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VII. Ergebnis
Durch die Untersuchung des Wortlauts der Generalklausel konnten allgemeine
Rahmenbedingungen für die beherrschende Einflussnahme abgesteckt werden. Aussagen über die Intensität und Wirkungsweise der beherrschenden Einflussnahme
oder über Beherrschungs- bzw. Einflussnahmemittel können jedoch noch nicht getroffen werden. Das Gesetz erkennt in § 6 II EBRG bestimmte Beherrschungsmittel
an und stattet diese mit einer Vermutungswirkung in Bezug auf das Vorliegen einer
beherrschenden Einflussnahmemöglichkeit aus. Daher stellen die Regelbeispiele § 6
II EBRG Mindestanforderungen für die über § 6 I EBRG zu erfassenden Einflussgrundlagen auf. Daher sollen im Folgenden die Regelbeispiele daraufhin untersucht
werden, welche Anforderungen im Hinblick auf Intensität und Wirkungsweise an
Beherrschungsgrundlagen zu stellen sind.
C. Analyse der Regelbeispiele des § 6 II EBRG / Art. 3 II EBR-Richtlinie
Aus dem Wortlaut des § 6 I EBRG ließen sich keine abschließenden Feststellungen
über Intensität und Wirkungen der „beherrschenden“ Einflussnahme sowie über die
Anforderungen an abhängigkeitstaugliche Beherrschungsmittel treffen. Die Vorschrift des § 6 II EBRG enthält eine nicht abschließende Aufzählung von Beherrschungsmitteln, die das Gesetz als abhängigkeitsbegründend ausdrücklich anerkennt. Aus dem Zusammenhang von § 6 I und § 6 II EBRG folgt aber auch, dass das
Gesetz mit Abhängigkeitslagen auch dort rechnet, wo die Abhängigkeitsvermutung
des § 6 II EBRG nicht greift. Die abhängigkeitsbegründenden Beherrschungsmittel
sind also nicht auf die in § 6 II EBRG genannten beschränkt.
Nach § 6 II EBRG wird ein beherrschender Einfluss – widerleglich – vermutet,
wenn ein Unternehmen in Bezug auf ein anderes Unternehmen
- mehr als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des anderen Unternehmens bestellen kann (Mehrheit der Bestellungsrechte) oder
- über die Mehrheit der mit den Anteilen am anderen Unternehmen verbundenen
Stimmrechte verfügt (Stimmrechtsmehrheit) oder
- die Mehrheit des gezeichneten Kapitals besitzt (Kapitalmehrheit).
Dieser Regelung ist zu entnehmen, dass die Möglichkeit, die Mehrheit der Organmitglieder zu bestellen sowie die Inhaberschaft der Stimmrechts- oder der Kapitalmehrheit nach Ansicht des Gesetzgebers260 einem Unternehmen grundsätzlich die
Möglichkeit bietet, einen beherrschenden Einfluss auf ein anderes (abhängiges) Unternehmen auszuüben. Deshalb ist zu untersuchen, welche beherrschungsrelevante
260 Oder vielmehr des Richtliniengebers, da das EBR-Gesetz hierbei exakt den Wortlaut der
EBR-Richtlinie übernimmt.
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Machtposition das EBRG mit den herausgestellten Beherrschungsmitteln verbindet
und an welche Befugnisse die einzelnen Mittel anknüpfen.
Das Gesetz verwendet in § 6 I und II EBRG die Begriffe herrschendes und abhängiges Unternehmen, gemeint ist der Unternehmensträger, um einen breiten Anwendungsbereich sicherzustellen. Die Fallgruppen Mehrheit der Bestellungsrechte
sowie Stimmrechtsmehrheit setzen als abhängiges Unternehmen einen mitglied- und
organschaftlich verfassten Unternehmensträger, also eine Gesellschaft, eine juristische Person, voraus.
Da EBR-Richtlinie und EBRG die Regelung transnationaler Unternehmensgruppen zum Gegenstand haben, soll zunächst erarbeitet werden, in welchem Kontext
und nach welchem nationalen Recht der Mitgliedstaaten die einzelnen Herrschaftsund Abhängigkeitsbeziehungen zu beurteilen sind. Dann sind die in § 6 II EBRG
genannten Beherrschungsmittel daraufhin zu untersuchen, welche Möglichkeiten der
Einflussnahme sie bieten und in welcher Form eine Einflussnahme erfolgen kann.
Sind dann Intensität und Wirkungsweise der Beherrschungsmittel herausgearbeitet,
kann entwickelt werden, welche Anforderungen sie an abhängigkeitsbegründende
Beherrschungsgrundlagen enthalten.
Da die Unternehmensgruppe im EBR-Gesetz nicht auf bestimmte Rechtsformen
beschränkt ist, sind hier alle in Betracht kommenden Träger der Unternehmenseigenschaft – zumindest ansatzweise – zu beleuchten.
I. Mehrheit der Bestellungsrechte § 6 II Nr. 1 EBRG / Art. 3 II Nr. 1 EBR-Richtlinie
Die Wirkungsweise der Beherrschungsmittel hängt entscheidend davon ab, wie das
abhängige Unternehmen verfasst ist. Nach § 6 II Nr. 1 EBRG bzw. den entsprechenden Normen in den Mitgliedstaaten muss das herrschende Unternehmen die Möglichkeit haben, mehr als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder
Aufsichtsorgan im abhängigen Unternehmen zu bestellen. Das setzt voraus, dass das
abhängige Unternehmen organschaftlich verfasst ist. Mitglied- und organschaftlich
verfasste Rechtspersonen sind juristische Personen, wie die Aktiengesellschaft, die
GmbH, die Genossenschaft, der Verein. Die organschaftliche Verfassung ergibt sich
aus Folgendem: Juristische Personen erhalten mit der Eintragung ihre Rechtspersönlichkeit aufgrund ihrer körperschaftlichen Organisation. Konstitutive Elemente der
juristischen Rechtsperson sind deren rechtsgeschäftliches Handeln über Organe, ein
Sondervermögen als Haftungsmasse sowie – und hierbei gehen die Meinungen auseinander – deren Publizität im Handelsregister oder der Verbandszweck.261 Merkmal
von Rechtspersonen ist deren Fähigkeit zur Willensbildung und dessen Artikulation
im rechtsgeschäftlichen Verkehr. Aufgrund seiner Verselbständigung gegenüber
seinen Mitgliedern muss der Verband zur Willensbildung Organe bestellen, die ihn
261 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. A. 2002, § 4.
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auch nach außen, im Rechtsverkehr, vertreten. Wer im Rechtsverkehr auftritt, muss
die eingegangenen Verbindlichkeiten auch erfüllen können. Um die Solvenz sicherzustellen, verlangen die Gründungsvorschriften juristischer Personen die Bereitstellung einer Haftungsmasse. Diese soll als Sondervermögen der juristischen Person
zugeordnet werden.262 Hinsichtlich des 3. Elements ist der Registerpublizität der
Vorzug einzuräumen. Gegenüber der Ansicht von Karsten Schmidt ist darauf hinzuweisen, dass die Aufgabe des Gesellschafts- bzw. Verbandszwecks durch die Gesellschafter die einmal eingetragene Gesellschaft noch nicht automatisch inexistent
werden läßt, was das Vorhandensein zahlreicher sog. Mantelgesellschaften beweist.263 Zuzugeben ist, dass die Gesellschafter mittels Nichtigkeitsklage (§§ 275 f.
AktG, §§ 75 f. GmbHG) die Löschung der Gesellschaft nach § 144 FGG erreichen
können, jedoch nur wenn die Satzungsbestimmung über den Unternehmensgegenstand nichtig ist. Zu beachten ist aber die Heilungsmöglichkeit nach § 276 AktG
bzw. § 76 GmbHG. Zudem muss das Registergericht nach § 144 a FGG den Gesellschaftern eine Möglichkeit zur Heilung des Satzungsmangels einräumen. Diese Regelungen betreffen jedoch lediglich Fälle, in denen die Satzung wegen fehlender
Festlegung des Verbandszwecks nichtig ist, nicht jedoch Fälle, in denen ein einmal
festgelegter und vollzogener Verbandszweck von den Gesellschaftern aufgegeben
wird – die typischen Mantelgesellschaften. Schließlich ist zu beachten, dass eine Löschung vermögensloser Gesellschaften von Amts wegen erfolgen kann, § 141 a
FGG. Das Gesetz sieht nur die gelöschten Gesellschaften und nicht die Gesellschaften mit fortgefallenem Verbandszweck als inexistent an.
Kennzeichen einer mitgliedschaftlichen Verfasstheit ist die Unabhängigkeit der
Korporation von den Einzelpersönlichkeiten ihrer Gründungsmitglieder. Die Korporation ist eine überindividuelle Einheit, bei der der Kreis ihrer Mitglieder auf Wechsel angelegt ist. Hierin liegen die wesentlichen Unterschiede zur Personengesellschaft: Sie ist auf die Personen ihrer Gesellschafter, die sich im Gesellschaftsvertrag
zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks verpflichtet haben, zugeschnitten. Die
Willensbildung und das Auftreten im Rechtsverkehr erfolgt durch die Personen der
Gesellschafter. Die Erfüllung von Verbindlichkeiten erfolgt nicht ausschließlich
über ein Sondervermögen – dieses ist auch nicht der Personengesellschaft, sondern
den Gesellschaftern in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit zugeordnet – sondern immer auch über das Privatvermögen der Gesellschafter. Die Eintragung der
Gesellschaft ins Handelsregister ist somit nur deklaratorisch (§ 29 HGB), da den
Gläubigern der Personengesellschaft immer auch eine Inanspruchnahme der einzelnen Gesellschafter als Rechtspersonen mit ihrem privatem Vermögen zur Verfügung
stehen. Daher scheiden Personengesellschaften hierbei als abhängige Unternehmen
mangels organschaftlicher Verfassung und aufgrund ihrer personalistischen Struktur
262 Vgl. §§ 6, 7, 23 II Nr. 3, 36 II, 54 III AktG; §§ 5, 7 II GmbHG; sowie die Vorschriften zur
Erhaltung der Haftungsmasse §§ 182 ff., 202 ff., 207 ff. AktG; §§ 9, 9 analog, 9 a, 24, 26
GmbHG.
263 Näher dazu: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. A. 2002, § 4.
99
aus; ebenso einzelunternehmerisch tätige natürliche Personen.264 Für eine privatwirtschaftliche Gruppenbildung sind im Hinblick auf § 6 II Nr. 1 EBRG nur die Aktiengesellschaft und die GmbH relevant.265
1. Einflussmöglichkeiten in der Aktiengesellschaft als abhängiges Unternehmen
a) Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft
Die Aktiengesellschaft ist so verfasst, dass die Hauptversammlung das oberste Organ der Aktionäre bildet, § 118 I AktG. Der Verbandswille wird in der Hauptversammlung nach dem Mehrheitsprinzip gebildet. Das Mehrheitsprinzip ist den körperschaftlich organisierten Verbänden wie der Aktiengesellschaft inhärent; § 133 I
AktG. Neben anderen originären Rechten steht der Hauptversammlung insbesondere
das Recht zu, die Mitglieder des Aufsichtsrates zu bestellen, § 119 I Nr. 1, § 101 I
AktG. Hinsichtlich der Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder ist zu unterscheiden
zwischen den Aktiengesellschaften, die nach dem Mitbestimmungsgesetz, Montan-
Mitbestimmungsgesetz oder dem Drittelbeteiligungsgesetz unternehmensmitbestimmt sind und den mitbestimmungsfreien Gesellschaften. Bei letzteren werden
sämtliche Aufsichtsratsmitglieder von der Hauptversammlung, den Anteilseignern,
bestellt. In den mitbestimmten Gesellschaften werden die Mitglieder des Aufsichtsrates zur Hälfte (§ 7 MitbestG, § 4 Montan-MitbestG (paritätisch + 1 neutrales Mitglied) bzw. zu einem Drittel (§ 4 DrittelbG) von den Arbeitnehmern bestimmt. Der
Hauptversammlung obliegt die Zuständigkeit für die Abberufung der von ihr bestellten Aufsichtsratsmitglieder, § 103 I AktG; hinsichtlich der von den Arbeitnehmern
bestimmten Mitgliedern des Aufsichtsrates liegt die Zuständigkeit bei den Arbeitnehmern (§ 23 MitbestG, § 11 II Montan-MitbestG, § 5 DrittelbG.
Der Aufsichtsrat wiederum bestellt die Mitglieder des Vorstands, § 84 I AktG.266
Zudem hat der Aufsichtsrat die Kompetenz zur Abberufung bei Vorliegen eines
264 Stiftungen sind organschaftlich (Vorstand §§ 86 i.V.m. 26 BGB), aber nicht mitgliedschaftlich organisiert.
265 Der deutschen Aktiengesellschaft und der GmbH entsprechende Rechtsformen gibt es in
fast allen Mitgliedstaaten, so z. B. im französischen und luxemburgischen Recht die société
anonyme (S.A.) und die société à responsabilitée limitée (S.A.R.L.); im belgischen Recht
die société anonym (S.A.) und die société privée à resposabilitée limitée (S.P.R.L.), im dänischen Recht die Aktieselskab und die Anpartsselskab, im irischen und britischen Recht
die public limited company (plc.) und die private company, im italienischen Recht die Società per Azioni (S.A.) und die Società a Responsabilità limitata (S.A.R.L.) sowie im niederländischen Recht die Naamloze vennootschap (N.V.) und die Besloten vennootschap met
beperkte aansprakelijkheid (B.V.).
266 Für die mitbestimmten Aktiengesellschaften ergibt sich dies aus den §§ 30 ff. MitbestG
bzw. §§ 12 f. Montan-MitbestG. Vgl. auch die besonderen Mehrheitsverhältnisse nach § 32
II MitbestG.
100
wichtigen Grundes in der Person der Vorstandsmitglieder, § 84 III S. 1 AktG.267
Nach § 101 II AktG besteht die Möglichkeit, bestimmten Aktionären durch die Satzung Entsenderechte in den Aufsichtsrat einzuräumen. Das meint, der entsendeberechtigte Aktionär darf Personen seiner Wahl in den Aufsichtsrat setzen. Die Entsendeberechtigten haben die Befugnis des jederzeitigen Widerrufs der Bestellung
der von ihnen bestellten Aufsichtratsmitglieder ohne Vorliegen eines wichtigen
Grundes, § 103 II S. 1 AktG. Auch hinsichtlich der von der Hauptversammlung bestellten Aufsichtsratsmitglieder ist die Abberufung nicht an das Vorliegen eines
wichtigen Grundes gekoppelt, bedarf aber einer qualifizierten Mehrheit von ¾ der
abgegebenen Stimmen in der Hauptversammlung, § 103 I AktG.
Im Übrigen ist der Aufsichtsrat in der Aktiengesellschaft ein reines Aufsichtsorgan; ihm kommen keine Geschäftsführungsaufgaben zu. Die Geschäftsführung und
Leitung der Gesellschaft obliegt allein dem Vorstand (§§ 76, 77 AktG); er ist das
Willensbildungsorgan für die geschäftspolitischen Entscheidungen. Der Aufsichtsrat
hat auch gegenüber dem Vorstand kein Weisungsrecht im Hinblick auf Entscheidungen betreffend die Geschäftsführung und Leitung der Gesellschaft. Der Aufsichtsrat kann dem Vorstand keine bestimmte Art und Weise der Geschäftsführung
vorschreiben.268 Originäre Aufgabe des Aufsichtsrates ist die Überwachung der Geschäftsführung durch den Vorstand, § 111 I AktG. Zur Erfüllung dieser Aufgabe
stehen ihm Prüfungsrechte (§§ 111 II, 170, 171 AktG), die Berichtspflicht des Vorstandes (§ 90 AktG) sowie die Zustimmungsvorbehalte (§ 111 IV S. 2 AktG) zur
Seite. Der Zustimmungsvorbehalt gewährt keine Zuständigkeit zur Geschäftsführung; er ist lediglich eine präventive Form der Überwachung.269 Er ist ein Vetorecht.
Mit ihm können zwar Entscheidungen blockiert werden, eine positive Gestaltung der
Entscheidung kann jedoch nicht erreicht werden. Zudem kann die vom Aufsichtsrat
verweigerte Zustimmung durch einen Hauptversammlungsbeschluss ersetzt werden
(§ 111 IV S. 3 - 5 AktG). Fazit: Der Aufsichtsrat ist an der Willensbildung hinsichtlich geschäftspolitischer Entscheidungen nicht beteiligt. Der Vorstand leitet die Gesellschaft eigenverantwortlich und führt deren Geschäfte (§ 76 I AktG). Das Eigenverantwortlichkeitsprinzip des Vorstandes wird gesichert durch die rechtliche Unabhängigkeit der Vorstandsmitglieder, die Ausdruck findet in der Beschränkung der
Abberufbarkeit aus dem Vorstandsamt auf einen wichtigen Grund (§ 84 III AktG)
und der Weisungsunabhängigkeit gegenüber den Aktionären.270 Die rechtliche Entscheidungsbefugnis über die Unternehmenspolitik liegt damit vollumfänglich beim
Vorstand (s. a. § 111 IV S. 1 AktG). Die Unabhängigkeitsstellung der Vorstandsmitglieder gegenüber den Aktionären findet ihr Korrektiv in der auf 5 Jahre befristeten Amtszeit, § 84 I S. 1 AktG.
267 Für die mitbestimmten Gesellschaften ergibt sich dies aus § 32 I, V MitbestG, § 12 Montan-MitbestG.
268 Dierdorf, Herrschaft und Abhängigkeit, S. 45.
269 Hüffer, Aktiengesetz, 7. A. 2006, § 111 Rn. 16.
270 Vgl. die rechtlich statuierte Weisungsabhängigkeit im Recht der GmbH, § 37 I GmbHG.
101
Sofern dem Aufsichtsrat in praxi bestimmte weiter gehendere Befugnisse im Hinblick auf die Leitung der Gesellschaft zugestanden werden,271 können diese – wegen
der Satzungsstrenge der Aktiengesellschaft (§ 23 V AktG) – nicht satzungsmäßig
verankert werden.272 Sie werden daher im Zusammenhang mit dem Abhängigkeitsbegriff (§ 17 AktG, § 6 EBRG) nicht als beherrschungstauglich angesehen.
Die Willensbildung im Aufsichtsrat erfolgt durch Beschluss, § 108 I AktG. Um
Pattsituationen zu vermeiden, hat das Gesetz verschiedene Mechanismen vorgegeben: in nicht mitbestimmten Aktiengesellschaften und solchen, die der Mitbestimmung nach dem Drittelbeteiligungsgesetz unterliegen, muss die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder durch drei teilbar und eine Ungerade sein (§§ 95, 96 I AktG; § 4 I
DrittelbG). In paritätisch mitbestimmten Gesellschaften erhält der Aufsichtsratsvorsitzende zwei Stimmen (§§ 29 II, 31 IV MitbestG bzw. wird ein neutrales Mitglied
vorgesehen, §§ 4 I lit. c), 8 Montan-MitbestG).
b) Bestellungsmöglichkeit aufgrund einer Stimmrechtsmehrheit
Da die Willensbildung in der Hauptversammlung hinsichtlich der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder per Beschluss mit einfacher Mehrheit erfolgt, hat ein außen stehendes Unternehmen jedenfalls dann die Möglichkeit, die Auswahl der Mitglieder
des Aufsichtsrats zu bestimmen, wenn es die Mehrheit der mit den Kapitalanteilen
an der Aktiengesellschaft verbundenen Stimmrechte auf sich vereint.273 Handelt es
sich bei der Aktiengesellschaft um eine mitbestimmte Gesellschaft,274 ist zu differenzieren: unterfällt die Gesellschaft dem Drittelbeteiligungsgesetz, das eine Drittelbeteiligung (§ 4 I DrittelbG) vorsieht, bleibt dem Inhaber der Stimmrechtsmehrheit
die Möglichkeit der Bestimmung der Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder erhalten.
In einem dem Mitbestimmungsgesetz oder dem Montan-Mitbestimmungsgesetz unterliegenden Unternehmen, ist wegen der paritätischen Besetzung des Aufsichtsrats
(§ 7 MitbestG) und des neutralen Mitglieds in der Montan-Mitbestimmung (§ 4ff.
Montan-MitbestG) dem Inhaber der Stimmrechtsmehrheit auf Seite der Anteilseigner nicht die Bestimmung der Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder gewährleistet.
Fazit: Außer in den nach Mitbestimmungsgesetz oder Montan-Mitbestim-
271 Beispiele bei Würdinger, Aktien- und Konzernrecht, S. 117: Bei Familiengesellschaften
oder solchen deren Aktien sich auf wenige Gruppen einflussreicher Aktionäre verteilen,
kann der Aufsichtsrat zu einem die Geschäftsführung bestimmenden Verwaltungsrat werden – ein solcher mit weit reichenden Leitungsbefugnissen ist z. B. im französischen Recht
der Société Anonyme vorgesehen (Jura Europae, Company Law, Vol. II, Chap. 30.10.67
ff., 84 ff.) oder bei Großgesellschaften, bei denen die Aktien weit gestreut sind, kann es zu
einer Verselbstständigung des Vorstandes kommen, so dass der Vorstand die Auswahl der
Aufsichtsratsmitglieder trifft und sie dann der Hauptversammlung zur Bestätigung vorschlägt.
272 Satzungsoffener ist dagegen das Recht der GmbH: vgl. § 45 I und II GmbHG.
273 Zu beachten ist hierbei die Zurechnungsklausel in § 6 III EBRG.
274 Nach § 1 MitbestG, § 1 Montan-MitbestG oder § 1 DrittelbG.
102
mungsgesetz mitbestimmten Aktiengesellschaften hat derjenige die Möglichkeit,
mehr als die Hälfte der Mitglieder des Aufsichtsrates zu bestellen, der die Mehrheit
der Stimmrechte hält. Da die Auswahl und Bestellung der Mitglieder des Vorstands,
des Leitungsorgans, ausschließlich den Mitgliedern des Aufsichtsrats obliegt (§ 84 I
AktG), vermittelt die Stimmrechtsmehrheit ihrem Inhaber nicht die Möglichkeit der
unmittelbaren Auswahl der Mitglieder des Leitungsorgans. Für die Vermutung beherrschender Einflussnahme nach § 6 II Nr. 1 EBRG genügt es, wenn ein Unternehmen die Möglichkeit hat, die Mitglieder des Aufsichtsorgans zu bestimmen. Der
Wortlaut ist so von der EBR-Richtlinie (Art. 3 II) übernommen worden. Da die
Möglichkeit zur Bestellung von mehr als der Hälfte der Aufsichtsratsmitglieder an
die Innehabung der Stimmrechtsmehrheit in der Hauptversammlung gekoppelt ist,
kommt dem Kriterium der Mehrheit der Bestellungsrechte im deutschen Aktienrecht
keine eigenständige Bedeutung zu. Eine genaue Untersuchung der Einflussnahmemöglichkeiten, die eine Stimmrechtsmehrheit bietet, welche einflussrelevanten Befugnisse mit ihr verbunden sind und in welcher Form die Einflussnahme erfolgen
kann, soll daher bei der Betrachtung der Stimmrechtsmehrheit als Beherrschungsmittel vorgenommen werden.
c) Entsenderechte
Nach § 101 II AktG besteht die Möglichkeit, bestimmten Aktionären durch die Satzung Entsenderechte in den Aufsichtsrat einzuräumen. Der entsendeberechtigte Aktionär darf Personen seiner Wahl in den Aufsichtsrat setzen. Das Entsenderecht
muss statuarisch an bestimmte Aktien oder an vinkulierte Namensaktien gebunden
werden, § 101 II S. 2 AktG. Die Entsenderechte sind jedoch beschränkt auf ein Drittel der von den Anteilseignern zu bestellenden Aufsichtsratsmitgliedern. Das heißt,
bei einem paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat (§ 7 MitbestG, § 4 Montan-
MitbestG) ein Sechstel aller Aufsichtsratsmitglieder, bei einem zu einem Drittel mitbestimmten Aufsichtsrat (§ 4 DrittelbG) zwei Neuntel aller Aufsichtsratsmitglieder.
Damit zeigt sich, dass Entsenderechte bei der Aktiengesellschaft allein nicht die
Möglichkeit gewähren, mehr als die Hälfte der Mitglieder des Aufsichtsrats zu
bestellen.
