiet und Energieversorgungsnetz decken.
bbb) Ausgenommene Netze
Die Pflicht zur Grundversorgung besteht nur in Netzen, die im Sinne von § 3 Nr. 17
EnWG grundsätzlich für die Versorgung jedem Letztverbraucher offen stehen, so
genannten Netzgebieten der allgemeinen Versorgung. Herausgenommen aus der
Grundversorgungspflicht und damit auch aus der Regulierung704 sind insbesondere
die Eigen- und Industrieversorgung.705
(1) Objektnetze, § 110 EnWG 2005
Die Vorschrift des § 110 EnWG, die so genannte Objektnetze zum Gegenstand hat,
sorgte im Gesetzgebungsverfahren für einige Kontroversen. Der Gesetzgeber706
führte in seiner Begründung zum ursprünglichen Entwurf aus, es gehe um eine unternehmensinterne Eigenversorgung, jedoch sei auch die Fremdbelieferung anderer
juristischer Personen möglich. Maßgeblicher Umfang zur Abgrenzung eines Werksnetzes sei der Lieferumfang. Die durch Empfehlung des Wirtschaftsausschusses707
geänderte Regelung enthält nunmehr eine Klarstellung in Abs. 3, wann Eigenversorgung vorliegt, sowie eine ausdrückliche Klarstellung, dass die Regelungen des 4.
Teils des EnWG 2005 auf Objektnetze keine Anwendung finden. Gemäß Abs. 4 der
704 Schau, IR 2007, 98, 100.
705 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, 2006, § 110, Rn. 1.
706 BT-Drucks. 15/3917, S. 75.
707 BR-Drucks. 248/1/05 (neu) v. 22.04.2005, S. 8 ff.
148
Vorschrift bedarf es zu einer konstitutiven708 Freistellung von der Regulierung und
dem Betrieb eines Objektnetzes eines Antrages des Unternehmens und einer entsprechenden Freistellungs- bzw. Freigabeentscheidung der Regulierungsbehörde.709
Ein Objektnetz hat den weiteren Vorteil, dass es den Ausgleichsbelastungen aus
dem Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) sowie der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)
nur unterliegt, soweit der Strom aus Netzen für die allgemeine Versorgung bezogen
wird.710 Objektnetzbetreiber werden gemäß § 92 EnWG auch nicht zur Deckung der
Kosten der BNetzA herangezogen. Strom, der innerhalb der Objektnetze erzeugt und
verbraucht wird, ist folglich von diesen zusätzlichen Belastungen befreit und damit
billiger.
Objektnetze können der ausschließlichen Eigenversorgung dienen, darunter fallen
insbesondere die Werksnetze711, wenn das Netz ausschließlich dazu dient, Konzernunternehmen mit Strom oder Gas zu versorgen. Objektnetze können aber auch der
reinen Fremdversorgung dienen, wie § 110 Abs. 1 Nrn.1 und 2 zeigen. Diese Netze
werden auch als Arealnetze bezeichnet.712 Die richtige Abgrenzung ist für die
betreibenden Unternehmen von erheblicher Bedeutung. Daher hat die Bundesnetzagentur einen Leitfaden713 bereitgestellt, aufgrund dessen die Unternehmen selbst
eine Einschätzung vornehmen können.
Allerdings ist zu beachten, dass sich trotz § 111 EnWG 2005, der das Verhältnis
zur kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht regelt, aus den §§ 19 Abs. 1, IV Nr. 4, 20
GWB Zugangsansprüche Dritter ergeben können.714 Zwar hat das EnWG nach dieser Regelung grundsätzlich Anwendungsvorrang vor dem GWB und § 111 Abs. 2
Nr.1 EnWG 2005 bestimmt ausdrücklich, dass die Bestimmungen des 3. Teils abschließende Regelungen seien, worunter auch die allgemeine Anschlusspflicht der
§§ 17, 18 EnWG 2005 fällt. Jedoch findet nach § 110 Abs. 1 EnWG 2005 der 3. Teil
des Gesetzes auf Objektnetze keine Anwendung. Folglich kann auch § 111 Abs. 2
Nr. 1 EnWG 2005 diesbezüglich keine Sperrwirkung entfalten. Der BGH hat in
seiner „Mainova“-Entscheidung715 festgestellt, dass ein Objektnetzbetreiber aufgrund der räumlichen Beschränkung auf dieses Netzgebiet marktbeherrschend im
Sinne von § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB ist. Damit besteht grundsätzlich ein Anspruch auf
708 Krebs, RdE 2006, 115 ff.; Boesche/Wolf, ZNER 2005, 285, 287; Habich, DVBl. 2006, 211,
215; a.A. Rosin, RdE 2006, 9, 16 (lediglich deklaratorische Funktion); vermittelnd Salje, Energiewirtschaftsgesetz, 2006, § 110, Rn. 55 (Zeitpunkt der Inbetriebnahme entscheidend).
709 Insbesondere muss die Leistungsfähigkeit festgestellt werden, vgl. Salje, Energiewirtschaftsgesetz, 2006, § 110, Rn. 11 f.
710 BGH, Urt. v. 21.12.2005, RdE 2006, 157, 160, Tz. 36 ff., mit ablehnender Anmerkung
Klemm. Anders auch die Vorinstanz OLG Naumburg, v. 9.3.2004, RdE 2004, 266.
711 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, 2006, § 110, Rn. 15.
712 Vgl. zu diesem Begriff ausführlich Lippert, WiVerw 2005, 84, 85 ff; BGH RdE 2005, 222 ff.
„Mainova“; vgl. weiterführend zu Objektnetzen Kussel, N&R 2007, 21 ff.
713 http://www.bundesnetzagentur.de/media/archive/7462.pdf
714 Holznagel/Schumacher, ZNER 2006, 218, 220; Bosche/Wolf, ZNER 2005, 285, 290.
715 BGH, RdE 2005, 222 ff. „Mainova“.
149
Netzzugang.716 Nur von den besonderen energierechtlichen Sondernormen sind die
Objektnetzbetreiber befreit.717
(2) Eigenversorgungsanlagen
Unter der Geltung des EnWG 1998 fielen Eigenversorgungsanlagen nicht unter den
Netzbegriff des § 6 Abs. 1 S. 1 EnWG 1998.718 Eine Eigenversorgungsanlage lag bei
einem privaten Netz eines Endabnehmers vor, mit dem er sich lediglich selbst versorgte719, es durfte keine Trafostation eingesetzt werden.720
Auch unter dem Geltungsbereich des EnWG 2005 ist für das Betreiben eines Netzes ein Drittbezug erforderlich.721 § 3 Nr. 3 EnWG 2005 definiert den Betreiber von
Elektrizitätsversorgungsnetzen als eine natürliche oder juristische Person, die die
Aufgabe der Verteilung von Energie wahrnimmt. Eigenversorgungsanlagen dienen
gerade nicht dem Zweck der Verteilung, sondern nur der eigenen Versorgung. Anlagen zur Eigenversorgung fallen daher auch nach neuer Rechtslage nicht unter den
Netzbegriff im Sinne des EnWG.722
ccc) Anzahl der Haushaltskunden
Ist das Netzgebiet der allgemeinen Versorgung festgestellt worden, muss der Betreiber des Energieversorgungsnetzes ermitteln, wer die meisten Haushaltskunden im
Sinne von § 3 Nr. 22 EnWG beliefert, also „Letztverbraucher, die Energie überwiegend für den Eigenverbrauch im Haushalt oder für den einen Jahresverbrauch von
10.000 kWh nicht übersteigenden Eigenverbrauch für berufliche, landwirtschaftliche
oder gewerbliche Zwecke kaufen“.
Der Begriff bereitet Schwierigkeiten. Der Gesetzgeber geht in der Gesetzesbegründung davon aus, dass die Person des Grundversorgers nach „objektiven Kriterien“ zu bestimmen sei.723 Der Rückgriff auf die Legaldefinition des § 3 Nr. 22
716 BGH, RdE 2005, 222 ff. „Mainova“; Bosche/Wolf, ZNER 2005, 285, 291.
717 Bosche/Wolf, ZNER 2005, 285, 290; kritisch: Holznagel/Schumacher, ZNER 2006, 218, 223:
Dies sei ein systemimmanenter Widerspruch. Die Autoren fordern daher, dass nach Sinn und
Zweck auch die Objektnetzbetreiber der Grundversorgungspflicht unterfallen sollten.
718 Schau, IR 2007, 98, 100; Säcker/Bösche in Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht,
2004, § 6, Rn. 58 ff.
719 Säcker/Bösche in Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, 2004, § 6, Rn. 60.
720 Säcker/Bösche in Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, 2004, § 6, Rn. 61.
721 Schau, IR 2007, 98, 101; vgl. auch den „Leitfaden Objektnetze“ der BNetzA,
http://www.bundesnetzagentur.de/media/archive/7462.pdf
722 Schau, IR 2007, 98, 101.
723 BT-Drucks. 15/3917, S. 66.
150
EnWG lässt jedoch im Vergleich zu § 36 Abs. 1 EnWG eine mehrdeutige Auslegung zu.724 Der Begriff des Haushaltskunden legt nach einer Ansicht nahe, jeden als
Haushaltskunden anzusehen, der Energie zu privaten Zwecken verwendet, insofern
also jeden Familienangehörigen oder z.B. auch Untermieter, wenn es sich um „überwiegenden“ Eigenverbrauch handelt.725 Eine solche Auslegung würde aber dazu
führen, dass unklar wäre, wie viele Haushaltskunden tatsächlich existieren.
Eine weitere Möglichkeit ist, die tatsächliche Zahl der Vertragskunden als Grundlage der Zählung zu nehmen. Diese Methode hat den Vorteil, dass die tatsächliche
Zahl der Vertragskunden ermittelbar ist. Gleichwohl müssten nun die Versorger an
den Netzbetreiber diese Zahlen liefern; denn der Netzbetreiber kann mit den ihm zur
Verfügung stehenden Informationen nicht feststellen, ob in einem Haushalt der
Vertrag beispielsweise von beiden Eheleuten unterzeichnet wurd oder ob in einem
Mehrfamilienhaus der Vermieter die Verteilung und Abrechnung übernimmt und
der einzelne Mieter direkt mit dem Energieversorger kein Vertragsverhältnis eingeht. Da dem Netzbetreiber eine Überprüfung dieser Zahlen nur näherungsweise
möglich ist726, ist auch diese Lösung keine Ausrichtung an objektiven Kriterien.
Als „Näherungslösung“ wird vorgeschlagen, die Anzahl der beim Netzbetreiber
registrierten Anschlussnehmer festzustellen, die sich unter Rückgriff auf die geschlossenen Netzanschlussverträge ermitteln lassen.727 Damit wird ein Spagat zwischen der Definition des Haushaltskunden, also jeder privaten Person, die Strom
tatsächlich verbraucht, und der Erfordernis des Gesetzgebers zur Objektivität versucht.
Auch dieser Ansatz vermag nicht zu überzeugen, zumal der Wortlaut der einschlägigen Normen eine Lösung bereithält. § 3 Nr. 22 EnWG definiert den Haushaltskunden als denjenigen, der Energie „kauft“. Auch der Begriff des Kunden indiziert ein Vertragsverhältnis zwischen zwei Parteien. Unter Berücksichtigung der
gesetzgeberischen Intention728, es solle für den Netzbetreiber anhand objektiver
Merkmale festgestellt werden können, wer Grundversorger ist, liegt es nahe, die
Zahl der Haushaltskunden gleichzusetzen mit der Anzahl der tatsächlich angeschlossenen Anschlüsse und der damit in der Regel einhergehenden Zahl der abgeschlossenen Stromlieferverträge, die dem Netzbetreiber regelmäßig aufgrund der installierten Zählereinrichtungen bekannt sind. Unerheblich ist, ob ein solcher Vertrag auf
Endkundenseite von einer oder mehreren Personen unterzeichnet ist, und wie viele
Personen tatsächlich aufgrund dieses Vertrages mit Energie versorgt werden.
Schwierigkeiten bereitet diese Lösung lediglich im Bereich der Ersatzversorgung, da
724 Diese Regelung ist konform mit der europäischen Elektrizitäts- bzw. Gasrichtlinie, die Haushaltskunden als Käufer von Elektrizität und Gas für den Eigenverbrauch im Haushalt definieren, vgl. Art. 2 Nr. 10 ElektrizitätsRiLi, Art. 2 Nr. 25 GasRiLi.
725 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, 2006, § 36, Rn. 28.
726 Z.B. über den Vergleich der Zahl der Anschlüsse und der Einwohner einer Gemeinde.
727 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, 2006, § 36, Rn. 31.
728 BT-Drucks. 15/3917, S. 66.
151
diese Kunden gegebenenfalls nicht nur nicht vom Grundversorger, sondern auch
vom Netzbetreiber nicht erfasst sind. Gleichwohl dürfte die Zahl dieser Stromverwender zu vernachlässigen sein. Entscheidender ist, dass mit diesem Lösungsweg
Rechtssicherheit und Genauigkeit ohne die Erfordernis von Schätzungen erlangt
wird, sowie darüber hinaus eine vergleichsweise weniger zeitintensive und damit
kostengünstige Regelung getroffen ist.
dd) Konkretisierung des Inhalts der Grundversorgung durch die StromGVV
Die Pflichten des Grundversorgers werden durch die „Verordnung über Allgemeine
Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden729 und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz (Stromgrundversorgungsverordnung - StromGVV)“730 ergänzt und konkretisiert. Die StromGVV beruht auf der
Ermächtigungsgrundlage des § 39 Abs. 2 EnWG und wird gemäß § 1 Abs. 1 S. 2
Strom GVV Bestandteil jedes Grundversorgungsvertrages zwischen Grundversorgern und Haushaltskunden, sowie Grundlage für die Ersatzversorgung nach § 38
EnWG 2005.
Die StromGVV verpflichtet gemäß § 6 StromGVV den Grundversorger, mit
Netzbetreibern die erforderlichen Verträge abzuschließen und alle ihm möglichen
Maßnahmen zu treffen, um den Endkunden zu den jeweiligen allgemeinen Preisen
und Bedingungen Elektrizität dauerhaft und im vertraglich vorgesehenen Umfang
zur Verfügung zu stellen. Dagegen steht dem Grundversorger nach den §§ 14, 15
StromGVV das Recht zu, Messeinrichtungen beim Endkunden zu installieren und
Vorauszahlungen oder Sicherheiten zu verlangen, wenn im Einzelfall der begründete
Verdacht besteht, dass die Gegenleistung nicht oder nicht rechtzeitig erbracht wird.
Der Grundversorger hat gemäß § 19 Abs. 1 StromGVV das Recht, die Versorgung mit Strom durch den Netzbetreiber ohne vorherige Androhung unterbrechen zu
lassen, wenn der Endkunde der StromGVV in nicht unerheblichem Maße schuldhaft
zuwiderhandelt und die Unterbrechung erforderlich ist, um den Gebrauch von elektrischer Arbeit unter Umgehung, Beeinflussung oder vor Anbringung der Messeinrichtungen zu verhindern. Bei Nichterfüllung von Zahlungspflichten ist der Grundversorger gemäß Abs. 2 berechtigt, die Grundversorgung vier Wochen nach Androhung unterbrechen zu lassen. Wiederholtes Vorliegen der
Unterbrechungsvoraussetzungen führt zu einem fristlosen Kündigungsrecht des
Grundversorgers nach § 21 EnWG. Hingegen kann der Grundversorger das Ver-
729 Dies sind nach § 3 Nr. 22 EnWG 2005 „Letztverbraucher, die Energie überwiegend für den
Eigenverbrauch im Haushalt oder für den einen Jahresverbrauch von 10.000 Kilowattstunden
nicht übersteigenden Eigenverbrauch für berufliche, landwirtschaftliche oder gewerbliche
Zwecke kaufen“.
