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tungsweise nicht mehr unter die commerce clause bringen. Die am individuellen
Bedürfnis ausgerichtete Leistungsvergabe steht derart im Vordergrund, dass sachlich
kein Wirtschaftsregulierungsrecht vorliegt.
b) Sozialleistungsgesetze nur durch Ausgabenkompetenz
Als Kompetenztitel für das Bundesgesetz über berufliche Rehabilitationsleistungen
kommt somit nur die spending power in Betracht, auf die der Bund sich durch Bereitstellung der entsprechenden grants auch ausschließlich gestützt hat1055. Dieser
Kompetenztitel ist zwar nicht uferlos, aber doch sehr weitgehend1056. Die Grenzen
dieses Kompetenztitels sind erreicht, wenn die Nichtinanspruchnahme von Fördermitteln durch einen Gliedstaat übermäßig Druck auf diesen ausüben würde, der
Bund also mit Hilfe der Fördermittel ein bestimmtes Verhalten vom Gliedstaat „erpressen“ möchte1057. Grundsätzlich kann der Bund auf Grundlage der spending power Sozialleistungen zur Verfügung stellen, solange er dafür bezahlt. Die spending
power sorgt also für eine eigentümliche Verknüpfung von durch den Bund begründeten Staatsaufgaben mit den dafür erforderlichen Ausgaben, wodurch die mit der
Aufgabenwahrnehmung betrauten Gliedstaaten politisch ganz erheblich gesteuert
werden können. Auf diesen Aspekt wird bei der Untersuchung der Kostentragung im
föderalen System näher einzugehen sein.
II. Verwaltungskompetenz
Die Verteilung der Verwaltungszuständigkeiten ist in den beiden Vergleichsländern
grundsätzlich unterschiedlich geregelt. Daher soll zunächst die Kompetenzverteilung
allgemein gegenübergestellt werden, ehe die hier zentrale Frage beantwortet wird,
wie die Verwaltung bundesgesetzlich vorgesehener Rehabilitationsleistungen die
Leistungsvergabe konkret beeinflusst. Als Faustregel ist festzuhalten, dass die größte Einheitlichkeit durch eine bundeseigene Verwaltung erreicht werden kann. Je
unter Strafe gestellt hatte. Gefordert wurde ein substantieller Einfluss der Regelung auf die
zwischenstaatlichen Wirtschaftsbeziehungen, der dem globalen Handfeuerwaffenverbot nicht
zu entnehmen war, zumal es nicht darum ging, den Handel mit Handfeuerwaffen zu regulieren, sondern ihren bloßen Besitz zu verbieten. In dieser neuen Tradition liegt etwa auch
United States v. Morrison, 529 U.S. 598 (2000), wo dieselben Richter wie in Lopez eine zivilrechtliche Schadensersatzregelung bei geschlechtsmotivierter Gewalt gegen Frauen mangels
Bundeskompetenz für verfassungswidrig hielten, weil das geregelte Verhalten keinen Wirtschaftsbezug aufwies.
1055 Dazu oben S. 173.
1056 Zu den Voraussetzungen bereits oben S. 173. Vgl. allgemein zu den föderalen Implikationen
der spending power: Kewenig, AöR 93 (1968), 431, 445 ff.
1057 Vgl. Steward Machine Company v. Davis, 301 U.S. 548 (1937); South Dakota v. Dole, 483
U.S. 203, 207 f. (1987).
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mehr Spielräume hingegen die Länder bzw. Gliedstaaten bei der Verwaltung besitzen, umso eher ist es ihnen möglich, auf die Modalitäten der Leistungsvergabe Einfluss zu nehmen.