Das deutsche Aktienrecht lässt Entsenderechte in den Vorstand, dem Leitungsorgan, nicht zu. Aufgrund der mitgliedschaftlichen Verfassung der privatrechtlichen
Körperschaften bildet die Mitgliederversammlung das oberste Willensbildungsorgan
(§ 118 I AktG). Zu ihren originären Rechten gehört die Auswahl und Bestellung der
Organmitglieder, bei der Aktiengesellschaft der Mitglieder des Aufsichtsorgans, die
ihrerseits die Vorstandsmitglieder auswählen. Entsenderechte sind von den originären Rechten der Hauptversammlung abgeleitete Rechte und können daher nur aufgrund einer Satzungsbestimmung einzelnen Mitgliedern übertragen werden, andernfalls wäre die organschaftliche Struktur verletzt. Die Entsenderechte können in der
Gründungsversammlung bei Ausarbeitung der Satzung oder (nachträglich) als Satzungsänderung eingeführt werden. Vertragliche Vereinbarungen unter den Aktionä-
103
ren über Entsenderechte sind nicht möglich. Die Entsenderechte sind entweder für
bestimmte, in der Satzung namentlich benannte Aktionäre oder an vinkulierte Namensaktien gebunden (§ 101 II S. 2 AktG). Sie sind daher in erstgenannten Fall gar
nicht, im zweiten nur mit Zustimmung der Gesellschaft übertragbar.
d) Zurechnungsklausel § 6 III EBRG
Das EBRG enthält in § 6 III eine Zurechnungsklausel bezogen auf die Beurteilung,
ob das herrschende Unternehmen die zur Erfüllung der in § 6 II Nr. 1 und 2 EBRG
vorausgesetzte Mehrheit der Stimm- oder Ernennungsrechte auf sich vereinigt. Danach müssen zu den Stimm- und Ernennungsrechten, die dem herrschenden Unternehmen unmittelbar zustehen, diejenigen hinzugerechnet werden, die die von ihm
abhängigen Unternehmen halten sowie diejenigen, die natürlichen oder juristischen
Personen zustehen, die für Rechnung des herrschenden oder die von ihm abhängigen
Unternehmen handeln. Die Zurechnungsklausel dient dem Zweck der Umgehung
des § 6 II EBRG vorzubeugen. Über die Zurechnung werden zwei Kombinationen
erfasst: die Kumulation von unmittelbar und mittelbar – über abhängige Unternehmen – gehaltenen Beteiligungs- und Ernennungsrechte (mehrstufige Abhängigkeit)
und die Kombination eigener mitgliedschaftlicher Rechte mit den für Rechnung dieser Unternehmen gehaltenen Rechten.
Hinsichtlich der über abhängige Unternehmen gehaltenen Rechte, bestimmt sich
die Abhängigkeitsbeziehung nach § 6 I und II EBRG bzw. nach dem jeweiligen nationalen Recht. Nach Art. 3 VI EBR-Richtlinie ist für die Feststellung eines Herrschafts- bzw. Abhängigkeitsverhältnises das Recht des Mitgliedstaates maßgebend,
in dem das herrschende Unternehmen seinen Sitz hat. Damit ist die Möglichkeit er-
öffnet, in den nationalen Rechten bereits anerkannte Beherrschungstatbestände über
die Generalklausel in Art. 3 I EBR-Richtlinie bzw. § 6 I EBRG und den gleich lautenden Normen der Umsetzungsgesetze der anderen Mitgliedstaaten in spezifischen
Abhängigkeitsbegriff nach der EBR-Richtlinie einfließen zu lassen.
Eine dritte Rechtsperson hält Stimm- und Ernennungsrechte zwar in eigenem
Namen, aber für Rechnung des herrschenden Unternehmens, wenn sie formell
Rechtsinhaber ist, aber hinsichtlich der Ausübung der Rechte an schuldvertragliche
Abreden gebunden ist. Wichtigster Fall sind Treuhandverhältnisse, insbesondere die
Sicherungsübereignung,275 Sicherungsabtretung als Sicherungstreuhand. Formeller
Rechtsinhaber der Stimm- oder Ernennungsrechte ist die dritte Rechtsperson, diese
ist aber über die Treuhandabrede verpflichtet, die Rechte im Sinne der übertragenen
Person auszuüben.
Eine ähnlich lautende aber dennoch weitergehende Zurechnungsklausel für
Stimm- und Ernennungsrechte enthält § 290 III S. 2 HGB für das Bilanzrecht verbundener Unternehmen. Hiernach sind den dem herrschenden Unternehmen unmit-
275 Für die Zurechnungsklausel im Aktienrecht § 16 IV AktG: Hüffer, Aktiengesetz, 7. A.
2006, § 16 Rn. 12.
104
telbar zustehenden Rechten diejenigen hinzuzurechnen, über die das herrschende
Unternehmen aufgrund einer Vereinbarung mit anderen Gesellschaftern verfügen
kann. Das meint den umgekehrten Fall zum Halten von Rechten für Rechnung des
herrschenden Unternehmens, mithin die Kombination von eigenen mitgliedschaftlichen Rechten und schuldvertraglich überlassenen Rechten zur Ausübung. Diese
Kombinationsform ist weder im EBRG noch in der ihm zugrunde liegenden EBR-
Richtlinie gesetzlich fixiert. Sie kann daher nur im Rahmen der Darstellung der au-
ßerhalb von § 6 II EBRG in Betracht kommenden Beherrschungsmittel Berücksichtigung finden. Aus Umgehungsgesichtspunkten ist eine Zurechnung sinnvoll.
e) Bestellungsrechte aufgrund von Vereinbarungen mit Gesellschaftern?
In § 290 III S. 2 HGB – bezogen auf die für das Bilanzrecht vorgegebenen Beherrschungsmittel (§ 290 II HGB) – erkennt das Gesetz Rechte zur Bestellung von Organmitgliedern aufgrund von Vereinbarungen mit anderen Gesellschaftern an. Das
EBRG hat die Möglichkeit der Erlangung von Bestellungs- oder Stimmrechten aufgrund vertraglicher Vereinbarungen mit anderen Gesellschaftern nicht explizit aufgenommen. Damit kann diese Möglichkeit bei der Analyse der gesetzlich vorgegebenen Beherrschungsgrundlagen § 6 II EBRG keine Berücksichtigung finden. Innerhalb des deutschen Aktienrechts ist für die Zurechnungsklausel nur in Bezug auf
die Zurechnung von Stimmrechten ein Anwendungsbereich eröffnet: zu den vom
herrschenden Unternehmen selbst gehaltenen Stimmrechten werden die Stimmrechte hinzugerechnet, die von abhängigen Unternehmen oder treuhänderisch gehalten
werden. Im Hinblick auf Entsenderechte kann die Zurechnung fremder Bestellungsrechte nicht zu einer Rechtsstellung führen, über die mehr als der Hälfte der Organmitglieder bestellt werden können, da im deutschen Recht die satzungsmäßig einräumbaren Entsenderechte auf ein Drittel der Aufsichtsratsmitglieder, die von den
Anteilseignern bestellt werden, begrenzt ist.
f) Ergebnis
Auf der Basis der gesetzlichen Regelung – vertragliche Vereinbarungen und Kombinationsmöglichkeiten sollen zunächst außer Acht gelassen werden – ist ein Unternehmen nur dann in der Lage, mehr als die Hälfte der Mitglieder des Aufsichtsorgans (§ 6 II Nr. 1, 3. Alt. EBRG) einer Aktiengesellschaft als abhängiges Unternehmen zu bestimmen, wenn es die Mehrheit der Stimmrechte auf sich vereint und die
Aktiengesellschaft nicht nach Mitbestimmungsgesetz oder Montan-Mitbestimmungsgesetz mitbestimmt ist. Auf die Auswahl der Mitglieder des Leitungsorgans
kann der Inhaber der Stimmrechtsmehrheit nur mittelbar Einfluss nehmen. Entsenderechte bestehen nur hinsichtlich der Mitglieder des Aufsichtsrats. Die satzungsmäßig einräumbaren Entsenderechte reichen jedoch nicht aus, um mehr als die Hälfte der Aufsichtsratsmitglieder zu bestimmen. Auch die Inhaberschaft einer Minder-
105
heitsbeteiligung in Kombination mit eingeräumten Entsenderechten reicht nicht aus,
um eine Position zu begründen, die es ermöglicht, mehr als die Hälfte der Aufsichtsratsmitglieder bestimmen zu können.
Fazit: Nur in der mitbestimmungsfreien oder der nach Drittelbeteiligungsgesetz
mitbestimmten Gesellschaft hat der Inhaber der Stimmrechtsmehrheit die Möglichkeit, mehr als die Hälfte der Mitglieder des Aufsichtsorgans der Aktiengesellschaft
zu bestellen. Damit kann er lediglich die 3. Alternative des § 6 II Nr. 1 EBRG erfüllen.
2. Einflussmöglichkeiten in der GmbH als abhängiges Unternehmen
a) Organisationsverfassung der GmbH
Auch in der GmbH als mitglied- und organschaftlich verfasstem Rechtsträger bildet
die Gesamtheit ihrer Mitglieder, die Gesellschafterversammlung, das oberste Gesellschaftsorgan. Sie nimmt die originären Rechte der Gesellschafter wahr, §§ 45, 46
GmbHG. Die Willensbildung erfolgt durch Beschluss mit einfacher Mehrheit, § 47 I
GmbHG. Die originären Rechte der Gesellschafter bestimmen sich primär nach dem
Gesellschaftsvertrag (§ 45 II GmbHG), die Vorschriften im GmbHG hierzu sind
dispositiver Natur. Das geschäftsführende Organ ist der oder die Geschäftsführer
(§ 35 I GmbHG). Im Unterschied zur Verfassung der Aktiengesellschaft besteht bei
der GmbH eine Weisungsabhängigkeit des Geschäftsführers, § 37 I GmbHG. Die
Gesellschafter sind den Geschäftsführern übergeordnet.276
Neben den zwei zwingend gesetzlich vorgeschriebenen Organen Gesellschafterversammlung und Geschäftsführer gibt es ein – nur partiell vorgeschriebenes – drittes Organ: den Aufsichtsrat. Bei Gesellschaften mbH, die der Unternehmensmitbestimmung unterliegen (§ 1 MitbestG, §§ 1, 3 Montan-MitbestG, § 1 DrittelbG), ist
der Aufsichtsrat obligatorisch. In nicht mitbestimmten Gesellschaften mbH (solche,
die weniger als 500 Arbeitnehmer beschäftigen) kann er im Gesellschaftsvertrag
eingerichtet, oder aber auch nur vorgesehen werden (fakultativer Aufsichtsrat).
Im Hinblick auf die Befugnisse der Organe ist zu differenzieren zwischen den
nach dem Mitbestimmungsgesetz und nach dem Montan-Mitbestimmungsgesetz
mitbestimmten Gesellschaften mbH einerseits und den mitbestimmungsfreien oder
nach Drittelbeteiligungsgesetz mitbestimmten Gesellschaften anderseits. Zunächst
wird die gesellschaftsrechtliche Konzeption der Aufgaben und Befugnisse der Organe der GmbH anhand der mitbestimmungsfreien Gesellschaft dargelegt. Danach soll
auf die Besonderheiten der nach Drittelbeteiligungsgesetz mitbestimmten Gesellschaft eingegangen werden. Im Anschluss werden die Modifikationen, die das Mitbestimmungsgesetz bzw. Montan-Mitbestimmungsgesetz hinsichtlich der Aufgaben
und Befugnisse der Organe einbringen, erörtert.
276 Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 16. A. 2004, § 37 Rn. 1.
106
In der mitbestimmungsfreien GmbH steht es der Gesellschafterversammlung frei,
einen Aufsichtsrat einzurichten (§ 52 GmbHG). Die Aufsichtsratsmitglieder werden
von der Gesellschafterversammlung bestellt, § 52 GmbHG i.V.m. 101 I AktG. Möglich ist auch, dass einem Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag ein Sonderrecht zur
Bestimmung eines oder mehrerer Aufsichtsratsmitglieder, ein sog. Entsenderecht,
eingeräumt wird. Dem Aufsichtsrat kommt lediglich eine Überwachungsfunktion zu,
§ 52 GmbHG i.V.m. § 111 I AktG.277 Instrumentarium hierzu sind die Berichtspflicht der Geschäftsführung (§ 52 GmbHG i.V.m. § 90 AktG), der Zustimmungsvorbehalt (§ 52 GmbHG i.V.m. § 111 IV S. 2–5 AktG) als präventive Form der
Überwachung278 und das Recht zur Prüfung des Jahresabschlusses (§ 52 GmbHG
i.V.m. §§ 170, 171 AktG279).
Die Wahrnehmung der originären Mitgliedschaftsrechte obliegt der Gesellschafterversammlung. Dazu gehören die Bestellung, Abberufung und Entlastung der Geschäftsführer (§§ 46 Nr. 5, 6 III S. 2 GmbHG) sowie die Prüfung und Überwachung
der Geschäftsführung (§ 46 Nr. 6, 51a GmbHG). Aus der Zusammenschau einzelner
Kompetenznormen (§§ 29 II, 37 I, 46 Nr. 1, 5,280 6, 7 GmbHG) folgt, dass die Entscheidungszuständigkeit über die Unternehmenspolitik bei den Gesellschaftern
liegt.281 Über ihr Weisungsrecht können sie die Geschäftspolitik positiv steuern. Sie
können über Weisungen genereller Natur die Richtlinien der Geschäftspolitik formulieren und die einzelnen Maßnahmen zur Umsetzung dieser Richtlinien der Geschäftsführung überlassen. Gegenstand des Weisungsrechts können aber auch konkrete, einzelne Maßnahmen sein.282 283 Den Geschäftsführern obliegt es, das laufende Tagesgeschäft zu planen, abzuwickeln und zu kontrollieren;284 die Geschäftsführer dürfen nicht zu einem reinen Exekutivorgan werden.285
Die unmittelbare Bestellung und Abberufung der Mitglieder des Leitungsorgans
sowie dessen Weisungsabhängigkeit von den Gesellschaftern sind Kennzeichen des
personalistischen Charakters der GmbH. Der Unterschied zur Aktiengesellschaft
liegt darin, dass es eine dem § 76 I AktG vergleichbare Regelung im Recht der
GmbH nicht gibt. Das Eigenverantwortlichkeitsprinzip wird im Aktienrecht gesichert durch die Unabhängigkeit des Leitungsorgans gegenüber den Aktionären.286
277 § 52 GmbHG nimmt ausdrücklich den § 111 IV S. 1 AktG von der Verweisung auf das
Aktienrecht aus und schließt damit den Aufsichtsrat in der GmbH von Maßnahmen der Geschäftsführung aus.
278 Hüffer, Aktiengesetz, 7. A. 2006, § 111 Rn. 16.
279 Das Recht zur Prüfung von Konzernabschluss und -lagebericht ergibt sich aus § 52
GmbHG i.V.m. § 337 AktG.
280 § 46 Nr. 5 GmbHG wird in mitbestimmten Gesellschaften von den Vorschriften der §§ 31
MitbestG und 12 Montan-MitbestG verdrängt.
281 Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 16. A. 2004, § 37 Rn. 8.
282 U. H. Schneider in: Scholz, GmbH-Gesetz, 9.A. Bd. I 2000, § 37 Rn. 30.
283 K. Schmidt, Gesellschafterecht, 4. A. 2002, § 36 I, sieht darin einen entscheidenden Grund
für die Beliebtheit der GmbH als Konzerntochter.
284 Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 16. A. 2004, § 37 Rn. 4.
285 Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 16. A. 2004, § 37 Rn. 18a, 4.
286 Vgl. Lutter, Mitbestimmung im Konzern, S. 57; Hommelhoff, ZGR 1978, S. 119, 134.
107
Die Unabhängigkeit des Vorstands besteht zum einen in der Ausnahme der Aktionäre und des Aufsichtsrats von den geschäftspolitischen Entscheidungen (§§ 119, 76 I,
111 IV S. 1 AktG) und zum anderen darin, dass die Vorstandsmitglieder nicht unmittelbar durch die Hauptversammlung gewählt werden und sie daher nach dem gesetzgeberischen Willen nicht direkt vom Wohlwollen der stimmenmächtigen Aktionäre abhängig sein sollten. Die gesellschaftsrechtliche Konzeption der GmbH sieht
von der Institutionalisierung eines Eigenverantwortlichkeitsprinzips der Geschäftsführung ab und fixiert hingegen ein Weisungsrecht der Gesellschafter in Bezug auf
die geschäftspolitischen Entscheidungen, § 37 I GmbHG. Ebenso gibt es der Gesellschafterversammlung die Kompetenz zur Bestellung und jederzeitigen freien Abberufung der Geschäftsführer (§ 38 I GmbH).287 Die jederzeitige Abberufungsmöglichkeit ist im Recht der GmbH ein Korrektiv zur unbefristeten Amtszeit des Geschäftsführers, wohingegen das Aktienrecht als Korrektiv zur Unabhängigkeit der
Vorstandsmitglieder eine auf fünf Jahre befristete Amtzeit vorsieht (§ 84 I S. 1
AktG).
Die Auswahl und Bestellung der Geschäftsführer kann durch Beschluss der Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 5 GmbHG) oder durch Bestimmung im Gesellschaftsvertrag (§ 6 III GmbHG) erfolgen. Letzteres kann zweierlei bedeuten: Aufgrund der weit gehenden Vertragsfreiheit im Recht der GmbH können den Gesellschaftern statuarisch Sonderrechte (Vorzugsrechte) eingeräumt werden. Solche Sonderrechte können sein: eine Verstärkung des Stimmrechts, ein Vetorecht gegen
Mehrheitsbeschlüsse, aber auch die Übertragung des Geschäftsführeramtes auf einen
der Gesellschafter oder auch für einen einzelnen Gesellschafter das Recht, zur Bestimmung des Geschäftsführers.288 Damit ist die Möglichkeit gegeben, einzelnen
Gesellschaftern statuarisch ein Recht auf Bestellung des bzw. eines Mitglieds des
Leitungsorgans zu gewähren. Die aus der Mitgliedschaft folgenden gesetzlichen
Rechte wie das Recht auf Gewinn- und Liquidationsquoten (Vermögensrechte) oder
das Stimmrecht als Teilhaberecht können aufgrund der weit gehenden Vertragsfreiheit im Gesellschaftsvertrag durch vertraglich gewährte Sonderrechte ergänzt werden.
In einer nach dem Drittelbeteiligungsgesetz mitbestimmten Gesellschaft ist ein
Aufsichtsrat mit einer Drittelparität der Arbeitnehmervertreter (§ 4 I DrittelbG) zu
bilden. Die Bestellung der Vertreter der Anteilseigner im Aufsichtsrat erfolgt durch
Beschluss der Gesellschafterversammlung oder zum Teil aufgrund statuarisch eingeräumter Entsenderechte. Die Vorschriften des Drittelbeteiligungsgesetz gewähren
287 Im Gesellschaftsvertrag kann die Abberufung vom Vorliegen eines wichtigen Grundes abhängig gemacht werden, § 38 II GmbHG, jedoch liegt dann die Einschätzungsprärogative
hinsichtlich des Vorliegen oder Nichtvorliegens des wichtigen Grundes bei den Gesellschaftern.
288 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. A. 1997, S. 1038 f.; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 93 ff.; U.H.Schneider in: Scholz, GmbH-Gesetz, 9. A. 2000; § 6
Rn. 34: „Dieses Sonderrecht ist ausschließlich Gesellschaftern vorbehalten.“ Im Gegensatz
dazu ist die Einräumung von Entsenderechten in den Aufsichtsrat auch an Nichtgesellschafter möglich, im Einzelnen streitig.
108
dem Aufsichtsrat keine weiter gehenden Befugnisse als es das Gesellschaftsrecht in
§ 52 GmbHG vorsieht.
Anders liegt es jedoch bei den nach Mitbestimmungsgesetz und Montan-
Mitbestimmungsgesetz mitbestimmten Gesellschaften mbH. Aufgrund keiner anders
lautenden mitbestimmungsrechtlichen Regelung bleibt es bei dem von § 52 GmbHG
i.V.m. § 101 I S. 1 AktG vorgesehenen Modus, dass die Anteilseignervertreter im
Aufsichtsrat von der Gesellschafterversammlung bzw. von entsendeberechtigten Gesellschaftern bestellt werden. Die Vorschriften der §§ 30 – 33 MitbestG und §§ 12,
13 Montan-MitbestG modifizieren jedoch die gesellschaftsrechtlich vorgegebenen
Aufgaben und Befugnisse der Gesellschaftsorgane. Beispielsweise bestimmt § 31
MitbestG (§ 12 Montan-MitbestG), dass die Geschäftsführer – als gesetzliches Vertretungsorgan der GmbH – nach den Vorschriften der §§ 84, 85 AktG sowie § 31 II–
V MitbestG zu bestellen und abzuberufen sind. Das heißt, in der nach Mitbestimmungsgesetz oder Montan-Mitbestimmungsgesetz mitbestimmten Gesellschaft mbH
werden die Geschäftsführer nicht von der Gesellschafterversammlung (per Beschluss § 46 Nr. 5 oder im Gesellschaftsvertrag § 6 III S. 2 GmbHG) oder den Bestellungsberechtigten bestimmt, sondern vom Aufsichtsrat (§§ 31 MitbestG, 12
Montan-MitbestG i.V.m. 84 I AktG) mit einer ? Mehrheit (§ 31 II MitbestG) bzw.
einfacher Mehrheit (§ 12 Montan-MitbestG) gewählt. Für den Widerruf der Bestellung der Geschäftsführer wird unter Anwendung des § 31 V MitbestG (§ 12 Montan-MitbestG) i.V.m. § 84 III AktG – im Gegensatz zur mitbestimmungsfreien
GmbH (§ 38 I GmbHG) – das Vorliegen eines wichtigen Grundes notwendig.289 Dagegen ist durch die Verweisung auf § 84 I S. 1 AktG die Amtszeit der durch den
Aufsichtsrat bestellten Geschäftsführer per Gesetz auf fünf Jahre befristet.290 § 84 III
S. 2 AktG gibt als wichtigen Grund grobe Pflichtverletzung, Unfähigkeit zu ordnungsmäßiger Geschäftsführung oder Vertrauensentzug an. Der mit der Abberufung
betraute Aufsichtsrat hat eine Einschätzungsprärogative hinsichtlich des Vorliegens
dieser Gründe. § 31 MitbestG und § 12 Montan-MitbestG modifizieren somit die
gesellschaftsrechtlichen Vorschriften der §§ 46 Nr. 5 und 6 III S. 2 GmbHG. Allerdings sollen die Gesellschafter zur Entlastung der Geschäftsführer (§ 46 Nr. 5 a.E.
GmbHG) zuständig bleiben, was aber keinesfalls eine der Organbestellungszuständigkeit gleichwertige Kompetenz darstellt.
Das Mitbestimmungsrecht beinhaltet noch eine weitere Modifikation: nach §§ 33
MitbestG, 13 Montan-MitbestG ist ein Arbeitsdirektor als Mitglied des gesetzlichen
Vertretungsorgans zu bestellen. Das bedeutet für mitbestimmte Gesellschaften mbH,
dass die Geschäftsführung mindestens ein zweigliedriges Organ ist (vgl. § 6 I
GmbHG). Der Aufgabenbereich des Arbeitsdirektors ist mitbestimmungsrechtlich
289 In der mitbestimmungsfreien GmbH kann das Erfordernis eines wichtigen Grundes per
gesellschaftsvertraglicher Vereinbarung eingeführt werden, § 38 II GmbHG.
290 Dagegen ist die Amtszeit der Geschäftsführer in der mitbestimmungsfreien oder nach § 77
BetrVG 1952 mitbestimmten Gesellschaft mbH unbefristet. Damit korrespondiert deren jederzeitige Abberufbarkeit (§ 38 I GmbHG).