730 BGBl. I 2006, S. 2391.
152
tragsverhältnis ordentlich nur kündigen, wenn die Pflicht zur Grundversorgung gemäß § 36 Abs. 1 S. 2 EnWG 2005 wirtschaftlich unzumutbar ist, vgl. § 20 Abs. 1 S.
2 StromGVV.
Insgesamt kann festgehalten werden, dass aufgrund der Grundversorgungspflicht
und dem damit verbundenen Kontrahierungszwang der Grundversorger keineswegs
ohne Rechte bleibt. Zwar ist er zur Stromlieferung verpflichtet, gleichwohl besteht
nach wie vor die Möglichkeit, sich bei Unzumutbarkeit von dieser Verpflichtung zu
lösen. Der allgemeine Grund der wirtschaftlichen Unmöglichkeit in § 36 Abs. 1 S. 2
EnWG wird dabei durch die StromGVV ergänzt und konkretisiert. Insbesondere
ohne Bezahlung muss auch unter Geltung des EnWG 2005 damit kein Unternehmen
Strom liefern.
Anders als die Bundestarifordnung Elektrizität (BTOElt) enthält die StromGVV
keine Regelung zur Gestaltung oder Höhe der Allgemeinen Preise731, so dass es auch
keiner vorherigen Genehmigung durch die zuständige Behörde bedarf. Es obliegt
dem Grundversorger, die Allgemeinen Preise festzulegen.732 Sie unterstehen nur
noch der allgemeinen bzw. der besonderen kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht
der §§ 19, 20, 29 GWB, sofern es sich um ein marktbeherrschendes Unternehmen
handelt. Die Verwendung des Plurals indiziert dabei, dass es keineswegs nur einen
Allgemeinen Preis geben muss.
ee) Zwischenergebnis
Mit der in § 36 EnWG 2005 normierten Grundversorgung hat der Gesetzgeber
grundsätzlich ein Instrument geschaffen hat, das eine dauerhafte Versorgung des
Endkunden mit Energie sicherstellt. Anders als beispielsweise im Telekommunikationssektor ist nicht die Gesamtheit der am Markt tätigen Unternehmen verpflichtet,
für die Versorgung einzustehen, sondern ausschließlich das hinsichtlich der Anzahl
der versorgten Kunden größte Unternehmen im relevanten Markt. Diese gesetzgeberische Entscheidung beruht auf der Überlegung, dass es diesem Unternehmen am
ehesten möglich sein wird, die Versorgung auch tatsächlich sicherzustellen.
Aufgrund der faktischen Verteilung der Marktanteile, die überwiegend historisch
durch die Monopolstellungen der Stadtwerke zu erklären ist, kann damit auch festgehalten werden, dass die kommunalen Energieversorger überwiegend auch die
Grundversorgungsunternehmen sind. Gerät ein kommunaler Energieversorger daher
in eine wirtschaftliche Krise, ist das durch das EnWG 2005 aufgestellte System der
Sicherung der Energieversorgung besonders belastet. Im Folgenden soll daher untersucht werden, ob und welche Maßnahmen in einem solchen Fall durch die öffentliche Hand getroffen werden können oder sogar müssen.
731 vom Wege, IR 2007, 107; zur alten Rechtslage vgl. Hampel, ZNER 2004, 117, 121.
732 vom Wege, IR 2007, 107.
153
4. Ausfall des Grundversorgers
a) Unzureichende gesetzliche Regelung
Die Regelungen zur Grundversorgung dienen nach ihrer Intention der Gewährleistung der Sicherheit der Versorgung des Endverbrauchers. Solange ein leistungsfähiger Grundversorger am jeweils relevanten Markt tätig ist, ist durch die genannten
Regelungen die Versorgung mit Energie gewährleistet, sofern sich der Endkunde
selbst vertragstreu verhält.
Eine nur oberflächliche Regelung hingegen wird für den Fall getroffen, dass der
Grundversorger selbst seine Versorgungsleistungen einstellt, sei es durch Insolvenz,
sei es durch Beendigung seiner Geschäftstätigkeit. In diesem Moment erlischt auch
die Grundversorgungspflicht, da Unmögliches von niemandem verlangt werden
kann (ultra posse nemo tenetur; impossibilium nulla est obligatio).733 Anders als ein
Netzbetreiber, den nach § 11 Abs. 1 EnWG 2005 eine Pflicht trifft, ein sicheres,
zuverlässiges und leistungsfähiges Energieversorgungsnetz diskriminierungsfrei zu
betreiben, ist es nach § 2 EnWG 2005 lediglich Aufgabe von Energieversorgungsunternehmen, „im Rahmen der Vorschriften dieses Gesetzes“ die Versorgung der Allgemeinheit mit Energie sicherzustellen. Das EnWG trifft jedoch keine Regelung zur
Frage, was zu geschehen hat, wenn ein Energieversorgungsunternehmen insolvent
wird; insbesondere ist keine Pflicht zur Fortführung des Unternehmens geregelt. Da
im Rahmen der Vorschriften dieses Gesetzes vielmehr nur normiert ist, dass gemäß
§ 36 Abs. 2 S. 4 EnWG 2005 für den Fall des Ausfalls des Grundversorgers ein
neuer Grundversorger durch den jeweiligen Netzbetreiber in einem Netzgebiet nach
§ 36 Abs. 2 S. 2 EnWG festzustellen sei, handelt es sich folglich - anders als beim
Netzbetrieb - um eine nur eingeschränkte Versorgungspflicht. Der Grund dürfte
darin liegen, dass auf dem Markt der Endkundenversorgung nach der Vorstellung
des Gesetzgebers Wettbewerb herrschen soll734. Auf der Ebene der Netze wurde ein
solcher Gedanke - also die Installation von Parallelnetzen - rasch aufgegeben und
akzeptiert, dass es sich bei den Netzen um natürliche Monopole handelt, bzw. der
Aufbau von Parallelnetzen unwirtschaftlich ist.735 Während der Ausfall des Monopolisten für die Versorgungssicherheit erhebliche Konsequenzen hätte - nämlich den
Ausfall der Versorgung im gesamten Netzgebiet, wenn sich nicht rasch ein neuer
Netzbetreiber findet - und daher nicht hingenommen werden kann, ist auf einem
Wettbewerbsmarkt der Marktaustritt eines Marktteilnehmers, der sich im Wettbewerb nicht behaupten konnte, ein vom Wettbewerb sogar vorgesehener Vorgang.
733 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, 2006, § 36, Rn. 36 „ipso jure“.
734 Vgl. auch Holznagel/Schumacher, ZNER 2006, 218, 223; Hampel, ZNER 2004, 117, 124 f.
735 Vgl. Begründung zu § 6 EnWG.
154
Daraus ist zu schließen, dass Versorgungsunternehmen zu einer Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes gerade nicht verpflichtet sind736 und dazu nach § 65
Abs. 2 EnWG von der Regulierungsbehörde auch nicht durch Zwangsmaßnahmen
angehalten werden können. Zur Anwendung kommt daher die insofern spezielle
Insolvenzordnung mit der Folge, dass der Insolvenzverwalter über den Fortbestand
der Verträge nach den §§ 103 ff. InsO entscheiden kann. Lehnt der Insolvenzverwalter die Erfüllung der Verträge ab oder lehnt bereits das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse nach § 26 Abs. 1 InsO ab, ist ein neuer Grundversorger durch den jeweiligen Netzbetreiber in einem Netzgebiet nach
§ 36 Abs. 2 S. 2 EnWG festzustellen.
Diese Regelung bereitet rechtlich zunächst keine Schwierigkeiten. In dem oben737
näher beschriebenen Verfahren wird nunmehr festgestellt, welches Unternehmen
bisher die zweit-meisten Haushaltskunden im Netzgebiet versorgt hat.738 Relevanter
Zeitpunkt ist die tatsächliche Einstellung der Versorgungsleistungen des vom Markt
austretenden Unternehmens.739 Hingegen kommt es auf den Zeitpunkt der Eröffnung
eines Insolvenzverfahrens nicht an, da § 36 EnWG seinem Wortlaut nach nicht an
eine rechtliche, sondern allein auf die tatsächliche Beendigung der Versorgung abstellt. Dies ergibt sich auch aus dem Sinn und Zweck der Regelung; entscheidend ist
in dieser Situation, ob der Endkunde mit Strom versorgt wird oder nicht, § 36
EnWG will nur vor dem Ausfall der Stromversorgung schützen, die rechtlichen
Hintergründe sind für den Endkunden unerheblich. Da die exakten Zahlen zu diesem
Zeitpunkt in der Regel nicht vorliegen werden, ist eine außerordentliche Feststellung
erforderlich.
Die vorhandenen gesetzlichen Regelungen sind abschließend und gewährleisten wie gezeigt740 - grundsätzlich eine sichere Versorgung des Kunden mit Energie.
Gleichwohl sind sie unzureichend, denn sie setzen als selbstverständlich voraus,
dass ein ausfallender Grundversorger durch einen neuen Grundversorger ersetzt
werden kann. Keine Regelung wurde jedoch für den Fall getroffen, was zu geschehen hat, wenn ein anderes Unternehmen nach dem in § 36 Abs. 2 S. 4 i.V.m. S. 2
EnWG vorgesehenen Verfahren nicht als Grundversorger festgestellt werden kann.
In Betracht kommt dabei insbesondere die Konstellation, dass es außer dem kommunalen Energieversorger kein anderes Unternehmen in dem relevanten Netzgebiet
gibt. Eventuell ist zwar ein anderes Unternehmen dort tätig, doch kann ihm die
Grundversorgung gegebenenfalls nicht zugemutet werden oder die durch die Substitution des Grundversorgers entstehende Situation ist aus wettbewerblichen Gründen
unerwünscht.
736 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, 2006, § 36, Rn. 36.
737 Vgl oben S. 145 ff.
738 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, 2006, § 36, Rn. 37.
739 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, 2006, § 36, Rn. 38.
740 Vgl. oben S. 152.
155
b) Kein anderer Energieversorger am Markt
Insbesondere im Bereich der Gasversorgung findet sich die Konstellation, dass au-
ßer dem Grundversorger kein weiteres Unternehmen in einem Netzgebiet Kunden
mit Energie versorgt.741 Zwar sehen § 20 Abs. 1b EnWG 2005 und § 3 der Verordnung über den Zugang zu Gasversorgungsnetzen (GasNZV)742 ein transportpfadunabhängiges Netzzugangsmodell vor, das den Transportkunden ermöglicht, gebuchte Kapazitätsrechte an Ein- und Ausspeisepunkten des jeweiligen Netzes ohne die
Festlegung auf einen bestimmten Transportpfad und eine bestimmte Entnahmestelle
zu nutzen (so genanntes entry/exit-Modell)743; durch diese Verpflichtung der Netzbetreiber744 wird innerhalb eines Netzes einem Anbieter von Endkunden-
Versorgungsleistungen die Möglichkeit eröffnet, ohne eigenes Netz seine Leistungen anbieten zu können. Die Durchleitung wird allerdings durch die Bindung der
Größe der entry/exit-Zonen an das Eigentum an den jeweiligen Netzen erschwert.745
Außerhalb eines Netzes muss weiterhin eine bestimmte Entnahmestelle angegeben
werden, dies ergibt sich aus dem Gegenschluss zu § 20 Abs. 1b Satz 4 EnWG 2005.
Wird Gas durch mehrere Netzgebiete hindurchgeleitet, so muss für die Netzbetreiber
die technische Möglichkeit und wirtschaftliche Zumutbarkeit der Zusammenarbeit
mit den anderen Netzbetreibern gegeben sein.746 Diese in § 20 Abs. 1b Satz 5 EnWG
2005 normierte Bedingung erschwert die Durchleitung zusätzlich, da es für den
Versorger kaum nachzuvollziehen ist, ob eine solche Unzumutbarkeit bzw. technische Unmöglichkeit tatsächlich vorliegt. Weigert sich nur ein Netzbetreiber, kann
dies gegebenenfalls zu einer jahrelangen Verzögerung führen.747 Für örtliche Verteilernetze gelten nach § 8 GasNZV besondere Bedingungen. In dem Transportvertrag
sind nach Abs. 1 Satz 1 1. HS. der Ein- und Ausspeisepunkt und die Vorhalteleistung am Ausgangspunkt zu bestimmen. Zuletzt ist es den Netzbetreibern möglich,
ihre eigenen Netze in Teilnetze zu untergliedern, was die Möglichkeiten des
entry/exit-Modells weiter einschränkt.748
Entsprechend § 36 Abs. 2 S. 4 i.V.m. S. 2 EnWG ist der Betreiber des Energieversorgungsnetzes im betroffenen Netzgebiet verpflichtet, den zweitgrößten Versor-
741 Diese Situation mag selten sein, sie zeigt jedoch am deutlichsten die Mängel der Regelungen
über die Grundversorgung auf. Ein Beispiel ist die Gasversorgung im Konzessionsgebiet der
Stadt Konstanz/Öhringen. Dort gibt es ausschließlich den Grundversorger, nämlich die
Stadtwerke Konstanz. Einzusehen unter
http://www.sw.konstanz.de/versorgung/downloads/dateien/Strom/Veroeffentlichungspflicht_
SV-Dateien/frame.htm; zuletzt abgerufen am 28.02.2007.
742 Verordnung über den Zugang zu Gasversorgungsnetzen vom 25.07.2005, BGBl. I, S. 2210.
743 Kühne/Brodowski, NVwZ 2005, 849, 851.
744 Vgl. Begründung zum Entwurf der GasNZV v. 14.05.2005, BR-Drucks. 246/05, S. 34.
745 Kühne/Brodowski, NVwZ 2005, 849, 851.
746 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, 2006, § 20, Rn. 37.
747 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, 2006, § 20, Rn. 38.
748 Kühne/Brodowski, NVwZ 2005, 849, 851; kritisch Neveling, ET 2004, 611, 612.
156
ger festzustellen. Mangels zweitgrößten Versorgers ist dies in der vorliegenden
Konstellation nicht möglich. Eine Verpflichtung zur Versorgung kann dem EnWG
nicht entnommen werden. Daher sind auch den Regulierungsbehörden nach den
§§ 54, 65 EnWG 2005 keine Möglichkeiten eröffnet, durch eine Verpflichtung des
ausscheidenden Unternehmens dieses dazu zu zwingen, die Versorgung aufrechtzuerhalten. Dies gilt ebenso für die Verpflichtung eines dritten, bisher unbeteiligten
Unternehmens.
Anders als beispielsweise in § 81 Abs. 5 TKG gibt es damit keine Ermächtigungsgrundlage für die Behörden, ein Unternehmen gegen seinen Willen zu einer
Leistungserbringung zu verpflichten. Nach der gegenwärtig bestehenden gesetzlichen Konzeption bedeutet dies, dass es in dem Netzgebiet zu einer Unterversorgung
kommt, wenn sich nicht freiwillig ein drittes Unternehmen bereiterklärt, die Versorgungsleistungen zu übernehmen. Die Übernahme dieser Verpflichtung geht dabei
mit der Übernahme der Grundversorgungspflicht einher, da dieses Unternehmen im
relevanten Netzgebiet bereits mit der Versorgung nur eines Kunden die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 S. 1 EnWG erfüllt. Ein „Rosinenpicken“, also nur die Versorgung von bestimmten lukrativen Kunden, wie z.B. von Unternehmen oder großen
Wohnsiedlungen, ist daher nicht möglich und wird zu einer zusätzlichen Hemmschwelle für ein neues Unternehmen. In der vorliegenden Konstellation kann sich
das Unternehmen nur entscheiden, das gesamte Netzgebiet zu versorgen oder von
einer Versorgung ganz abzusehen.749
c) Unzumutbarkeit der Grundversorgung
Insbesondere Anbieter von Solar- oder Windenergie750 haben sich mit ihrem Angebot „grüner Energie“ bei umweltbewussten Verbrauchern eine Nische geschaffen
und versorgen in überwiegend geringem Umfang neben dem Grundversorger Endkunden mit Strom.
