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der richtigen Menge, Qualität, am richtigen Ort, zur rechten Zeit.696 Die Rationalisierungseffekte liegen im flexiblen Reagieren auf Nachfrage und spezielle Kundenwünsche unter Senkung der Kosten für die Lagerhaltung. Im vertraglichen Rahmen
werden die Zulieferer zum Teil verpflichtet, Produktionsstätten in unmittelbarer Nähe des Herstellers zu errichten,697 698 vertragsspezifische Investitionen vorzunehmen
zur Produktion von Komponenten (Baugruppen) mit abnehmerspezifischen Eigenschaften und die Teile produktionssynchron beim Hersteller anzuliefern. Eine taktgenaue Belieferung mit Teilen, die nach speziellen Kundenwünschen gefertigt wurden, wird ermöglicht durch eine EDV-Vernetzung zwischen Hersteller und Lieferanten, deren Kosten ebenfalls den vertragsspezifischen Investitionen zuzurechnen sind.
Durch sequenzgenaue Anlieferung komplexer Komponenten kann eine Überprüfung
durch den Hersteller auf versteckte Fehler nicht erfolgen. Daher wird auf Basis des
Zuliefervertrages die Qualitätsprüfung auf den Zulieferer vorverlagert, abgesichert
durch Schadensersatz- und Regressansprüche des Herstellers.
D. Zulieferstrukturen am Beispiel der Automobilindustrie
Größe und Art der Automobilzulieferer in Deutschland sind sehr unterschiedlich:
vom kleinen Handwerksbetrieb bis zum industriellen Großunternehmen im Konzernformat. Ihre Erscheinungsformen reichen von originären Automobilzulieferern
(wie z.B. Robert Bosch, Continental, Michelin, Varta, Mahle, SKF) bis zu Mischkonzernen, die sich in einem von mehreren Segmenten als Kfz-Zulieferer betätigen
(z.B. Siemens, BASF, Bayer, Mannesmann, Thyssen).699 Die Mehrzahl der Zulieferer in Deutschland sind kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), ? sind
Kleinunternehmen mit weniger als 100 Arbeitnehmern, die Abnehmer sind dagegen
zu ? Großunternehmen.700 Je kleiner der Zulieferer, desto geringer die Anzahl seiner Abnehmer, das bedeutet, seine Ausweichmöglichkeiten sinken.701
E. Rechtsnatur und Klassifikation
Die zuvor beschriebenen Vereinbarungen sind über den bekannten Austauschvertrag
„hinaus gewachsen“. Aufgrund sowohl austauschvertraglicher Elemente (Ankauf
696 Gebhard, Der Zuliefervertrag, S. 19 f.
697 Vorteile dieser produktionssynchronen Beschaffung bei: Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge, S. 34 ff.
698 Beispiele bei: Nagel, DB 1988, S. 2291; Gebhard, aaO., S. 20; Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge, S. 31; Bernhard-Eckel, Der Just-in-Time-Vertrag, 1997, S. 17 f.; Fandel/Reese, ZfB 1989, 56, 58 f.
699 Beispiele bei: Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge, S. 54 f. Fn. 16.
700 Mitteilung der Kommission zur Entwicklung des Zulieferwesens in der Gemeinschaft,
KOM (89) 402 endg., S. 1 f.
701 Monopolkommission, Sondergutachten 7, Tz. 135.
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References
Zusammenfassung
Europaweit agierende Unternehmen bevorzugen zunehmend Formen der Einflussnahme auf andere Gesellschaften, die sich nicht mehr nur über die Kategorien Austauschvertrag und Konzern erfassen lassen. Um diese einer rechtlichen Regelung zuführen zu können, müssen sie strukturell erfasst und einem Rechtsbegriff zugeordnet werden.
Ausgehend von dem in der EBR-Richtlinie verwendeten Begriff der Unternehmensgruppe werden in dieser Studie vielfältige Abhängigkeitsbeziehungen untersucht. Über die bisher vom deutschen Konzernrecht betrachteten gesellschaftsrechtlich vermittelten Beherrschungsgrundlagen hinausgehend, gelingt die strukturelle Erfassung von organisationsvertraglichen Einflussnahmeformen. Die entwickelten Strukturelemente von Unternehmensgruppen sind auch für andere Bereiche des europäischen Rechts der Unternehmensverbindungen von größtem Interesse.