109
auf personelle und soziale Angelegenheiten festgelegt.291 Zweck ist es, den Geschäftsbereich Personal und Soziales im Leitungsorgan zu verankern und die personelle Besetzung dieses Geschäftsbereichs einem in dem Verfahren nach § 31 MitbestG bestellten Arbeitsdirektor vorzubehalten.292
Von den mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften unberührt bleibt das Weisungsrecht der Gesellschafter auf Grundlage des § 37 I GmbHG. Die Gesellschafterversammlung behält über das Weisungsrecht die Entscheidungszuständigkeit über die
Geschäftspolitik.293 In der Weisungsabhängigkeit der Geschäftsführer liegt der Unterschied zur Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft, die in § 76 I AktG die
Eigenverantwortlichkeit des Vorstandes auf der Grundlage dessen rechtlicher Unabhängigkeit gegenüber den Aktionären konstatiert. Auch wenn in der mitbestimmten
Gesellschaft mbH die Kompetenz zur Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer dem Aufsichtsrat zugeteilt wird und die Abberufung unter das Erfordernis eines
wichtigen Grundes gestellt wird, führt das noch nicht zu einer Unabhängigkeit, Weisungsfreiheit und Eigenverantwortlichkeit der Geschäftsführer. Die Vorschrift des
§ 37 I GmbHG wird durch das Mitbestimmungsgesetz bzw. Montan-
Mitbestimmungsgesetz nicht berührt. Auch fehlt es an einem Verweis in § 31 MitbestG, § 12 Montan-MitbestG oder § 52 GmbHG auf die Vorschrift des § 76 I
AktG. 294 In der Aktiengesellschaft sichert das gesetzlich festgeschriebene Eigenverantwortlichkeitsprinzip (§ 76 I AktG) die Entscheidungsunabhängigkeit des Leitungsorgans. Daher obliegt dem Vorstand der Aktiengesellschaft auch rechtlich die
Entscheidungskompetenz über die Unternehmenspolitik. Der fehlende Verweis der
Mitbestimmungsgesetze auf das Eigenverantwortlichkeitprinzip des Aktienrechts
erhält das Weisungsrecht der Gesellschafter und den personalistischen Charakter
(auch) der mitbestimmten Gesellschaft mbH. Aufgrund der Weisungsabhängigkeit
der GmbH-Geschäftsführer im Hinblick auf geschäftspolitische Maßnahmen liegt
rechtlich die Entscheidungskompetenz über die Unternehmenspolitik bei den Gesellschaftern.
Im Folgenden soll untersucht werden, welche Rechtspositionen die Möglichkeit
verleihen, mehr als die Hälfte der Mitglieder des Leitungs- oder Aufsichtsorgans zu
bestellen.
291 Dazu gehören die Bereiche Personalplanung und -entwicklung, Personalverwaltung, Löhne
und Gehälter, Soziales, Gesundheitsvorsorge, Arbeitsschutz, Unfallverhütung, Altersfürsorge, Pensionswesen, berufliche Aus- und Weiterbildung; vgl. Raiser, Mitbestimmungsgesetz, 4. A. 2002, § 33 Rn. 16 m.w.N.
292 Hanau in: Hanau/Ulmer, Mitbestimmungsgesetz, § 33 Rn. 2, 5.
293 Lutter, Mitbestimmung im Konzern, S. 58; Hommelhoff, ZGR 1978, S. 119, 132.
294 Hommelhoff, ZGR 1978, S. 119, 132.
110
b) Bestellungsmöglichkeit aufgrund einer Stimmrechtsmehrheit
Das Stimmrecht bemisst sich grundsätzlich nach der Höhe des Geschäftsanteils, § 47
II GmbHG. Auf Grundlage des Gesellschaftsvertrags können den Gesellschaftern
aber auch Sonderrechte in Form von Mehrstimmrechten295 gewährt werden. Dies
wäre ein Fall des Auseinanderfallens von Kapital- und Stimmrechtsanteil.
Zuvor war herausgearbeitet worden, dass sich die Befugnisse der Gesellschaftsorgane in der mitbestimmungsfreien bzw. der nach Drittelbeteiligungsgesetz mitbestimmten Gesellschaft mbH einerseits und der nach Mitbestimmungsgesetz und
Montan-Mitbestimmungsgesetz mitbestimmten Gesellschaft andererseits deutlich
unterscheiden. Die Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes bzw. Montan-
Mitbestimmungsgesetzes entziehen der Gesellschafterversammlung die Befugnis zur
Bestellung der Mitglieder des Leitungsorgans. Das wiederum wirkt sich auf die Einflussmöglichkeiten des Inhabers der Stimmrechtsmehrheit aus. Zunächst sollen aber
dessen Einflussmöglichkeiten in der mitbestimmungsfreien bzw. nach Drittelbeteiligungsgesetz mitbestimmten GmbH betrachtet werden.
Wird der oder die Geschäftsführer nicht von den satzungsgebenden Gründungsgesellschaftern bestimmt (§ 6 III S. 2 GmbHG) und ist auch keinem Gesellschafter
ein Sonderrecht zur Bestimmung des Geschäftsführers eingeräumt, erfolgt die Bestellung des oder der Geschäftsführer durch Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit (§§ 46 Nr. 5, 47 I GmbHG). Der Gesellschafter,
der die Mehrheit der Stimmrechte auf sich vereint,296 hat demnach die Möglichkeit,
den einzigen oder mehr als die Hälfte der Geschäftsführer zu bestimmen. Denkbar
sind auch Fälle, in denen, einem Gesellschafter statuarisch ein Recht zur Bestimmung eines von mehreren Geschäftsführern eingeräumt wird, die Mehrheit der Geschäftsführer aber von der Gesellschafterversammlung bestellt wird. Das wird z. B.
praktiziert, um dem Finanzier einer unternehmenswichtigen Transaktion (z.B. Erwerb von Geschäftsanteilen, Umwandlung in eine Sanierungsgesellschaft) weiter
gehende Einflussrechte, als die aus der Mitgliedschaft folgenden, zukommen zu lassen. Im diesem beispielhaft gebildeten Fall läge die Machtposition zur Bestimmung
mehr als der Hälfte der Mitglieder des Leitungsorgans beim Inhaber der Stimmrechtsmehrheit.
Darüber hinaus liegt die Entscheidungszuständigkeit über den Widerruf der Geschäftsführerbestellung bei der Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 5 GmbHG).
Die Bestellung zum Geschäftsführer ist jederzeit und ohne Anbindung an das Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich (§ 38 I GmbHG).297 Da gesetzlich keine
qualifizierten Mehrheitserfordernisse aufgestellt sind, entscheidet die Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit. Dem Inhaber der Stimmrechtsmehrheit
295 Im Vergleich hierzu sind bei der Aktiengesellschaft und der Genossenschaft Mehrstimmrechte unzulässig, § 12 II AktG, 43 III S. 3 GenG.
296 Zu beachten ist dabei auch die Zurechnungsklausel des § 6 III EBRG.
297 Der Vertragsautonomie entsprechend kann der Gesellschaftsvertrag das Erfordernis eines
wichtigen Grundes vorsehen, § 38 II GmbHG.
111
kommt demnach auch die Machtposition zu, die Abberufung der Geschäftsführer
durchzusetzen.
Neben der Rechtsmacht den bzw. die Geschäftsführer zu bestellen, kommt der
Gesellschafterversammlung auch das Recht zu, die Mitglieder des (obligatorischen
oder fakultativen) Aufsichtsrates zu bestimmen soweit sie nicht im Wege der Unternehmensmitbestimmung von den Arbeitnehmern bestellt werden und soweit nicht
einzelnen Gesellschaftern im Gesellschaftsvertrag ein Entsenderecht eingeräumt ist,
§ 52 I GmbHG i.V.m. § 101 I S. 1 AktG. Enthält das Statut keine Entsenderechte für
einzelne Gesellschafter werden die Aufsichtsratsmitglieder bzw. in mitbestimmten
Gesellschaften die auf die Gesellschafter entfallenden Mitglieder durch Mehrheitsbeschluss der Gesellschafterversammlung gewählt. Der Inhaber der Stimmrechtsmehrheit erhält dann die Möglichkeit, mehr als die Hälfte der Aufsichtsratsmitglieder zu bestimmen. Für die Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder durch die Gesellschafterversammlung verlangt § 52 I GmbHG i.V.m. § 103 I S. 2 AktG eine
¾ Mehrheit,298 so dass der Inhaber der Stimmrechtsmehrheit die Abberufung der
Aufsichtsratsmitglieder nicht ohne das Votum der anderen Stimmberechtigten
durchsetzen kann.
Da durch die Vorschriften der §§ 31 MitbestG und 12 Montan-MitbestG der Gesellschafterversammlung die Befugnis zur Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer entzogen wird, hat auch der Inhaber der Stimmrechtsmehrheit nicht die
Möglichkeit, die Mitglieder des Leitungsorgans zu bestellen, so dass die in § 6 II
Nr. 1 EBRG gesetzlich vorgegebene Beherrschungsmöglichkeit der Bestellung mehr
als der Hälfte der Mitglieder des Leitungsorgans durch ihn nicht erfüllt werden
kann. Wegen der paritätischen Besetzung des Aufsichtsrates (§ 7 MitbestG, § 4
Montan-MitbestG) kann der Inhaber der Stimmrechtsmehrheit auch nicht das Tatbestandsmerkmal der Bestellungsmöglichkeit in Bezug auf die Mehrheit der Mitglieder des Aufsichtsorgans (§ 6 II Nr. 1 EBRG) erfüllen.
Die Stimmrechtsmehrheit gewährt aber eine noch viel direkter wirkende Machtposition: Da die Gesellschafter den Geschäftsführern gegenüber ein Weisungsrecht
haben, kann der Inhaber der Stimmrechtsmehrheit in dem der Weisung vorausgehenden Beschluss der Gesellschafter, der mit einfacher Mehrheit gefasst wird (§ 47 I
GmbHG), in Bezug auf den Inhalt der Weisung seine Wünsche entsprechend durchsetzen. Über die Weisung ist eine unmittelbare Steuerung der Geschäftspolitik möglich.
c) Statuarisch gewährte Bestellungsrechte
Aufgrund der weitgehenden Vertragsfreiheit im Recht der GmbH ist es möglich, im
Gesellschaftsvertrag (Statut der GmbH) bestimmten Gesellschaftern Sonderrechte
298 Der Gesellschaftsvertrag kann allerdings Abweichendes bestimmen, § 52 I a.E. GmbHG.
112
einzuräumen. Ein solches kann die Befugnis zur Bestimmung des oder eines Geschäftsführers sein.
Auch hinsichtlich der statuarisch gewährten Bestellungsrechte hält das Mitbestimmungsrecht Modifikationen bereit. Zunächst soll aber wieder die gesellschaftsrechtliche Konzeption, wie sie in der mitbestimmungsfreien und der nach Drittelbeteiligungsgesetz mitbestimmten GmbH sichtbar ist, behandelt werden.
Erhält ein Gesellschafter das Recht, einen von mehreren Geschäftsführern zu
bestimmen, ist für die Subsumtion unter den Beherrschungstatbestand des § 6 II
Nr. 1 EBRG die Gesamtzahl der Geschäftsführer sowie die Zurechnungsklausel des
§ 6 III EBRG zu betrachten. Sieht der Gesellschaftsvertrag zwei Geschäftsführer vor
und kann einer davon über ein solches Bestellungsrecht bestellt werden, der andere
durch Beschluss der Gesellschafterversammlung, ist weder der Inhaber des Bestellungsrechts, noch der Inhaber der Stimmrechtsmehrheit in der Lage, die Mehrheit
der Mitglieder des Leitungsorgans zu bestellen, es sei denn, sie sind personenidentisch oder in der in § 6 III EBRG beschriebenen Weise über ein Herrschafts- und
Abhängigkeitsverhältnis verbunden. Ein Beispiel: Das Unternehmen A hat eine
100 %ige Tochtergesellschaft, die B-GmbH. B hält an der C-GmbH die Kapital- und
Stimmrechtsmehrheit, A eine Minderheitsbeteiligung an C. Im Gesellschaftsvertrag
der C wurde A zudem das Recht zur Bestellung eines der zwei Geschäftsführer der
C eingeräumt. Über § 6 III EBRG wird A die Stimmrechtsmehrheit der B zugerechnet, so dass in A die Möglichkeit einen Geschäftsführer über das statuarische Bestellungsrecht zu bestimmen und die Möglichkeit den zweiten Geschäftsführer über die
Stimmrechtsmehrheit zu bestellen, zusammenlaufen. Eine Addition von Bestellungsrechten hat beispielsweise in den Fällen zu erfolgen, in denen zwei an einer
GmbH beteiligte Unternehmen Sonderrechte in Form der Bestimmung jeweils eines
Geschäftsführers eingeräumt worden und diese zwei Unternehmen in der in § 6 III
EBRG beschriebenen Weise verbunden sind. Das herrschende Unternehmen hat
dann die Möglichkeit, alle bzw. mehr als die Hälfte der Mitglieder des Leitungsorgans zu bestellen.299
Bei statuarischen Bestellungsrechten zugunsten einzelner Gesellschafter haben
diese auch die Kompetenz zum – jederzeitigen – Widerruf der Bestellung. Dem Gesellschafter, dem der Gesellschaftsvertrag das Bestellungsrecht gewährt, kann auch
das Recht zur Abberufung des Geschäftsführers eingeräumt sein; der Gesellschafterversammlung kann aber auch das Recht zur Abberufung erhalten bleiben.300 301
299 Dazu ein Beispiel aus der Praxis der EU-Kommission für Wettbewerb: Die LTU erwarb
90 % und die WestLB 10% der Kapitalanteile an der britischen Thomas Cook Ltd. Die
WestLB finanzierte die Transaktion und bekam dafür das Recht 5 der 10 Vorstandsmitglieder der Thomas Cook zu bestellen, darunter den Vorsitzenden, der zwei Stimmen hat.
Die LTU erhielt das Recht, 2 Vorstandsmitglieder zu bestimmen, die restlichen drei sollen
von den Gesellschaftern (LTU und WestLB) gemeinsam bestellt werden. Die WestLB war
somit in der Lage, mehr als die Hälfte der Mitglieder des Leitungsorgans der Thomas Cook
zu ernennen. Zu finden unter: Kommissionsentscheidung v. 13.01.1992, IV/M.176;
www.europa.eu.int/comm/dg04/merger/cases. Näheres in Kapitel 4.
300 Vgl. U. H. Schneider in: Scholz, GmbH-Gesetz, 9.A. Bd. I 2000, § 38 Rn. 23.
113
Anders liegt es wieder in Gesellschaften mbH, die nach Mitbestimmungsgesetz
oder Montan-Mitbestimmungsgesetz mitbestimmt sind. Wegen des Vorranges der
mitbestimmungsrechtlichen Regelungen, wird eine Weitergeltung der gesellschaftsrechtlichen Konzeption nur dort zugelassen, soweit sich aus den Vorschriften der §§
31 – 33 MitbestG, §§ 12, 13 Montan-MitbestG nicht abweichende Regeln ergeben.302 Nach § 31 MitbestG bzw. § 12 Montan-MitbestG liegt die Kompetenz zur
Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer ausschließlich beim Aufsichtsrat.
Die Vorschriften sind zwingendes Recht.303 Das suspendiert die Ausübung, der einzelnen Gesellschaftern durch den Gesellschaftsvertrag eingeräumten Bestellungsrechte oder des Sonderrechts in Form der Bestellung des berechtigten Gesellschafters selbst zum Geschäftsführer für den Zeitraum in dem das Unternehmen den Regeln des Mitbestimmungsgesetz oder Montan-Mitbestimmungsgesetz unterfällt.304
Das Mitbestimmungsrecht verändert damit grundlegend das gesellschaftsrechtliche Bild von Gesellschafterautonomie und Vertragsfreiheit in der GmbH. Diese
Stringenz erscheint aber im Hinblick auf eine wirksame, echte Mitbestimmung in
den Gesellschaftsorganen notwendig, da anderenfalls – ließe man Bestellungsrechte
zugunsten einzelner Gesellschafter zu – über diese Bestellungsrechte der Einfluss
der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat ausgehebelt werden könnte.
d) Entsenderechte
Von den statuarisch eingeräumten Sonderrechten zur Bestimmung von Geschäftsführern sind die Entsenderechte zu unterscheiden. Entsenderechte gewähren ein
301 Ein Beispiel aus der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf, WM 1990, S. 267: Zwei Familienstämme bildeten die Gesellschafter einer GmbH. Jedem Familienstamm war gesellschaftsvertraglich das Recht eingeräumt, einen der zwei Geschäftsführer zu bestellen. Jeder
Stamm hatte damit auch das Recht, die Abberufung des auf seine Ernennung bestellten Geschäftsführers zu verlangen. Der andere Familienstamm war verpflichtet, der Abberufung
zuzustimmen, es sei denn, es lag ein wichtiger Grund im Gesellschaftsinteresse für die
Verweigerung der Zustimmung vor. Das Gericht bezieht die Zustimmungsverweigerung
nicht entsprechend § 84 III S. 2 AktG auf die in der Person des Geschäftsführers liegende
Gründe, sondern legt die Vereinbarung entsprechend dem vermuteten Willen der Gesellschafter aus (§ 133 BGB).
302 Raiser, Mitbestimmungsgesetz, 3. A., § 31 Rn. 1.
303 Ebenda. Rn. 6.
304 Raiser, Mitbestimmungsgesetz, 3. A. § 31 Rn. 7, formuliert hierbei, dass diese Rechte den
Gesellschaftern nicht eingeräumt werden können. Das ist jedoch zu weit gehend. Die Mitbestimmungsrechte nach MitbestG und Montan-MitbestG knüpfen an einen sehr hohen
Schwellenwert in Bezug auf die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer (MitbestG: 2000
bzw. Montan-MitbestG: 1000, aber branchenmäßige Beschränkung auf Kohle und Stahl)
an. Die Beschäftigtenzahl kann sich durch Rationalisierungsmaßnahmen oder die Branchenzugehörigkeit oder durch Änderung oder Beschränkung des Unternehmensgegenstandes ändern. Daher ist die Lösung zu befürworten, dass die statuarisch vorgesehen Bestellungsrechte während des Zeitraumes, die dem die Beschäftigtenzahl den Mitbestimmungsbereich erreicht, nicht ausgeübt werden können.
114
Recht zur Bestimmung eines oder mehrerer Aufsichtsratsmitglieder. In einer nicht
der Unternehmensmitbestimmung unterliegenden Gesellschaft mbH (§ 1 MitbestG,
§ 1 Montan-MitbestG, § 1 DrittelbG) kann gemäß § 52 GmbHG ein Aufsichtrat aufgrund freiwilliger Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag eingerichtet werden. Über
§ 52 I GmbHG findet § 101 I S. 1 AktG Anwendung, der die Möglichkeit eines statuarisch gewährten Entsenderechts eröffnet. Da § 101 II AktG von der Verweisung
in § 52 I GmbHG ausgenommen wurde, ist davon auszugehen, dass die in § 101 II
AktG enthaltene Begrenzung der Zahl der Entsenderechte auf ein Drittel der Aufsichtsratsmitglieder entfällt.305 Umstritten ist dagegen, die Beschränkung der Entsenderechte auf die Gesellschafter (vgl. § 101 II S.1 AktG). Die wohl überwiegende
Meinung lässt Entsenderechte auch zugunsten von Nichtgesellschaftern zu.306 Im
Hinblick auf die personalistische Struktur der GmbH, die Ausdruck findet, im originären Recht der Gesellschafter den Geschäftsführer zu bestellen sowie in deren Weisungsrecht gegenüber dem Leitungsorgan, kann nicht von einer Aushöhlung des
Entscheidungsrechts der Gesellschafter gesprochen werden, wenn ein Entsenderecht
zugunsten eines Nichtgesellschafters gewährt wird. Praktisch wird dieses z.B. bei
Entsenderechten zugunsten eines Kommanditisten in einer GmbH & Co. KG oder
von Banken als Kreditgebern.307 Eine nächste Frage ergibt sich aus dem Wortlaut
des § 52 I GmbHG, der explizit auf den fakultativen Aufsichtsrat abstellt: Soll die
Verweisung auf § 101 I S. 1 AktG und die daraus folgende Außerachtlassung der
Beschränkungen des § 101 II AktG allein für den fakultativen Aufsichtsrat oder
auch für den im Recht der Unternehmensmitbestimmung obligatorischen Aufsichtsrat gelten? Die Normen des Mitbestimmungsrechts (§ 8 MitbestG, § 5 Montan-
MitbestG, § 4 DrittelbG) über die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseignerseite verweisen auf die gesellschaftsrechtlichen Normen und bringen kein
Ergebnis hinsichtlich der aufgeworfenen Frage. Bereits aus § 52 I a.E. GmbHG ergibt sich, dass die Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag Vorrang vor der dispositiven gesetzlichen Regelung haben. Die Modi des GmbH-Rechts zur Auswahl und
Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder (Gesellschafterbeschluss und Entsenderechte) haben keinen Einfluss auf die Bestellung der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat. Die Möglichkeit einer unbeschränkten Zahl der Entsenderechte der Anteilseigner führt nicht zu einer Verkürzung des Mitbestimmungsrechts. Der Wortlaut
des § 101 I S. 1 AktG selbst, auf den § 52 I GmbHG verweist, bezieht den mitbestimmten Aufsichtsrat mit ein. Somit kann über das argumentum a minore ad maius
davon ausgegangen werden, dass die Negativaussage des § 52 I GmbHG im Hinblick auf die Außerachtlassung der Beschränkungen des § 101 II AktG sowohl für
den fakultativen als auch für den mitbestimmungsrechtlich obligatorischen Aufsichtsrat gilt. Aufgrund der Priorität der gesellschaftsvertraglichen Regelungen erscheint es möglich, dass in nicht mitbestimmten Aufsichtsräten oder solchen, die unter die Mitbestimmungsregelung des Drittelbeteiligungsgesetz fallen, über Entsen-
305 Raiser, Mitbestimmungsgesetz, 3. A. § 31 Rn. 7.
306 Vgl. Nachweise bei: Raiser in: Hachenburg, GmbH-Gesetz. Bd. 2, 8. A., § 52 Rn. 43.
307 Weitere Beispiele bei: Raiser in: Hachenburg, GmbH-Gesetz, Bd. 2, 8. A., § 52 Rn. 43.
115
derechte, ggf. über eine Zurechnung nach § 6 III EBRG, mehr als die Hälfte der
Mitglieder des Aufsichtsrates durch einen Gesellschafter bestellt werden können.
Aufgrund der paritätischen Mitbestimmung im Mitbestimmungsgesetz sowie im
Montan-Mitbestimmungsgesetz scheidet diese Möglichkeit in den so mitbestimmten
Gesellschaften aus, da hier maximal die Hälfte der Aufsichtsratsmitglieder durch die
Anteilseigner bestimmt werden können und damit das Tatbestandsmerkmal, mehr
als die Hälfte der Organmitglieder bestellen zu können, (§ 6 II Nr. 1 EBRG) nicht
erfüllt werden kann. Den Entsendeberechtigten kommt neben ihrem Recht auf Benennung von Aufsichtsratsmitgliedern auch das Recht zu, die von ihnen entsandten
Mitglieder jederzeit abberufen und austauschen zu können, § 52 I GmbHG i.V.m.
§ 103 II S. 1 AktG.
e) Ergebnis
Der Einflussnahmetatbestand des § 6 II Nr. 1 EBRG ist erfüllt, wenn ein anderes
Unternehmen die Möglichkeit hat, mehr als die Hälfte der Mitglieder des Leitungsoder des Aufsichtsorgans zu bestimmen.
Zu unterscheiden ist zwischen der mitbestimmungsfreien bzw. nach Drittelbeteiligungsgesetz mitbestimmten GmbH einerseits und der nach Mitbestimmungsgesetz
bzw. Montan-Mitbestimmungsgesetz mitbestimmten Gesellschaft. Im Hinblick auf
die Befugnis zur Bestellung von Leitungs- bzw. Aufsichtsorganmitgliedern lässt sich
das Ergebnis mit „Alles oder Nichts“ umschreiben: Während in der mitbestimmungsfreien bzw. nach Drittelbeteiligungsgesetz mitbestimmten Gesellschaft jeweils der Inhaber der Stimmrechtsmehrheit oder der Bestellungsberechtigte die
Möglichkeit hat, mehr als die Hälfte der Mitglieder der Geschäftsführung, des Leitungsorgans, zu bestimmen, ist in der nach Mitbestimmungsgesetz bzw. Montan-
Mitbestimmungsgesetz mitbestimmten Gesellschaft dem Mehrheitsgesellschafter
sowie dem Bestellungsberechtigten die Befugnis zur Bestellung der Mitglieder des
Leitungsorgans entzogen. In der mitbestimmungsfreien bzw. nach Drittelbeteiligungsgesetz mitbestimmten GmbH hat der Inhaber der Stimmrechtsmehrheit oder
der Entsendeberechtigte zudem die Befugnis, mehr als die Hälfte der Mitglieder des
Aufsichtsorgans zu bestellen, wohingegen in den nach Mitbestimmungsgesetz bzw.