Fällt der Grundversorger aus, so ist dieser Anbieter von erneuerbarer Energie
nach der neuen Feststellung des Netzbetreibers grundsätzlich verpflichtet, die
749 Insbesondere in zersiedelten und zusätzlich schwer zugänglichen Gebieten wie im Hochschwarzwald oder zwischen den Seen in Mecklenburg-Vorpommern kann dies erhebliche
Konsequenzen haben. Tatsächlich haben die Stadtwerke z.T. erhebliche Probleme, mittelständische Unternehmen als Kunden zu behalten. Denn diese sind aufgrund ihres höheren
Energieverbrauchs preissensibler als ein privater Endkunde. Die großen Verbundunternehmen
haben es verstanden, gezielt solche Unternehmen abzuwerben und damit den Stadtwerken
lukrative Aufträge zu entziehen.
750 Als Beispiel sei die Stadt Konstanz genannt: Die Stadtwerke Konstanz sind im Konzessionsgebiet Grundversorger mit 47.313 Haushaltskunden. Zweitgrößtes Unternehmen ist die
Lichtblick - Zukunft der Energie GmbH mit 139 versorgten Haushaltskunden; einzusehen unter http://www.sw.konstanz.de/versorgung/downloads/dateien/Strom/Veroeffentlichungspflicht_SV-Dateien/frame.htm;zuletzt abgerufen am 12.11.2008.
157
Grundversorgung im Netzgebiet zu gewährleisten. Unklar bleibt in dieser Konstellation, ob es einem nur kleinen Unternehmen ohne nennenswerte finanzielle und personelle Ausstattung überhaupt möglich ist. Näher zu untersuchen ist in dieser Situation, ob möglicherweise die Ausnahmeregelung des § 36 Abs. 1 S. 2 EnWG eingreift, wonach die Grundversorgungspflicht nicht besteht, wenn sie für das
Energieversorgungsunternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist.751
Die Nachweispflicht trifft in dieser Frage das versorgende Unternehmen.752
aa) Herkömmliche Gründe
Bei der Frage der Zumutbarkeit der Versorgung wird in der Literatur und Rechtsprechung darauf abgestellt, ob die Kosten der Versorgung eines einzelnen Kunden noch
durch die allgemeinen Tarife gedeckt werden können.753 Dabei sei nicht nur das
einzelne Geschäft, sondern die Auswirkung auf die gesamte wirtschaftliche Lage
des Unternehmens zu berücksichtigen. Es gelte zu prüfen, ob die für den betroffenen
Kunden maßgebenden Anschluss- und Abnahmeverhältnisse noch denen entsprächen, die von dem Energieversorgungsunternehmen bei Aufstellung ihrer allgemeinen Tarife und ihrer ergänzenden Bedingungen für die Leistung von Baukostenzuschüssen nach Maßgabe der Zusammensetzung ihres Versorgungsgebietes unter
Wahrung der Tarifgerechtigkeit im Verhältnis der Abnehmer untereinander zugrunde gelegt worden sind und ob sich das Energieversorgungsunternehmen auch bei
Anschlüssen der vorliegenden Art an eine solche Regelung halte. Erst wenn die
Anschluss- und Abnahmeverhältnisse sich nicht mehr im Rahmen der im Versorgungsgebiet zwar verschiedenen, aber im Tarif- und Entgeltsystem der Betroffenen
unter sich ausgleichenden Anschluss- und Abnahmeverhältnisse hielten, könne der
Anschluss oder die Versorgung dem Versorgungsunternehmen in seinem wirtschaftlichen Interesse und auch im Interesse der Tarifgerechtigkeit nicht mehr im Sinn des
§ 6 Abs. 2 Nr. 1 EnWG zugemutet werden.754 Die angeführten Beispiele beziehen
sich jedoch überwiegend auf die Netze.755 Diese Frage ist aufgrund des nach den §§
751 Die Regelung entspricht inhaltlich § 10 Abs. 1 S. 2 EnWG 1998 und § 6 Abs. 2 EnWG 1935,
so dass auf die dort vorhandene Literatur zurückgegriffen werden kann, jedoch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Fragen des Anschlusses hier nicht zu erörtern sind, sondern
ausschließlich Fragen der Versorgungsleistungen.
752 Büdenbender, EnWG 1998, § 10, Rn. 96, 113; Hempel in Energiewirtschaftsgesetz 1998,
§ 10, Tz. 5.1; BGH, Urt. v. 29.05.1979, RdE 1979, 153, 155 f.
753 Hempel in Energiewirtschaftsgesetz 1998, § 10, Tz. 5.1;
754 BGH, Urt. v. 29.05.1979, RdE 1979, 153, 155.
755 Hempel in Energiewirtschaftsgesetz 1998, § 10, Tz. 5.1: Aufwendungen für einen einzelnen
Anschluss wegen langer Zuleitung (Einsiedlerhof); Büdenbender, EnWG 1998, § 10, Rn.
115;
158
6 ff. EnWG angeordneten Unbundling jedoch für § 36 Abs. 1 S. 2 EnWG nicht relevant.
Die Unzumutbarkeit der Versorgung wird im Wesentlichen für Fallgruppen diskutiert, die nachfragebedingt zur Unzumutbarkeit der Versorgung führen.756 Genannt wird eine kurzfristige saisonale bzw. konjunkturelle Nachfrage, die beim Energieversorger zu hohen Vorhaltekosten führt, wenn diese Leistung außerhalb der
Saisonzeit nicht anderswo eingesetzt werden kann.757 Technischer Hintergrund ist,
dass das Versorgungsunternehmen verpflichtet ist, die angeforderte Menge jederzeit
liefern zu können. Daher muss das Versorgungsunternehmen entsprechende Erzeugungskapazitäten bei einem Energieerzeuger einkaufen und auch bezahlen, ganz
unabhängig davon, ob diese Kapazitäten auch tatsächlich abgerufen werden. Dies ist
auch aus Sicht des Erzeugers verständlich, da das Verbundunternehmen jederzeit in
der Lage sein muss, kurzfristig die vertraglich zugesicherte Kapazität zur Verfügung
zu stellen und daher entsprechende Dispositionen treffen muss. Weiter enthalten die
Arbeitspreise der Energieversorgungsunternehmen in erheblichem Umfang Festkostenbestandteile, so dass dieses Problem auch nicht grundsätzlich durch einen Bereitstellungspreis gelöst werden kann. Im Falle der Anwendung der Tarifpreise auf die
zur Verfügung gestellte tatsächlich verbrauchte Menge führt daher eine geringe
Abnahmemenge zu einer Unterdeckung der Versorgungskosten.758
Ebenso kann eine besonders hohe oder niedrige Abnahme von Strommengen zu
wirtschaftlicher Unzumutbarkeit führen. Wird vom Kunden mehr Energie nachgefragt, als das Niederspannungs- bzw. Niederdrucknetz übertragen kann und wird
daher ein Anschluss an das Mittelspannungsnetz und damit ein Wechsel in ein Sonderkundenverhältnis erforderlich, was der Kunde jedoch ablehnt, so ist nach überwiegender Ansicht eine Versorgung auf der niederen Stufe dem Versorgungsunternehmen nicht weiter zumutbar.759 Auf der anderen Seite führe eine geringe oder
lange Zeit völlig ausbleibende Nachfrage dazu, dass nur unzureichende Beiträge zur
Abdeckung der anteiligen Festkosten geleistet würden.760
bb) Anwendbarkeit auf die Ausgangssituation
Die genannten Gründe verhelfen einem Energieversorger, sich im Falle der Grundversorgungsverpflichtung von der Belieferung einzelner Kunden zu befreien. Damit
ist anerkannt, dass im Einzelfall eine Ausnahme von der Grundversorgungspflicht
756 Die Fallgruppe der Gründe in der Person des Kunden ist im vorliegenden Rahmen nicht
relevant und wird daher hier auch nicht weiter behandelt.
757 BGH, Urt. v. 29.05.1979, RdE 1979, 153, 156; Büdenbender, EnWG 1998, § 10, Rn. 116:
Sommergasthöfe, Skihütten.
758 Büdenbender, Energierecht, 1982, Rn. 794; ders., EnWG-Kommentar, 2003, § 10, Rn. 116.
759 Büdenbender, EnWG-Kommentar, 2003, § 10, Rn. 117.
760 Büdenbender, Energierecht, 1982, Rn. 796 f.; ders., EnWG-Kommentar, 2003, § 10, Rn. 118.
159
gemacht werden kann. Fraglich ist vor diesem Hintergrund nun, ob die Ausnahme
von der Grundversorgungsverpflichtung auch die Regel sein kann. Konkret ist also
zu überlegen, ob in der Ausgangssituation das Unternehmen verpflichtet ist, die
Grundversorgung zu übernehmen oder ob die wirtschaftliche Unzumutbarkeit dahingehend auszulegen ist, dass im Fall des Marktaustritts des ehemaligen Grundversorgers es von dem zweitgrößten Versorgungsunternehmen im Netzgebiet aufgrund
seiner Struktur nicht verlangt werden kann, zukünftig die Grundversorgung zu übernehmen. Dabei handelt es sich um eine neue, bisher noch nicht diskutierte Fallgruppe, die erst durch die Regelung der Grundversorgung, das gesellschaftsrechtliche
Unbundling und die Öffnung des Endkundenmarktes für den Wettbewerb relevant
geworden ist.
Berücksichtigt werden müssen mehrere Faktoren. Zunächst ist zu bedenken, dass
der Endkundenpreis eines Anbieters von „grünem“ Strom in der Regel deutlich über
dem eines Anbieters liegt, der einen konventionellen Strom-Mix anbietet, da die
Erzeugungskosten höher sind. Die geltenden Regelungen sehen ab dem 01.07.2007
keine Genehmigungspflicht des Endkundenpreises mehr vor, die BTOElt soll nicht
verlängert werden. Dies bedeutet, dass im Rahmen der Missbrauchsaufsicht - unterstellt, diese findet aufgrund einer marktbeherrschenden Stellung Anwendung - das
Unternehmen die Grundversorgungspreise selbst festsetzen darf.761 Selbst wenn man
jedoch davon ausgeht, dass das Unternehmen einen höheren Preis festsetzen kann,
als der soeben ausgeschiedene Energieversorger, so bleibt die Frage, ob dieses Unternehmen auch in der Lage ist, die Menge an Strom zu liefern, die erforderlich ist,
um ein gesamtes Netzgebiet als Grundversorger tatsächlich zu versorgen.762 Auch
hier lässt sich unterstellen, dass die erforderliche Menge an Energie durch Zukäufe
auf dem Energiemarkt zu vertretbaren Kosten hinzu erworben werden kann.763 Die
Zumutbarkeit scheitert jedoch spätestens an der Betrachtung der Folgen eines solchen rasanten Zuwachses. Der erforderliche Aufwand zur Erfüllung der Grundversorgungspflicht führt zu einem erhöhten Personal- und Finanzierungsaufwand. Dies
beginnt mit der Berechnung der erforderlichen Menge für den Stromzukauf, die
Einstellung bzw. Schulung von Personal764, Anmietung von Bürogebäuden, bis hin
761 Es ist kein Zufall, dass etwa 126 Energieversorgungsunternehmen zum 01.07.2007 Preiserhöhungen angekündigt haben, vgl.:
http://www.focus.de/immobilien/energiesparen/strom_aid_65127.html; zuletzt abgerufen am
23.07.2007.
762 Im oben angeführten Beispiel der Stadt Konstanz müsste der neue Grundversorger auf einen
Schlag etwa die 350-fache Menge an Haushalten versorgen.
763 Hier stellt sich das nächste Problem ein: Könnte ein Anbieter ausschließlich von „grüner“
Energie verpflichtet sein, Atomstrom in sein Programm aufzunehmen, um die Nachfrage als
Grundversorger zu befriedigen?
764 Dies darf nicht unterschätzt werden. Häufig wird von Seiten der Stadtwerke laut, dass mit
dem ursprünglichen Personal „so nichts mehr anzufangen“ sei. Der Schulungsaufwand ist erheblich, gerade die Einarbeitung in die zu beachtenden rechtlichen Vorschriften und die neue
EDV verschlingt Zeit und Geld.
160
zum Kauf von Büroeinrichtung sowie der EDV. Ein privates Unternehmen kann
nicht ohne entsprechende Ermächtigungsgrundlage gezwungen werden, sprunghaft
zu wachsen, indem gegebenenfalls Kredite aufgenommen werden müssen, um das
Wachstum zu finanzieren. Dies würde einen unverhältnismäßigen Eingriff in die
Eigentums- und Berufsfreiheit aus den Artt. 12 und 14 GG bedeuten und gegen die
Grundsätze eines Rechtsstaates verstoßen. Zwar unterliegen die beiden Grundrechte
gesetzlicher Schranken, so dass sie durch Gesetz765 eingeschränkt werden könnten.
Aufgrund des Rechtsstaatsgrundsatzes bedarf es dafür jedoch einer klaren und ausdrücklichen Ermächtigung der Verwaltung, damit jedem Marktteilnehmer bereits
vor Aufnahme einer entsprechenden Tätigkeit deutlich vor Augen geführt wird,
welche Risiken er mit einem Markteintritt eingeht.766 Im Übrigen muss hier berücksichtigt werden, dass nach der Übernahme der Grundversorgung immer die Gefahr
besteht, dass der sprunghafte Zuwachs an Endkunden schnell wieder schwindet,
wenn diese aus der Grundversorgung zu einem anderen Energielieferanten in möglicherweise günstigere Sondervertragsverhältnisse wechseln. Zwar ist die Wechselwilligkeit der Endkunden gegenwärtig gering. Gleichwohl muss zumindest die wenn auch theoretische - Möglichkeit bedacht werden, dass der neue Grundversorger Ökostrom zu einem deutlich höheren Tarif anbietet als der zuvor ausgeschiedene
Grundversorger, so dass sich in diesem Netzgebiet eine neue Dynamik hinsichtlich
des Wechsels zu einem anderen Versorger entwickelt, die durch den erheblichen
Preisanstieg ausgelöst wird.
cc) Zwischenergebnis
Neben den bereits bekannten Unzumutbarkeitsgründen ist es sachgerecht, auch die
Unverhältnismäßigkeit der Übernahme der Grundversorgung aus wirtschaftlichen
Gründen als unzumutbar im Sinne von § 36 Abs. 1 S. 2 EnWG anzuerkennen. Aufgrund der wettbewerblichen Ausrichtung des EnWG im Bereich der Versorgungsleistungen ist eine solche Interpretation zum Schutz insbesondere von kleinen Anbietern erforderlich, die sich im Segment der erneuerbaren Energien eine Marktnische erschlossen haben. Da eine ausdrückliche Regelung fehlt, was in einem solchen
Fall zu geschehen habe, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber dieses Problem
übersehen hat.
765 Aufgrund der Wesentlichkeitstheorie ist davon auszugehen, dass eine Ermächtigung der
Exekutive nicht ausreichend ist.
766 Im vorliegenden Fall kann auch nicht mit zwingenden Gründen des Allgemeinwohls eine
Ermächtigungsgrundlage „kraft Sachzwang“ angenommen werden. Vergleichbar ist die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rückwirkung von Gesetzen, BVerfGE
72, 200, 260; 13, 261, 272; 30, 367, 390 f.; siehe auch BVerwG NVwZ 1992, 778, 779; Brüning, NJW 1998, 1526, 1528.