1. Verwaltung von Bundesgesetzen allgemein
Das deutsche Grundgesetz kennt gemäß Art. 83 ff. GG zahlreiche Möglichkeiten der
Verwaltung von Bundesgesetzen: Grundsätzlich sind die Länder zuständig, wobei
der Bund zumindest die Rechtsaufsicht nach Art. 84 GG ausübt, bei der Bundesauftragsverwaltung jedoch weitergehende Einflussmöglichkeiten im Rahmen der Fachaufsicht hat, Art. 85 GG. Für gesondert genannte Gegenstände ist Bundeseigenverwaltung teilweise mit eigenem Verwaltungsunterbau nach Art. 87 I GG, teilweise
durch selbständige Bundesoberbehörden und bundesunmittelbare Körperschaften/Anstalten nach Art. 87 III GG vorgesehen. Die Sozialversicherungsverwaltung
geschieht mit Hilfe von bundes- oder landesunmittelbaren Körperschaften des
öffentlichen Rechts, Art. 87 II GG.
Die U.S.-amerikanische Verfassung hingegen kennt ausschließlich die bundeseigene Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau1058. Die Verwaltungskompetenz
des Bundes reicht dabei soweit wie seine Gesetzgebungskompetenz1059. Theoretisch
besteht eine strikte Trennung zwischen der Verwaltung von Bundesgesetzen durch
den Bund einerseits und zwischen der Verwaltung von gliedstaatlichen Gesetzen
durch die Gliedstaaten andererseits. Für eine Aufweichung dieses Trennungsgrundsatzes sorgt allerdings die an Finanzmittel geknüpfte Gesetzgebungskompetenz des
Bundes im Rahmen der spending power, wonach der Bund den Gliedstaaten Bedingungen für die Annahme der bereitgestellten Mittel auferlegen kann. Diese Bedingungen können sich auch auf die Verwaltung der vorgesehenen Leistungen durch
die Gliedstaaten erstrecken1060.
1058 Lepsius, Verwaltungsrecht unter dem Common Law, 1997, S. 16. – Die Verfassung trifft nur
wenige Aussagen zur Verwaltungsorganisation. Einerseits hat der Präsident für die Ausführung der Gesetze zu sorgen (Art. II § 3), andererseits hat der Kongress die Aufgabe, alle zur
Gesetzesausführung nötigen Gesetze zu erlassen (Art. I § 8 Cl. 18). Daher wird in den USA
immer wieder die Frage virulent, ob die Errichtung und Kontrolle von Verwaltungsträgern
eine Aufgabe des Kongresses oder der präsidialen Exekutive sind. Die sich gegenüberstehenden Machtakteure in Sachen Verwaltungsorganisation sind also weniger Bund und Länder als
vielmehr Präsident und Kongress. Dazu Derthick, Agency under stress, 1990, S. 7 ff.; auch
Lepsius, a.a.O., S. 15 ff.
1059 Lepsius, Verwaltungsrecht unter dem Common Law, 1997, S. 17.
1060 Vgl. oben S. 174 f.
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2. Deutschland
Bei der Verwaltung von Sozialleistungen bietet sich ein buntes Bild von bundeseigener Verwaltung nach Art. 86, 87 II 1 GG etwa durch die Bundesagentur für Arbeit
oder die Deutsche Rentenversicherung Bund (ehemals Bundesversicherungsanstalt
für Angestellte), Verwaltung durch landesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts wie z.T. bei der Unfallversicherung und Rentenversicherung sowie
Verwaltung auf Landes- und Kommunalebene durch Jugendämter und Sozialbehörden1061. Die Verwaltung der Leistungen zur beruflichen Rehabilitation ist durch das
SGB IX vereinheitlicht worden. Fraglich ist jedoch, wie sich die Föderalismusreform von 2006 auf diese Vereinheitlichungsbestrebung auswirkt.
a) Vereinheitlichung der Rehabilitationsverwaltung durch das SGB IX
An der Rehabilitation von Menschen mit Behinderungen sind – wie bereits gezeigt –
zahlreiche unterschiedliche Verwaltungsträger beteiligt1062. Eines der wichtigsten
Anliegen des SGB IX war es, für eine rasche Zuständigkeitsklärung und einheitlichere Verwaltung der Rehabilitationsleistungen aus Sicht der Empfänger zu sorgen1063. Soweit die landeseigene Verwaltung betroffen war, durfte der Bund Regelungen zum Verwaltungsverfahren gemäß Art. 84 I GG a.F. mit Zustimmung des
Bundesrates treffen.