Montan-Mitbestimmungsgesetz mitbestimmten Gesellschaften wegen der paritätischen Besetzung des Aufsichtsrates der Inhaber der Stimmrechtsmehrheit bzw. der
Entsendeberechtigte maximal die Hälfte der Mitglieder zu bestimmen in der Lage
ist, welches allerdings noch nicht den Tatbestand des § 6 II Nr. 1 3.Alt. EBRG erfüllt. In den in der Praxis häufigen Fällen der mitbestimmungsfreien oder der nach
Drittelbeteiligungsgesetz mitbestimmten GmbH kann der Inhaber der Stimmrechtsmehrheit sowohl die Mitglieder des Leitungsorgans als auch die des Aufsichtsorgans
bestimmen und erfüllt damit zugleich die 2. und die 3. Alternative des § 6 II Nr. 1
EBRG. Da der Aufsichtsrat in diesen Gesellschaften nur ein reines Überwachungsorgan – ohne die Kompetenz zur Bestellung der Mitglieder des Leitungsorgans – ist,
liegt das größere Einflusspotential bei der Bestellungsmöglichkeit der Mitglieder der
116
Geschäftsführung.Aufgrund des sowohl in mitbestimmungsfreien als auch in mitbestimmten Gesellschaften bestehende Weisungsrecht der Gesellschafter, ist der
Mehrheitsgesellschafter in der Lage, dem Leitungsorgan die geschäftspolitischen
Entscheidungen vorzugeben. Damit ist das Einflusspotential des Mehrheitsgesellschafters in der GmbH um ein Vielfaches größer als in der Aktiengesellschaft.
3. Wirkungsweise und Intensität des Beherrschungsmittels aus § 6 II Nr. 1 EBRG/
Art. 3 II Nr. 1 EBR-Richtlinie
Die eingangs aufgestellte Prämisse war, dass das EBRG für die Möglichkeit, mehr
als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans zu
bestellen, über die Vermutungswirkung des § 6 II EBRG eine beherrschende Einflussnahme anerkennt. Dann ist nunmehr zu hinterfragen, welche Einflussmöglichkeiten das Recht zur Bestellung der Mehrzahl der Organmitglieder bietet und welche
Befugnisse eine Beeinflussung der Geschäftspolitik ermöglichen. Des Weiteren ist
zu betrachten, in welcher Form eine Einflussnahme erfolgen kann.
Für die Aktiengesellschaft als abhängiges Unternehmen ist erarbeitet worden,
dass nur dem Inhaber der Stimmrechtsmehrheit die Position zukommt, die Mehrheit
der Mitglieder des Aufsichtsorgans, des Aufsichtsrates, zu bestellen.308 Im Aktienrecht kommt dem Kriterium der Mehrheit der Ernennungsrechte wegen § 104 II S. 4
AktG keine eigenständige Bedeutung zu. Anders stellt sich die Rechtslage im Recht
der GmbH dar: Soweit nach dem Gesellschaftsvertrag nicht einem Gesellschafter –
ggf. über eine Zurechnung nach § 6 III EBRG – Bestellungsrechte hinsichtlich der
Geschäftsführer oder Entsenderechte im Hinblick auf die Aufsichtsratsmitglieder309
zustehen, die die Mehrheit des Gremiums ausmachen, ist ebenfalls der Inhaber der
Stimmrechtsmehrheit in der Lage, die Mehrheit der Mitglieder des Leitungs- sowie
des Aufsichtsorgans zu bestimmen. Aber es ist auch möglich, dass einem einzelnen
Gesellschafter das Recht zukommt, die Mehrzahl der Geschäftsführer oder der Aufsichtsratsmitglieder310 zu bestimmen.
Im vorhergehenden Abschnitt ist herausgearbeitet worden, dass eine Einflussnahme, die als beherrschende qualifiziert werden soll, eine positive Beeinflussung
der geschäftspolitischen Entscheidungen im abhängigen Unternehmen gewährleisten
muss. Nunmehr ist die Frage zu beantworten, welche Befugnisse dazu befähigen, die
Geschäftspolitik in einem Umfang zu beeinflussen, der sich als beherrschend bezeichnen lässt. Da sich die vom Aktienrecht und die vom Recht der GmbH gewähr-
308 Das gilt wegen der paritätischen Besetzung der Aufsichtsräte nicht, wenn die Aktiengesellschaft nach dem Mitbestimmungsgesetz oder MontanMitbestimmungsgesetz mitbestimmt
ist.
309 Sofern die Gesellschaft mbH mitbestimmt oder der Aufsichtsrat statuarisch eingerichtet ist.
310 Das ist jedoch nur möglich, wenn die Gesellschaft mbH einen fakultativen Aufsichtsrat
eingerichtet hat oder die Gesellschaft nach dem Drittelbeteiligungsgesetz mitbestimmt ist.
117
ten Befugnisse und damit auch die Formen der Einflussnahme stark unterscheiden,311 ist eine für beide Rechtsformen getrennte Betrachtung vorzunehmen.
a) Einflussmöglichkeiten auf der Grundlage des Aktienrechts
Nunmehr ist die Frage zu beantworten, auf welche Weise der Inhaber der Stimmrechtsmehrheit, der in der Lage ist, mehr als die Hälfte der Aufsichtsratsmitglieder
(vgl. § 6 II Nr. 1, 2. Alt. EBRG) zu bestellen,312 die geschäftspolitischen Entscheidungen im Leitungsorgan (Vorstand) beeinflussen kann. Da das Aktienrecht dem
Aufsichtsrat keine Leitungsbefugnisse einräumt, muss die vom Gesetz in § 6 II
EBRG auch für die Rechtsform der Aktiengesellschaft anerkannte Einflussnahmemöglichkeit im Tatsächlichen liegen.313 Der Inhaber der Stimmrechtsmehrheit sowie
derjenige, dem Entsenderechte zustehen (§ 101 I, II AktG), haben die Möglichkeit,
den Aufsichtrat mit ihren Vertrauensleuten zu besetzen (§§ 119 I Nr. 1, 101 I, II
AktG); ihnen kommt diesbezüglich eine gewisse Personalhoheit314 zu. Da der Aufsichtsrat durch Beschluss mit einfacher Mehrheit entscheidet (§ 108 I AktG), hat der
Entsendeberechtigte aufgrund der Beschränkung durch § 101 II S. 4 AktG nicht die
Möglichkeit, trotz Beeinflussung der von ihm entsandten Mitglieder, die Entscheidung des Gesamtorgans vorzugeben. Der Entsendeberechtigte kann aufgrund der
Beschränkung in § 101 II S. 4 AktG den Tatbestand des § 6 II Nr. 1, 2. Alt. EBRG
nicht erfüllen.
Der Inhaber der Stimmrechtsmehrheit wird für den Aufsichtsrat Personen auswählen, bei denen er davon ausgehen kann, dass sie seinen Vorstellungen im Hinblick auf die Auswahl der Vorstandsmitglieder und seinen Hinweisen an den Vorstand im Hinblick auf die Geschäftspolitik entsprechen werden. Jedoch hat der Inhaber der Stimmrechtsmehrheit kein Recht, dem Aufsichtsrat hinsichtlich der Aus-
übung seines Amtes Weisungen zu erteilen. Er kann nur über seine persönlichen Beziehungen zu den einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern Einfluss nehmen. Die Einflussnahme erfolgt subtiler, vermittelt durch persönliche Beziehungen und über den
Wunsch der Aufsichtsratsmitglieder zu ihrer Wiederwahl.315 Sie bilden die Grundla-
311 Der Grund hierfür liegt in der verschiedenartigen Organisationsverfassung beider Rechtsformen.
312 Die folgenden Betrachtungen beziehen sich ausschließlich auf mitbestimmungsfreie bzw.
nach § 76 BetrVG mitbestimmte Aktiengesellschaften, da bei den nach MitbestG bzw.
Montan-MitbestG mitbestimmten Gesellschaften der Tatbestand der Bestellung mehr als
der Hälfte der Mitglieder des Aufsichtsorgans (§ 6 II Nr. 1, 2. Alt. EBRG) nicht erfüllt
wird.
313 Eine ähnliche These stellt Dierdorf, Herrschaft und Abhängigkeit, S. 54 m.w.N. speziell
für den aktienrechtlichen Abhängigkeitsbegriff auf.
314 Hüffer, Aktiengesetz, 7. A. 2006, § 84 Rn. 1; Dierdorf, Herrschaft und Abhängigkeit, S.
52.
315 Die Möglichkeit zur Wiederbestellung ist allgemein anerkannt, vgl. Hüffer, Aktiengesetz,
7. A. 2006, § 102 Rn. 6.
118
ge des Wohlverhaltens gegenüber rechtlich unverbindlichen Hinweisen, wie auf den
Vorstand einzuwirken sei. Hinsichtlich der Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern ist zu beachten, dass nach § 103 I S. 2 AktG zur Abberufung hierfür eine ¾
Hauptversammlungsmehrheit notwendig ist.
Der Aufsichtsrat ist befugt, die Mitglieder des Vorstands mit einfacher Mehrheit
zu bestellen und abzuberufen, § 84 I, III AktG. Der Mehrheitsaktionär wird die von
ihm ausgewählten Aufsichtsratsmitglieder instruieren, welche Personen er in den
Vorstand bestellt haben möchte. Durch die – mittelbare – Auswahl ihm genehmer
Personen für das Vorstandsamt kann er die Basis für eine Beeinflussung der Geschäftspolitik schaffen. Er wird daher solche Personen in den Vorstand bestellen lassen, bei denen er davon ausgeht, dass sie den rechtlich unverbindlichen Anregungen
des Aufsichtsrats oder des Mehrheitsaktionärs basieren, Folge leisten werden. Hinsichtlich der Vorstandsmitglieder erweist sich, neben der Nicht-wieder-Bestellung,
die Befugnis zu deren Abberufung (§ 84 III AktG) als sehr effizientes Druckmittel
zur Durchsetzung der geschäftspolitischen Vorstellungen des Aufsichtsrats und damit des Mehrheitsaktionärs. Zwar ist zur Abberufung ein wichtiger Grund notwendig, aber die hierfür vom Gesetz vorgegeben Gründe – grobe Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur Geschäftsführung, Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung –
geben dem Aufsichtsrat eine Einschätzungsprärogative über deren Vorliegen, so
dass letztlich der Aufsichtsrat bzw. mittelbar der Mehrheitsaktionär die Abberufung
in der Hand hat. Die Befugnis zur Abberufung der Vorstandsmitglieder und deren
Wunsch zur Wiederwahl316 geben dem Aufsichtsrat bzw. dem hinter ihm stehenden
Mehrheitsaktionär die Möglichkeit, durch entsprechende – rechtlich unverbindliche
– Anregungen auf geschäftspolitische Entscheidungen einzuwirken. Bedeutsam ist
in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass ein unfreiwilliges Ausscheiden für das
Vorstandsmitglied ein erhebliches berufliches Risiko bedeutet.317 Der Betroffene
gerät möglicherweise ohne sein Verschulden in den Verdacht, fachlich nicht qualifiziert oder aus sonstigen Gründen als Geschäftsleiter ungeeignet zu sein, wodurch
sich seine Chancen für eine vergleichbare berufliche Betätigung beträchtlich verringern können.318 Aus diesen oder ähnlichen Gründen werden sich Vorstandsmitglieder oft faktisch nicht in der Lage sehen oder das Bedürfnis verspüren, sich den
Wünschen des Aufsichtsrats bzw. des Mehrheitsaktionärs zu widersetzen, zumal,
wenn die angesonnenen Geschäftsführungsmaßnahmen als rechtlich und wirtschaftlich vertretbar erscheinen.319 Der Inhaber der Stimmrechtsmehrheit kann somit,
vermittelt durch den Aufsichtsrat, über Anregungen und Hinweise Einfluss nehmen
auf die Auswahl der Vorstandsmitglieder und deren geschäftspolitische Entscheidungen. Die Befugnis, mehr als die Hälfte der Aufsichtsratsmitglieder bestellen zu
können, bietet auch die Möglichkeit, die Geschäftspolitik zu beeinflussen. Das so
zur Verfügung stehende Einflusspotential lässt sich seiner Intensität nach – eben
316 Vgl. § 84 I S. 2 AktG.
317 Dierdorf, Herrschaft und Abhängigkeit, S. 47 m.w.N.
318 Dierdorf, Herrschaft und Abhängigkeit, S. 47 m.w.N.
319 Ebenda.
119
weil es eine Einflussnahme u. U. auch auf geschäftspolitische Einzelmaßnahmen
ermöglicht – durchaus als beherrschend bezeichnen.320
b) Einflussmöglichkeiten auf der Grundlage des Rechts der GmbH
Zur Betrachtung der Einflussmöglichkeiten, die das Recht der GmbH bietet, ist zwischen der mitbestimmungsfreien bzw. der nach Drittelbeteiligungsgesetz mitbestimmten GmbH einerseits und der nach Mitbestimmungsgesetz oder Montan-
Mitbestimmungsgesetz mitbestimmten GmbH andererseits zu differenzieren. Im
letztgenannten Fall ist weder der Inhaber der Stimmrechtsmehrheit noch der Bestellungs- oder der Entsendeberechtigte in der Lage, mehr als die Hälfte der Mitglieder
der Geschäftsführung oder des Aufsichtsrates zu bestellen, so dass in den nach Mitbestimmungsgesetz bzw. Montan-Mitbestimmungsgesetz mitbestimmten Gesellschaften der Tatbestand des § 6 II Nr. 1 EBRG nicht erfüllt wird. In der mitbestimmungsfreien bzw. der nach Drittelbeteiligungsgesetz mitbestimmten GmbH liegt die
Möglichkeit zur Bestellung der Mehrheit der Mitglieder der Geschäftsführung beim
Mehrheitsgesellschafter oder beim Bestellungsberechtigten und hinsichtlich des
Aufsichtsrates beim Mehrheitsgesellschafter oder beim Entsendeberechtigten. Nun
ist die Frage zu beantworten, auf welche Weise der Mehrheitsgesellschafter bzw.
Inhaber der Stimmrechtsmehrheit321 oder derjenige, der Geschäftsführerbestellungsrechte in Bezug auf die Mehrzahl der Geschäftsführer innehat, die geschäftspolitischen Entscheidungen beeinflussen kann.
Der Inhaber der Stimmrechtsmehrheit hat wegen § 46 Nr. 5 GmbHG bzw. der
Bestellungsberechtigte, dem gesellschaftsvertraglich das Recht eingeräumt ist, die
Mehrheit der Geschäftsführer zu bestellen, hat wegen § 45 I GmbHG die unmittelbare Personalhoheit hinsichtlich der zu bestellenden Geschäftsführer. Das trifft auch
für die nach § 4 DrittelbG drittelparitätisch mitbestimmte GmbH zu. Er wird für das
Geschäftsführeramt Personen seines Vertrauens auswählen, bei denen er davon ausgehen kann, dass sie seinen Vorstellungen und Wünschen im Hinblick auf die Geschäftsführung der Gesellschaft entsprechen werden. Seine Vorstellungen und Wünsche wird er in Form von Anregungen und Hinweisen an den oder die Geschäftsführer weitergeben. Als sehr effizientes Druckmittel zur Befolgung der rechtlich unverbindlichen Anregungen und Hinweise erweist sich das Recht zur jederzeitigen freien
Abberufung der Geschäftsführer (§ 38 I GmbHG) durch den Inhaber der Stimmrechtsmehrheit bzw. den Bestellungsberechtigten.322 Selbst wenn der Gesellschafts-
320 Für den aktienrechtlichen Abhängigkeitsbegriff: Dierdorf, Herrschaft und Abhängigkeit, S.
48.
321 Mehrheitsgesellschafter und Inhaber der Stimmrechtsmehrheit werden in diesem Abschnitt
synonym behandelt, da sie im Wesentlichen deckungsgleich sind; zum Auseinanderfallen
der Begriffe siehe unten.
322 Eine Nicht-wieder-Bestellung in das Geschäftsführeramt kann nur dann ein Druckmittel
sein, wenn der Gesellschaftsvertrag eine zeitliche Befristung des Geschäftsführeramtes
vorsieht. Dann gilt für die Wiederbestellung § 84 I S. 2 AktG entsprechend, vgl. Lut-
120
vertrag das Vorliegen eines wichtigen Grundes zur Abberufung vorsieht (§ 38 II
GmbHG), verbleibt die Beurteilung des Vorliegens des wichtigen Grundes beim
Abberufungsberechtigten, der den Widerruf der Bestellung letztlich in der Hand hat.
Auch hier bedeutet ein unfreiwilliges Ausscheiden für den Geschäftsführer ein erhebliches berufliches Risiko, da er möglicherweise in den Verdacht gerät, fachlich
nicht kompetent oder aus anderen Gründen als Geschäftsführer ungeeignet zu sein,
wodurch sich seine Chancen für eine vergleichbare berufliche Betätigung beträchtlich verringern können. Der oder die Geschäftsführer werden sich somit gehalten
sehen, den Wünschen des Mehrheitsgesellschafters bzw. des Bestellungsberechtigten zu entsprechen. Der Mehrheitsgesellschafter oder der Bestellungsberechtigte
können somit über Anregungen und Hinweise an die Geschäftsführer Einfluss auf
die geschäftspolitischen Entscheidungen der Gesellschaft nehmen.
Das Recht der GmbH bietet dem Inhaber der Stimmrechtsmehrheit aber noch eine
viel direktere Möglichkeit der Einflussnahme auf die Geschäftspolitik. Im Gegensatz
zum Aktienrecht323 haben die Gesellschafter ein Weisungsrecht in Bezug auf die
Führung der Geschäfte der Gesellschaft (§ 37 I i.V.m. § 46 Nr. 6 GmbHG). Mittels
Weisung können die Inhalte geschäftspolitischer Entscheidungen den Geschäftsführern vorgegeben werden. Dem Weisungsrecht korrespondiert eine Folgepflicht der
Geschäftsführer.324 Die Weisungen der Gesellschafterversammlung sind für die Geschäftsführung rechtlich verbindlich. Die Verletzung der Folgepflicht liefert einen
Grund zum Widerruf der Bestellung. Da die Willensbildung über den Inhalt einer
Weisung in der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit gefasst wird, hat
der Inhaber der Stimmrechtsmehrheit die Möglichkeit, die Weisung inhaltlich zu
bestimmen. Auch die Entscheidung der Gesellschafter über die Abberufung eines
Geschäftsführers liegt in der Hand des Mehrheitsgesellschafters, so dass sich das
Weisungsrecht kombiniert mit dem drohenden Widerruf der Bestellung als sehr
wirksames und direktes Mittel der Einflussnahme erweist. Diese direkte Form der
Einflussnahme auf die geschäftspolitischen Entscheidungen ist Beispiel gebend für
eine beherrschende Einflussnahme.325
In der mitbestimmungsfreien bzw. der nach Drittelbeteiligungsgesetz mitbestimmten GmbH ist der Inhaber der Stimmrechtsmehrheit bzw. derjenige, dem Entsenderechte für die Mehrzahl der Aufsichtsratsmitglieder eingeräumt sind, in der
Lage, die Mehrheit der Mitglieder des Aufsichtsorgans zu bestimmen (§ 6 II Nr. 1,
3. Alt. EBRG). Der Aufsichtsrat ist in diesen Gesellschaften jedoch nur ein reines
Überwachungsorgan, ohne die Kompetenz zur Bestellung der Mitglieder der Geter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 16. A. 2004, § 6 Rn. 25. Enthält der Gesellschaftsvertrag
diesbezüglich keine Regelung verbleibt es bei einer zeitlich unbefristeten Bestellung, die
ihr Korrektiv in der jederzeitigen Abberufbarkeit aus dem Amt findet.
323 Unabhängigkeit des Vorstands, abgesichert durch das Eigenverantwortlichkeitsprinzip,
§ 76 I AktG und die befristete Amtszeit, § 84 I S. 1, 2 AktG.
324 Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 16. A. 2004, § 37 Rn. 17.
325 Zum Vergleich: Im Aktienrecht ist wegen der Unabhängigkeit des Vorstands ein Weisungsrecht der Aktionäre nicht vorgesehen. Zur Bestimmung der Geschäftspolitik per Weisung ist der Abschluss eines Beherrschungsvertrages notwendig, § 308 I AktG.
121
schäftsführung, des Leitungsorgans.326 Der Mehrheitsgesellschafter bzw. der Entsendeberechtigte kann mittels rechtlich unverbindlicher Anregungen und Hinweise
das Abstimmungsverhalten einzelner Aufsichtsratsmitglieder beeinflussen, die durch
eine Versagung der Wiederbestellung ins Aufsichtsratsamt327 den nötigen Nachdruck erhalten.
c) Ergebnis
Festzuhalten bleibt, dass das EBR-Gesetz eine beherrschende Einflussnahme aufgrund der Vermutungswirkung der in § 6 II EBRG fixierten Beispiele dann anerkennt, wenn ein Unternehmen die Mehrzahl der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans bestellen kann. Im Wege der Auslegung des Begriffs
der beherrschenden Einflussnahme (§ 6 I EBRG) war herausgearbeitet worden, dass
eine Einflussnahmemöglichkeit als beherrschende zu qualifizieren ist, wenn sie die
Befugnis vermittelt, die geschäftspolitischen Entscheidungen in der abhängigen Gesellschaft zu beeinflussen. Trägt die abhängige Gesellschaft die Rechtsform der Aktiengesellschaft ist nur der Inhaber der Stimmrechtsmehrheit zur Beeinflussung der
Geschäftspolitik in der Lage, indem er, vermittelt über seine Personalhoheit im Aufsichtsorgan, die Auswahl der Mitglieder des Leitungsorgans zu beeinflussen vermag
und den Organmitgliedern mittels rechtlich unverbindlicher Anregungen und Hinweise seine Vorstellungen und Wünsche im Hinblick auf den Inhalt der geschäftspolitischen Entscheidungen vermittelt. Die nötige Durchsetzungsmacht zur Befolgung
der rechtlich unverbindlichen Anregungen und Hinweise gibt ihm die Möglichkeit
zur Abberufung der Vorstandsmitglieder über den personell kontrollierten Aufsichtsrat neben der Versagung der Wiederbestellung der Vorstandsmitglieder. Hinsichtlich der Aufsichtsratsmitglieder wird der notwendige Druck über die Versagung
der Wiederbestellung ins Aufsichtsratsamt und den damit verbundenen beruflichen
Risiken für die Aufsichtsrats- und die Vorstandsmitglieder ausgeübt. Die Vorstellungen und Wünsche des Inhabers der Stimmrechtsmehrheit im Hinblick auf die Geschäftsführung werden somit gegenüber den Organmitgliedern jedenfalls mittelbar
durchsetzbar und gewinnen somit die notwendige Intensität, um als beherrschende
Einflussnahme qualifiziert werden zu können. Ist die abhängige Gesellschaft in
Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisiert, kommt dem Inhaber
der Stimmrechtsmehrheit oder demjenigen, der Bestellungsrechte hinsichtlich der
Mehrzahl der Geschäftsführer auf sich vereint, die unmittelbare Personalhoheit im
326 Anders liegt es in den nach MitbestG oder Montan-MitbestG mitbestimmten Gesellschaften mbH in denen aufgrund der §§ 30 ff. MitbestG und § 12 Montan-MitbestG dem mitbestimmten Aufsichtsrat die Kompetenz zur Bestellung der Mitglieder des Leitungsorgans
zukommt.
327 Wegen § 52 I GmbHG ist die Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder an eine ¾ Mehrheit
in der Hauptversammlung gebunden, so dass die Abberufung ggf. vom Mehrheitsgesellschafter, jedoch nicht vom Entsendeberechtigten einseitig durchgesetzt werden kann.
