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B. Der Begriff des kommunalen Unternehmens
Die Arbeit behandelt Fragestellungen, die kommunale Energieversorgungsunternehmen betreffen. Daher ist einleitend zu klären, wann von einem kommunalen
Unternehmen auszugehen ist, das den besonderen kommunalrechtlichen Vorschriften unterliegt und beispielsweise an die Verfolgung eines öffentlichen Zwecks45 und
an die Erfüllung der gemeinderechtlichen – und damit ortsbezogenen – Verpflichtungen gebunden ist.46
Die Gemeindeordnungen helfen dabei nicht weiter. Sie regeln lediglich, wann
sich eine Gemeinde wirtschaftlich betätigen oder an einem Unternehmen in Privatrechtsform beteiligen darf. Damit wird jedoch nicht die Frage beantwortet, wie das
Unternehmen zu qualifizieren ist. Es bedarf jedoch einer grundsätzlichen Einordnung des Unternehmens als „öffentliches“, das den genannten Beschränkungen
unterliegt, oder als „privates“, das diesen Beschränkungen und damit gegebenenfalls
auch den Regelungen des Verwaltungsprivatrechts nicht unterliegt.
Eine formale Privatisierung ist stets anzunehmen, wenn eine Kommune zur Erfüllung einer ihr obliegenden Aufgabe ein Unternehmen in Privatrechtsform gründet.
Materiell handelt es sich jedoch weiterhin um eine Verwaltungstätigkeit.47 Würde
die Gemeinde mehr als die Hälfte der Anteile verkaufen und den beherrschenden
Einfluss verlieren48, so läge eine materielle Privatisierung vor. Die öffentliche Aufgabe müsste vollständig auf private Personen übertragen werden, womit keine
kommunale Aufgabenerfüllung mehr gegeben ist.49 Gleich zu behandeln ist im Ergebnis die praktisch seltene Konstellation, dass sich eine Kommune an einem Unternehmen, das ausschließlich in privater Hand steht, beteiligt.
Grundsätzlich haben die Gemeinden das Recht, sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben
Dritter zu bedienen.50 Im Bereich der Eingriffsverwaltung kommt eine Aufgabenprivatisierung allerdings nicht in Betracht, sondern nur im Bereich der Leistungsverwaltung und der Annexaufgaben einer Gemeinde, wobei auch hier im Einzelfall
rechtliche Schranken, die sich insbesondere aus dem Rechts- und Sozialstaatsprinzip
ergeben können, beachtet werden müssen.51 Nur so kann sich ein angemessener
45 Brüggemeier/Damm, Kommunale Einwirkung auf gemischtwirtschaftliche Energieversorgungsunternehmen, S. 43.
46 Dazu Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, 2.A., 1985, S. 25 ff.
47 Cronauge/Westermann, Kommunale Unternehmen, 6.A., 2006, S. 169.
48 Dies ist nur unter engen Voraussetzungen möglich, vgl. z.B. §§ 108, 111 NWGO.
49 Cronauge/Westermann, Kommunale Unternehmen, 6.A., 2006, S. 170.
50 Hellermann in Koppe/Uechtritz, Handbuch der Kommunalen Unternehmen, 2.A., 2007, S.
182.
51 Cronauge/Westermann, Kommunale Unternehmen, 6.A., 2006, S. 172.
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Ausgleich zwischen gemeinwohlorientierter öffentlicher Aufgabenwahrnehmung
und der Inanspruchnahme privater Dritter ergeben.52
Der Begriff des öffentlichen Unternehmens ist ein Begriff des Gemeinschaftsrechts.53 Zurückgegriffen werden muss für die Abgrenzung zwischen einem Unternehmen in öffentlicher oder privater Hand im Sinne einer europarechtlich einheitlichen Auslegung auf die Richtlinie 2000/52/EG54. Deren Art. 2 lautet:
“Im Sinne dieser Richtlinie sind
- öffentliche Hand: der Staat sowie andere Gebietskörperschaften;
- öffentliches Unternehmen: jedes Unternehmen, auf das die öffentliche Hand aufgrund Eigentums, finanzieller Beteiligung, Satzung oder sonstiger Bestimmungen, die die Tätigkeit des
Unternehmens regeln, unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann.
