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2 | Zur politischen Richtung
2.1 Links-Rechts-Schema überholt?
Wie in der Einleitung bereits erläutert, soll der Fragestellung dieser Arbeit, in welche politische Richtung die direkte Demokratie wirkt, anhand der Links-Rechts-
Skala nachgegangen werden, die das klassische Modell für die Einordnung der politischen Landschaft darstellt.
Sie ist in den letzten Jahren in Politik und Wissenschaft oft als veraltet und überholt kritisiert worden (vgl. Decker 1998). Es wird behauptet, dass links und rechts
als Ideologien nicht mehr existierten (vgl. Bobbio 1994, S. 13), jüngere Parteien wie
Bündnis90/Die Grünen verorten sich gerne jenseits von links und rechts.
Trotz der immer wiederkehrenden Kritik, wird das Links-Rechts-Schema nach
wie vor zur Einordnung von Parteien oder zur Selbsteinstufung bei Meinungsumfragen genutzt, etwa beim Politbarometer der Forschungsgruppe Wahlen oder der GfS
Bern. Holzer und Linder folgern aus der Analyse der Schweizer Wahlen 1999, dass
der verteilungspolitische Konflikt nach wie vor virulent ist (Holzer/Linder 2003, S.
117). Auch Hermann und Leuthold verteidigen die Links-Rechts-Skala mit dem Argument, dass sie sich gerade bei der Analyse von Schweizer Volksabstimmungen
immer noch als hilfreich zur Einordnung politischer Zielsetzungen zeige (Hermann/Leuthold 2003).
2.2 Andere Modelle für die politische Landschaft
Neben dem klassischen Links-Rechts-Schema gibt es zahlreiche Versuche, alternative Modelle für die politische Landschaft zu finden, die nicht auf der Links-Rechts-
Unterscheidung aufbauen. Beispiele hierfür finden sich bei Fuhse (2004). Mary
Douglas und Aaron Wildavsky haben zum Beispiel mit der Cultural Theory einen
Vorschlag mit drei Dimensionen gemacht, der nach Egalitariern, Individualisten und
Hierarchikern unterscheidet. Fuhse ordnet das italienische Parteiensystem alternativ
nach politischen Sachfragen (Fuhse 2004, S. 215).
Diese zahlreichen Versuche konnten bisher jedoch nicht überzeugen, was auch
daran zu erkennen ist, dass es keinen unter ihnen gibt, der durchgängig in der Literatur als echte Alternative zum Links-Rechts-Schema zu finden ist.
Wenn sich diese Arbeit mit der politischen Richtung direkter Demokratie beschäftigt, kommt sie also nicht umhin, dies anhand der Links-Rechts-Skala zu tun.
Richtig ist jedoch, dass sich die Begriffe „rechts“ und „links“ in einer ständigen
Weiterentwicklung befinden und heute andere oder zusätzliche Positionen beinhalten als in ihrer Entstehungszeit.
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References
Zusammenfassung
Die seit den 90er Jahren intensiver werdende Diskussion um die Einführung direktdemokratischer Instrumente in der Bundesrepublik schlägt sich auch in einer steigenden Zahl wissenschaftlicher Beiträge zu diesem Thema nieder. Unbeachtet blieb bisher jedoch die Diskrepanz zwischen der deutschen Debatte und der direktdemokratischen Praxis. Die Diskussion in der Bundesrepublik wird vor allem von den linken Parteien geschürt, die Erfahrungen mit direkter Demokratie in der Schweiz und anderen Staaten lassen hingegen eher eine rechts-konservative Wirkung vermuten.
In der vorliegenden Untersuchung werden erstmals Umfragen unter Bundestagsabgeordneten und Schweizer Nationalräten vorgelegt, die aufzeigen, dass es sich um typisch deutsche Konfliktlinien handelt. In der Schweiz stehen die politisch linken Parteien der direkten Demokratie deutlich skeptischer gegenüber als die rechten. In einer empirischen Analyse der Schweizer Volksabstimmungen der letzten 20 Jahre bestätigt sich, dass die bisherigen Erfahrungen mit direkter Demokratie eher auf eine rechts-konservative Wirkung von Volksentscheiden schließen lassen – ein Widerspruch zur Haltung der deutschen Parteien.
Neben diesem innovativen Beitrag zur wissenschaftlichen Debatte bietet das Werk einen aktuellen Überblick über den Forschungsstand zur Wirkung von Volksrechten.