122
Leitungsorgan zu, die eine direkte Einflussnahme ermöglicht. Mehrheitsgesellschafter und Bestellungsberechtigter können über Anregungen und Hinweise, der Mehrheitsgesellschafter zudem noch über rechtlich verbindliche Weisungen, die geschäftspolitischen Entscheidungen der Gesellschaft inhaltlich vorgeben. Die notwendige Durchsetzungsmacht zur Befolgung der Weisungen, Anregungen und Hinweise ergibt sich aus der jederzeitigen freien Abberufbarkeit der Geschäftsführer.
Die Vorstellungen und Wünsche des Mehrheitsgesellschafters bzw. des Bestellungsberechtigten im Hinblick auf die Geschäftsführung in der abhängigen GmbH
sind in Bezug auf das Weisungsrecht rechtlich, im übrigen auf der tatsächlichen
Ebene, durchsetzbar und weisen die für eine beherrschende Einflussnahme nötige
Intensität auf.
II. Mehrheit der Stimmrechte § 6 II Nr. 2 EBRG/Art. 3 II Nr. 2 EBR-Richtlinie
Das EBR-Gesetz sieht beherrschungsrelevante Machtpositionen in beiden Formen
einer Mehrheitsbeteiligung, sowohl in der Stimmrechts- oder Stimmenmehrheit (§ 6
II Nr. 2 EBRG), als auch der Kapital- oder Anteilsmehrheit (§ 6 II Nr. 3 EBRG).328
In der Regel fallen Stimmrechtsmehrheit und Kapitalmehrheit zusammen. Divergenzen gibt es bei der Aktiengesellschaft, wenn stimmrechtslosen Vorzugsaktien
(§ 12 I S. 2 AktG) ausgegeben wurden, soweit noch Mehrstimmrechte bestehen (vgl.
§ 12 II AktG a.F. i.V.m. § 5 EGAktG)329 oder in der Satzung Höchststimmrechte
festgelegt wurden, § 134 I S. 2 AktG.330 Die Gewährung stimmrechtsloser Geschäftsanteile spielt auch bei der Gesellschaft mbH331 sowie in Personengesellschaften332 eine Rolle. Ebenso kann der Gesellschaftsvertrag einer GmbH auch Mehr- und
Höchststimmrechte vorsehen,333 wie auch der Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft Mehrstimmrechte beinhalten kann.
Das Stimmrecht ist Bestandteil der Mitgliedschaft334 im Verband und gewährt die
Teilhabe des Mitglieds an der Willensbildung durch Beschlüsse.
328 Vgl. § 16 I i.V.m. § 17 II AktG für den aktienrechtlichen Abhängigkeitsbegriff.
329 Bis zur Aufhebung des § 12 II S. 2 AktG durch das KonTraG vom 27. 4. 1998 (BGBl. I S.
786) war die Einräumung von Mehrstimmrechten durch eine behördliche Ausnahmegenehmigung bei Vorliegen „überwiegender gesamtwirtschaftlicher Belange“ möglich. Die
so gewährten Mehrstimmrechte erloschen gemäß § 5 I S. 1 EGAktG am 1. Juni 2003, wenn
nicht mit einer ¾ Hauptversammlungsmehrheit deren Fortgeltung beschlossen wurde.
330 S. A. § 5 VII EGAktG.
331 Siehe hierzu BGHZ 14, 264 = NJW 1954, S. 1563; K. Schmidt in: Scholz, GmbH-Gesetz,
Bd.2 2003, § 47 Rn. 11; Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 16. A. 2004, § 47 Rn. 4; Hüffer in: Hachenburg, GmbH-Gesetz, 8.A., § 47 Rn. 56.
332 Siehe hierzu BGHZ 20, 363, 367 ff. = NJW 1956, S. 1198 betreffend den Ausschluss vom
Stimmrecht bei einem Kommanditisten.
333 Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 16. A. 2004, § 3 Rn. 27; K. Schmidt in: Scholz, GmbH-
Gesetz, Bd. 2 2003, § 47 Rn. 11; Hüffer in: Hachenburg, GmbH-Gesetz, 8.A., § 47 Rn. 89.
334 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. A. 2002, § 21 II.
123
Vom Stimmrecht zu unterscheiden ist die Stimmkraft, das Gewicht, welches der
Stimme in der Auszählung zukommt.335 Beide unterscheiden sich beispielsweise
dann, wenn das Stimmgewicht in Satzung oder Gesellschaftsvertrag abweichend von
der gesetzlichen Regel (jede Aktie/jeder Geschäftsanteil gewähren das gleiche
Stimmrecht) festgelegt wird, so z. B. durch die Gewährung von Mehrstimmrechten.336 Problematisch ist es, die Stimmrechtsmehrheit zuzuordnen, wenn Satzung
oder Gesellschaftsvertrag das Stimmgewicht nicht nur an verschiedene Gesellschafter unterschiedlich verteilen, sondern es auch für verschiedene Beschlussgegenstände unterschiedlich unter den Gesellschaftern aufteilen.337 In diesem Falle ist darauf
abzustellen, wem die Stimmrechtsmehrheit in Bezug auf die geschäftsleitenden Entscheidungen zusteht.338 Dabei ist zu differenzieren: in der Aktiengesellschaft kommt
es wegen der Unabhängigkeit des Vorstandes auf das Stimmgewicht im Hinblick auf
die Auswahl und Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder an, in der Gesellschaft mbH
wegen des Weisungsrechts der Gesellschafter339 sowie in der Personengesellschaft
wegen der Allzuständigkeit der Gesellschafter auf das Stimmgewicht hinsichtlich
der geschäftspolitischen Entscheidungen.
Das Stimmrecht wird bei Kapitalgesellschaften grundsätzlich nach Kapitalanteilen bemessen (§ 134 I S. 1 AktG, § 47 II GmbHG). Bei Personengesellschaften und
Vereinen sieht das Gesetz (§ 119 II HGB, § 709 II BGB, § 32 I S. 3 BGB) eine Bemessung des Stimmrechts nach Kopfteilen vor, das jedoch in den Personengesellschaften oft gesellschaftsvertraglich zugunsten einer Bemessung nach der Vermögensbeteiligung abbedungen wird.
Bei den Kapitalgesellschaften ist die Stimmrechtsmehrheit die Mehrheit der aus
den Anteilen folgenden Stimmrechte.340 Bei Personengesellschaften ist zu unterscheiden: Wird die Gesellschaft nach dem gesetzlichen Leitbild des Einstimmigkeitsprinzips geführt (§ 119 I HGB, § 709 I BGB) ist eine Stimmrechtsmehrheit341
nicht relevant, da die Gesellschafter bei jeder Maßnahme zusammenwirken müssen.
Eine Stimmrechtsmehrheit kommt nur dann in Betracht, wenn der Gesellschaftsvertrag das Mehrheitsprinzip und eine Abstimmung nach Kapitalanteilen vorsieht, dann
335 Das Stimmgewicht spielt jedoch nur dann eine Rolle, wenn die Beschlussfassung dem
Mehrheitsprinzip unterliegt.
336 Das Problem eingeräumter Mehrstimmrechte wird bei Aktiengesellschaften an Relevanz
verlieren. Die Gewährung von Mehrstimmrechten in Aktiengesellschaften ist seit Inkrafttreten des KonTraG vom 27. 4. 1998 (BGBl. S. 786) nicht mehr möglich; bestehende
Mehrstimmrechte erlöschen am 1. Juni 2003, wenn nicht deren Fortbestand mit eine ¾
Hauptversammlungsmehrheit beschlossen wurde, § 5 I EGAktG.
337 Dieses Problem wirft Koppensteiner in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 16 Rn. 19
auf.
338 Ebenda.
339 § 37 I GmbHG.
340 Soweit nicht Divergenzen zwischen Kapital- und Stimmrechtsmehrheit in Form von Mehrstimmrechten, stimmrechtslosen Mitgliedschaftsrechten oder Höchststimmrechten bestehen, dazu siehe oben.
341 Auch wenn gesellschaftsvertraglich möglicherweise Mehrstimmrechte eingeräumt wurden.
124
entspricht die Stimmrechtsmehrheit der Anteilsmehrheit; oder das Stimmgewicht
wurde in anderer Weise festlegt.342
Aufgrund der fehlenden mitgliedschaftlichen Verfassung der Stiftung ist eine
Stimmrechtsmehrheit nicht denkbar.343
Zur Ermittlung der Stimmrechtsmehrheit ist die Zurechnungsklausel des § 6 III
EBRG zu beachten. Hiernach sind zu den Stimmrechten, die einem Gesellschafter
zustehen,344 diejenigen hinzuzurechnen, die einem von ihm abhängigen Unternehmen zustehen sowie diejenigen, die einer anderen natürlichen oder juristischen Person zustehen, die zwar in eigenem Namen, aber für Rechnung des betreffenden Gesellschafters handelt. Ein Beispiel hierfür geben Treuhandverhältnisse, insbesondere
die Sicherungsübereignung. Zur Ermittlung der Stimmrechtsmehrheit müssen somit
die Stimmrechte, die dem Gesellschafter selbst zustehen sowie die, die ihm über
§ 6 III EBRG hinzugerechnet werden, in Ansatz gebracht werden.
Ausgangspunkt der Untersuchungen war die Prämisse, dass das EBR-Gesetz für
die Stimmrechtsmehrheit über die Vermutungswirkung des § 6 II Nr. 2 EBRG die
Möglichkeit zu einer beherrschenden Einflussnahme anerkennt. Nunmehr ist zu untersuchen, welche Einflussmöglichkeiten die Stimmrechtsmehrheit bietet und in
welcher Form eine Einflussnahme erfolgen kann. In den vorhergehenden Abschnitten war herausgearbeitet worden, dass eine Einflussnahme nur dann als beherrschende zu qualifizieren ist, wenn sie eine positive Beeinflussung der geschäftspolitischen Entscheidungen im abhängigen Unternehmen gewährleistet. Daher ist nun
für die Stimmrechtsmehrheit zu ermitteln, welche Befugnisse sie vermittelt, die ihren Inhaber dazu befähigen, die Geschäftspolitik der abhängigen Gesellschaft in einem Umfang zu beeinflussen, der sich als beherrschend bezeichnen lässt.
Die Bearbeitung im vorhergehenden Abschnitt hat gezeigt, dass sich die Organisationsverfassung in der Aktiengesellschaft und in der Gesellschaft mbH und damit
die vom Recht den Gesellschaftsorganen gewährten Befugnisse sowie daraus folgend die Formen der Einflussnahme stark unterscheiden. In Personengesellschaften
erscheint eine Stimmrechtsmehrheit möglich, jedoch die damit verbundenen gesellschaftsrechtlichen Befugnisse können gegenüber denen in juristischen Personen andersartig ausfallen. Daher ist für die verschiedenen Rechtsformen jeweils eine gesonderte Betrachtung vorzunehmen. Zum Schluss soll der Frage nachgegangen werden, in wie weit eine Stimmrechtsmehrheit in einer atypischen stillen Gesellschaft
342 Vgl. Koppensteiner in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 3.A. 2004, § 16 Rn. 17.
343 Hüffer, Aktiengesetz, 7. A. 2006, § 16 Rn. 5.
344 Bei Bestellung eines Pfandrechts oder Pfändung der Anteile bleibt der Inhaber des Vollrechts stimmberechtigter Anteilsinhaber, nicht der Pfandgläubiger; ebenso verhält es sich
beim Nießbrauch, vgl. Hüffer, Aktiengesetz, 7. A. 2006, § 16 Rn. 7; Koppensteiner in:
Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 3.A. 2004, § 16 Rn. 44 m.w.N. Unberücksichtigt
bleiben Anteile, die dem Gesellschafter nicht gehören, auch wenn er deren Ausübung aufgrund eines Stimmbindungsvertrages kontrollieren kann, da auch die vertragswidrig ausge-
übte Stimme wirksam ist; vgl. dazu Koppensteiner in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 3.A. 2004, § 16 Rn. 43; Geßler in: Geßler/Hefermehl, Aktiengesetz, § 16 Rn. 37.
125
möglich erscheint und in welcher Form eine Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidungen erfolgen kann.
1. Einflussmöglichkeiten in der Aktiengesellschaft als abhängiges Unternehmen
Im vorhergehenden Abschnitt ist die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft
explizit untersucht worden, so dass auf die dort gewonnenen Prämissen nun zurückgegriffen werden kann. Im Recht der Aktiengesellschaft bedeutet Stimmrechtsmehrheit eine Mehrheit bei den Abstimmungen zu Beschlüssen der Hauptversammlung.
Es wurde bereits herausgearbeitet, dass eine beherrschende Einflussnahme eine positive Beeinflussung der geschäftspolitischen Entscheidungen ermöglichen muss.
Vom Aktiengesetz her sind mit der Innehabung der Stimmrechtsmehrheit verschiedene Befugnisse verbunden, so zum Beispiel die Entscheidung über die Verwendung des Bilanzgewinns, die Entlastung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder,
die Bestellung des Abschlussprüfers sowie die Bestellung der Mitglieder des Aufsichtsrats (§ 119 I AktG).345 Nur die letztgenannte Befugnis vermittelt allerdings die
Möglichkeit der Auswahl und Beeinflussung der Mitglieder des Vorstandes und
kann daher als beherrschungsrelevante Befugnis in Betracht kommen.
Auch hatte sich gezeigt, dass die Zusammensetzung des Aufsichtsrats davon abhängt, ob die Gesellschaft unternehmensmitbestimmt ist oder nicht. Da deshalb Modifikationen in der Art und Weise der Einflussnahme nicht ausgeschlossen werden
können, ist jeweils eine gesonderte Betrachtung vorzunehmen.
Zunächst soll die Form der Einflussnahme in der mitbestimmungsfreien sowie der
nach Drittelbeteililgungsgesetz mitbestimmten Aktiengesellschaft betrachtet werden.
Die drittelparitätische Besetzung des Aufsichtsrats mit Arbeitnehmervertretern bei
der nach § 4 DrittelbG mitbestimmten Aktiengesellschaft wirkt sich nicht auf die
Entscheidungen des Gesamtorgans aus und ergibt daher keine andere Bewertung des
Einflusspotentials des Inhabers der Stimmrechtsmehrheit.346 Dem Mehrheitsaktionär
kommt hinsichtlich der Aufsichtsratsmitglieder eine gewisse Personalhoheit zu.347
Er wird für das Aufsichtsratsamt Personen auswählen, bei denen er davon ausgehen
kann, dass sie seinen Vorstellungen und Wünschen im Hinblick auf die Auswahl
und Bestellung der Vorstandsmitglieder entsprechen werden, die somit sein Vertrauen genießen. Diese Personalhoheit ist die Basis dafür, dass die Aufsichtsratsmitglieder den rechtlich unverbindlichen Hinweisen in Bezug die Auswahl der Vorstandsmitglieder weitest gehend nachkommen werden. Denn der Mehrheitsaktionär ist aufgrund der Befugnis zur Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder in der Lage, den nöti-
345 Für Satzungsänderungen und Entscheidungen über Kapitalbeschaffung und Kapitalherabsetzung ist eine ¾ Hauptversammlungsmehrheit erforderlich, §§ 179 II, 182 I AktG.
346 Inhaber der Stimmrechtsmehrheit und Mehrheitsaktionär werden hier synonym gebraucht,
da die Stimmrechtmehrheit in der Regel mit der Anteilsmehrheit zusammenfällt.
347 In der nach Drittelbeteiligungsgesetz mitbestimmten Gesellschaft zumindest im Hinblick
auf ? der Aufsichtsratsmitglieder.
126
gen Druck auf die Aufsichtsratsmitglieder auszuüben, indem er ihre Wiederbestellung in das Amt von der Durchführung seiner rechtlich unverbindlichen Anregungen
und Hinweise abhängig macht.348 349 Dies kann ein erhebliches berufliches Risiko
für das Aufsichtsratsmitglied bedeuten. Die Möglichkeiten zur Einflussnahme durch
den Mehrheitsgesellschafter können sich bis ins Leitungsorgan fortsetzen. Mittels
rechtlich unverbindlicher Anregungen und Hinweise an die Aufsichtsratsmitglieder
im Hinblick auf die Auswahl der vom Aufsichtsrat zu bestellenden Vorstandsmitglieder kann der Mehrheitsaktionär sicherstellen, dass der Vorstand mit seinen Vertrauensleuten besetzt wird, bei denen zu erwarten ist, dass sie seinen Anregungen
und Vorschlägen entsprechen werden. Ebenso kann der Mehrheitsaktionär mittels
rechtlich unverbindlicher Anregungen und Hinweise in Bezug auf die Geschäftspolitik zumindest mittelbar Einfluss nehmen. Auch ist er in der Lage, den nötigen Druck
auf die Vorstandsmitglieder auszuüben. Er hat die Möglichkeit, den von ihm personell kontrollierten Aufsichtsrat zu instruieren, Vorstandsmitglieder abzuberufen oder
ihre Wiederbestellung zu verhindern. Ebenso wie für die Mitglieder des Aufsichtsrates bedeutet eine Abberufung oder die Nicht-wieder-Bestellung ins Vorstandsamt
für die Vorstandsmitglieder ein erhebliches berufliches Risiko, so dass sie geneigt
sein werden, den Vorschlägen und Hinweisen des Mehrheitsaktionärs nachzukommen. Das zeigt, dass der Mehrheitsaktionär durchaus über Einflussmittel verfügt, die
ihm, vermittelt durch die zuvor genannten Druckmittel, eine Beeinflussung der Geschäftspolitik ermöglichen. Zwar erfolgt die Einflussnahme nicht auf gesetzlicher
Grundlage,350 sondern auf einer tatsächlichen bzw. faktischen Ebene, erhält aber
durch die Druckmittel Abberufung aus dem Amt sowie Nicht-wieder-Bestellung die
nötige Durchsetzungskraft. Im Vergleich hierzu ermöglicht das Recht der GmbH die
direkte Erteilung von Weisungen an die Geschäftsführung. Druckmittel sind die Abberufung aus dem Geschäftsführeramt351 sowie eine Schadenersatzpflicht.352 Nunmehr stellt sich die Frage, welchen Einfluss die mitbestimmungsrechtlichen Regelungen auf die soeben erörterte Wirkungsweise der Einflussnahme des Mehrheitsaktionärs haben. Oder anderes ausgedrückt: Verändert sich die Form der Einflussnahme und die Durchsetzbarkeit der Wünsche des Mehrheitsaktionärs unter dem Einfluss der Vorschriften zur Unternehmensmitbestimmung?
In den nach Mitbestimmungsgesetz mitbestimmten Gesellschaften setzt sich der
Aufsichtsrat aus jeweils derselben Anzahl der von den Arbeitnehmern und der von
den Anteilseignern bestellten Mitgliedern zusammen. Damit ist es dem Mehrheitsaktionär lediglich möglich, maximal die Hälfte der Aufsichtsratssitze mit seinen Ver-
348 Eine Abberufung aus dem Aufsichtratsamt kann der Mehrheitsaktionär wegen der nach
§ 103 I S. 2 AktG erforderlichen ¾ Mehrheit nicht allein durchsetzen.
349 Die Wiederbestellung in das Aufsichtsratsamt ist nach allg. Meinung zulässig; vgl. Hüffer,
Aktiengesetz, 7. A. 2006,§ 102 Rn. 6.
350 Wegen der postulierten Unabhängigkeit des Vorstandes der Aktiengesellschaft ist im Aktienrecht ein Weisungsrecht der Aktionäre an die Geschäftsleitung nicht vorgesehen.
351 § 38 GmbHG.
352 § 43 II GmbHG.
127
trauensleuten zu besetzen. Hinsichtlich der Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner
ist es ihm auch möglich, rechtlich unverbindliche Vorschläge in Bezug auf die in
den Vorstand zu bestellenden Personen zu erteilen. Für die Bestellung der Vorstandsmitglieder sieht § 31 II MitbestG jedoch eine ? Mehrheit im Aufsichtsrat vor.
Der Mehrheitsgesellschafter kann über die von ihm beeinflussten Aufsichtsratsmitglieder seine personellen Vorstellungen für das Vorstandsamt nicht im ersten Wahlgang positiv bestimmen, er kann aber die Vorschläge der Aufsichtsratsmitglieder der
Arbeitnehmer blockieren und somit einen zweiten Wahlgang erzwingen. Im zweiten
Wahlgang genügt eine einfache Mehrheit im Aufsichtsrat, wobei dem Aufsichtsratsvorsitzenden, der letztlich von der Anteilseignerseite bestimmt wird, § 27 II MitbestG, eine zweite Stimme zukommt, die den Ausschlag und ein leichtes Übergewicht zugunsten der Anteilseigner gibt. Die Beeinflussung der so bestellten Vorstandsmitglieder kann ebenfalls mittels rechtlich unverbindlicher Anregungen und
Hinweise in Bezug auf Maßnahmen der Geschäftsführung erfolgen. Auch die
Druckmittel gegenüber den Mitgliedern des Aufsichtsrats und des Vorstands sind
dieselben wie in der mitbestimmungsfreien Aktiengesellschaft: Gegenüber den von
der Anteilseignerseite bestellten Aufsichtsratsmitgliedern kann der Vollziehung der
Anregungen und Hinweise der nötige Nachdruck verliehen werden z.B. durch eine
Drohung mit der Abberufung aus dem Amt sowie eine Nicht-wieder-Bestellung.
Hinsichtlich der Vorstandsmitglieder kann Druck nur über den Aufsichtsrat ausge-
übt werden. Zur Abberufung aus dem Vorstandsamt ist ebenfalls eine ? Mehrheit
im Aufsichtsrat nötig (§ 31 V, II MitbestG). Kann diese im ersten Wahlgang nicht
erreicht werden, genügt im 2. Wahlgang auch eine einfache Mehrheit mit der Zweitstimme des Aufsichtsratsvorsitzenden. Zumindest aber kann der Mehrheitsaktionär –
über eine Beeinflussung des Aufsichtsrats – eine Wiederbestellung in den Vorstand
wirksam verhindern. Da sich damit sowohl Vorstands- als auch Aufsichtsratsmitglied einem erheblichen beruflichen Risiko ausgesetzt sehen, werden sie geneigt
sein, den Hinweisen des Mehrheitsaktionärs nachzukommen, zumal, wenn die angesonnene Geschäftsführungsmaßnahme unternehmerisch vertretbar erscheint. Für die
nach Mitbestimmungsgesetz mitbestimmte Aktiengesellschaft bleibt festzuhalten,
dass die Form der Einflussnahme durch den Mehrheitsgesellschafter und ebenso die
Druckmittel zur Durchsetzung der angesonnenen Maßnahmen dieselben sind wie in
der mitbestimmungsfreien Gesellschaft.
Für die nach Montan-Mitbestimmungsgesetz mitbestimmten Aktiengesellschaften
ergibt sich zudem die Besonderheit, dass der Aufsichtsrat paritätisch mit Vertretern
der Anteilseigner und der Arbeitnehmer besetzt ist, aber noch ein weiteres, neutrales
Mitglied hinzukommt.353 Das neutrale Mitglied wird in einem Wahlverfahren im
Aufsichtsrat bestellt, bei dem jeweils mindestens drei der Anteilseigner- und der Arbeitnehmeraufsichtsratsmitglieder dafür stimmen müssen.354 Da jede Seite somit die
Vorschläge der anderen blockieren kann, ist man innerhalb des Aufsichtsrats auf einen Kompromiss angewiesen. Dennoch hat der Mehrheitsaktionär die Möglichkeit,
353 § 4 I Montan-MitbestG.
354 § 8 Montan-MitbestG.
128
die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner auszuwählen und sie mittels rechtlich
unverbindlicher Hinweise zu instruieren, welche Personen für das Vorstandsamt im
Gremium vorzuschlagen sind und auf eine Bestellung hinwirken. Die Bestellung der
Vorstandsmitglieder erfolgt mit einfacher Mehrheit,355 wobei die Stimme des neutralen Mitglieds den Ausschlag gibt. Somit wird er zum Angriffspunkt von Beeinflussung. Das neutrale Mitglied ist sich bewusst, dass sein Verbleiben im Aufsichtsrat356
wie auch seine Wiederbestellung in das Amt von der Gunst beider Seiten abhängt.