b) Auswirkungen der Föderalismusreform
Seit der Föderalismusreform ist die Möglichkeit des Erlasses bundeseinheitlicher
Verfahrensregeln erheblich eingeschränkt. Nur in Ausnahmefällen kann der Bund
wegen eines besonderen Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung das Verwaltungsverfahren ohne Abweichungsmöglichkeit für die Länder regeln, Art. 84 I 5
GG, während ansonsten die Länder von den Bundesgesetzen abweichende Regelun-
1061 Im Zuge der Zusammenlegung der kommunal verwalteten Sozialhilfe mit der durch die
Bundesagentur verwalteten Arbeitslosenhilfe zum ALG II ordnete § 44b III SGB II an, dass
die kommunalen Träger ihre Aufgaben auf sogenannte Arbeitsgemeinschaften (ARGEN)
übertragen sollten, die Bestandteil der Bundesverwaltung sind. Dieses gesetzlich angeordnete
Zusammenwirken von Bundes- und Kommunalverwaltung ist durch Urteil vom 20.12.2007
vom Bundesverfassungsgericht als Verstoß gegen die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung nach Art. 28 II 1 i.V.m. Art. 83 GG für verfassungswidrig erklärt worden, BVerfG
NVwZ 2008, 183, 185 ff. (Rz. 144 ff.). § 44b SGB II bleibt jedoch bis zum 31.12.2010 vorbehaltlich einer Neuregelung der Verwaltungsorganisation anwendbar, BVerfG NVwZ 2008,
183, 191 (Rz. 207).
1062 Oben S. 163 f.
1063 Oben S. 170.
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gen treffen können, Art. 84 I 2 GG1064. Sollten die Länder von dieser Möglichkeit
Gebrauch machen, so wird insbesondere für das SGB IX befürchtet, dass die vom
Gesetzgeber vorgesehene Sicherstellung einer bedarfsgerechten und zielgerichteten
Gewährung von personenbezogenen Sozialleistungen durch entsprechend komplizierte und intransparente Verfahrens- und Behördenstrukturen unterlaufen würde1065.
In der Tat besteht diese Gefahr – auf der anderen Seite werden auf Landesebene
Erwägungen angestellt, alle Teilhabeleistungen in einer behördlichen Anlaufstelle
zusammenzuführen1066. Dies spricht eher dafür, dass einer verwaltungstechnischen
Zersplitterung entgegen gewirkt werden soll, was durchaus im Sinne des SGB IX
wäre, das ja auf eine Leistungsvereinheitlichung und Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger ausgerichtet ist1067. Im Übrigen gibt es bei einem entsprechenden Bedürfnis die Möglichkeit, nach Art. 84 I 5 GG einheitliche Verfahrensregelungen
durch den Bund zu erlassen1068.
Schwerer wiegt demgegenüber die Befürchtung, dass Art. 84 I 7 GG, der die
Übertragung von Aufgaben von Bund auf Gemeinden verbietet, die Geltung der
Verfahrensregelungen des SGB IX für die Rehabilitationsträger auf örtlicher und
teilweise – soweit es sich um Gemeindezusammenschlüsse handelt – auch auf über-
örtlicher Ebene ausschließt1069. Art. 84 I 7 GG untersagt dem Bund grundsätzlich,
gemeindliche Rehabilitationsträger zur Zusammenarbeit mit seinen eigenen Trägern
zu verpflichten. Denn dies würde eine Belastung der Gemeinden mit einer Aufgabe
bedeuten. Zwar gilt das Bundesrecht, also auch das SGB IX, nach Art. 125a I GG
bis zur Ersetzung durch Landesrecht fort. Allerdings ist nicht bis ins Letzte geklärt,
inwieweit das fortgeltende Bundesrecht wegen des eindeutigen Verbots in Art 84 I 7
GG geändert oder gar erweitert werden darf1070.
Wie sich das Konfliktpotential zwischen den Zielen des SGB IX und Art. 84 I 7
GG in der Zukunft auswirkt, bleibt abzuwarten. Jedenfalls wird die Föderalismusreform für das vielfach verzahnte Sozialleistungssystem nicht folgenlos bleiben1071.