161
d) Großes Verbundunternehmen als zweitgrößter Energieversorger am Markt
aa) Überblick
Nicht fern liegend ist die Konstellation, dass neben dem kommunalen Stadtwerk als
zweitgrößtes Unternehmen eines der vier großen Verbundunternehmen767 E.ON,
RWE, EnBW oder Vattenfall in einem Netzgebiet die Endkundenversorgung betreibt. Dies kann entweder direkt geschehen oder über eine der vielen Tochterunternehmen, wie z.B. die EnBW-Tochter „Yellow“768, die E.ON-Tochter „E wie Einfach
GmbH“769 oder die „Eprimo“770 GmbH, an der RWE über die ÜWG Holding zur
Hälfte beteiligt ist. Diese Unternehmen werben mittlerweile auch aktiv um Kunden
in Gebieten, in denen die Verbundunternehmen Beteiligungen an Stadtwerken halten. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass es Ziel dieser Unternehmen ist,
mehr Wettbewerb in den Endkundenmarkt zu bringen.771 Vielmehr ist Hintergrund
dieser Strategie, möglichst viele Endkunden direkt an das Verbundunternehmen zu
binden, um durch eine verstärkte vertikale Integration eine nachhaltige Marktstellung zu sichern. Es lässt sich aus dieser Tatsache weiter ableiten, dass die vier Verbundunternehmen im Falle einer Krise eines Stadtwerkes, an dem sie eine Beteiligung halten, nicht unbedingt an dessen Sanierung interessiert sind. Gegenwärtig
erhalten die Verbundunternehmen aus ihren Beteiligungen regelmäßig Gewinnausschüttungen, die die Stadtwerke zum Teil erheblich belasten. Es ist unwahrscheinlich, dass solche Gewinne als Kredit stehengelassen werden, sollte sich das Stadtwerk einmal in einer wirtschaftlichen Schieflage befinden.
Unterstellt, das Stadtwerk fällt als Grundversorger aus, so wäre nunmehr das
Verbundunternehmen als zweitgrößter Energieanbieter vom Netzbetreiber zu benennen. Anders als in der vorgenannten Konstellation bestehen hier keine Bedenken,
dass es für das Verbundunternehmen wirtschaftlich unzumutbar sein könnte, die
Grundversorgung für das betroffene Netzgebiet zu übernehmen. Es sind in der Regel
nicht nur die erforderlichen Energie-Kapazitäten, sondern auch die Strukturen vorhanden bzw. ohne weiteres finanzierbar, die für diese Aufgabe erforderlich sind.
767 Die Unternehmen stehen nur beispielhaft für das gegenwärtig bestehende Oligopol auf der
Erzeugerstufe im Energiesektor. Die nachfolgend genannten Tochtergesellschaften dienen nur
der Verdeutlichung und werden ohne Anspruch auf Vollständigkeit aufgeführt.
768 www.yellowstrom.de
769 www.e-wie-einfach.de
770 www.eprimo.de
771 Umso mehr überrascht ein Bericht des Bundes der Energieverbraucher, die vor unabhängigen
Billiganbietern warnen und begrüßt den durch den „politischen Druck auf die großen Konzerne“ entstehenden Wettbewerb durch die genannten Tochterfirmen. Gewarnt wird vor neuen Anbietern, die „nicht mit einem Netzbetreiber verschwestert“ sind.
http://www.energienetz.de/index.php?itid=1094&content_news_detail=6044&back_cont_id=
4044; zuletzt abgerufen am 08.05.2007. Wie auf diese Art Wettbewerb in Gang kommen soll,
ist allerdings fraglich.
162
Es ergibt sich jedoch ein anderes Problem. Das Bundeskartellamt steht einer weiteren vertikalen Integration der großen Stromerzeuger kritisch gegenüber.772 Eine
neue Beteiligung an Stadtwerken, die zu einer Verfestigung der vertikalen Integration führen würde, ist damit jedenfalls im Moment selbst bei Kleinst-Beteiligungen
von unter 10% ausgeschlossen. In der vorliegenden Konstellation ist zumindest zu
bedenken, dass aufgrund eines Wechsels des Grundversorgers faktisch genau das
geschehen würde, was aus wettbewerblichen Gründen untersagt werden soll, nämlich eine Verfestigung der vertikalen Integration, die auch durch die Marktgegebenheit der Wechselunwilligkeit des Verbrauchers773 gestützt wird, insbesondere, wenn
sich an den Preisen nichts zum Nachteil der Endkunden ändert. Lehnt der Insolvenzverwalter des kommunalen Energieversorgungsunternehmens die weitere Erfüllung der Stromlieferverträge mit den Endkunden ab, so wird die Grund- bzw. Ersatzversorgungspflicht für das Verbundunternehmen zu einem unverhofften Geschenk, da das Unternehmen ohne weiteres Zutun zunächst ein ganzes Netzgebiet zu
seinem Kundenstamm hinzugewinnt. Dieses Ergebnis könnte das Verbundunternehmen sonst nur auf dem Wege eines Unternehmenskaufs des Stadtwerkes erzielen. Ein solcher Vorstoß würde kartellrechtlich jedoch untersagt werden. Fraglich
bleibt daher, ob die Übernahme der Grundversorgungspflicht durch ein Verbundunternehmen unkritisch hingenommen werden kann.
bb) Konflikt zwischen Grundversorgung und Wettbewerb
In dieser Situation besteht das Problem, wie das Spannungsverhältnis zwischen dem
ursprünglich gewünschten Wettbewerb, der staatlichen Pflicht zur Gewährleistung
der Grundversorgung und dem Risiko zukünftiger Marktschließungseffekte durch
vertikale Integration774, sowie möglicherweise der kartellrechtlichen Zusammenschlusskontrolle zu lösen ist.
Ziel der Liberalisierung war es, durch eine Marktöffnung775 Wettbewerb auf dem
Markt der Endkundenversorgung herzustellen. Folge von Wettbewerb kann es je-
772 Bundeskartellamt, BT-Drucks. 15/1226, S. 163 f.; Bundeskartellamt WuW/DE-V, 823
„E.ON/Stadtwerke Eschwege“; bestätigt durch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 06.06.2007 – VI-2
Kart 7/04, ZNER 2007, 327 ff.; bestätigt durch BGH, Beschluss vom 11. 11.2008 – KVR
60/07; vgl. auch Hummel, IR 2007, 160 f.
773 Gegenwärtig liegt die Wechselwilligkeit bei etwa 2-3 %. Vgl. dazu Bundeskartellamt, BT-
Drucks. 15/1226, S. 162; aktuellere Zahlen sprechen von bis zu 10%, vgl.
http://www.verivox.de/power/stromanbieterwechsel.asp zuletzt abgerufen am 26.11.2007.
774 Vgl. dazu Bundeskartellamt, BT-Drucks. 15/1226, S. 162 f.; für den Gasbereicht BT-Drucks
15/5790, S. XI.
775 Kritisch beurteilte das Bundeskartellamt in seinem Tätigkeitsbericht 2001/2002 allerdings die
Entwicklung eines bundesweiten Marktes. Ausdrücklich gibt das Bundeskartellamt die frühere Prognose, es könne zu einem bundesweiten Markt im Bereich der Stromkleinkunden
kommen, auf; vgl. Bundeskartellamt, BT-Drucks. 15/1226, S. 162.
163
doch stets sein, dass es zu einem Marktversagen im Sinne von nicht vorhandenem
Wettbewerb kommt und damit zu einer Monopolstellung. Besonders kritisch ist die
Lage, wenn es zu einer Unterversorgung der Endkunden mit dem relevanten Gut
kommt, weil der Monopolist von seiner Leistung weniger anbietet, als er auf dem
Markt absetzen könnte. Denn Monopolisten handeln nicht nachfrageorientiert, sondern angebotsorientiert.776 Sie bieten von ihrem Gut nur soviel an, dass sich ihr Gewinn maximiert. Auch dies kann grundsätzlich hingenommen werden. Sind auf
einem Markt mangels Nachfrage keine Gewinne zu erzielen777 bzw. ist die Marktgegenseite eher bereit, auf ein Produkt zu verzichten, als dafür einen höheren Preis zu
bezahlen, wird dort ein Privater keine Investitionen tätigen. Möglicherweise muss er
sein Produkt unterhalb der eigenen Grenzkosten verkaufen, um es überhaupt absetzen zu können.
Ausnahmen ergeben sich allerdings für Güter, die für einen angemessenen Lebensstandard zwingend erforderlich sind, wie beispielsweise die Energieversorgung.
Auf diesem Markt der Versorgung (der dritten Marktstufe nach der Erzeugung und
dem Transport)778 wurden über Jahre hohe Gewinne erzielt, die in der Regel zur
Quersubventionierung des öffentlichen Nahverkehrs, der städtischen Bäder und
anderer nicht profitabler öffentlicher Einrichtungen verwendet wurden. Jahrzehntelang waren diese Gewinne politisch gewollt, weil dadurch Einnahmen in die gemeindlichen Kassen gespült wurden, die man dringend benötigte.779 Von diesem
Aspekt wurde - ohne dies ausdrücklich so klarzustellen - Abstand genommen. Die
Versorgungssicherheit, die bis 1998 auf der Ebene der Endkundenversorgung nicht
weiter diskutiert wurde, wird nunmehr in den Vordergrund gestellt und soll durch
regulierten Wettbewerb erreicht werden.
776 Knieps, Wettbewerbsökonomie, 2001, S. 210 ff.
777 Dies ist auf dem Markt der Endkundenversorgung ein erhebliches Problem, vgl. Bundeskartellamt, BT-Drucks. 15/1226, S. 162. Die EnBW-Tochter „Yellow“ konnte seit Gründung
laut Pressemeldung vom 26.01.2007 (http://www.yellostrom.de/) ca. 1.200.000 Kunden gewinnen und wies etwa ein Jahresdefizit in Höhe von einer Mrd. Euro aus. Der geschätzte Gewinn pro Kunde liegt im Jahr bei ca. 30 Euro.
778 Das Bundeskartellamt gliedert die einzelnen Marktstufen dabei noch in weitere Märkte auf:
Bundesweite Erzeugungs- und Importstufe; bundesweite Distributionsstufe, unterteilt in Erstabsatz von Strom und Handel mit Strom; Endkundenstufe, unterteilt in bundesweiten Markt
Absatz an Großkunden und den versorgungsgebietbezogenen Markt des Absatzes an Kleinkunden. Vgl. Bundeskartellamt WuW/DE-V, 823 „E.ON/Stadtwerke Eschwege“; bestätigt
durch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 06.06.2007 – VI-2 Kart 7/04; bestätigt durch BGH, Beschluss vom 11. 11.2008 – KVR 60/07; Hummel, IR 2007, 160 f.
779 Nach wie vor findet sich in den verschiedenen Gemeindeordnungen die Regelung, dass
kommunale Unternehmen einen Ertrag für den Gemeindehaushalt abwerfen sollen, siehe z.B.
§ 109 Abs. 1 GO NW, § 102 Abs. 3 2.HS GemO BaWü.
164
Ein Marktversagen wird aber durch die Regulierung wahrscheinlicher. Aufgrund
der Regulierung sinken die Entgelte780 und damit die Gewinne mit der Folge, dass
neue Wettbewerber von einem Markteintritt abgehalten werden. Märkte, die reguliert werden und - wie im Bereich der Energieversorgung - durch ständig neue staatliche Eingriffe keine Zukunftssicherheit für Gewinne gewährleisten, sind für Investoren uninteressant.781 Gleichzeitig bedeuten sinkende Gewinne die höhere Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz von den Unternehmen, die sich auf dem Markt
betätigen.782 Dies gilt insbesondere für diejenigen kommunalen Energieversorger,
die in den sich wandelnden Marktbedingungen ihre Betriebskosten nicht rasch genug senken können und mit sinkenden Preisen und Netzentgelten konfrontiert sind.
Der deutsche Gesetzgeber normiert in § 36 EnWG, dass im Falle des Marktversagens ein Instrumentarium greifen soll, das wettbewerbspolitisch ausgesprochen
fragwürdig ist, da es zu einer Konzentration der Marktmacht in dem jeweiligen
Netzgebiet führt. Indem der zweitgrößte Versorger die Marktanteile des größten
Versorgers übernimmt, wird dadurch die Marktmacht des übernehmenden Versorgungsunternehmens ohne sachlichen Grund und ohne Revidierungsmöglichkeit in
dem jeweiligen Netzgebiet erhöht. Ähnlich wie im TKG hätten sich hier auch andere
Lösungen angeboten. Nicht bedacht wurde offenbar, dass es dabei nicht nur zwingend zu einer horizontalen Marktmachtkonzentration kommt, sondern dass auch
eine vertikale Verstärkung der Marktstellung eines Unternehmens gerade bei den
großen Verbundunternehmen die Folge sein kann.
Die Regelung der Grundversorgung ist jedoch de lege lata eindeutig. Der Gesetzgeber nimmt diese Konzentrationsfolge in Kauf, um die Sicherheit der Versorgung
nicht zu riskieren und die ihm übertragene Gewährleistung der Energieversorgung
sicherzustellen. Die für den Markt nachteiligen Folgen werden dabei hingenommen.
780 Es wird dabei nicht bestritten, dass diese möglicherweise künstlich hoch gehalten worden
waren; gleichwohl hat sich die Energiewirtschaft darauf eingerichtet und insbesondere auch
die Kommunen.
781 Dies zeigt das Bild der Stromanbieter in Deutschland: Von den ursprünglich vielen kleinen
Anbietern sind letztlich nur wenige übrig geblieben. Das Marktgeschehen teilen die Tochterunternehmen der großen Verbundunternehmen und die Stadtwerke unter sich auf.
782 Die erste Runde der Netzentgeltregulierung ist mittlerweile abgeschlossen. Die Netzentgelte
wurden bis zu 20% gekürzt, vgl. www.bundesnetzagentur.de. Dies bedeutet gerade für die
Stadtwerke, deren Netze aufgrund der großen Verzweigung und der häufigen Pflicht, die Leitungen unterirdisch zu verlegen, besonders harte Einschnitte, zum Teil in Millionenhöhe. Dabei stellt die Bundesnetzagentur mehrfach fest, dass die gesenkten Netzentgelte sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht auf den Strompreis auswirken würden. Dies ist insofern nachvollziehbar, als alle kleineren Stadtwerke, die ihre Netze nicht ausgelagert haben, da
sie unter die de-minimis-Regelung fallen, nur Nachteile erleiden. Sofern es sich um die
Durchleitung für die eigenen Kunden handelt, sind die gesenkten Entgelte eine Nullsumme.
Soweit fremde Kunden bedient werden, nehmen die Stadtwerke weniger ein. Es ist schon unklar, welcher Vorteil von den Stadtwerken hier an den Endkunden weitergegeben werden
soll.
165
Gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass die Regelung in § 36 EnWG 2005 in der
vorliegenden Konstellation unter dem Aspekt des Wettbewerbs nicht zu befriedigenden Ergebnissen führt, sondern eine nachhaltige und von außen nicht mehr revidierbare, grundsätzlich nicht gewollte Marktkonzentration zur Folge hat.
cc) § 29 GWB
§ 29 GWB wurde am 22.12.2007 in das GWB eingefügt.783 Während § 29 GWB
sich nur an Anbieter von Elektrizität oder leitungsgebundenem Gas wendet, die auf
dem relevanten Markt allein oder zusammen mit anderen Versorgungsunternehmen
eine marktbeherrschende Stellung innehaben, bleiben gemäß § 29 Satz 3 GWB die
§§ 19 und 20 GWB unberührt. Ziel ist es, den Kartellbehörden die Durchsetzung des
in § 19 GWB festgelegten Missbrauchsverbots für den Energiesektor zu erleichtern.