Es wird vermutet, dass ein beherrschender Einfluss ausgeübt wird, wenn die öffentliche Hand
unmittelbar oder mittelbar:
a) die Mehrheit des gezeichneten Kapitals des Unternehmens besitzt oder
b) über die Mehrheit der mit den Anteilen des Unternehmens verbundenen Stimmrechte verfügt oder
c) mehr als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs-, Leistungs- oder Aufsichtsorgans des
Unternehmens bestellen kann.“
Entscheidend ist darauf abzustellen, wer faktisch die Kontrolle über das Unternehmen besitzt.55 Sperrminoritäten helfen einem privaten Unternehmer daher nicht, den
öffentlichen Charakter eines Unternehmens zu überwinden und beispielsweise die
öffentliche Zwecksetzung auszuhebeln.56 Auf der anderen Seite unterliegt ein Unternehmen, an dem eine Gemeinde keine Kapital- oder Stimmmehrheit besitzt, nicht
den kommunalwirtschaftlichen Bindungen, obgleich nicht ausgeschlossen ist, dass
es öffentlich-rechtliche Aufgaben wahrnimmt. Zwar ist es kommunalrechtlich den
Gemeinden untersagt, sich an einem solchen Unternehmen zu beteiligen.57 Dies ist
52 Hellermann in Koppe/Uechtritz, Handbuch der Kommunalen Unternehmen, 2.A., 2007, S.
183.
53 Mestmäcker/Schweitzer in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht EG, 4.A., 2007, Art. 31,
86 Abs. 1, Rn. 33; EuGH, Urt. v. 16.6.1987, Rs. 118/85 – „Transparenzrichtlinie II“, Slg
1987, 2599, 2622, Tz. 11; weitergehend Mann, JZ 2002, 819 ff.
54 Richtlinie 2000/52/EG der Kommission vom 26. Juli 2000, zur Änderung der Richtlinie
80/723/EWG über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen.
55 Anders Koch, Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform, S. 194:
Unternehmensgegenstand sei auch bei einer Beteiligung der öffentlichen Hand zumindest eine „auch-öffentliche Aufgabe“. Dies führt zu unüberwindbaren Abgrenzungsschwierigkeiten.
56 Zur Frage, ob die kommunalrechtlichen Beschränkungen gegen Art. 56 EG verstoßen, vgl.
Ehricke, IR 2007, 250, 251.
57 Vgl. z.B. § 108 NWGO.
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jedoch ein Verstoß der Gemeinde gegen die kommunalrechtlichen Einschränkungen
einer wirtschaftlichen Betätigung, die sich nicht auf den Rechtscharakter des Unternehmens auswirken können, da ein solcher Drittbezug gesetzlich nicht geregelt ist,
aufgrund des erheblichen Eingriffs in die Eigentums- und Berufsfreiheit jedoch
geregelt sein müsste.
Öffentliche Unternehmen sind folglich solche, an denen die öffentliche Hand einen beherrschenden Einfluss ausüben kann.
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References
Zusammenfassung
Die herausfordernde Aufgabe, den Energiemarkt zu liberalisieren und dem Wettbewerb zu öffnen, hat die kommunalen Energieversorger in Deutschland, die historisch bedingt über Jahrzehnte gewachsen sind, kaum berücksichtigt. Viele Stadtwerke bewegen sich mit Ihren Mitteln, wettbewerbsfähig zu bleiben, in einer juristischen Grauzone zwischen Wettbewerbspostulat und kommunalrechtlichen Beschränkungen. Hier besteht politischer Handlungsbedarf, wobei u.a. die Bedeutung der Stadtwerke für die lokale soziale Infrastruktur mit dem Erreichen eines unverfälschten Energiemarktes abgewogen werden muss. Geraten kommunale EVU neben oder sogar aufgrund dieser „Legitimationskrise“ in eine wirtschaftliche Schieflage, so ist fraglich, ob und wie eine staatliche Rettung in Betracht kommt.
Die Verantwortung des Staates ist in der Zeit einer der schwersten Finanzkrisen der Weltwirtschaft ein hoch umstrittenes Thema. Zu berücksichtigen ist, dass es der Staat ist, der eine sichere Energieversorgung garantieren muss, wobei Grundversorgung und sozialstaatliche Verantwortung mit dem europäischen Beihilfenrecht zu vereinbaren sind. Die Arbeit regt an, die Entwicklungen in der kommunalen Energiewirtschaft zu überdenken.