Die mit der Reform bezweckte Entflechtung der föderalen Beziehungen wird eben
auch eine größere Vielfalt an unterschiedlichen Verwaltungsstrukturen mit sich
bringen, da die Länder künftig mehr Regelungskompetenzen auf diesem Gebiet
erhalten. Die Verwaltung von Rehabilitationsleistungen, auf deren Vereinheitli-
1064 Dittmann, in: Sachs, GG, 4. Aufl. 2007, Art. 84 Rn. 15 ff., Trute, in: Starck, Föderalismusreform, 2007, Rn. 158, 160 ff.
1065 So Meysen, Sachverständigenstellungnahme, S. 6.
1066 Meysen, Sachverständigenstellungnahme, S. 6.
1067 Nicht ganz nachvollziehbar hingegen ist die Befürchtung von Meysen, Sachverständigenstellungnahme, S. 7, wonach gerade eine solche Vereinheitlichung eine besondere Stigmatisierung der Betroffenen mit sich bringen würde.
1068 Trute, in: Starck, Föderalismusreform, 2007, Rn. 169.
1069 Fuchs, Sachverständigenstellungnahme, S. 4, 6. – Zur ausnahmslosen Wirkung des Verbots
der Aufgabenübertragung auf die Kommunen Dittmann, in: Sachs, GG, 4. Aufl. 2007, Art. 84
Rn. 13.
1070 Vgl. Durner, BayVBl. 2007, 161, 162; Schoch, DVBl 2007, 261, 263; Trute, in: Starck,
Föderalismusreform, 2007, Rn. 177.
1071 Zu ersten Erfahrungen Horsch, ThürVBl. 2007, 97 ff.
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chung das SGB IX hinwirken konnte, wird daher in Zukunft möglicherweise wieder
von Bundesland zu Bundesland mehr Unterschiede aufweisen.
2. USA
Bundesgesetzlich gewährte Sozialleistungen werden grundsätzlich entweder durch
die bundeseigene Social Security Administration verwaltet oder direkt durch die
Gliedstaaten, sofern sie auf durch grants vergebene Fördermittel beruhen. Neben der
Verwaltung von Leistungen der beruflichen Rehabilitation im System der Vereinigten Staaten soll hier zunächst eine verwaltungstechnische Besonderheit der Vergabe
von Sozialleistungen an Menschen mit Behinderung beschrieben werden, welche die
gesellschaftliche Akzeptanz dieser Leistungen sichern hilft.
a) Sozialhilfe für Menschen mit Behinderung unter dem Dach der Social Security
Administration
Menschen mit Behinderung, die keinen oder einen nur sehr geringen Anspruch auf
Rentenleistungen aus der Social Security Disability Insurance (SSDI) haben, erhalten Sozialhilfe aus dem Supplemental Security Income-Programm (SSI)1072. Anders
als die übrigen Sozialhilfeleistungen der Temporary Assistance to Needy Families
(TANF)1073 oder auch des Krankenversicherungsprogramms für Sozialhilfeempfänger und Niedrigverdiener Medicaid1074 wird das SSI nicht als grant an die Gliedstaaten vergeben und von ihnen weitgehend eigenständig verwaltet, sondern ist direkt
der Social Security Administration zugeschlagen, die eigentlich nur für die beitragsfinanzierten Versicherungsleistungen zuständig sein sollte.
Was auf den ersten Blick wie eine rein verwaltungstechnische Entscheidung
wirkt, ist von weitaus größerer politischer Tragweite. Wie die jüngere Geschichte
der Sozialpolitik in den USA mit der Reform von 1996 gezeigt hat, kann der Bund
durch Zurückfahren der Haushaltsmittel bzw. Änderung des Subventionscharakters
(block grant statt matching grant) die Gestalt der Sozialhilfe grundlegend verändern,
ja sogar ihren Anspruchscharakter abschaffen1075. Zur politischen Rechtfertigung
eines solchen Vorgehens kann der Bund u.a. darauf verweisen, den Bereich wieder
stärker in den gestalterischen Verantwortungsbereich der Gliedstaaten zurückgeben
zu wollen. Indem die spezielle Sozialhilfe SSI der Verwaltung durch die Social
Security Administration zugeordnet worden ist, konnte eine substantielle Hürde vor
den beschriebenen politischen Zugriffen errichtet werden. Wenn nämlich von vornherein keine Mitverantwortung der Gliedstaaten für die Programmverwaltung be-