Dem Mehrheitsaktionär ist es somit möglich, das neutrale Mitglied in Form von
rechtlich unverbindlichen Hinweisen und Vorschlägen für die Vorstandswahl zu beeinflussen. Sein Interesse am Verbleiben im Amt lässt seinen Einsatz für die vorgeschlagenen Personen für das Vorstandsamt erwarten. Sind erst mal Personen in den
Vorstand bestellt, zu denen der Mehrheitsgesellschafter persönliche Beziehungen
unterhält und die sein Vertrauen genießen,357 ist ihre Beeinflussung im Hinblick auf
geschäftsleitende Entscheidungen in derselben Weise möglich, wie in mitbestimmungsfreien oder nach Mitbestimmungsgesetz mitbestimmten Gesellschaften. Auch
die Druckmittel Abberufung aus dem Vorstandsamt und Nicht-wieder-Bestellung in
das Amt wirken auf dieselbe Weise wie in der nach dem Mitbestimmungsgesetz
mitbestimmten Aktiengesellschaft.
Im Ergebnis ist festzustellen, dass sich die Form der Einflussnahme und die
Durchsetzbarkeit der Wünsche des Mehrheitsaktionärs in der mitbestimmungsfreien
und in der unternehmensmitbestimmten Gesellschaft nur unwesentlich unterscheiden.
2. Einflussmöglichkeiten in der GmbH als abhängiges Unternehmen
Das Recht zur Auswahl und Bestellung der Geschäftsführer liegt in der mitbestimmungsfreien und der nach Drittelbeteiligungsgesetz mitbestimmten Gesellschaft
mbH bei der Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 5 GmbHG), bei den nach Mitbestimmungsgesetz und Montan-Mitbestimmungsgesetz mitbestimmten Gesellschaften
beim Aufsichtsrat. Das Recht zum Widerruf der Bestellung ist gleicher Weise verteilt. Da die Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit
gefasst werden (§ 47 I GmbHG), kann der Inhaber der Stimmrechtsmehrheit358 seine
Vorstellungen und Wünsche in der Gesellschafterversammlung durchsetzen. Er ist
in der Lage, in der mitbestimmungsfreien bzw. nach Drittelbeteiligungsgesetz mitbestimmten Gesellschaft mbH die Personen für das Geschäftsführeramt auszuwählen, es sei denn, es ist zugunsten eines anderen Gesellschafters ein Sonderrecht in
355 § 12 Montan-MitbestG i.V.m. § 84 I AktG.
356 Vgl. § 11 III Montan-MitbestG.
357 Dabei ist es nicht notwendig, dass alle Vorstandsmitglieder „Wunschkandidaten“ des
Mehrheitsgesellschafters sind, es genügt, wenn mehr als die Hälfte der künftigen Vorstandsmitglieder Personen seines Vertrauens sind.
358 Synonym: der Mehrheitsgesellschafter.
129
Bezug auf die Bestellung eines Geschäftsführers oder in Form der Übertragung des
Geschäftsführeramtes gesellschaftsvertraglich eingeräumt. In der nach Mitbestimmungsgesetz oder Montan-Mitbestimmungsgesetz mitbestimmten Gesellschaft kann
der Mehrheitsgesellschafter die von der Anteilseignerseite zu bestellenden Aufsichtsratsmitglieder auswählen. Die Einflussnahme auf die so ausgewählten Aufsichtsratsmitglieder erfolgt wie bei der Aktiengesellschaft: der Mehrheistgesellschafter wird gegenüber den Aufsichtsratsmitgliedern, einschließlich des neutralen
Mitglieds, anregen, wen er in das Geschäftsführeramt bestellt haben möchte. Über
die Möglichkeit zur Abberufung aus dem Aufsichtsratsamt bzw. der Nicht-wieder-
Bestellung in das Amt können die Aufsichtsratsmitglieder unter Druck gesetzt werden. Mit der Bestellung von Personen seines Vertrauens zum Geschäftsführer kann
der Mehrheitsgesellschafter die Basis für deren künftiges Wohlverhalten schaffen.
Aber auch, wenn es dem Mehrheitsgesellschafter nicht gelingt, seine Vorstellungen
in Bezug auf die Personen sämtlicher Geschäftsführer durchzusetzen,359 kann der
Mehrheitsgesellschafter im Alleingang die Geschäftspolitik bestimmen, denn im
Gegensatz zur Aktiengesellschaft hat die Gesellschafterversammlung360 den Geschäftsführern gegenüber ein Weisungsrecht im Hinblick auf geschäftsleitende
Maßnahmen, §§ 37 I, 46 Nr. 6 GmbHG. Da über den Inhalt der Weisung in der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit abgestimmt wird (§ 47 I GmbHG),
ist der Mehrheitsgesellschafter in der Lage, die geschäftspolitischen Entscheidungen
inhaltlich vorzugeben. Eine Folgepflicht ergibt sich für den Geschäftsführer aus der
Tatsache, dass der Mehrheitsgesellschafter auch die jederzeitige Abberufung (§§ 46
Nr. 5, 38 I GmbHG) durchsetzen kann.361 362 Und das auch, selbst wenn der Gesellschaftsvertrag das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Abberufung (§ 38 II
359 Das könnte vorkommen, wenn z.B. Bestellungsrechte zugunsten eines anderen Gesellschafters eingeräumt wurden oder wenn die Beeinflussung der Aufsichtsratsmitglieder
nicht hinreichend war.
360 Nicht der einzelne Gesellschafter, Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 16. A. 2004, § 37
Rn. 17.
361 Die Bestellung zum Geschäftsführer kann, je nach Ausgestaltung im Gesellschaftsvertrag,
zeitlich unbefristet, aber auch befristet sein; Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 16. A.
2004, § 6 Rn. 25. Letzterenfalls käme als Druckmittel auch die Nicht-wieder-Bestellung in
Betracht.
362 Eine andere Frage ist das Verhältnis von Gesellschafterweisung und Geschäftsführerhaftung nach § 43 GmbHG: keine Folgepflicht bei rechtswidrigen Weisungen, vgl. § 43 III
GmbH für den Fall des Verstoßes gegen die Vorschriften der §§ 30, 31 und 33 GmbHG
und solchen, die die Existenz der Gesellschaft gefährden, §§ 40, 43, 49 III, 64 GmbHG
(OLG Düsseldorf, ZIP 1984, 1476, 1478 f.; Schneider in: Scholz, GmbH-Gesetz, 9. A.,
§ 37 Rn. 5; Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 16. A. 2004, § 43 Rn. 22 ff.; Fleck, ZHR
1985, S. 406). Die Weisungsabhängigkeit der Geschäftsführer von den Gesellschaftern bedingt ihre Freistellung von der Haftung gegenüber der Gesellschaft (BGHZ 31, 258, 278;
Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16.A. 2004, § 43, Rn. 18); allerdings können die Geschäftsführer aus der kaufmännischen Sorgfaltspflicht § 43 I GmbHG verpflichtet sein, Bedenken
gegen die Weisung vor deren Ausführung geltend zu machen (Konzen, NJW 1989, S. 2977
f.; Fleck, ZHR 149 (1985) S. 387, 406; Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 16. A. 2004, §
43, Rn. 22 ff.).
130
GmbHG) vorsieht, denn die nachdrückliche und wiederholte Widersetzlichkeit gegenüber Gesellschafterweisungen stellt einen wichtigen Grund im Sinne des § 38 II
GmbHG dar.363 Zudem berechtigt die wiederholte Widersetzlichkeit gegenüber Gesellschafterweisungen zur außerordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrages
im Sinne des § 626 BGB.364 365 In den nach Mitbestimmungsgesetz und Montan-
Mitbestimmungsgesetz mitbestimmten Gesellschaften mbH wird der Mehrheitsgesellschafter die von der Anteilseignerseite bestellten Aufsichtsratsmitglieder, einschließlich des neutralen Mitglieds, instruieren, den Widerruf der Bestellung vorzunehmen, wobei die Abberufbarkeit der Aufsichtsratsmitglieder durch den Mehrheitsgesellschafter seinem Ansinnen den nötigen Nachdruck verleiht. Der Inhaber
der Stimmrechtsmehrheit in der GmbH ist somit in der Lage, die Geschäftspolitik
der Gesellschaft positiv zu steuern. Dies spricht für eine beherrschende Einflussnahme.
Ein besonderes Problem ergibt sich aus der weit gehenden Satzungsautonomie
der GmbH: Der Gesellschaftsvertrag kann das Stimmgewicht durch die Einführung
von Mehrstimmrechten abweichend vom Anteilsbesitz festlegen. Auch kann das
Stimmgewicht für verschiedene Beschlussgegenstände unterschiedlich verteilt werden, indem für die verschiedenen Beschlussgegenstände zugunsten verschiedener
Gesellschafter Mehrstimmrechte eingeräumt werden. Dann ist zur Bestimmung des
Inhabers der Stimmrechtsmehrheit darauf abzustellen, wer im Zusammenhang mit
geschäftsleitenden Beschlüssen, für Weisungen zur Geschäftspolitik oder für die Bestellung des Geschäftsführers die Stimmrechtsmehrheit hat.366 Zwar bestimmt der
Wortlaut des § 6 II Nr. 2 EBRG, die Stimmrechtsmehrheit durch die „mit den Anteilen ... verbundenen Stimmrechten“, aber eine wortgetreue Anwendung würde dazu
führen, dass die Mehrstimmrechte wie auch die bei Personengesellschaften vorkommende Verteilung der Stimmrechte per Gesellschaftsvertrag außer Betracht blieben.367 Hielte man am Wortlaut fest, entspräche die Stimmrechtsmehrheit, abgesehen von in der GmbH selten vorkommenden stimmrechtslosen Geschäftsanteilen,
der Kapitalmehrheit. Zudem führte dies zu dem Ergebnis, dass die Möglichkeit der
Stimmrechtmehrheit bei Personengesellschaften nicht bestünde und somit die Beherrschungsmöglichkeit von Personengesellschaften aus dem Abhängigkeitsbegriff
des EBRG heraus fiele. Es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass der Gesetz-
363 Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 16. A. 2004, § 38 Rn. 20.
364 OLG Düsseldorf, ZIP 1984, S. 1476, 1478; Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 16. A.
2004, Anh. § 6 Rn. 17.
365 Grundsätzlich überlagert die organisationsrechtliche Weisungsbefugnis die Regelungen im
Anstellungsverhältnis, daher haben anstellungsvertraglich dem Geschäftsführer geschaffene Freiräume keine organisationsrechtliche Bedeutung. Die organisationsrechtliche Weisungsbefugnis und Folgepflicht können nicht durch den Anstellungsvertrag aufgehoben
werden; vgl. OLG Düsseldorf, ZIP 1984, S. 1476, 1478.
366 Lutter/Hommelhoff; GmbHG, 16.A. 2004, Anh. § 13 Rn. 5; Koppensteiner in: Kölner
Kommentar zum Aktiengesetz, 3.A. 2004, § 16 Rn. 19.
367 Die Stellungsnahme des Bundestages zum Entwurf des EBR-Gesetzes (Ds. 251/96) enthält
hierüber keinerlei Aussage, so dass davon auszugehen ist, dass die Problematik nicht gesehen wurde.
131
bzw. Richtliniengeber bestimmte Rechtsformen als abhängige Unternehmen ausschließen wollte.368 Daher sollte innerhalb des EBRG – trotz des engen Wortlauts –
die Stimmrechtsmehrheit nach dem Stimmgewicht, das dem einzelnen Gesellschafter – anteilsmäßig oder gesellschaftsvertraglich festgelegt – zukommt, ermittelt werden.
Vergleicht man die Einflussmöglichkeiten des Mehrheitsgesellschafters in der
Aktiengesellschaft mit denen in der GmbH, fällt ins Auge, dass der Mehrheitsgesellschafter der GmbH die GmbH auf der rechtlichen Grundlage des Weisungsrechts
(§§ 37 I, 46 Nr. 6 GmbHG) beherrschen kann, wohingegen der Mehrheitsaktionär
der Aktiengesellschaft auf tatsächliche Einflussgrundlagen, wie rechtlich unverbindliche Anregungen und Hinweise, und deren faktische Wirkungsweise angewiesen
ist. Der Grund hierfür liegt in der unterschiedlichen Organisationsverfassung beider
Rechtsformen. Während in der GmbH die Gesellschafterversammlung der Geschäftsführung übergeordnet ist,369 woraus sich die Weisungsbefugnis ergibt, gilt in
der Aktiengesellschaft das Prinzip der Unabhängigkeit des Vorstands, das Ausdruck
findet im gesetzlich fixierten Eigenverantwortlichkeitsprinzip des Vorstands (§ 76 I
AktG). § 6 EBR-Gesetz differenziert jedoch nicht zwischen den einzelnen Rechtsformen und sieht über die Vermutungswirkung für die Stimmrechtsmehrheit (§ 6 II
Nr. 2 EBRG) demnach jede Form der Beeinflussung, ob auf rechtlicher oder tatsächlicher Grundlage, ob unmittelbar oder mittelbar, soweit sie eine Einflussnahme auf
die Geschäftspolitik ermöglicht, als beherrschend an. Damit erkennt sie sowohl
rechtliche wie auch tatsächliche Einflussgrundlagen an.
3. Einflussmöglichkeiten in der Personengesellschaft als abhängiges Unternehmen
Gesetzliches Leitbild der Willensbildung in Personengesellschaften ist das Einstimmigkeitsprinzip (§§ 119 I, 161 II HGB, 709 I BGB). Dieses wird aber oft gesellschaftsvertraglich zugunsten des Mehrheitsprinzips abbedungen. Grund hierfür ist,
dass das Einstimmigkeitsprinzip jedem Mitglied ein Vetorecht in sämtlichen Entscheidungen gewährt, was – zumindest bei größeren Verbänden – die Gefahr der
Handlungsunfähigkeit in sich birgt. Je weiter der Verband von seinen Mitgliedern
verselbständigt ist, umso weiter entfernt sich die Willensbildung vom Einstimmigkeitsprinzip.370 Eine Stimmrechtsmehrheit kann es in Personengesellschaften nur
dann geben, wenn für die Beschlussfassung das Mehrheitsprinzip vertraglich vereinbart wurde. Dann ist im Gesellschaftsvertrag auch das Stimmgewicht zu regeln. Dieses kann sich an der Vermögensbeteiligung der einzelnen Gesellschafter bemessen
368 Zur Beschreibung der Stimmrechtsmehrheit im Sinne des § 16 I, III AktG existiert das Parallelproblem, das hier durch (analoge) Anwendung des § 16 III AktG gelöst wird; vgl.
Koppensteiner in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 3.A. 2004, § 16 Rn. 17.
369 Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 16. A. 2004, Anh. § 13 Rn. 7.
370 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. A. 2002, § 16 II.
132
oder aber auch abweichend hiervon im Gesellschaftsvertrag festgelegt werden. In
diesem Fall bemisst sich das Stimmgewicht nicht aus dem Vermögensanteil, sondern aus dem Gesellschaftsvertrag.371 Erfolgt die Verteilung des Stimmgewichts anhand der Vermögensbeteiligung werden für die Gesellschafter – gesellschaftsvertraglich – sog. Kapitalkonten gebildet. Für die Ermittlung der Stimmrechtsmehrheit
kommt es zunächst darauf an, ob feste oder variable Kapitalkonten vereinbart wurden. Das Stimmgewicht bemisst sich bei festen Kapitalkonten aus dem Verhältnis
der Zahl der Stimmrechte aus den dem Gesellschafter gehörenden Anteilen zur Gesamtzahl aller Stimmrechte.372 Für variable Kapitalkonten gilt grundsätzlich dasselbe nur mit dem Unterschied, dass das Unternehmenskapital in diesem Fall zu jedem
Bilanzstichtag gesondert ermittelt werden muss.373 Aufgrund der weit gehenden Satzungsautonomie bei der GmbH kann im Falle einer gesellschaftsvertraglichen Festlegung des Stimmgewichts das Stimmgewicht für verschiedene Beschlussgegenstände unterschiedlich verteilt werden. Dann ist zur Bestimmung der Stimmrechtsmehrheit darauf abzustellen, wem im Hinblick auf geschäftsleitende Entscheidungen
das größte Stimmgewicht zukommt. Da in Personengesellschaften die persönlich
haftenden Gesellschafter in aller Regel auch selbst die Geschäftsführung innehaben,
kann der Gesellschafter mit dem gesellschaftsvertraglich eingeräumten größten
Stimmgewicht die Geschäftspolitik der Gesellschaft bestimmen. Kommt das größere
Stimmgewicht einem Kommanditisten zu, der von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist,374 versetzt ihn sein Stimmgewicht in die Lage, den Inhalt der Beschlüsse vorzugeben und die geschäftsführenden Gesellschafter anzuweisen, die Geschäfte der Gesellschaft in der beschlossenen Weise zu führen.375
Auf die Problematik des zu engen Wortlauts des § 6 II Nr. 2 EBRG, der die Ermittlung der Stimmrechtsmehrheit an die mit den Anteilen verbundenen Stimmrechte bindet, ist bereits hingewiesen worden. Bei Personengesellschaften führte ein derart enges Verständnis der Stimmrechtsmehrheit dazu, dass die Beherrschung einer
Personengesellschaft mangels Darstellung des Gesellschaftsvermögens in Form von
Kapitalanteilen, von vornherein ausgeschlossen wäre. Damit fielen in nicht gerechtfertigter Weise die Rechtsformen der Personengesellschaften aus dem Anwendungsbereich des EBRG heraus. Es sollte daher innerhalb des EBRG die Stimmrechtsmehrheit nach dem gesellschaftsvertraglich festgelegten Stimmgewicht ermittelt
werden.
371 Vgl. Koppensteiner in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 3.A. 2004, § 16 Rn. 17.
372 Das Parallelproblem gibt es bei der Ermittlung des Stimmgewichts in Personengesellschaften nach § 16 I, III AktG.
373 Koppensteiner in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 3.A. 2004, § 16 Rn. 26; Windbichler in: Großkommentar zum Aktiengesetz, 4.A. 1999, § 16 Rn. 20
374 § 164 S. 1 HGB.
375 Vgl. auch Kleindiek, Strukturvielfalt im Personengesellschaftskonzern, S. 20.
133
4. Stille Gesellschaft
Kennzeichen der stillen Gesellschaft ist ein Gesellschaftsvertrag zwischen dem stillen Gesellschafter, der eine natürliche, juristische Person oder Personengesamtheit
sein kann, und dem Unternehmensträger376 (Kapitalgesellschaft, Personengesellschaft, Einzelunternehmer),377 der ein Unternehmen betreiben muss.378 Die stille Gesellschaft ist eine Innengesellschaft.379 Der stille Gesellschafter ist mittels einer
Vermögenseinlage am Handelsgeschäft des Unternehmensträgers beteiligt. Die Einlage fließt in das Vermögen des Unternehmensträgers ein. Im Gegensatz zur Personengesellschaft, bei der die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Bindung
Träger des Gesellschaftsvermögens werden, fehlt der stillen Gesellschaft aufgrund
ihrer Eigenschaft als Innengesellschaft die Fähigkeit, Träger eines Sondervermögens
zu sein.
Bei der typischen stillen Gesellschaft beschränkt sich das rechtliche Verhältnis
auf eine Beteiligung des stillen Gesellschafters am Gewinn und Verlust (§ 231
HGB) des Handelsgeschäfts.380
Umstritten ist, ob eine Stimmrechts- und/oder Kapitalmehrheit bei einer stillen
Gesellschaft möglich ist. Unumstritten ist dabei, dass es sich in jedem Falle um eine
atypische stille Gesellschaft handeln muss. Kennzeichen der atypischen stillen Gesellschaft ist, dass im Innenverhältnis dem stillen Gesellschafter über die gesetzlichen Rechte (§§ 231 – 234 HGB) hinaus weiter gehendere Rechte eingeräumt werden. Anerkannt ist inzwischen, dass bei einer atypischen stillen Gesellschaft der Unternehmensträger – sei es ein Einzelunternehmer oder eine Gesellschaft – abhängiges Unternehmen im Sinne der §§ 15, 17 AktG sein kann. Für die Eigenschaft des
abhängigen Unternehmens genügt jede rechtlich besonders organisierte Vermögenseinheit ohne Rücksicht auf die Rechtsform,381 so dass auch Einzelunternehmer, die
für den Betrieb ihres Handelsgewerbes Vermögen bereitstellen, hierunter fallen. Eine Abhängigkeit des Einzelunternehmers kann sich beispielsweise auch aus einer
atypischen Beteiligung bzw. atypischen stillen Gesellschaft ergeben.382 Umstritten
ist die Möglichkeit von Stimmrechts- und Kapitalmehrheit in der stillen Gesellschaft. Hierzu haben sich folgenden Ansichten herausgebildet: einerseits wird eine
Stimmrechtsmehrheit unter der Prämisse einer Stimmrechtsabsprache zwischen Einzelkaufmann/Gesellschaft und stillem Gesellschafter mit einem Übergewicht zu-
376 Terminologie nach K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. A. 2002, § 58 II.
377 Ebenda.
378 § 230 I HGB.
379 Vgl. § 230 II HGB.
380 Zzgl. des Kontrollrechts und des Kündigungsrechts, §§ 233, 234 HGB.
381 Hüffer, Aktiengesetz, 7. A. 2006, § 15, Rn. 14.
382 Hüffer, Aktiengesetz, 7. A. 2006, § 15, Rn. 14; Windbichler in: Großkommentar zum Aktiengesetz, 4.A. 1999, § 16 Rn. 18.
134
gunsten des stillen Gesellschafters für möglich gehalten.383 Andererseits wird zwar
die Möglichkeit einer Anteils- nicht aber einer Stimmrechtsmehrheit in der atypischen stillen Gesellschaft gesehen.384 Eine dritte Ansicht385 sieht in der Vermögensbeteiligung des stillen Gesellschafters lediglich eine schuldrechtliche, nicht jedoch
eine mitgliedschaftliche Vermögensbeteiligung, die daher zur Begründung einer Anteils- oder Stimmrechtsmehrheit ungeeignet ist, aber im Rahmen von Abhängigkeitsverhältnissen i.S.d. § 17 I AktG Berücksichtigung finden sollte.
Hier ist anhand der unterschiedlichen Ausgestaltungen der stillen Gesellschaft zu
differenzieren: Häufig wird die Beteiligung des stillen Gesellschafters am Unternehmensvermögen vereinbart.386 Diese Vereinbarung führt nicht zur Bildung eines
Gesellschaftsvermögens, denn als Innengesellschaft ist die stille Gesellschaft nicht
fähig, Trägerin eines Sondervermögens zu sein. Der stille Gesellschafter wird vertraglich im Innenverhältnis so gestellt, als wäre er mit einem Vermögensanteil am
Unternehmen beteiligt.387 Hier wird also eine anteilsmäßige Beteiligung schuldvertraglich fingiert. Damit ergibt sich die Möglichkeit einer Anteilsmehrheit für den
stillen Gesellschafter;388 hierbei kann für bestimmte geschäftliche Entscheidungen
eine Willensbildung im Beschlusswege vereinbart werden. Auch kann – ohne die
fiktive Aufteilung in Vermögensanteile – für bestimmte Entscheidungen ein stimmliches Übergewicht zugunsten des stillen Gesellschafters und die Willensbildung im
Beschlusswege vereinbart werden. Dann liegt eine schuldvertragliche Verteilung des
Stimmgewichts vor,389 die die Wirkungen einer Stimmrechtsmehrheit hat. Eine andere Form der atypischen stillen Gesellschaft liegt in der schuldvertraglichen Verleihung von Geschäftsführungsbefugnissen an den stillen Gesellschafter.390 Art und
Umfang dieser Rechte können sehr unterschiedlich sein; sie reichen von Widerspruchs- und Zustimmungsrechten über Weisungsrechte bis hin zur Wahrnehmung
von Geschäftsführungsfunktionen.391 Hier liegt dann eine schuldvertraglich vereinbarte Einflussnahme auf die Geschäftspolitik vor, die jedoch unabhängig von einer
Stimmrechts- oder Anteilsmehrheit existiert. Im Rahmen der Würdigung der Beispiele des § 6 II EBRG sind jedoch nur die Vereinbarungen über Beteiligungen, also
die Anteils- oder Stimmrechtsmehrheit zu betrachten.392 Fazit: Innerhalb einer stillen
383 Für die Möglichkeit von Stimmrechts- und Anteilsmehrheit: Koppensteiner in: Kölner
Kommentar zum Aktiengesetz, 3.A. 2004, § 16 Rn. 17; Hüffer, Aktiengesetz, 7. A. 2006, §
16 Rn. 5; Geßler in: Geßler/Hefermehl, Aktiengesetz, § 16 Rn. 12.
384 Godin/Wilhelmi, Aktiengesetz, § 16 Anm. 3.
385 Windbichler in: Großkommentar zum Aktiengesetz, 4.A. 1999, § 16 Rn. 18.
386 Paulick/Blaurock, Handbuch der stillen Gesellschaft, 4. A., S. 128; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. A. 2002, § 62 II.