§ 29 GWB stellt dabei eine auf den Energiesektor zugeschnittene Ausprägung der
Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB dar. § 29 GWB ist folglich eine Spezifikation
der § 19 und 20 GWB. Der sachliche Anwendungsbereich von § 29 GWB ist eröffnet, sofern es sich um Unternehmen handelt, die Anbieter von Elektrizität oder
leitungsgebundenen Gas sind. Sie werden als „Versorgungsunternehmen“ legal
definiert. Keine Anwendung hingegen findet die Norm auf die Netzwirtschaften. Für
diese gelten ausschließlich die Regelungen des Energiewirtschaftsgesetz (EnWG)
und die Netzentgeltverordnungen (StromNEV bzw. GasNEV), sowie ab dem
01.01.2009 die Anreizregulierungsverordnung (ARegV). Dies ergibt sich aus § 111
EnWG, der insoweit den Vorschriften des EnWG bzw. den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsvorschriften Vorrang einräumt.
Nach § 29 S. 1 Nr. 1 GWB handelt ein marktbeherrschendes Versorgungsunternehmen missbräuchlich, wenn es Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen
fordert, die ungünstiger sind als diejenigen anderer Versorgungsunternehmen oder
von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten. § 29 S. 1 Nr. 2 GWB führt eine - in
dieser Form neue - kostenbasierte Entgeltkontrolle in das GWB ein. Danach handeln die Normadressaten missbräuchlich, wenn sie Entgelte fordern, die die Kosten
in unangemessener Weise überschreiten.
Ein marktmächtiges Energisunternehmen unterliegt damit nunmehr hinsichtlich
seiner Preisgestaltung einer deutlich verschärften sektorspezifischen Kontrolle, die
über die allgemeine Missbrauchsaufsicht in den §§ 19, 20 GWB hinausgeht, so dass
ein fortgesetzter Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung unwahrscheinlich
ist. Allerdings ist diese neue sektorspezifische Missbrauchsaufsicht nach § 131 Abs.
7 GWB bis 2012 begrenzt. Die Befristung der Geltungsdauer soll dazu beitragen,
Sonderregelungen für Branchen in diesem Gesetz zu beschränken und nur solange
783 BT-Drucks. 16/5847; zur vielfältigen Kritik an den Entwürfen siehe Ehricke, WuW 2006,
Heft 12, Kommentar, Faustmann/Raadke, WRP 2008, 67 ff.; Stadler, BB 2007, 60 ff.;.
166
zuzulassen, wie sie zur Erreichung des Gesetzeszwecks unbedingt erforderlich
sind.784 Sie soll nach dem Willen des Gesetzgebers damit nur so lange gelten, bis
Wettbewerb auf dem Energiemarkt herrscht. Dies ist zwar grundsätzlich nachvollziehbar. Jedoch könnte das Eingreifen der Grundversorgung in der hier diskutierten
Konstellation dazu führen, dass dauerhaft Marktmacht in einem Netzgebiet geschaffen wird, die sich nicht mehr beseitigen lässt. Konsequenz wäre ein wettbewerbsarmer, dauerhaft zu regulierender Markt und damit ein Scheitern aller Deregulierungsbemühungen.
dd) Zwischenergebnis
In der gegenwärtig wahrscheinlichsten Konstellation offenbart die Regelung der
Grundversorgung erhebliche Schwächen. Das Ziel eines unverfälschten Wettbewerbsmarktes wird im Falle eines Ausfalls des Grundversorgers der Sicherheit der
Energieversorgung geopfert und eine marktmächtige Stellung gefördert. Daraus lässt
sich ableiten, dass der Gesetzgeber nach wie vor davon ausgeht, dass ein großer
Energieversorger besser in der Lage ist, die Versorgung der Endkunden mit Energie
dauerhaft zu gewährleisten, als ein wettbewerbsintensiver Markt mit mehreren kleinen Anbietern. Die Kritik an der Regelung der Grundversorgung ist deswegen begründet, weil in anderen liberalisierten Sektoren eine weit wettbewerbsfreundlichere
Regelung getroffen wurde, die auch im Energiebereich hätte umgesetzt werden
können.
e) Ausscheiden des Grundversorgers bei funktionierendem Wettbewerb
Bei funktionierendem Wettbewerb scheint die Verpflichtung des zweitgrößten Unternehmens, die Grundversorgung zu übernehmen, zunächst kein Problem zu sein.
Jedenfalls ist die Grundversorgung in der Regel sichergestellt, da das zweitgrößte
Unternehmen keine nennenswerten wirtschaftlichen Schwierigkeiten haben sollte,
auch die Kunden des vom Markt ausgeschiedenen Grundversorgers mit zu übernehmen, so dass jedenfalls § 36 Abs. 1 S. 2 EnWG nicht einschlägig ist.
Aus wettbewerblichen Aspekten ist allerdings auch hier nicht verständlich, warum gerade das zweitgrößte Unternehmen die Grundversorgung und damit zunächst
auch die Kunden des größten Unternehmens übernehmen soll. Dadurch wächst der
Vorsprung vor den anderen Marktteilnehmern ohne einen ersichtlich zwingenden
Hintergrund. Die Regelung der Grundversorgung verhindert damit die Bildung eines
784 Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Preismissbrauch im Bereich der Energieversorgung und des Lebensmittelhandels, BT-Drucks. 16/5847, Begründung zu Nr. 20, Buchstabe
d).
167
echten Wettbewerbsmarktes und fördert Marktmachtstellungen, ein Ergebnis, das
diametral zu den Zielen der Liberalisierung im Widerspruch steht. Zwar handelt es
sich hierbei eher um einen Ausnahmefall, gleichwohl ist die gewählte Lösung des
Gesetzgebers konzeptionell nicht nachzuvollziehen, da wie im Telekommunikationssektor auch andere, wettbewerbsfreundlichere Maßnahmen zur Verfügung gestanden hätten. Offensichtlich hatte der Gesetzgeber die Möglichkeit eines funktionierenden Wettbewerbs mit beispielsweise fünf785 vergleichbaren Marktteilnehmern
nicht im Blick.
Die von § 36 EnWG gebotene Lösung für das Problem einer drohenden Unterversorgung ist mit dem System eines unverfälschten Wettbewerbs nicht vereinbar. Statt
Marktmacht zu verhindern, wird Marktmacht bewusst in Kauf genommen, um das
vorrangige Ziel einer sicheren Versorgung der Endkunden mit Energie nicht zu
gefährden. Dies geschieht ohne zwingende Notwendigkeit, wie die Regelungen im
TKG zeigen. Was typischerweise im Rahmen der Fusionskontrolle untersagt wird,
um eine asymmetrische Marktstruktur zu verhindern786, nämlich der Zusammenschluss der beiden führenden Unternehmen, wird im EnWG als das Mittel verwendet, um die dauerhafte Versorgung der Endkunden zu sichern. Dies mag auf einem
Markt verständlich sein, auf dem nur kleine oder überhaupt nur ein Wettbewerber
tätig ist, und dies mag im Blickpunkt des Gesetzgebers gestanden haben. Auf einem
echten Wettbewerbsmarkt - das Ziel der Liberalisierung! - auf dem mehrere Unternehmen um Marktanteile im direkten Wettbewerb stehen, führt diese Regelung
jedoch für den Wettbewerb zu negativen Ergebnissen.
f) Kein öffentliches Unternehmen mehr am Markt
Ist kein öffentliches Unternehmen mehr auf dem relevanten Markt tätig, stellt sich
ein weiteres Problem, das gesetzlich keine Regelung erfährt, nämlich die Frage, ob
die öffentliche Hand bereits in dieser Situation rein vorsorglich jederzeit in der Lage
sein muss, selbst die Versorgungsleistungen wieder aufzunehmen. Unterstellt, der
funktionierende Wettbewerb führt zu einer Monopolsituation, da ein Unternehmen
in der Lage war, die anderen Wettbewerber langfristig vom Markt zu drängen; unklar ist, was zu geschehen hat, wenn nun auch dieses Unternehmen Insolvenz anmelden muss.787 Auch in diesem Fall trifft das geltende Recht keine Regelung. Die
785 Als Beispiel sei folgende Konstellation genannt: Unternehmen A 40%, B 30%, C, D E jeweils 10%. Tritt A aus dem Markt aus, erlangt B eine überragende Marktstellung mit 70%
Marktanteil. B kann nun möglicherweise Skaleneffekte erzielen und C, D und E aus dem
Markt drängen. Ein Marktversagen ist die Folge.
786 Immenga/Körber in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, EG, Teil 2, 4.A., 2007, Art. 2
FKVO, Rn. 446.
787 Z.B. weil die länger währende Kampfpreisstrategie zwar zum Ausscheiden der Konkurrenten,
aber auch zum Verlust der finanziellen Reserven führte.
168
Verpflichtung eines anderen privaten Unternehmens scheidet aus, das EnWG trifft
dazu keine Regelung. Findet sich freiwillig kein privates Unternehmen, wandelt sich
die Gewährleistungsverantwortung des Staates in eine Leistungsverantwortung. Dies
ergibt sich aus dem Sozialstaatsprinzip. Es bleibt dabei dem Staat überlassen, ob er
ein drittes privates Unternehmen beauftragt und entsprechend bezahlt, damit dieses
die Aufgabe wahrnimmt788, oder ob ein neues öffentliches Unternehmen gegründet
wird789, das die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Energie übernimmt. Das Vorhalten eines eigenen öffentlichen Unternehmens für den Fall der
Insolvenz des letzten privaten Unternehmens auf einem Markt ist dafür nicht erforderlich.
g) Zwischenergebnis
§ 36 EnWG ist im Rahmen eines zu etablierenden Wettbewerbsmarktes missglückt.
Dort, wo Wettbewerb besteht, unterstützt die Regelung, die der Sicherung der
Grundversorgung dient, die Entstehung einer nicht mehr revidierbaren Marktmachtstellung.
Für den Fall, dass lediglich ein Unternehmen ein Netzgebiet versorgt und für den
Fall, dass ein kleines Unternehmen, das wirtschaftlich nicht in der Lage ist, die
Grundversorgung zu übernehmen, zweitgrößter Anbieter ist, besteht jeweils eine
Gesetzeslücke. Da weiterreichende Eingriffsbefugnisse nicht normiert sind, muss
eine Lösung gefunden werden, wie bei geltender Rechtslage die Versorgung in einem Netzgebiet aufrechterhalten werden kann.
5. Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Energieversorgung
In der soeben näher beschriebenen Situation ist fraglich, was zur Sicherung der
Energieversorgung in einem Netzgebiet zu geschehen hat und welche Rolle die
öffentliche Hand dabei einnimmt. Ihr obliegt zwar seit der Liberalisierung des Energiesektors nicht mehr die Pflicht zur Leistungserbringung, wohl aber trifft sie die
Gewährleistungspflicht, die Versorgung sicherzustellen, wie sich auf europäischer
Ebene aus Art. 3 Abs. 3 Beschleunigungsrichtlinie Elektrizität/Gas ergibt. Im deutschen Recht begründet sich dies darüber hinaus auf dem Sozialstaatsprinzip und der
staatlichen Pflicht zur Beachtung der Menschenwürde. Fraglich ist, ob eine solche
Rettungspflicht, die gegenwärtig faktisch nur Stadtwerke betrifft, in den Vorschriften zur Grundversorgung angelegt ist oder ob sie sich gegebenenfalls im Wege der
788 In Betracht kommen dabei beispielsweise umgekehrte Versteigerungen.
789 Für diese Lösung vgl. Kuhl/Wagner, ZIP 1995, 433, 436; vgl. zur Kritik im Einzelnen unten
S. 181 ff.
169
unmittelbaren Wirkung direkt aus der Richtlinie ergibt und weiterhin wie diese
Pflicht im Einzelfall ausgestaltet ist.
a) Grundlage der Rettungspflicht in § 36 EnWG 2005
aa) Vorgaben der Elektrizitätsrichtlinie
Die Elektrizitätsrichtlinie verpflichtet die Mitgliedsstaaten in Art. 3 Abs. 3 dafür
Sorge zu tragen, dass „alle Haushaltskunden […] in ihrem Hoheitsgebiet über eine
Grundversorgung verfügen, also das Recht auf Versorgung mit Elektrizität einer
bestimmten Qualität zu angemessenen, leicht und eindeutig vergleichbaren und
transparenten Preisen haben“. Der Bundesrepublik Deutschland oblag es, diese Anforderungen im EnWG 2005 umzusetzen. Ergebnis waren die Regelungen zur
Grund- bzw. Ersatzversorgung. Die Vorschriften enthalten in den §§ 36 ff. EnWG
keine Regelung zur Frage, was geschieht, wenn ein Grundversorger nach dem dort
festgesetzten Verfahren nicht ermittelt werden kann.
In Betracht kommen zwei Möglichkeiten. Entweder die Richtlinie wurde nicht
richtig bzw. nicht ausreichend umgesetzt, oder aus den §§ 36 ff. EnWG ergibt sich
implizit eine staatliche Pflicht, im Falle des Versagens des Instruments der Grundversorgung sicherzustellen, dass die Versorgung der Bevölkerung im betroffenen
Netzgebiet aufrechterhalten wird, wenn eine solche staatliche Verpflichtung in § 36
EnWG angelegt ist.
Gemäß Art. 249 Abs. 3 EG-Vertrag ist eine Richtlinie „für jeden Mitgliedsstaat,
an den sie gerichtet ist, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt
jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und Mittel“. Grundsätzlich
setzen die Richtlinien damit nicht selbst unmittelbar geltendes Recht, sondern verpflichten lediglich die Mitgliedsstaaten, die Regelungen auszuführen.790 Dabei ist
fristgemäß und zielkonform ein Rechtszustand zu schaffen, der von der Richtlinie
im Ergebnis verlangt wird.791 Zu untersuchen ist also, ob durch die Regelungen der
Grundversorgung das vom europäischen Gesetzgeber gewünschte Ziel der Sicherheit der Versorgung mit Energie erreicht worden ist.
Dem bloßen Wortlaut der §§ 36 ff. EnWG nach ist das Gesetz lückenhaft. Die
Energieversorgung ist gerade nicht in jedem Fall sichergestellt. In den Gesetzesmaterialien findet sich nichts zu der hier aufgeworfenen Fragestellung, so dass davon
auszugehen ist, dass der Gesetzgeber das Problem übersehen hat und deswegen
keine ausdrückliche Regelung getroffen wurde. Damit erfüllt die Regelung der
790 Nettesheim in Grabitz/Hilf, Art. 249 EGV, Rn. 123; Schroeder in Streinz, EUV/EGV, Art.
249 EGV, Rn. 68.
791 Ruffert in Callies/Ruffert, EUV/EGV, 3.A., 2007, Art. 249 EGV, Rn. 43; Schroeder in
Streinz, EUV/EGV, Art. 249 EGV, Rn. 77.
170
Grundversorgung in direkter Anwendung die Anforderungen der Elektrizitätsrichtlinie nicht.