1072 Oben S. 188 f.
1073 Oben S. 218 f.
1074 Oben S. 189 f.
1075 Oben S. 218.
242
steht, kann der Rückzug des Bundes aus diesem Programm nicht mit einer Stärkung
gliedstaatlicher Gestaltungsfreiheit begründet werden. Weiterhin sorgt die eigentlich
artfremde Ansiedlung des SSI bei der Social Security Administration für zusätzliche
Akzeptanz1076. Die Social Security Administration ist geschaffen worden zur Verwaltung des staatlichen Rentensystems, das als beitragsfinanziertes Sozialleistungssystem hohes Ansehen genießt. Das SSI ist als echte Sozialhilfe hingegen steuerfinanziert, wird aber nicht zuletzt wegen der Verwaltung durch die Social Security
Administration von der Bevölkerung überwiegend als Bestandteil der Social Security wahrgenommen und ist damit – anders als die „normale“ Sozialhilfe – keinen
prinzipiellen Anfeindungen ausgesetzt1077.
Die Organisation des SSI als „Anhängsel“ des Rentensystems kann als Ausdruck
einer auch in den USA bestehenden Überzeugung gewertet werden, dass Menschen
mit Behinderungen unter dem Gesichtspunkt des Nachteilsausgleichs ein besonderes
Anrecht auf staatliche Fürsorge haben. Sie gelten als worthy poors1078, also unterstützenswürdige Arme, die nicht durch den Einsatz der eigenen Arbeitskraft für
ihren Lebensunterhalt sorgen können.
b) Föderale Verflechtungen bei der Verwaltung von Leistungen der beruflichen
Rehabilitation
Wichtigste Verwaltungsträger von Leistungen zur beruflichen Rehabilitation sind
die Gliedstaaten. Dies liegt einerseits daran, dass Title I Rehabilitation Act die Fördermittel als grants an die Gliedstaaten vergibt und somit nur eine gliedstaatliche
Verwaltung möglich ist. Andererseits sind die Rehabilitationsbehörden der Gliedstaaten (Vocational Rehabilitation Services) aber auch Anlaufstelle für Ansprüche
auf Rehabilitationsleistungen, die gegen die Social Security Administration gerichtet
sind. Denn dort können die entsprechenden Leistungsgutscheine (Tickets) eingelöst
werden1079. Der Bund macht also die gliedstaatlichen Verwaltungsträger zu seinen
Erfüllungsgehilfen, ohne jedoch direkt auf die Art der Rehabilitationsverwaltung
einzuwirken. Allein in Title I Rehabilitation Act kann der Bund Vorgaben machen,
indem er an die Vergabe der grants bestimmte Bedingungen knüpft, die Verwaltungsorganisation und Programmgestaltung betreffen1080.
Die Verwaltung der Rehabilitationsleistungen durch die Gliedstaaten ist naturgemäß nicht einheitlich, aber durch die Festsetzung der Förderbedingungen gewährleistet der Bund immerhin einen gemeinsamen Rahmen. Durch seine Rechtsaufsicht
1076 Kritisch aber Derthick, Agency under Stress, 1990, S. 22 ff., die das SSI als den Hauptschuldigen für die Verwaltungsprobleme der Social Security Administration ansieht.
1077 Vgl. Diller, 44 UCLA L. Rev. (1996), 361, 367 u. 436 ff.; Weber, 2000 U. Ill. L. Rev. 889,
929; Murswieck, Sozialpolitik, 1988, S. 126.