387 Ebenda.
388 Vgl. auch Koppensteiner in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 3.A. 2004, § 16 Rn. 12.
389 Vgl. auch Koppensteiner in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 3.A. 2004, § 16 Rn. 13.
390 Baumbach/Hopt, HGB, 32. A. 2006, § 230 Rn. 3, 9, 20; BGH NJW 1992, S. 2696; BGHZ
8, 157, 160; Paulick/Blaurock, Handbuch der stillen Gesellschaft, 4. A., S. 128 f.; K.
Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. A. 2002, § 62 II.
391 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. A. 2002, § 62 II.
392 Zu Beherrschungsmöglichkeiten auf schuldvertraglicher Grundlage, siehe unten Kapitel 4.
135
Gesellschaft kann eine Stimmrechtsmehrheit bzw. ein Stimmübergewicht in Verbindung mit einem Abstimmungsmodus für geschäftliche Entscheidungen vertraglich
vereinbart werden. Damit ist eine Stimmrechtsmehrheit zwar nicht aufgrund der Organisationsverfassung der stillen Gesellschaft gegeben, aber auch nicht ausgeschlossen.
5. Wirkungsweise und Intensität des Beherrschungsmittels aus § 6 II Nr. 2 EBRG/
Art. 3 II Nr. 2 EBR-Richtlinie
In der Aktiengesellschaft kann der Mehrheitsaktionär seine Wunschkandidaten in
den Aufsichtsrat dirigieren, in mitbestimmungsrechtlich paritätisch besetzten Aufsichtsräten393 die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseignerseite. Diese Personalhoheit im Aufsichtsrat ist die Basis für die Instruktion der Aufsichtsratsmitglieder im
Hinblick auf die Auswahl und Bestellung der Vorstandsmitglieder. Diese erfolgt
zwar mittels rechtlich unverbindlicher Anregungen, bekommt aber über das Druckmittel der Abberufbarkeit bzw. Nicht-wieder-Bestellung in das Aufsichtsratsamt das
nötige Durchsetzungsgewicht.
Sind die vom Mehrheitsaktionär erwünschten Kandidaten ins Vorstandsamt bestellt worden, kann er mittels rechtlich unverbindlicher Anregungen und Hinweise
Einfluss auf die geschäftspolitischen Entscheidungen nehmen. Als Druckmittel dient
auch hier die Abberufung bzw. Nicht-wieder-Bestellung in das Vorstandsamt, allerdings vermittelt durch die Aufsichtsratsmitglieder, die er jedoch ebenfalls nach seinen Vorstellungen auswählen konnte.
Das Zusammenspiel von rechtlich unverbindlichen Anregungen und Hinweisen
und dem Druckmittel der Abberufung bzw. Nicht-wieder-Bestellung in das Amt
stellt eine Einflussnahmemöglichkeit auf faktischer Grundlage dar. Anders bei Bestehen eines Beherrschungsvertrages: In diesem Fall gewährt § 308 I AktG der beherrschenden Gesellschaft ein Weisungsrecht im Hinblick auf die geschäftsleitenden
Entscheidungen des beherrschten Unternehmens. Aufgrund des Mehrheitsprinzips
bei der Willensbildung über den Inhalt der Entscheidung ist der Mehrheitsaktionär
in der Lage, den Inhalt der Weisung zu bestimmen.
Im Vergleich zum Prinzip der Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit der
Leitung gegenüber den Aktionären bei der Aktiengesellschaft besteht in Gesellschaften mit beschränkter Haftung aufgrund des gesetzlich fixierten Weisungsrechts
der Gesellschafterversammlung in § 37 I GmbHG ein Verhältnis der Unterordnung
der Geschäftsführung unter die Beschlüsse der Gesellschafter. Der Mehrheitsgesellschafter hat somit die Möglichkeit, in Form von Weisungen die Inhalte geschäftspolitischer Entscheidungen vorzugeben. Druckmittel zur Durchführung der Weisungen
ist die jederzeitige Abberufbarkeit der Geschäftsführer und ggf. Schadenersatzan-
393 Nach Mitbestimmungsgesetz und Montan-Mitbestimmungsgesetz.
136
sprüche gegenüber dem Geschäftsführer. Die Einflussnahme auf eine GmbH erfolgt
somit auf rechtlicher Grundlage.
In Personengesellschaften ist eine Einflussnahmemöglichkeit aufgrund einer
Stimmrechtsmehrheit nur denkbar, wenn die Gesellschafter das gesetzlich vorgesehene Einstimmigkeitsprinzip gesellschaftsvertraglich abbedungen und stattdessen
eine Stimmgewichtung, häufig entsprechend der Vermögensbeteiligung, und das
Mehrheitsprinzip vereinbart haben. Dabei kann der Gesellschafter, dem das höchste
Stimmgewicht zukommt, seine geschäftspolitischen Vorstellungen durchsetzen. Die
Einflussnahmemöglichkeit besteht hier auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage. Eine Beeinflussung der Willensbildung durch ein höheres Stimmgewicht ist nur bei
einer atypischen stillen Gesellschaft und dann auch nur bei schuldvertraglich vereinbarter anteilmäßiger Beteiligung oder Vereinbarung eines stimmlichen Übergewichts und vereinbarter Willensbildung im Beschlusswege denkbar. Grundlage der
Einflussnahme ist im diesem Fall ein schuldrechtlicher Vertrag.
III. Kapitalmehrheit § 6 II Nr. 3 EBRG/Art. 3 II Nr. 3 EBR-Richtlinie
Da in der Regel Kapital- und Stimmrechtsmehrheit zusammenfallen, hat das Kriterium der Kapitalmehrheit nur dort eine eigenständige Bedeutung, wo beide auseinander fallen. Das ist der Fall, wenn stimmrechtslose Vorzugsaktien oder Geschäftsanteile ausgegeben wurden, bei Bestehen von Mehrstimmrechten394 oder bei satzungsmäßig festgelegten Höchststimmrechten.395
1.Einflussmöglichkeiten in der Aktiengesellschaft als abhängiges Unternehmen
Bei der Untersuchung der Frage welche eigenständige Bedeutung der Kapitalmehrheit in § 6 II Nr. 3 EBRG zukommt, müssen folgende Punkte betrachtet werden: In
der Regel fallen Kapital- und Stimmrechtsmehrheit zusammen, da die kapitalmäßige
Beteiligung an einer Gesellschaft eine Mitgliedschaft an der Gesellschaft und somit
bestimmte mitgliedschaftliche Rechte, wie das Stimmrecht,396 vermittelt. Damit hat
das Kriterium der Kapitalmehrheit nur dort eine eigenständige Bedeutung, wo Kapital- und Stimmrechtsmehrheit auseinander fallen. Das ist der Fall, wenn stimmrechtslose Vorzugsaktien ausgegeben wurden, bei Bestehen von Mehrstimmrech-
394 In der Aktiengesellschaft nur noch bis 1. Juni 2003 mit Fortgeltungsmöglichkeit (vgl. § 5
EGAktG); ohne Einschränkung bei der GmbH; in Personengesellschaften bei statuarisch
vereinbartem höherem Stimmgewicht.
395 Interessantes Beispiel aus der Gerichtspraxis ist: OLG Düsseldorf, ZIP 1993, 1791ff.
(Feldmühle Nobel/Stora).
396 § 133 AktG; § 47 II GmbHG.
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ten397 oder bei satzungsmäßig festgelegten Höchststimmrechten.398 Zum anderen
kann der Aktionär, der eine mehrheitliche kapitalmäßige Beteiligung an der Gesellschaft hält, nur dann eine beherrschende Stellung im Sinne des EBRG haben, wenn
keinem anderen Gesellschafter ein vom Gesetz höher gewichtetes Einflussmittel –
wie Stimmrechtsmehrheit oder die Mehrheit der Bestellungsrechte – zukommt, § 6
II S. 2 EBRG. Im Gegensatz zur Kapitalmehrheit liegt bei der Mehrheit der Bestellungsrechte (§ 6 II Nr. 1 EBRG) und der Stimmrechtsmehrheit (§ 6 II Nr. 2 EBRG)
ein wesentlich höheres Einflusspotential auf die abhängige Gesellschaft vor. Sie
vermitteln bei der GmbH eine direkte, bei einer Aktiengesellschaft in den Aufsichtsrat eine direkte und hinsichtlich des Vorstandes eine indirekte Personalhoheit in diesen Organen durch Auswahl der Organmitglieder. Instruktionen im Hinblick auf die
Geschäftspolitik erfolgen bei der GmbH an die Geschäftsführung mittels Weisung,
bei der Aktiengesellschaft mittels unverbindlicher Hinweise und Anregungen. Der
Vollzug der Instruktionen wird durch das Druckmittel der Abberufung bzw. Nichtwieder-Bestellung der Organmitglieder gesichert. Dem Inhaber der Kapitalmehrheit,
ohne dass diesem auch die Mehrheit der Stimmrechte zukommt, verfügt nicht über
die Möglichkeit der Bestellung und Abberufung der Organmitglieder und kann somit Abberufung bzw. Nicht-wieder-Bestellung nicht als Durchsetzungsmittel verwenden. Sein Druckmittel ist anderer Art: Die kapitalmäßige Beteiligung der Gesellschafter stellt in der Regel den größten Teil der Eigenkapitalbasis für das von der
Gesellschaft betriebenen Unternehmens dar. Dem Inhaber der Kapitalmehrheit bleibt
als Druckmittel der Abzug seiner Beteiligung, der Entzug von Kapital, der sich je
nach Gesellschaftsform in unterschiedlicher Weise auswirkt. Zunächst soll untersucht werden, inwieweit das Auseinanderfallen von Anteils- und Stimmrechtsmehrheit bei Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung dazu
führt, dass die in § 6 II Nr. 3 EBRG benannte Kapitalmehrheit ein eigenständiges
Einflusspotential begründen kann.
a) Vorzugsaktien
Grundsätzlich vermittelt die Inhaberschaft von Aktien, welche zugleich eine kapitalmäßige Beteiligung an der Aktiengesellschaft ist, mitgliedschaftliche Rechte, wie
das Stimmrecht (§ 12 I S. 1 AktG, § 47 II GmbHG), das Auskunftsrecht, das Recht
zur Teilnahme an der Hauptversammlung sowie Vermögensrechte wie der Dividendenbezug und das Recht zum Bezug neuer Aktien (§ 186 AktG). Zum Zwecke der
Eigenkapitalbeschaffung (Kapitalerhöhung, Sanierung) werden zuweilen stimmrechtslose Vorzugsaktien, §§ 12 I S. 2, 139 ff. AktG ausgegeben. Das fehlende
397 In der Aktiengesellschaft nur noch bis 1. Juni 2003 mit Fortgeltungsmöglichkeit (vgl. § 5
EGAktG); ohne Einschränkung bei der GmbH; in Personengesellschaften bei statuarisch
vereinbartem höherem Stimmgewicht.
398 Interessantes Beispiel aus der Gerichtspraxis ist: OLG Düsseldorf, ZIP 1993, 1791ff. (Feldmühle Nobel/Stora).
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Stimmrecht wird durch einen erhöhten Dividendenanteil ausgeglichen. Der Vorteil
bei der Ausgabe dieser Aktiengattung liegt in der Eigenkapitalbeschaffung für die
Gesellschaft, ohne dass sich die bestehenden Stimmverhältnisse in der Hauptversammlung ändern. Bei einem Aktionär, der neben stimmrechtsvermittelnden „normalen“ Aktien auch Vorzugsaktien hält, liegt dessen kapitalmäßige Beteiligung an
der Gesellschaft höher, als die dadurch vermittelten Stimmrechte. Dabei ist zwischen den Beherrschungsmitteln Stimmrechtsmehrheit und Kapitalmehrheit abzugrenzen. Berechnungsgrundlage für die Kapitalmehrheit ist das Verhältnis des
Nennbetrags der gehaltenen Anteile zum Gesamtnennbetrag bzw. bei Stückaktien
zur Zahl der Aktien, § 16 II AktG. Für die Berechnung der Stimmrechtsmehrheit ist
Bezugsgröße die Gesamtzahl aller Stimmrechte, § 16 III AktG. Davon zu unterscheiden ist das Stimmgewicht, welches vom Beteiligungsumfang ausgehend bei
Mehr- und Höchststimmrechten sich nach den satzungsmäßigen Vorgaben richtet.
Kapitalmehrheit ist gegeben, wenn der Inhaber mehr als 50 % aller Anteile am
Nennkapital bzw. bei Stückaktien der Anzahl aller Aktien hält. Stimmrechtsmehrheit liegt vor, wenn der Inhaber mehr als 50 % aller aus Anteilen resultierenden
Stimmrechte innehat. Die Abgrenzung soll anhand typisierter Beispiele erfolgen.
Erstes Beispiel: Eine Aktiengesellschaft hat ein Stammkapital i.H.v. 60.000 €, welches in 1000 stimmberechtigte Aktien zu je 50 € und 200 stimmrechtslose Vorzugsaktien aufgeteilt ist. Besitzt ein Aktionär 501 stimmberechtigte und 100 Vorzugsaktien, ist in seiner Hand sowohl die Stimmrechts- als auch die Kapitalmehrheit gegeben. Dabei tritt die Kapitalmehrheit im Wege der Subsidiarität wegen § 6 II S. 2
EBRG zurück. Andere Konstellation: Unternehmen A besitzt 400 stimmberechtigte
und 150 Vorzugsaktien, Unnternehmen B 510 stimmberechtigte Aktien, der Rest ist
Streubesitz. Kapitalmehrheit bei A, Stimmrechtsmehrheit bei B, wegen des vorrangigen Beherrschungsmittels der Stimmrechtsmehrheit (§ 6 II S. 2 EBRG) bildet diese AG mit Unternehmen B eine Unternehmensgruppe. Drittes Beispiel: A besitzt
400 stimmberechtigte und 150 Vorzugsaktien, B 400 stimmberechtigte Aktien, der
Rest ist Streubesitz. A hat die Kapitalmehrheit. Fraglich ist, ob hier ggf. eine Mehrfachabhängigkeit der Aktiengesellschaft von A und B gegeben ist.399 Hierbei muss
im Einzelfall zwischen alleiniger und gemeinsamer Beherrschung mit jeweils unterschiedlichem Einflusspotential gewichtet werden. Entscheidendes Kriterium für das
Vorliegen gemeinsamer Beherrschung ist eine Koordinierung der Willensbildung
zwischen den beiden herrschenden Unternehmen. Letztes Beispiel: A ist Inhaber
von 301 stimmberechtigten und 200 Vorzugsaktien, B besitzt 470 stimmberechtigte
Aktien, der Rest ist Streubesitz. A hat die Kapitalmehrheit. B könnte u. U. eine
Stimmrechtsmehrheit haben aufgrund mangelnder Präsenz der Kleinaktionäre in der
Hauptversammlung. Auch hier ist eine Gewichtung im Einzelfall vorzunehmen zwischen der Kapitalmehrheit und der Hauptversammlungspräsenzmehrheit im Hinblick auf die Beeinflussungsintensität. In § 6 II S. 2 EBRG liegt eine Gewichtung im
Hinblick auf Höhe des Einflusspotentials: Die Mehrheit der Bestellungsrechte und
die Stimmrechtsmehrheit (§ 6 II Nr. 1, 2 EBRG) ermöglichen eine Personalhoheit in
399 Zur Mehrfachabhängigkeit siehe in Kapitel 4 C und 6.
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den Organen der Kapitalgesellschaften; die Kapitalmehrheit (§ 6 II Nr. 3 EBRG)
bietet insbesondere, aber nicht ausschließlich, bei Personengesellschaften und der
stillen Gesellschaft die Möglichkeit, mit einem Austritt aus der Gesellschaft und
dem Abzug des Kapitals zu drohen.
b) Mehrstimmrechte
Mehrstimmrechte haben bei Aktiengesellschaften nur eine sehr geringe Bedeutung.400 Mehrstimmrechte sind dadurch gekennzeichnet, dass das Stimmgewicht in
der Satzung abweichend vereinbart ist. Grundlage sind die durch die Kapitalanteile
vermittelten Stimmrechte, die entsprechend den Vorgaben der Satzung zu gewichten
sind. Bezugsgröße ist die Gesamtzahl aller durch Kapitalanteile vermittelten Stimmrechte. Das ergibt sich für das EBRG bereits aus dem Gesetzeswortlaut des § 6 II
Nr. 2 EBRG „Mehrheit der mit Anteilen verbundenen Stimmrechte“. Mehrstimmrechte können eine fehlende Kapitalbeteiligung nominell zwar nicht ausgleichen,
sind dann aber über die Generalklausel § 6 I EBRG zu beachten und ggf. gegenüber
einem Aktionär, der allein die Kapitalmehrheit hält, im Hinblick auf die vermittelten
Einflusspotentiale zu gewichten. Relevant wird dies jedoch eigentlich nur bei einer
GmbH als abhängiger Gesellschaft, da aufgrund der Satzungsoffenheit des GmbH-
Rechts Mehrstimmrechte beispielsweise für besonders wichtige Beschlussgegenstände vorgesehen sein können, wie die Bestellung der Geschäftsführer oder für
Weisungen zur Geschäftspolitik.401 Von Mehrstimmrechten zu unterscheiden sind
Entsenderechte in den Aufsichtsrat;402 sie geben ein direktes Bestellungsrecht, können bei der Aktiengesellschaft aber wegen § 101 II S. 4 AktG (Drittelbeschränkung)
nicht das Beherrschungsmittel aus § 6 II Nr. 1 EBRG erfüllen.403
c) Höchststimmrechte
Bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften kann die Satzung einen Höchstbetrag
an Stimmrechten festschreiben, über die ein Aktionär bei Abstimmungen verfügen
kann; Höchststimmrechte § 134 I S. 1 AktG. Das Stimmrecht aus dem höheren Kapitalanteil bleibt wirkungslos. Das kann dazu führen, dass ein Aktionär zwar kapitalmäßig mehrheitlich beteiligt ist, aber mehrere Aktionäre ein gleich hohes Stimmrecht haben. Für Beschlüsse der Hauptversammlung genügt grundsätzlich die einfache Stimmrechtsmehrheit soweit nicht das Gesetz oder die Satzung zusätzliche Er-
400 Ihre Neubegründung ist nach § 12 II AktG unzulässig; nur die vor dem 1.1.1966 begründeten bestehen noch bis zum 1.6.2003 mit Verlängerungsmöglichkeit fort, vgl. Art. 5 I
EGAktG.
401 Weitere Beispiele bei: Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 16. A. 2004, Anh. § 13 Rn. 7.
402 § 101 AktG.
403 Anders bei der GmbH, dazu unten.
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fordernisse, z.B. eine höhere Mehrheit oder zusätzlich zur Stimmrechtsmehrheit die
Kapitalmehrheit verlangen, § 133 I AktG. Das Aktiengesetz stellt für die Wahl der
Aufsichtsratsmitglieder keine besonderen Erfordernisse auf. Für Satzungsänderungen (§ 179 II AktG), Zustimmung zu Unternehmensverträgen (§ 293 I AktG) oder
zur Eingliederung (§ 319 II AktG) verlangt es hingegen die einfache Stimmenmehrheit sowie eine qualifizierte Kapitalmehrheit.404 Die Innehabung der Kapitalmehrheit
hat bei Bestehen von Höchststimmrechten nur dann eine eigenständige Bedeutung,
wenn das Gesetz oder die Satzung zusätzlich die Kapitalmehrheit verlangen.405 Im
Hinblick auf Beschlussgegenstände wie Satzungsänderungen, Zustimmung zu Unternehmensverträgen oder zur Eingliederung kann der Inhaber der Kapitalmehrheit
zwar eine bestimmte Sperrwirkung erzeugen, eine Einflussnahme auf geschäftspolitische Entscheidungen bietet sie allerdings kaum. Anders wäre dies,406 wenn die Satzung hinsichtlich der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder neben der einfachen Stimmenmehrheit zusätzlich die Kapitalmehrheit verlangt.
d) Fazit
Hinsichtlich bestimmter Beschlussgegenstände (Satzungsänderungen, § 179 II
AktG, Zustimmung zu Unternehmensverträgen, § 293 I AktG oder zur Eingliederung, § 319 II AktG) für die das Gesetz eine qualifizierte Kapitalmehrheit verlangt
oder wenn satzungsmäßig solch ein Erfordernis aufgestellt wurde, kann der Inhaber
der Kapitalmehrheit die Entscheidung blockieren. Wie zuvor herausgearbeitet, muss
das Beherrschungsmittel eine Einflussnahme auf die geschäftspolitischen Entscheidungen im abhängigen Unternehmen ermöglichen. Wenn der Inhaber der Kapitalmehrheit anderweitig, d.h. in einem anderen als dem betrachteten, abhängigen Unternehmen, unternehmerisch tätig ist, hat er ein Interesse an der Abstimmung seiner
unternehmerischen Interessen in beiden Unternehmen. Dieses wird er versuchen,
über eine Einflussnahme auf die geschäftpolitischen Entscheidungen im abhängigen
Unternehmen durchzusetzen. Darin liegt auch das spezifische Gefahrenpotential:
Die unternehmerischen Entscheidungen werden nicht mehr unabhängig, sondern unter Einfluss des herrschenden Unternehmens fremdbestimmt getroffen. In der Möglichkeit, bestimmte Entscheidungen zu blockieren, liegt keine direkte, aktive Beeinflussung der Geschäftspolitik. Wie bei der Stimmrechtsmehrheit könnte eine Beeinflussung indirekt durch rechtlich unverbindliche Anregungen und Hinweise an die
Organmitglieder erfolgen. Um seinen Vorstellungen Nachdruck zu verleihen, könnte
der Inhaber der Kapitalmehrheit mit dem Abzug seiner Beteiligung drohen. Zu betrachten sind die Wirkungen, die der Abzug der kapitalmäßigen Beteiligung in einer
Aktiengesellschaft haben kann. Bei börsennotierten Gesellschaften könnte die Ver-
404 Allg. Meinung, vgl. Hüffer, Aktiengesetz, 7. A. 2006, § 179 Rn. 4.
405 Nach § 134 I S. 6 AktG bleiben Höchststimmrechte bei der Ermittlung der Kapitalmehrheit
außer Betracht.
406 Prämisse ist hierbei das Bestehen von Höchststimmrechten.
141
äußerung großer Beteiligungen zu einem Kurseinbruch führen;407 ebenso bei Aktien,
die auf dem geregelten Markt gehandelt werden. Der Kurswert spiegelt jedoch nur
den Marktwert wider. Eine Veräußerung der Aktien entzieht der Gesellschaft nur
insoweit Kapital, als sie sich veranlasst sieht, selbst Aktien zu erwerben. Diese Möglichkeit ist durch § 71 II AktG auf 10 % des Grundkapitals und nach § 71 I AktG auf
bestimmte Gründe beschränkt. Ein weiterer Effekt der Veräußerung großer Beteiligungen ist ein erheblicher Reputationsverlust für das Unternehmen, der ggf. weitere
Beteiligungsverkäufe nach sich zieht, da die Veräußerung auch schon geringerer Beteiligungen der spezifischen Meldepflicht nach § 21 Wertpapierhandelsgesetz
(WpHG) unterliegen. Die innergesellschaftlichen Unsicherheiten können sich auch
auf den Absatz der Produkte auswirken. Wird die Mehrheitsbeteiligung im ganzen
durch einen Dritten erworben, besteht für das abhängige Unternehmen ein Unsicherheitsfaktor, da es die unternehmerischen Interessen des Erwerbers, die er mit
dem Beteiligungserwerb verfolgt, meist nicht kennt.