Werden Richtlinien nicht wie vorgegeben umgesetzt, können Richtlinienbestimmungen unter bestimmten Voraussetzungen unmittelbare Wirkung gegenüber dem
Bürger entfalten.792 Bevor zu prüfen ist, ob die Richtlinie unmittelbar und im Wege
der unmittelbaren Wirkung angewandt werden muss, ist zu überlegen, ob nicht
durch eine historische und/oder teleologische Auslegung des bestehenden innerstaatlichen Rechts das gewünschte Ziel erreicht werden kann und damit § 36 EnWG
richtlinienkonform ausgelegt werden kann.
bb) Auslegung der Norm
Fraglich ist, wie weit am Wortlaut der Norm zu verhaften ist. Larenz793 führt zur
Auslegung einer Norm aus, die Wahrheit der objektiven Theorie sei es, dass ein
Gesetz, sobald es angewandt werde, eine ihm eigene Wirksamkeit entfalte, die über
das hinausgehe, was der Gesetzgeber beabsichtigt habe. Das Gesetz greife in mannigfache und sich wandelnde Lebensverhältnisse ein, die der Gesetzgeber nicht alle
zu übersehen vermochte; es gebe Antwort auch auf Fragen, die der Gesetzgeber sich
noch nicht gestellt habe. Es gewinne so mit der Länge der Zeit mehr und mehr
gleichsam ein eigenes Leben und entferne sich damit von den Vorstellungen seiner
Urheber. Die Auslegung darf sich jedoch nicht über eine bewusst durch den Gesetzgeber getroffene Wertentscheidung hinwegsetzen.794
Vorliegend findet die angesprochene Problematik im Gesetz zunächst keinen Anklang. Eine Verpflichtung der öffentlichen Hand zum Eingreifen wurde - auch unter
Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien - nicht geregelt. Die getroffene Regelung
der Grundversorgung wurde als ausreichend angesehen. Auch stehen keine Generalklauseln795 im EnWG zur Verfügung, aus denen sich eine staatliche Verpflichtung
zur Sicherstellung der Energieversorgung der Endkunden ergibt.
Es handelt sich hierbei um eine Gesetzeslücke. Der Gesetzgeber hat die zugrunde
liegende Situation nicht erkannt und sah deshalb keinen Anlass, diesbezüglich eine
Regelung zu treffen. Vielmehr wird in der Gesetzesbegründung klargestellt, dass die
Vorschrift der Umsetzung von Art. 3 Abs. 3 S. 1 und 2 EltRL diene.796 Regelungsabsicht und Regelungsergebnis weichen damit voneinander ab. Der Wille des Ge-
792 EuGH, Rs. 9/70, Slg. 1970, 825; Rs. 33/70, Slg. 1970, 1213 “SACE”; Nettesheim in Grabitz/Hilf, Art. 249 EGV, Rn. 155.
793 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6.A.,1991, S. 317.
794 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6.A.,1991, S. 318.
795 Zu der dann eröffneten Möglichkeit der Umgehung von sogar ausdrücklich entgegenstehenden spezialgesetzlichen Reglungen vgl. ArbG Hamm, DB 1984, 2700; BGH, NJW 1990, 65;
Götz NJW 1992, 1854; Scherzberg, Jura 1993, 231.
796 BT-Drucks. 15/3917, S. 66.
171
setzgebers ist dabei die zutage liegende Grundabsicht und diejenige Vorstellung, die
in den Beratungen der gesetzlichen Körperschaft oder ihrer zuständigen Ausschüsse
zum Ausdruck gebracht und ohne Widerspruch geblieben sind.797 Unter Berücksichtigung dieses historischen Ziels und dem so definierten Sinn und Zweck der Regelung ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber eine weitergehende Regelung getroffen hätte, wenn ihm das vorliegende Problem bewusst gewesen wäre.
Dieses Ergebnis ist auch im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung zu
erzielen. Das Sozialstaatsgebot798 fordert vom Staat eine Sicherstellung der Versorgung der Bürger mit lebenswichtigen Gütern, also auch bei der Versorgung mit
Energie. Die Regelung der Grundversorgungspflicht soll diesem Ziel dienen, versagt
jedoch in den gezeigten Situationen und ist damit nicht geeignet, die Endkundenversorgung mit Energie nachhaltig zu sichern. Legt man die Pflicht zur Grundversorgung jedoch dahingehend aus, dass sie eine staatliche Einstandspflicht begründet, ist
diese Lücke in der Versorgungssicherheit geschlossen und die Norm damit auch
verfassungskonform
Damit ist eine staatliche Einstandspflicht in § 36 EnWG angelegt und auch im
Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung zu erzielen. Ergebnis einer solchen
historischen, teleologischen und verfassungskonformen Auslegung der Norm ist,
dass sie sowohl richtlinienkonform ist, als auch allen verfassungsrechtlichen Bedenken widersteht, der sie sich wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Sozialstaatsgebot ausgesetzt sehen könnte.
cc) Zwischenergebnis: Inhalt von § 36 EnWG nach teleologischer und historischer
Auslegung
§ 36 EnWG umfasst damit nicht nur die Grundversorgungspflicht durch ein Unternehmen, das in dem in Abs. 2 näher beschriebenen Verfahren ermittelt wird. Vielmehr ist Abs. 2 so zu lesen, dass im Falle des Nichtvorhandenseins eines wirtschaftlich potenten Grundversorgers die öffentliche Hand die Verpflichtung übernimmt,
die Versorgung mit Energie sicherzustellen. Eine solche Auslegung berücksichtigt
auch hinreichend das Sozialstaatsgebot. Die der öffentlichen Hand obliegende Gewährleistungsverantwortung wandelt sich in dem Moment, in dem ein Grundversorger nicht mehr ermittelt werden kann, in eine Leistungsverantwortung.
797 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6.A.,1991, S. 329.
798 Dreier in Dreier, Grundgesetz, 1998, Einf. Art. 20, Rn. 11 f.
172
b) Mögliche Ausgestaltung der Rettungspflicht
Mit der Feststellung, dass die öffentliche Hand verpflichtet ist, die Versorgung sicherzustellen, ist jedoch noch nicht über die Frage entschieden, wie die öffentliche
Hand dieser Verpflichtung nachzukommen hat. Es bieten sich dabei mehrere Möglichkeiten an. Einmal kann der kommunale Energieversorger vor einem Marktaustritt geschützt werden. Zum anderen besteht die Möglichkeit, durch zielgerichtete
Ausgleichsleistungen private Dritte in die Lage zu versetzen bzw. diesen privaten
Dritten Anreize zu verschaffen, die Grundversorgung zu übernehmen. Zuletzt könnte eine staatliche Verpflichtung bestehen, die Versorgung selbst zu übernehmen.
Fraglich ist allerdings, ob diese Möglichkeiten tatsächlich gleichrangig nebeneinander stehen. Zu bedenken ist, dass auf Private kein weiterer Einfluss genommen werden kann. Zwar mag es möglich sein, mit der finanziellen öffentlichen Förderung
eine vertragliche Verpflichtung zur Versorgung zu verbinden; einen Marktaustritt
aufgrund einer Insolvenz kann die öffentliche Hand dadurch jedoch nicht verhindern. In diesem Fall bestünde genau das gleiche Problem wie zuvor. Daher wird im
Bereich der Daseinsvorsorge vertreten, dass sich aus dem Sozialstaatsprinzip ein
weitgreifendes Privatisierungsverbot ergeben könne, wenn sich ein sozialer Mindeststandard ohne Tätigwerden der öffentlichen Hand nicht erreichen lasse.799 Dann
treffe die öffentliche Hand eine Pflicht zum Tätigwerden und damit einhergehend
das Verbot, diese Aufgabe zu privatisieren.800
Auch ein anderer Aspekt spricht für eine Förderung des kommunalen Energieversorgers. In der vorliegenden Situation des Marktversagens ist es Aufgabe der öffentlichen Hand, für die Versorgung der Bevölkerung Sorge zu tragen. In dieser Lage ist
es aus Gründen der nachhaltigen Versorgungssicherheit gegebenenfalls vorzuziehen,
das kommunale Unternehmen am Markt zu halten.
In der Folge wird – ohne dabei auf Details eingehen zu müssen - umrissen, welche Möglichkeiten der öffentlichen Hand bestehen, die Energieversorgung sicherzustellen. Bei der Wahl der möglichen Mittel wird dabei chronologisch nach dem
Entwicklungsstadium der Krise des kommunalen Energieversorgers vorgegangen.
Die ersten Ansatzpunkte sind in einem frühen Stadium der Krise denkbar, die letzten
kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Abschließend wird erörtert, wen diese Rettungspflicht trifft.
799 Püttner, LKV 1994, 193, 194.
800 Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, 2.A., 1985, S. 178 ff.; Das BVerfG, NJW 1961,
1107, 1108 urteilte, dass sich eine Pflicht zur Sozialisierung nicht aus Art. 15 GG ergebe; die
Vorschrift enthalte lediglich eine Ermächtigung dazu und könne nicht als Tendenzvorschrift
zugunsten von Verstaatlichung gesehen werden.
173
aa) Sanierung des kommunalen Energieversorgungsunternehmens
aaa) Maßnahmen durch das BWMi?
Zunächst soll untersucht werden, ob es möglich ist, durch die staatliche Gewähr
eines höheren als des üblichen Gewinns das betroffene kommunale Energieversorgungsunternehmen aus der Krise zu befreien. Dafür bestehen insbesondere zwei
Möglichkeiten des Eingriffs in die Preisgestaltung der Entgelte, einmal im Wege der
Zulassung eines höheren Endkundenpreises, zum anderen über die Netzentgelte.
Aufgrund von § 7 Abs. 1 EnWG 1935 wurde im Jahr 1989 die Bundestarifordnung Elektrizität801 (BTOElt) erlassen, in deren § 12 die Genehmigung der Tarife
und ihrer einzelnen Bestandteile geregelt ist. Die BTOElt wurde mit der Neufassung
des EnWG im Jahre 2005 mit Wirkung zum 01.07.2007 aufgehoben802 und nicht
verlängert, sondern ausschließlich durch eine Missbrauchsaufsicht ersetzt. Im Bereich der Gasversorgung ist die Bundestarifordnung Gas bereits im Jahr 1998 aufgehoben worden.803
Unter der geltenden Rechtslage ab dem 01.07.2007 werden die Endkundenpreise
ausschließlich über die Missbrauchsaufsicht staatlich überwacht. Mit der Umsetzung
von § 29 GWB darf nunmehr auch nur noch im Ausnahmefall von den Preisen vergleichbarer Unternehmen abgewichen werden, wenn besondere Kosten nachgewiesen werden. Die Sanierung eines Unternehmens, das sich aufgrund von Missmanagement in einer wirtschaftlichen Schieflage befindet, ist demgegenüber kein Grund,
der höhere Energiepreise rechtfertigt. Ausdrücklich sieht § 29 S. 2 GWB vor, dass
Kosten und Kostenbestandteile, die sich ihrem Umfang nach im Wettbewerb nicht
einstellen würden, bei der Feststellung eines Missbrauchs nicht berücksichtigt werden dürfen.
Fraglich ist, ob zukünftig die Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung
in § 39 Abs. 1 EnWG wahrgenommen werden kann, um in einem bestimmten Netzgebiet die Energieentgelte staatlich zu regeln. Dafür ist der Umfang der Ermächtigungsgrundlage zu klären und die Frage, ob die Preisgestaltung in nur einem Netzgebiet den Voraussetzungen einer Rechtsverordnung genügt. Problematisch ist, dass
es sich bei einer solchen, auf ein Gemeindegebiet beschränkten Rechtsverordnung,
möglicherweise um eine gesetzesändernde Verordnung handeln würde, da die Vorschriften der Missbrauchsaufsicht durch sie außer Kraft gesetzt würden.
Selbst wenn unterstellt wird, dass eine solche Verordnung für einen Einzelfall erlassen werden dürfte, so gewährt § 39 Abs. 1 EnWG lediglich das Recht, Inhalt und
Aufbau der Allgemeinen Preise zu bestimmen. Für Sondervertragskunden, also
diejenigen Endkunden, die nicht im Grundversorgungstarif, sondern aufgrund eines
801 BGBl. I-1989, 2255.
802 BGBl. I-2005, 1970, Art. 5 Abs. 3.
803 BGBl. I 730, 736, Art. 5 Abs. 2 Ziff. 4.
174
günstigeren besonderen vertraglichen Verhältnisses beliefert werden, gilt nicht § 39
EnWG, sondern § 41 EnWG. In dessen Abs. 2 ist eine Regelung über Inhalt und
Aufbau der besonderen Preise gerade nicht getroffen, da hier die Privatautonomie
Vorrang hat. Hat sich ein Unternehmen daher individualvertraglich gegenüber seinen Kunden verpflichtet, weit unterhalb des Grundversorgerpreises zu liefern804, und
stellt sich später heraus, dass der so vereinbarte Preis zu gering war, um die Überlebensfähigkeit des Energieversorgers zu sichern, so wäre zu überlegen, ob bereits die
Kündigung dieser Verträge und der Rückwechsel in den Grundversorgerstatus genügen würde, um das Unternehmen am Markt zu halten. Der Insolvenzverwalter
könnte die Energielieferungsverträge mit den Endkunden nach den §§ 103, 105 InsO
kündigen.805 Die Endkunden hätten dann einen Anspruch auf Belieferung, jedoch
nur zum Grundversorgungstarif. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass auch die
Lieferanten des kommunalen Energieversorgungsunternehmens ihre Lieferverträge
kündigen können. Möglicherweise besteht dann aufgrund der marktmächtigen Stellung des Verbundunternehmens ein Anspruch auf Belieferung, jedoch nur zu den
allgemeinen Tarifen.806 Damit könnte der Vorteil, den das kommunale Energieversorgungsunternehmen durch den Gang in die Insolvenz erhält, wieder aufgehoben
sein.
Erst in dieser Situation könnte eine Rechtsverordnung, die die Preise für ein bestimmtes Netzgebiet reguliert, relevant werden. Insgesamt sind die Möglichkeiten
des BMWi, durch die Gestaltung der Preise auf die Sicherheit der Energieversorgung in einem besonderen Einzelfall Einfluss zu nehmen, daher als gering einzustufen.
bbb) Maßnahmen der Regulierungsbehörde
Die Bundesnetzagentur wacht mit Ihren Befugnissen807 als Regulierungsbehörde
insbesondere über die Netze und genehmigt nach § 23a EnWG die für die Durchleitung zu entrichtenden Netzentgelte. Die Netzentgelte umfassen etwa ein Drittel des
Strompreises808 und sind auch für die kommunalen Energieversorger, die den Strom
bei den Verbundunternehmen einkaufen, ein erheblicher Preisbestandteil. Zwar
804 Diese Situation ist nicht fern liegend, wenn das Unternehmen aus Sorge vor potentiellem
Wettbewerb die Preise deutlich nach unten korrigiert und damit jeglichen Wettbewerb vom
Markt fern hält, da sich ein Markteintritt für einen neuen Versorger in diesem Netzgebiet finanziell nicht lohnt.
805 Berscheid in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12.A., 2003, § 103, Rn. 14; § 105, Rn. 13 f.
806 Huber in Gottwald, Insolvenzrecht, § 36, Rn. 11; Berscheid in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12.A., 2003, § 105, Rn. 14.
807 Vgl. §§ 29 ff. EnWG.
808 Eine grafische Übersicht findet sich bei http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Strompreis.png;
zuletzt abgerufen am 12.11.2008.
175
müssen diese nur die relativ geringen Kosten für die Ferndurchleitung bezahlen,
gleichwohl könnte die Entlastung von diesem Kostenfaktor zu erheblichen Mehreinnahmen führen.
Die Ermittlung und die Höhe der Netzentgelte in der Stromversorgung richtet sich
nach § 17 Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV). Wichtig ist insbesondere, dass
die Höhe der Netzentgelte gemäß § 17 Abs. 1 StromNEV von der räumlichen Entfernung unabhängig ist und pro Kilowattstunde berechnet wird. Nach § 17 Abs. 8
StromNEV sind andere als in den vorstehenden Absätzen der Norm genannte Entgelte nicht zulässig. Eine davon abweichende Regelung trifft § 30 Abs. 2 Nr. 6
StromNEV. Danach kann die Regulierungsbehörde Festlegungen zur Gewährleistung sachgerechter Entgelte abweichend von § 17 Abs. 8 StromNEV treffen. Für die
Gasversorgung gelten andere Berechnungsmaßstäbe in den §§ 13 ff. GasNEV. Nur
für den Netzzugang zu örtlichen Verteilernetzen ist abweichend von den §§ 14 bis
16 GasNEV ein transaktionsunabhängiges Punktmodell vorgesehen, das die Netzkosten unabhängig von der Länge der Netze festlegt.