1078 Dazu Diller, 44 UCLA L. Rev. (1996), 361, 372 f.
1079 Oben S. 192.
1080 Oben S. 173 f.
243
legt der Bund fest, dass die Leistungen entsprechend der inhaltlichen Vorgaben des
Rehabilitation Act vergeben werden1081. Dies ist ein typischer Befund für die Sozialleistungsverwaltung in den USA außerhalb der bundeseinheitlich organisierten Social Security Administration, da der Bund außerhalb dieser Struktur nur im Rahmen
der spending power durch die Gewährung von grants an die Gliedstaaten als sozialpolitischer Akteur in Erscheinung tritt. Insgesamt beeinflusst die Verwaltungsstruktur an sich die Vergabe von Sozialleistungen in den USA aber weniger als die konkrete Ausgestaltung der grants im Rahmen der spending power, was im folgenden
Punkt erläutert werden soll.
III. Kostentragung
Gerade bei Leistungsgesetzen ist die Kostentragung zentral. Dabei geht es zum einen um die Frage, wie die Ausgabenstruktur im föderalen System die Erfüllung von
Aufgaben beeinflusst. Zum zweiten ist – vor allem mit Blick auf die Vereinigten
Staaten – zu untersuchen, inwiefern Fragen der Kostentragung die Rolle des Bundes
als sozialpolitischem Akteur beeinflussen können.
1. Deutschland
Aufgaben und Ausgaben sind in Deutschland grundsätzlich nicht miteinander verquickt, vielmehr folgen die Ausgaben den Aufgaben. Es gilt somit der Konnexitätsgrundsatz: Die Ausgaben trägt diejenige Stelle, welche die Aufgaben wahrnimmt, Art. 104a I GG. Aufgabenwahrnehmung ist gleichzusetzen mit Verwaltungskompetenz, da die Kosten ja erst bei der Ausführung von Gesetzen
entstehen1082. Damit tragen grundsätzlich die Länder die Kosten für die Ausführung
von Bundesgesetzen.
a) Einflussnahme des Bundes bei Geldleistungsgesetzen
Die für den Bereich des Sozialleistungsrechts wichtigste Ausnahme von diesem
Grundsatz findet sich in Art. 104a III 1 GG, wonach der Bund für von ihm gesetzlich begründete Geldleistungen, die von den Ländern verwaltet werden, ganz oder
teilweise die Ausgaben tragen darf1083. Müssen hingegen die Lände für solche Kosten ganz oder teilweise aufkommen wie es regelmäßig der Fall ist, werden entspre-
1081 Oben 174 f.
1082 Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl. 2007, Art. 104a Rn. 3.
1083 Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 104a Rn. 5; Siekmann, in: Sachs, GG, 4. Aufl. 2007, Art. 104a
Rn. 25.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Untersuchung geht der Frage nach, wie sich gleichheitsrechtlich geprägtes, modernes Antidiskriminierungsrecht für Menschen mit Behinderung und das traditionell sozialrechtlich geprägte Recht der beruflichen Rehabilitation zueinander verhalten. Als Vorbild eines speziellen antidiskriminierungsrechtlichen Regulierungsmodells zur verbesserten beruflichen Integration von Behinderten werden immer wieder die USA genannt, wo man seit den 1970er Jahren Erfahrungen mit diesem Ansatz sammeln konnte.
Eine umfassende Analyse der historischen Entwicklung sowie der gesellschaftspolitischen und verfassungsrechtlichen Grundannahmen des U.S.-amerikanischen Sozialsystems macht jedoch deutlich, dass das Antidiskriminierungsrecht dort häufig nur als Lückenbüßer dient.
Dieser Befund kann nicht ohne Konsequenz für das sozialstaatlich beeinflusste deutsche Rechtssystem sein. Zwar liefert der Rechtsvergleich mit den USA wichtige Anhaltspunkte für ein vertieftes Verständnis der europäischen antidiskriminierungsrechtlichen Vorgaben insbesondere für das Merkmal Behinderung. Allerdings werden auch die Grenzen dieses Ansatzes gegenüber der klassischen beruflichen Rehabilitation deutlich.
Die Arbeit wurde mit dem Zarnekow-Förderpreis 2009 ausgezeichnet.