In diesem Zusammenhang ist zu überlegen, ob möglicherweise ein kommunaler
Energieversorger von der Pflicht zur Zahlung von Netzentgelten befreit werden
könnte. Dies würde erfordern, dass „sachgerechte Entgelte“ im Sinne der Vorschrift
sich nicht nur auf die Netze, sondern auf die Energieversorgung insgesamt beziehen,
besonders auf deren Sicherheit.
Aus der Systematik des § 30 Abs. 2 Nr. 6 StromNEV und § 30 Abs. 2 Nr. 7 Gas-
NEV lässt sich schließen, dass eine sachgerechte Abweichung von den nach § 17
StromNEV bzw. 15 Abs. 2 bis Abs. 7 GasNEV ermittelten Entgelten netzbezogen
sein muss. Alle Nummern des Absatzes 2 beziehen sich ausschließlich auf den
Netzbetrieb. Auch Sinn und Zweck der StromNEV sowie deren Anwendungsbereich
sprechen gegen diese Möglichkeit, außerhalb der Verordnung liegende Ziele für die
Grundlage der Berechnung heranzuziehen. Nach § 1 StromNEV regelt die Verordnung die Festlegung der Methode zur Bestimmung der Entgelte für den Zugang zu
den Elektrizitätsübertragungs- und Elektrizitätsverteilernetzen (Netzentgelte). Netzentgelte sollen einheitlich und transparent sein und für alle Marktteilnehmer gleichermaßen gelten. Zwar lassen § 30 Abs. 2 Nr. 6 StromNEV/§ 30 Abs. 2 Nr. 7
GasNEV ausdrücklich Abweichungen zu, aufgrund teleologischer Erwägungen
müssen diese Ausnahmen der Netzentgelte jedoch in den Besonderheiten des Netzes
liegen und nicht in den besonderen Umständen eines Marktteilnehmers. Einen au-
ßerhalb der Verordnung liegenden Zweck verfolgen die StromNEV/GasNEV nicht.
Weiter würde sich ein Problem mit der sachlichen Zuständigkeit der Regulierungsbehörde ergeben. Dieser obliegt die Regulierung der Netzentgelte, nicht aber
die Regulierung des Energieversorgermarktes und auch nicht die einer staatlichen
Gewährleistungsverantwortung. Ein autonomes Eingreifen der Regulierungsbehörde
kommt daher nicht in Betracht. Zuletzt ist schließlich zu bedenken, dass mit dem
Eingriff in die Preisgestaltung private dritte Unternehmen, die mit der Krise des
kommunalen Energieversorgers nicht in Verbindung stehen, zur Sanierung dieses
Unternehmens herangezogen werden. Dies ist nicht sachgerecht und bedürfte einer
besonderen Ermächtigungsgrundlage, da dadurch in die Grundrechte der Berufsfrei-
176
heit, Art. 12 GG und der Eigentumsfreiheit, Art. 14 GG, eingegriffen würde. Das
TKG hat in dessen § 81 eine ähnliche Konstellation geregelt. Die Unternehmen
zahlen in einen Fonds ein, mit dem die Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen sichergestellt wird. Zwar erhält nicht das insolvente, wohl aber das Unternehmen, das die Versorgungsleistungen übernimmt, einen Zuschuss. Argumentum e contrario ist damit davon auszugehen, dass im Bereich der Energieversorgung,
die deutlich mehr Vorschriften umfasst, in denen aber eine solche Ausgleichspflicht
nicht geregelt ist, eine solche „indirekte Beihilfe“ nicht geregelt werden sollte.
Insgesamt ist damit festzuhalten, dass einem kommunalen Energieversorgungsunternehmen in der Krise nicht über die Gestaltung der Netzentgelte geholfen werden
kann.
ccc) Sanierung im engeren Sinne
(1) Zeitpunkt der Sanierung
Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Eröffnungsbeschluss nach §
27 InsO geht gemäß § 80 Abs. 1 InsO das Recht, über das Vermögen des Unternehmens - nunmehr die Insolvenzmasse809 - zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter
über. Diese Wirkung tritt kraft Gesetzes ein.810 Ziel der Vorschrift ist es, durch Ausschaltung aller Einwirkungsmöglichkeiten des Schuldners auf das Vermögen der
Gesellschaft eine gemeinschaftliche und gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger
zu gewährleisten.811 In dieser Phase verbleibt der öffentlichen Hand als Gesellschafterin lediglich die Möglichkeit, entweder durch eine Kapitalerhöhung den Insolvenzgrund zu beseitigen812 oder aber durch eine Befriedigung aller Gläubiger das
Unternehmen zu entschulden und so die Verfügungsgewalt wiederzuerlangen. Die
Gläubiger ihrerseits haben grundsätzlich keine Möglichkeit, gegen den Gesellschafter eines insolventen Unternehmens Forderungen durchzusetzen. § 87 InsO bestimmt, dass Forderungen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden
sind, nur nach den Vorschriften des Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden
können, also insbesondere nach § 174 InsO zur Tabelle anzumelden sind.
809 Vgl. die Legaldefinition in § 35 InsO.
810 Uhlenbruck, InsO, 12.A., 2003, § 80, Rn. 2; Andres/Leithaus, Insolvenzordnung, 1.A., 2006,
§ 80, Rn. 3; Klopp/Kluth in Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, 3.A., 2006, § 22, Rn. 1;
Ott/Vuia in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 2.A., 2007, § 80, Rn. 1.
811 Uhlenbruck, InsO, 12.A., 2003, § 80, Rn. 2; Andres/Leithaus, Insolvenzordnung, 1.A., 2006,
§ 80, Rn. 2; Klopp/Kluth in Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, 3.A., 2006, § 22, Rn. 1;
Ott/Vuia in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 2.A., 2007, § 80, Rn. 1.
812 Streitig: Dafür Uhlenbruck, InsO, 12.A., 2003, § 80, Rn. 14; dagegen etwa Noack in Kübler/Prütting, InsO Gesellschaftsrecht, Rn. 279.
177
Zuvor stellt sich jedoch die Frage, ob die öffentliche Hand nicht bereits in der
Krise der Gesellschaft dafür Sorge zu tragen hat, dass es gar nicht erst zur Eröffnung
eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der kommunalen Eigengesellschaft
kommt. Es ließe sich nämlich rechtssystematisch nicht erklären, warum nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die öffentliche Hand verpflichtet sein soll, die Insolvenzgründe zu beseitigen, andererseits jedoch keine Pflicht besteht, die Insolvenz
zu vermeiden, mit der in der Regel weitere Kosten verbunden sind. Da die Insolvenz
mit öffentlichen Mitteln abzuwenden wäre und die öffentliche Hand zur sparsamen
Haushaltsführung813 verpflichtet ist, müsste eine Insolvenzabwendungspflicht zum
frühest möglichen Zeitpunkt erfolgen.
Sollte sich also herausstellen, dass eine Insolvenzabwendungspflicht besteht, so
sind die geeigneten Maßnahmen bereits in der Krise des kommunalen Unternehmens
zu treffen. Zu erörtern ist daher, ab welchem Zeitpunkt von einer Krise des Unternehmens gesprochen werden kann, die eine Handlungspflicht der öffentlichen Hand
auslöst.
Zu überdenken ist zuletzt, ob nicht bereits vor Eintritt einer Krise die öffentliche
Hand verpflichtet sein könnte, bereits den Krisenfall zu verhindern. Dies wäre
gleichbedeutend mit einer nicht nur angemessenen Kapitalausstattung, sondern auch
mit einer dauerhaften Kapitalausstattung im Sinne einer Kapitalerhaltungspflicht.
Eine solch weite Ausdehnung, der eine ständige Finanzierungsverpflichtung der
öffentlichen Hand gegenüber ihren privatrechtlich organisierten Unternehmen
gleichkommen würde, wäre jedoch einerseits haushaltsrechtlich nicht zu rechtfertigen, da damit das Prinzip der Wirtschaftlichkeit des Haushalts nicht mehr gewährleistet wäre. Zudem würde die Haftungsbeschränkung des § 13 Abs. 2 GmbHG
ausgehebelt, die grundsätzlich auch für die öffentliche Hand Anwendung findet.
Zuletzt schließlich würde durch eine solche Verpflichtung auf einem Markt, auf dem
Wettbewerb herrscht oder herrschen soll, dieser unterbunden, da zumindest theoretisch die öffentliche Hand unerschöpfliche Reserven hat und damit jedes privatrechtliche Unternehmen in öffentlicher Hand durch Dumpingpreise die Konkurrenz vom
Markt drängen könnte. Es wäre nicht zu erklären, warum mit Steuergeldern die
Privatwirtschaft aus einem Markt gedrängt werden können soll.
Der frühest mögliche Zeitpunkt für eine Rettungsverpflichtung der öffentlichen
Hand für ein von ihr beherrschtes Unternehmen in Privatrechtsform ist gegeben,
wenn es den notwendigen Kapitalbedarf zur Fortführung der Geschäfte nicht durch
entsprechende Kredite zu marktüblichen Bedingungen von einem Dritten erhalten
kann. Solange dies möglich ist, muss das kommunale Unternehmen wie ein Wettbewerber Fremdkapital aufnehmen, um seine Liquidität zu gewährleisten. Gleichzeitig ist dies aufgrund der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch die zusätzlichen
813 Siekmann in Sachs, GG, 3.A., 2003, Art. 110, Rn. 67 m.w.N.
178
Kosten aus dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit auch der letzte zulässige Zeitpunkt
für eine Rettungspflicht, sollte sich herausstellen, dass es eine solche gibt.
(2) Art und Umfang der Sanierung
Eine Sanierung im engeren Sinne kommt in Betracht, wenn durch die einmalige814
Zuführung von Kapital bzw. einer sonstigen Finanzierungsmaßnahme815 die Aussicht besteht, dass das kommunale Energieversorgungsunternehmen seine Versorgungsaufgaben weiter nachhaltig erfüllen kann. Dieser Ansatz unterliegt einer Reihe
von praktischen und rechtlichen Problemen, die hier nur im Überblick angesprochen
werden.
Zu bedenken ist, dass durch eine solche Finanzierungsmaßnahme die Ursache der
wirtschaftlichen Schieflage noch nicht beseitigt worden ist. Die Sanierung muss
daher stets mit einer organisatorischen Umstellung des kommunalen Energieversorgers einhergehen, um einen nachhaltigen Erfolg zu sichern. Daher wird in den „Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung
von Unternehmen in Schwierigkeiten“816 die Rettungsbeihilfe als ein Instrument
definiert, das entweder innerhalb von sechs Monaten zu einer Rückführung der gewährten Kredite oder zum Vorlegen eines Umstrukturierungsplanes zwingt.817 Sie
hat daher von Natur aus vorübergehenden Charakter.818 Davon zu unterscheiden sind
so genannte Umstrukturierungsbeihilfen, die der Herbeiführung der langfristigen
Rentabilität eines Unternehmens dienen und eine Reorganisation des Unternehmens
erfordern, um dieses wieder wettbewerbsfähig819 zu gestalten bzw. auf einem Markt
ohne wesentlichen Wettbewerb nicht mehr defizitär agieren lassen. Es wird dabei
gerade nicht nur auf die Deckung früherer Verluste, sondern auf die Beseitigung der
Ursachen der Verluste abgestellt.
Konzeptionell besteht das Problem, ob nicht eher einem privaten Dritten mit der
finanziellen Unterstützung die Möglichkeit eröffnet werden sollte, die Versorgung in
dem betroffenen Netzgebiet zu übernehmen820, anstatt zu versuchen, ein kommuna-
814 Sofern es sich um eine sogenannte Rettungsbeihilfe handelt, kommt eine wiederholte Beihilfe
nicht in Betracht, vgl. ABl. 1999 Nr. C 288, S. 2 ff., v. 09.10.1999, Tz. 25.
815 Hier kommen alle Maßnahmen in Betracht, die eine Unterbilanz vermeiden, wie z.B. die
Auflösung offener und stiller Rücklagen, die Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital
etc.
816 ABl. 1999 Nr. C 288, S. 2 ff., v. 09.10.1999.
817 ABl. 1999 Nr. C 288, S. 2 ff., v. 09.10.1999, Tz. 23 d).
818 ABl. 1999 Nr. C 288, S. 2 ff., v. 09.10.1999, Tz. 9.
819 ABl. 1999 Nr. C 288, S. 2 ff., v. 09.10.1999, Tz. 11.
820 Dieser Vorschlag wird beispielsweise im Eisenbahnsektor für stillgelegte Nahverkehrsverbindungen unterbreitet. Nach Knecht, NVwZ 2003, 932, 934 lassen sich Wettbewerb, Gewinne und Gemeinwohlauftrag sehr gut miteinander harmonieren. „Der Staat muss die bestellten
Zugverbindungen nur entsprechend vergüten, und jeder Verkehrsbetrieb wird gerne und mit
179
les Unternehmen auf einem Wettbewerbsmarkt zu halten. Die Kommission nutzt das
Beihilfenrecht, um auf diesem Umweg den Liberalisierungs- und Privatisierungsprozess voranzutreiben.821 Die Liberalisierung beruht auf dem Grundgedanken, dass
Private besser und effizienter in der Lage sind, eine Leistung zu erbringen und die
öffentliche Hand sich aus Wettbewerbsmärkten zurückziehen soll.822 Werden Zuschüsse durch die öffentliche Hand an öffentliche Unternehmen beantragt, so bestätigt dies diese Erwägung.
Vorliegend ist in die Abwägung allerdings einzubeziehen, dass in der erörterten
Situation kein anderes Unternehmen bereit oder in der Lage war, die Grundversorgung mit Energie in dem jeweiligen Netzgebiet zu übernehmen. Unter Berücksichtigung des Zielpentagons in § 1 EnWG ist der Weg zu wählen, der die dort genannten
Ziele und insbesondere die in dieser Situation bedrohte Versorgungssicherheit in
besonderem Maße berücksichtigt. In einem solchen Fall bestehen für die Marktstruktur keine Risiken, es ist bereits zu einem Marktversagen gekommen, und Wettbewerb ist weder mit noch ohne staatliche Intervention zu erwarten.823 Daher können Umstrukturierungs- oder Rettungsbeihilfen an ein öffentliches Unternehmen in
einem solchen Fall unter Berücksichtigung der nachhaltigen Versorgungssicherheit
zulässig sein. Auch wenn die Privatisierung ein grundsätzlich erstrebenswertes Ziel
ist, sofern man unverfälschten Wettbewerb auf einem Markt erreichen möchte, so
„erscheint es nicht mehr ganz sinnlos, wenn ein begrenzter Kreis öffentlicher Unternehmen die Umstrukturierung und die „Standortsicherung Deutschland“ durch Stetigkeit abpolstert und die Chancen des neuen Starts verbessert“824. Allerdings bedarf
es für diese Möglichkeit einer intensiven Prüfung des Beihilfenrechts.825
Schwierigkeiten bereitet weiter die Frage, durch welchen Träger die Sanierung erfolgen soll. Die Gemeinde als Gesellschafterin des kommunalen Energieversorgers
wird regelmäßig finanziell nicht in der Lage sein, die erforderliche Menge an Kapi-
Profit defizitäre Verbindungen betreiben“. Dieser Grundgedanke lässt sich grundsätzlich auch
auf die Energieversorgung übertragen. Gleichwohl muss berücksichtigt werden, dass die Energieversorgung im Vergleich zur Bedienung des Streckennetzes der Bahn eine ungleich bedeutendere Stellung einnimmt. Unter Berücksichtigung dieser Tatsache ist es verwunderlich,
dass das Grundgesetz im Schienenbereich eine grundrechtliche Gewährleistung des Bundes
für den Ausbau und Erhalt des Schienennetzes vorsieht, die Energieversorgung hingegen
nicht einmal erwähnt wird.
821 Kruse, EWS 2005, 66, 74.
822 Der Rückzug der öffentlichen Hand aus dem Wettbewerb wird auch in Deutschland gefordert,
vgl. z.B. Möschel in Ipsen, Sparkassen im Wandel, 1992, S. 117 ff.
823 Wäre dieses Netzgebiet tatsächlich lukrativ, so hätte sich spätestens bei der drohenden Insolvenz des Grundversorgers ein Unternehmen bereit erklärt, die Sicherung der Grundversorgung in diesem Netzgebiet zu übernehmen. Es ist nicht ersichtlich, warum auf diesem Markt
später Wettbewerb zu erwarten sein soll.
824 Püttner, LKV 1994, 193, 194.
825 Vgl. dazu unten S. 216 ff.
180
tal aufzubringen, um das Unternehmen zu sanieren.826 Wäre die Gemeinde dazu in
der Lage, hätte sie als ordentlicher Gesellschafter bereits zum Zeitpunkt des Vorliegens einer Krise nach § 32a GmbHG Kapital nachgeschossen, um eine Insolvenz zu
verhindern. Zu berücksichtigen ist weiter, dass es sich bei der hier in Frage stehenden Gewährleistungsverantwortung nicht nur um eine kommunale Pflicht, sondern
um eine Pflicht der öffentlichen Hand insgesamt handelt. Diese trifft damit nicht nur
die - nichtstaatlichen - Kommunen, sondern auch Länder und Bund. Nach dem in
Art. 30 GG verankerten Subsidiaritätsprinzip827 wäre damit zunächst das Land verpflichtet, in dem sich das kommunale Energieversorgungsunternehmen befindet, die
Sanierung vorzunehmen. Eine bundesstaatliche Pflicht kommt erst in Betracht, wenn
das Land finanziell nicht mehr in der Lage sein sollte, seiner Gewährleistungsverantwortung nachzukommen.
bb) Verkauf von Unternehmensanteilen?
Der Verkauf von Unternehmensanteilen oder des gesamten kommunalen Energieversorgers an einen privaten Dritten stellt eine weitere Möglichkeit dar, der staatlichen Gewährleistungsverantwortung gerecht zu werden. In der Praxis der Kommission wird als Grundlage für staatliche Beihilfen an öffentliche Unternehmen, die in
eine wirtschaftliche Schieflage geraten sind, immer häufiger gefordert, dass das
Unternehmen veräußert oder privatisiert828 wird. Nur dann könnten Sanierungsbeihilfen genehmigt werden.829
826 Zu berücksichtigen ist insbesondere, dass die Energieversorgungsunternehmen in der Regel
die „cash cow“ der Kommunen sind. Fallen die Einnahmen aus der Energieversorgung aus,
sind davon in der Regel auch der gesamte Personennahverkehr und andere soziale Einrichtungen betroffen.
827 Art. 30 GG enthält eine allgemeine Verteilung der Staatsaufgaben zwischen Bund und Ländern. Zwar sind die wichtigsten Kompetenzen in den Artt. 70, 83, 92, 29, 118, 91a f. und 105
GG besonders geregelt, so dass Art. 30 GG als „Blankettnorm“ mit Auffang- oder Residualkompetenz verstanden wird, vgl. Pernice in Dreier, GG, 1998, Bd. 2, Art. 30, Rn. 15. Die
Frage der staatlichen Gewährleistungsverantwortung findet jedoch keine eigenständige Regelung, insbesondere nicht in den Regelungen der Art. 104a ff. zum Finanzwesen. Auch das
EnWG trifft über die Frage, wer für die Gewährleistung der Versorgung der Bevölkerung mit
Energie in letzter Instanz verantwortlich ist, keine Regelung. Die Zuständigkeitsregelungen
behandeln lediglich das Verfahren Damit bleibt es bei der allgemeinen Verteilung nach Art.
30 GG.
828 Die beiden Begriffe sind nicht synonym zu verwenden. Die Privatisierung geht wesentlich
weiter als die Veräußerung, da das Unternehmen in eine Struktur überführt wird, in der die
öffentliche Hand jedenfalls nicht mehr im Mehrheitsbesitz ist. Vgl. dazu Kruse, EWS 2005,
66, 67, Fn. 10.
829 ABl. EG Nr. L 220, S. 30, 39, v. 11.08.1988 „Renault“; ABl. EG Nr. L 300, S. 48, 53, v.
31.10.1991 „Sabena“; ABl. EG Nr. L 80, S. 32, 40, v. 18.03.1998 „Enirisorse S.p.A.“; ABl.
181
Da sich in der behandelten Konstellation zunächst kein privates Unternehmen gefunden hat, das die Versorgung des Netzgebietes übernehmen wollte, und weiter
davon auszugehen ist, dass der zu verkaufende kommunale Versorger verschuldet
und durch erhebliche Pensionszusagen auch zukünftig finanziell belastet ist, wird
sich in dieser Situation ein Käufer nur finden lassen, wenn ein negativer Kaufpreis830
bezahlt wird. Denkbar sind beispielsweise so genannte umgekehrte Auktionen831, in
denen die öffentliche Hand für die Übernahme des Unternehmens steigende Beträge
anbietet. Der Bieter, der beim geringsten Zuschuss das Unternehmen weiterführt,
erhält den Zuschlag.
Dabei darf nicht übersehen werden, dass die öffentliche Hand damit zunächst einen direkten Einfluss auf das Unternehmen verliert. Zwar wird vertraglich vereinbart
werden, dass der Erwerber für das Unternehmen eine Betriebspflicht übernimmt,
wird er aber insolvent, steht die öffentliche Hand vor dem gleichen Problem wie vor
der Veräußerung. In diesem Fall sind die Handlungsmöglichkeiten der Rückkauf des
Unternehmens aus der Insolvenz oder die Neugründung eines Versorgungsunternehmens. Natürlich bleibt auch weiterhin die Möglichkeit, durch Beihilfen dritte
Private zur Übernahme der Energieversorgung zu bewegen.
cc) Gründung eines neuen Versorgungsunternehmens
Im Falle einer drohenden Insolvenz des kommunalen Energieversorgers kann auf die
Möglichkeit zurückgegriffen werden, ein neues Energieversorgungsunternehmen in
öffentlicher Hand zu gründen, um über dieses neue Unternehmen die Versorgung
sicherzustellen.832 Allerdings bestehen bei diesem - im Detail nicht weiter diskutierten - Vorschlag erhebliche tatsächliche wie rechtliche Probleme. Einmal muss erörtert werden, wie eine solche Neugründung auszusehen hat, zum anderen muss die
Frage gestellt werden, wer ein solches Unternehmen zu gründen und zu finanzieren
hätte.
EG Nr. L 221, S. 78, 80, v. 08.08.1998 „Crédit Lyonnais“; Kommission, Entsch. v.
18.02.2004, „Bankgesellschaft Berlin AG“.
830 Dazu Montag/Leibenath in Heidenhain, Handbuch des europäischen Beihilfenrechts, 2003, §
28, Rn. 27; Kommission ABl. EG L 253, S. 22, 24 v. 4. 4. 1995 „Neue Maxhütte“: Der Freistaat Bayern veräußerte die Lech-Stahlwerke GmbH für DM 1.- bei gleichzeitiger Kapitalzuführung an dieses Unternehmen in Höhe von DM 20 Mio.
831 Dazu Schäfer in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, 30.EL, 2006, B6, Rn. 37;
Noelle, NZBau 2002, 197 ff.
832 So z.B. die Argumentation von Kuhl/Wagner, ZIP 1995, 433, 436, gegen die Begründung
einer Rettungspflicht aus dem Rechts- und Sozialstaatsprinzip.
182
aaa) Probleme der Neugründung durch die Gemeinde selbst
Allein mit der Neugründung des Versorgungsunternehmens ist die Versorgung noch
keineswegs sichergestellt. Angenommen die Netze sind aufgrund des in § 7 EnWG
geforderten Unbundling auf eine eigene Gesellschaft übertragen worden, so bedarf
es doch zumindest der für einen Geschäftsbetrieb notwendigen personellen und
sachlichen Einrichtung. Soweit vorgeschlagen wird, die notwendige Ausstattung
könne vom Insolvenzverwalter an die Nachfolgegesellschaft veräußert werden833, so
ist dies grundsätzlich zutreffend. Gleichwohl ist es dem Insolvenzverwalter nicht
gestattet, diese Einrichtung unter Marktwert zu verkaufen, da ihn nach den §§ 148
ff. InsO die Pflicht zur Erhaltung der Masse trifft. Die neue GmbH müsste folglich
über erhebliche finanzielle Mittel verfügen, die eine Kommune, deren Stadtwerk
gerade insolvent gegangen ist, möglicherweise gar nicht aufbringen kann.
Darüber hinaus bestehen auch legitimationsrechtliche Probleme. Die Haftungsbeschränkung der GmbH dient dazu, das Risiko des Gesellschafters über § 13 Abs. 2
GmbHG auf die Stammeinlage zu beschränken und Anreize für die Privatwirtschaft
zu schaffen, auch unternehmerisch riskante Geschäfte zu tätigen.834 Dieser Anreiz
trifft auf die öffentliche Hand nicht zu835, da die öffentliche Hand nicht als Investor
auftritt, sondern lediglich die Erfüllung öffentlicher Aufgaben in eine privatrechtliche Form einbindet. Ist eine Gemeinde Gesellschafterin einer GmbH, so besteht die
grundsätzliche Frage, ob sie sich auf die Haftungsbeschränkung berufen kann, um
unmittelbar im Anschluss eine neue Gesellschaft zu gründen, die einen identischen
Geschäftszweck hat und die Personal- und Geschäftsausstattung836 übernehmen soll.
Sonderregelungen hat der Gesetzgeber für Gesellschaften mit beschränkter Haftung,
die sich im Eigentum der öffentlichen Hand befinden, nicht getroffen. Daraus wird
geschlossen, dass die öffentliche Hand sich der Rechtsform bedienen könne wie
jeder Private auch.837 Wie bereits zuvor festgestellt, ist dies im Falle der Insolvenz
des kommunalen Unternehmens nachvollziehbar. Auch privatrechtlich organisierte
Unternehmen in öffentlicher Hand sind insolvenzfähig. Davon zu unterscheiden ist
jedoch die Frage, ob die Insolvenz von der öffentlichen Hand gezielt als Mittel eingesetzt werden darf, um sich bestehender Schulden zu entledigen, ohne gleichzeitig
die Erledigung der öffentlichen Aufgabe abzugeben. Einerseits drängt sich die
Missbräuchlichkeit dieses Verhaltens auf, andererseits bestehen auch haushaltsrechtlich erhebliche Bedenken, da Steuergelder verwendet werden, um ein Unternehmen
neu zu gründen. Zuletzt ist kommunalrechtlich bedenklich, ob in dieser Konstellation die Leistungsfähigkeit der Gemeinde die Gründung eines solchen Unternehmens
833 Kuhl/Wagner, ZIP 1995, 433, 436.
834 Roth/Altmeppen, GmbHG, 5.A., 2005, Einl. Rn. 1, 16; Säcker, ZögU 19 (1996), 244, 246;
835 Parmentier, DVBl. 2002, 1378, 1384.
836 Ohne diese Assets wird das neue Unternehmen nicht in der Lage sein, der Betrieb mit der
Versorgung mit Energie aufrecht zu erhalten.
837 Parmentier, DVBl. 2002, 1378, 1384; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4.A., 2002, S. 402.
183
überhaupt noch zulässt. Zu bedenken ist, dass die Gemeinde offenbar nicht in der
Lage war, das ursprüngliche Unternehmen ohne erhebliche Defizite zu leiten. Erhebliche Schwierigkeiten werden schließlich bestehen, wenn die Netze nicht in eine
eigene Gesellschaft überführt wurden. In diesem Fall dürfte der Kaufpreis für die
Gemeinde nicht finanzierbar sein und somit nach Art und Umfang nicht in einem
angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde stehen.
bbb) Gründung durch den Staat?
Berücksichtigt man, dass die Insolvenz auch bei kommunalen Unternehmen die
Folge von veränderten Rahmenbedingungen oder Missmanagement sein kann, so
bleibt die Frage, inwieweit der Staat, der Adressat der Richtlinie und damit ebenfalls
Garant für die Sicherheit der Energieversorgung ist, verpflichtet sein kann, durch
Gründung eines neuen Versorgungsunternehmens die Energieversorgung in dem
betroffenen Netzgebiet aufrechtzuerhalten. Gesetzliche Regelungen für die Gründung eines staatlichen Unternehmens bestehen nicht, so dass diese Möglichkeit als
letztes Mittel in Betracht kommt. Gründet der Staat jedoch eine juristische Person,
unabhängig davon, ob sie dem öffentlichen oder dem privaten Recht zuzuordnen ist,
so bedarf dieser Gründungsakt einer gesetzlichen Grundlage.838
C. Zusammenfassung
In der misslungenen Regelung der Grundversorgung ist in bestimmen Konstellationen eine Rettungspflicht der öffentlichen Hand angelegt. Zwar hat die öffentliche
Hand ihre Leistungsverantwortung grundsätzlich zugunsten von privatwirtschaftlichem Wettbewerb aufgegeben; die in § 36 EnWG 2005 normierte Grundversorgungsregelung ist jedoch in Einzelfällen nicht ausreichend. Daher kann sich die im
Bereich der Energieversorgung unübertragbare Gewährleistungsverantwortung der
öffentlichen Hand in einigen Fällen wieder zu einer Leistungspflicht wandeln. Im
Ergebnis führt eine richtlinien- und verfassungskonforme Auslegung von § 36
EnWG 2005 zu einer Rettungspflicht der öffentlichen Hand.
Praktische Schwierigkeiten ergeben sich hinsichtlich der Frage, wie die öffentliche Hand die Sicherheit und Dauerhaftigkeit der Energieversorgung gewährleisten
kann. In Betracht kommt entweder die Verschaffung von Anreizen für Private, oder
838 Ehlers in Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13.A., 2005, § 2, Rn. 45; Böckenförde, Die
Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S. 96 f.; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 271 ff; Burmeister, Herkunft, Inhalt und Stellung des institutionellen Gesetzesvorbehalts, 1991, S. 264 ff. In Betracht kommt eine Begründung durch
oder aufgrund eines Gesetzes.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die herausfordernde Aufgabe, den Energiemarkt zu liberalisieren und dem Wettbewerb zu öffnen, hat die kommunalen Energieversorger in Deutschland, die historisch bedingt über Jahrzehnte gewachsen sind, kaum berücksichtigt. Viele Stadtwerke bewegen sich mit Ihren Mitteln, wettbewerbsfähig zu bleiben, in einer juristischen Grauzone zwischen Wettbewerbspostulat und kommunalrechtlichen Beschränkungen. Hier besteht politischer Handlungsbedarf, wobei u.a. die Bedeutung der Stadtwerke für die lokale soziale Infrastruktur mit dem Erreichen eines unverfälschten Energiemarktes abgewogen werden muss. Geraten kommunale EVU neben oder sogar aufgrund dieser „Legitimationskrise“ in eine wirtschaftliche Schieflage, so ist fraglich, ob und wie eine staatliche Rettung in Betracht kommt.
Die Verantwortung des Staates ist in der Zeit einer der schwersten Finanzkrisen der Weltwirtschaft ein hoch umstrittenes Thema. Zu berücksichtigen ist, dass es der Staat ist, der eine sichere Energieversorgung garantieren muss, wobei Grundversorgung und sozialstaatliche Verantwortung mit dem europäischen Beihilfenrecht zu vereinbaren sind. Die Arbeit regt an, die Entwicklungen in der kommunalen Energiewirtschaft zu überdenken.