2. Einflussmöglichkeiten in der GmbH als abhängiges Unternehmen
Auch bei der Beteiligung an einer GmbH laufen kapitalmäßige Beteiligung und
Stimmrecht in der Regel parallel (§ 47 II GmbHG). Im Gesellschaftsvertrag können
Ausnahmen wie Mehrstimmrechte, Höchststimmrechte oder bestimmte Mehrheitserfordernisse oder Zustimmungserfordernisse einzelner Gesellschafter vereinbart
sein.408 Im Gegensatz zum Aktienrecht ist das Recht der GmbH satzungsoffener:
Mehrstimmrechte können beispielsweise für besonders wichtige Beschlussgegenstände vorgesehen werden, wie die Bestellung der Geschäftsführer oder für Weisungen zur Geschäftspolitik.409 Sie werden aufgrund des entgegenstehenden Wortlauts
des § 6 II Nr. 2 EBRG zwar nicht bei der Berechnung der Stimmrechtsmehrheit einbezogen, können daher eine fehlende Kapitalbeteiligung nominell auch nicht ausgleichen, sind dann aber über die Generalklausel § 6 I EBRG zu beachten und im
Hinblick auf die vermittelten Einflusspotentiale zu gewichten. Mehrstimmrechte haben insbesondere wegen der Beschränkung auf bestimmte, wichtige Beschlussgegenstände und wegen der meist überschaubaren Zahl der Gesellschafter (personalistischer Charakter der GmbH), aber auch wegen der Weisungsabhängigkeit der Geschäftsführer besonderes Gewicht. Hat beispielsweise ein Gesellschafter die knappe
Kapital- und Stimmrechtsmehrheit, steht aber in Bezug auf die Bestellung des Geschäftsführers oder der Erteilung von Weisungen zur Geschäftspolitik einem anderen Gesellschafter ein besonderes Zustimmungs- oder Vetorecht oder ein zweifaches
Stimmrecht zu, ist zwischen dem durch das gesellschaftsvertraglich eingeräumten
Zustimmungs- oder Vetorecht vermitteltem Einflusspotential, das über § 6 I EBRG
407 Ein Beispiel: Die Nachricht der Verkaufsabsicht einer 28,5 %igen Beteiligung an Mobil-
Com durch France Télécom führte zu einem beträchtlichen Kursverlust.
408 Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 16. A. 2004, § 3 Rn. 49.
409 Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 16. A. 2004, Anh. § 13 Rn. 7.
142
erfasst wird, und der Stimmrechtsmehrheit als typisiertem Beherrschungsmittel (§ 6
II Nr. 2 EBRG) zu gewichten. Dabei kommt es darauf an, ob der Inhaber der Stimmrechtsmehrheit überstimmt werden kann und ob das Zustimmungs- oder Vetorecht
darauf angelegt ist, ihn zu überstimmen und dieser Gesellschafter besonderen Einfluss haben soll. Dann könnte die Stimmrechtsmehrheit mit Vermutungswirkung
von dem stärker wirkenden Beherrschungsmittel aus § 6 I EBRG überboten werden.
Sieht der Gesellschaftsvertrag Höchststimmrechte oder besondere Zustimmungsoder Vetorechte zugunsten einzelner Gesellschafter vor, kann es sein, dass sich der
mehrheitlich beteiligte Gesellschafter z.B. bei Geschäftsführerbestellung oder bestimmten Einzelweisungen nicht durchzusetzen vermag.
Ausgangspunkt für die Wirkung einer Kapitalmehrheit (ohne Stimmrechtsmehrheit) sind ebenfalls rechtlich unverbindliche Hinweise und Anregungen,410 die an
den Geschäftsführer gerichtet werden.411 Diese können mit der Drohung der Veräu-
ßerung der Beteiligung, oder falls dies gesellschaftsvertraglich ausgeschlossen sein
sollte, mit dem Austritt des Gesellschafters412 verknüpft werden. Beim Austritt eines
Gesellschafters kann die Gesellschaft nach ihrer Wahl die Anteile einziehen413 oder
Abtretung an sich414 oder an Dritte415 verlangen.416 Zieht die Gesellschaft die Anteile
ein, muss sie den Gesellschafter abfinden. Abfindung oder Anteilserwerb entziehen
der Gesellschaft Kapital. Hinsichtlich des Abfindungsanspruchs und des Anteilserwerbs gibt es zwar mit § 33 II GmbHG und § 34 III i.V.m. § 30 GmbHG eine Beschränkung auf das über das Stammkapital hinausgehende Gesellschaftsvermögen,
aber die finanziellen Belastungen hieraus können das Unternehmen durchaus existentiell gefährden. Erwirbt ein Dritter die mehrheitliche Kapitalbeteiligung, erhält
die GmbH einen neuen Mehrheitsgesellschafter, der einen Unsicherheitsfaktor darstellt, wenn seine unternehmerischen Interessen unbekannt sind. Wegen des personalistischen Charakters der GmbH, insbesondere des Weisungsrechts, hat dies weit
reichendere Wirkungen als in einer Aktiengesellschaft.
410 Die Prämisse war, dass hinsichtlich bestimmter Einzelweisungen besondere Zustimmungserfordernisse zugunsten einzelner Gesellschafter bestehen.
411 Über das Weisungsrecht aus § 37 I GmbHG kann der Inhaber der Kapitalmehrheit nur
dann direkt seine Vorstellungen durchsetzen, wenn ihm auch die Stimmrechtsmehrheit zusteht, wobei dann das Beherrschungsmittel der Kapitalmehrheit hinter dem der Stimmrechtsmehrheit wegen § 6 II S. 2 EBRG zurücktritt.
412 Der Ausschluss der Veräußerung der Geschäftsanteile bildet einen wichtigen Grund für ein
Austrittsrecht, vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 16. A. 2004, § 15 Rn. 1; § 34 Rn.
43 ff.
413 § 34 GmbHG.
414 Hierbei ist § 33 GmbHG zu beachten.
415 Hier ist § 15 V GmbHG zu beachten.
416 Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 16. A. 2004, § 34 Rn. 43 ff.
143
3. Einflussmöglichkeiten in Personengesellschaften als abhängige Unternehmen
Grundsätzlich sind alle persönlich haftenden Gesellschafter zur Geschäftsführung
berufen.417 Bei Entscheidungen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinaus
gehen, ist eine Beschlussfassung durch alle Gesellschafter erforderlich.418 Damit
sind alle geschäftsführenden Gesellschafter hinsichtlich des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes und alle Gesellschafter in Bezug auf die darüber hinaus gehenden
Maßnahmen419 Entscheidungsträger und in den Willensbildungsprozess involviert.
Ist für die Beschlussfassung das Mehrheitsprinzip gesellschaftsvertraglich vereinbart
und das Stimmgewicht entsprechend des Kapitalanteils420 des Gesellschafters bemessen, kann der (kapital-)mehrheitlich beteiligte Gesellschafter421 seine inhaltlichen Vorstellungen und Wünsche durchsetzen. Ist das Stimmgewicht vertraglich
abweichend hiervon verteilt, kann der mehrheitlich beteiligte Gesellschafter den
Entscheidungsinhalt insofern beeinflussen, als er mit seinem Austritt aus der Gesellschaft und dem Abzug seiner vermögensmäßigen Beteiligung droht. Maßnahmen,
die die Geschäftsführung betreffen, kann er ebenfalls mit einer Drohung des Abzugs
des Beteiligungsvermögens in seinem Sinne lenken. Bei Austritt aus der Gesellschaft hat der Gesellschafter einen schuldrechtlichen Abfindungsanspruch auf Auszahlung seines Kapitalkontos, seines Anteils am Buchvermögen der Gesellschaft.422
423 Diese Drohung ist durchaus zu einer Willensbeeinflussung geeignet, da bei einer
Beteiligung am Gesellschaftsvermögen von mehr als der Hälfte, ein plötzlicher Kapitalabzug die Gesellschaft in ihrer Existenz gefährden kann. Ist der mehrheitlich
beteiligte Gesellschafter Kommanditist einer KG, kann er auf die Geschäftspolitik
durch Instruktion der geschäftsführenden Gesellschafter ebenfalls mit der Drohung
des Kapitalabzugs Einfluss nehmen.
4. Stille Gesellschaft
Der stille Gesellschafter, der mehr als die Hälfte des Gesellschaftsvermögens stellt,
kann zwar nicht auf gesetzlicher Grundlage, wohl aber vertraglicher424 oder faktischer Grundlage Einfluss auf die Geschäftspolitik nehmen. Bei letzterem kann eine
Beeinflussung ebenfalls durch Instruktion des Unternehmers verbunden mit der
417 § 114 I HGB; gesellschaftsvertraglich kann die Geschäftsführung einem oder mehreren
Gesellschafter übertragen werden, § 114 II HGB.
418 §§ 116 I, II; 119 HGB.
419 Für die Kommanditisten gilt § 164 HGB.
420 Vgl. §§ 120 II, 264 c II HGB.
421 Der mehr als die Hälfte des Gesellschaftsvermögens stellt.
422 §§ 738 I BGB, 105 II, 161 II HGB.
423 Der Anteil am Buchvermögen beinhaltet sowohl das eingebrachte Vermögen als auch etwaige Gewinne.
424 So denn zwischen dem Unternehmer und dem stillen Gesellschafter eine Beteiligung des
stillen Gesellschafters an der Geschäftsführung (schuld-)vertraglich vereinbart ist.
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Drohung der Kündigung der Gesellschaft erfolgen. Nach Kündigung erwächst dem
stillen Gesellschafter ein Auseinandersetzungsanspruch425 aufgrund dessen er seine
nominelle Einlage sowie etwaige auf ihn entfallende Gewinne einfordern kann.
Ebenso wie bei den Personengesellschaften ist das Druckmittel des stillen Gesellschafters, die Drohung mit seinem Ausscheiden, sehr effizient, da sie einen unmittelbaren Kapitalentzug für die Gesellschaft, der existentielle Folgen haben kann, bedeutet.
5. Wirkungsweise und Intensität des Beherrschungsmittels aus § 6 II Nr. 3 EBRG /
Art. 3 II Nr. 3 EBR-Richtlinie
Die Kapitalmehrheit ermöglicht, ebenso wie die Stimmrechtsmehrheit, eine Einflussnahme, die auf tatsächlichen Umständen basiert. Die Inhaberschaft der Kapitalmehrheit verschafft keine einklagbaren Rechte auf Vornahme bestimmter geschäftlicher Entscheidungen.426 Die Einflussnahme in der Aktiengesellschaft oder
GmbH erfolgt durch rechtlich unverbindliche Anregungen und Hinweise an die Organe als Entscheidungsträger. In Personengesellschaften ist der kapitalmehrheitlich
beteiligte Gesellschafter direkt in den Willensbildungsprozess integriert. Bei der stillen Gesellschaft wird der stille Gesellschafter den Unternehmer ebenfalls rechtlich
unverbindlich instruieren. Um seinen Vorstellungen und Wünschen Nachdruck zu
verleihen, kann der Mehrheitsgesellschafter mit dem Austritt aus der Gesellschaft
und dem Abzug seiner Beteiligung drohen.427 Diese Drohung ist auch jederzeit realisierbar. Das Beherrschungsmittel Kapitalmehrheit wirkt demnach ebenso wie die
Stimmrechtsmehrheit und die Mehrheit der Bestellungsrechte gesellschaftsintern
durch Beeinflussung des Willensbildungsprozesses.
Der Abzug der Beteiligung führt bei Personengesellschaften und der stillen Gesellschaft zu einem erheblichen Verlust der Eigenkapitalbasis, in Gesellschaften
mbH kann das Eigenkapital bis auf die Höhe des Stammkapitals geschmälert werden.428 Das Eigenkapital sichert die Kreditwürdigkeit und damit die Unabhängigkeit
des Unternehmens bei der Finanzierung seiner unternehmerischen Tätigkeit. Die
Kreditgeber betrachten angesichts zusätzlichen Finanzbedarfs immer auch die Eigenkapitalausstattung einer Gesellschaft. Solange sie sie als ausreichend erachten,
werden sie geneigt sein, den Finanzbedarf zu befriedigen.429 Das Eigenkapital hat
auch eine Pufferfunktion zwischen Überlebensfähigkeit und Untergang des Unter-
425 § 235 I HGB.
426 Wie z. B. ein Weisungsrecht, das auf vertraglicher (Beherrschungsvertrag, §§ 291, 308
AktG) oder gesetzlicher Grundlage (GmbH § 37 I GmbHG) bestehen kann.
427 Die Betrachtungen zur Kapitalmehrheit als eigenständigem Beherrschungsmittel erfolgen
hier unter der Prämisse, dass Stimmrechtsmehrheit und Kapitalmehrheit (ausnahmsweise)
auseinander fallen.
428 § 33 II GmbHG.
429 Leopold/Frommann, Eigenkapital für den Mittelstand, 1998, Kapitel 4.2.
145
nehmens. Ein Unternehmen kann finanzwirtschaftlich solange überleben, wie etwaige Verluste das Eigenkapital nicht übersteigen und noch nicht Fremdkapital aufzehren.430 431 Anhand dieser großen Bedeutung des Eigenkapitals für eine Gesellschaft
zeigt sich die hohe Effizienz dieses Druckmittels. Der Inhaber der Kapitalmehrheit
kann den Vorstand, den Geschäftsführer, den Einzelunternehmer nicht mit rechtlich
durchsetzbaren Mitteln zu bestimmten Geschäftsführungsmaßnahmen zwingen, aber
ihm gegenüber unerwünschtem Verhalten mit seinem Austritt aus der Gesellschaft
und dem Abzug seiner Beteiligung drohen. In Personengesellschaften hat er zusätzlich die Möglichkeit, die Gesellschafterbeschlüsse zu blockieren. Der drohende Entzug eines Großteils des für die Gesellschaft lebenswichtigen Eigenkapitals schafft
eine Zwangslage, in der die Entscheidungsträger im Interesse der Aufrechterhaltung
der Liquidität geneigt sein werden, den Vorstellungen und Wünschen des Mehrheitsgesellschafters nachzukommen. Die Möglichkeit der Beeinflussung der Gesellschaftsorgane als Entscheidungsträger, kombiniert mit der Drohung des Entzuges
von Eigenkapital, qualifiziert die Kapitalmehrheit als gesellschaftsintern wirkendes
Einflussnahmemittel. Es liegt nicht wie bei der Abhängigkeit von Kreditgebern eine
marktbedingte, sondern eine gesellschaftsrechtliche Abhängigkeit vor.
Auch bei den beiden anderen Beherrschungsmitteln des § 6 II EBRG Mehrheit
der Bestellungsrechte und Stimmrechtsmehrheit erfolgt bei Aktiengesellschaft und
GmbH die Einflussnahme – rechtlich nicht einklagbar – mittels unverbindlicher Anregungen und Hinweise an die Entscheidungsträger (Organe) kombiniert mit einem
Druckmittel, der Abberufung aus dem Organamt;432 bei der GmbH kommt das direkt
wirkende Weisungsrecht für den Inhaber der Stimmrechtsmehrheit hinzu. Dieses
Druckmittel suggeriert dem Organmitglied persönliche Nachteile, wohingegen die
bei der Kapitalmehrheit verwendeten Druckmittel Beteiligungsveräußerung und
Austritt den Entzug eines Großteils der finanziellen Basis des Unternehmens in Aussicht stellen. Die Einflussnahme auf den Willensbildungsprozess seitens des kapitalmehrheitlich beteiligten Gesellschafters führt zu Entscheidungen, die das Ergebnis einer Abwägung zwischen verschiedenen Nachteilen für die Gesellschaft bzw.
den Bestand des Unternehmens sind. Die Einbeziehung der Kapitalmehrheit in den
Kanon der mit Vermutungswirkung ausgestatteten Beherrschungsmittel des § 6 II
EBRG zeigt, dass Beherrschungsmittel im Sinne des § 6 EBRG nicht ausschließlich
eine Besetzung der Leitungs-, Aufsichts- oder Verwaltungsorgane der Gesellschaft
ermöglichen müssen.
430 Ebenda.
431 Einen Überblick über die Finanzierungsarten von Unternehmen geben: Wöhe/Bilstein,
Grundzüge der Unternehmensfinanzierung, 9. A. 2002, S. 11 ff.
432 Bei der GmbH kommt für den Inhaber der Stimmrechtsmehrheit noch ein gesetzliches
Weisungsrecht § 37 I GmbHG hinzu.
146
IV. Kollisionsregel § 6 II S. 2 EBRG/Art. 3 VII EBR-Richtlinie
Durch die Reihung der Kriterien in § 6 II EBRG nimmt das Gesetz eine Priorisierung der einzelnen Beherrschungsmittel vor. Dabei kommt die Kapitalmehrheit nur
dann zum Tragen, wenn das herrschende Unternehmen weder die Möglichkeit hat,
die Organmitglieder zu bestimmen,433 noch die Stimmrechtsmehrheit auf sich vereint und auch kein anderes Unternehmen in Bezug auf das abhängige Unternehmen434 eines der Kriterien des § 6 II EBRG erfüllt. Neben der Rangfolge der Beherrschungsmittel aus § 6 II S. 1 EBRG enthält § 6 II S. 2 EBRG eine Kollisionsregel,
für den Fall, dass mehrere Unternehmen in Bezug auf dasselbe Unternehmen verschiedene Beherrschungstatbestände des § 6 II EBRG erfüllen. Das Unternehmen,
welches das stärker wirkende Einflussmittel innehat, soll als herrschendes Unternehmen gelten. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass die Möglichkeit der Bestimmung der Organmitglieder das größte Einflusspotential gewährt, da dass herrschende Unternehmen so die Möglichkeit hat, Personen seines Vertrauens in die
Willensbildungsorgane zu integrieren, die dann aufgrund des mit dem Bestellungsrecht korrespondierenden Abberufungsrechts geneigt sein werden, den Anregungen
und Wünschen des herrschenden Unternehmens nachzukommen. Ein Beispiel:435
Ein Unternehmen besitzt die Mehrheit der Kapitalanteile eines Unternehmens, die
Ausübung beherrschenden Einflusses wird vermutet. Die Vermutung ist widerlegt,
wenn nachgewiesen wird, dass ein anderes Unternehmen (z.B. aus einem anderen
Mitgliedstaat)436 die Stimmrechtsmehrheit hält. In diesem Falle gibt das vorrangige
Kriterium der Stimmrechtsmehrheit den Ausschlag, so dass nur das Unternehmen,
welches die Stimmrechtsmehrheit oder die Mehrheit der Bestellungsrechte innehat,
als herrschendes Unternehmen in Bezug auf dieses Unternehmen gilt. Das Kriterium
der Mehrheit der Bestellungsrechte kann im Hinblick auf die Organmitglieder nur
auf abhängige Unternehmen in der Rechtsform der Aktiengesellschaft oder der Gesellschaft mbH verwirklicht werden, da die Willensbildung hinsichtlich der geschäftsleitenden Entscheidungen nach dem Organisationsstatut in Personengesellschaften durch die persönlich haftenden Gesellschafter und bei stiller Gesellschaft
durch den Einzelunternehmer erfolgt.437 Hinzu kommt, dass eine Kapitalmehrheit
433 Beispielsweise in Personengesellschaften findet dieses Kriterium keine Grundlage.
434 Die Beurteilung von Herrschafts- und Abhängigkeitsverhältnissen erfolgt notwendig in
einer Betrachtung des Zweipersonenverhältnisses, da sich das Vorliegen einer Abhängigkeitsbeziehung immer nur aus dem Blickwinkel des abhängigen Unternehmen feststellen
lässt; näher dazu siehe oben Kapitel 2 C, D.
435 Vgl. Regierungsbegründung, BT-Ds. 251/ 96 S. 39.
436 Die Kriterien des Art. 3 II der EBR-Richtlinie, dem § 6 II EBRG wortgetreu ist, sind in die
Umsetzungsgesetze aller Mitgliedstaaten übernommen worden. Daher beurteilt sich das
Abhängigkeitsverhältnis nach dem Recht des Staates, in dem das herrschende Unternehmen seinen Sitz hat, die Beurteilungskriterien sind jedoch in allen Mitgliedstaaten dieselben.
437 Zu den abhängigkeitsbegründenden Ausnahmefällen der Verlagerung der geschäftspolitischen Entscheidungsbefugnisse per Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag auf einen Kommanditisten oder den stillen Gesellschafter, siehe oben.
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bei Personengesellschaften nur dann in Betracht kommt, wenn das gesetzliche Leitbild des Einstimmigkeitsprinzips zugunsten des Mehrheitsprinzips gesellschaftsvertraglich abbedungen wurde und das Stimmgewicht entsprechend der Vermögensbeteiligung vereinbart wurde. Ebenso ist eine Kapitalmehrheit bei stiller Gesellschaft
nur denkbar, wenn eine Beteiligung des stillen Gesellschafters am Unternehmensvermögen vertraglich vereinbart und zudem für geschäftliche Entscheidungen eine
Abstimmung im Beschlusswege vereinbart wurde.
V. Folgerungen für Anforderungen an taugliche Beherrschungsmittel im Sinne des
§ 6 EBRG/Art. 3 EBR-Richtlinie
Ziel der Untersuchung der vom Gesetz in § 6 II EBRG vorgegebenen Beherrschungsmittel war es, Erkenntnisse über die Art, Intensität und Wirkungsweise von
Beherrschungsgrundlagen zu gewinnen. Anhand derer soll der Begriff der beherrschenden Einflussnahme in § 6 I EBRG fixiert und herausgearbeitet werden, wie
Einflussnahmemittel wirken müssen, um taugliche Beherrschungsgrundlagen im
Sinne des § 6 I EBRG zu sein.
Dabei behandelt diese Arbeit das Problem drei-dimensional: (1) Determiniert
vom Regelungszweck der EBR-Richtlinie438 werden supranationale Unternehmensgruppen betrachtet. (2) EBR-Richtlinie und die dazu ergangenen Umsetzungsgesetze
(EBRG u. a.) sind rechtsformneutral ausgestaltet, so dass die Wirkungen der Einflussnahme- und Beherrschungsmittel auf sämtliche Gesellschaftsrechtsformen zu
betrachten waren. (3) Einfluss- und Beherrschungsgrundlagen können verschiedenartig sein. Daher sind die verschiedenen, als taugliche Beherrschungsgrundlagen im
Sinne des § 6 I EBRG439 in Betracht kommenden Einflussnahmemittel zu typisieren.440
(1) Regelungsgegenstand von EBR-Richtlinie und deren Umsetzungsgesetzen ist die
Errichtung Europäischer Betriebsräte in gemeinschaftsweit tätigen Unternehmensgruppen, die aus mindestens in zwei Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen bestehen, Artt. 1 II, 2 I lit. c EBR-Richtlinie und §§ 2 I, 3 II EBRG. Hier ergibt sich ein
supranationaler Bezug, da immer das nationale Recht mindestens zweier Mitgliedstaaten tangiert ist. Das EBRG gilt für herrschende Unternehmen mit Sitz in
Deutschland, § 2 I EBRG. Die Umsetzungsgesetze der anderen Mitgliedstaaten, die
sich detailliert an die Vorgaben der Richtlinie halten, verpflichten die herrschenden
Unternehmen mit Sitz in ihrem Inland. Die Wirkungen einer Abhängigkeit werden
aber nur in den abhängigen Unternehmen sichtbar. Daher ergibt sich: Hat das herrschende Unternehmen seinen Sitz in Deutschland, findet das EBRG Anwendung, die
438 Richtlinie 94/45/EG vom 22. 09. 1994, ABl. EG L 254, S.64-72, Erwägungsgrund 11, 12.
439 Respektive der entsprechenden Normen in den anderen Umsetzungsgesetzen zur EBR-
Richtlinie.
440 Dazu in Kapitel 4.
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Abhängigkeitswirkungen zeigen sich im abhängigen Unternehmen ggf. mit Sitz in
einem anderen Mitgliedsstaat. Dabei werden Art, Intensität und Wirkungsweise der
Einflussnahmemöglichkeiten von der Verfasstheit des abhängigen Unternehmens im
jeweiligen nationalen Recht bestimmt. Andererseits können die Abhängigkeitswirkungen anhand des deutschen Gesellschaftsrechts betrachtet werden, wenn das abhängige Unternehmen in Deutschland ansässig ist. Dann ist, je nachdem, wo das
herrschende Unternehmen seinen Sitz hat, das jeweilige nationale Umsetzungsgesetz
anzuwenden mit seinen der Richtlinie entsprechenden Verpflichtungen und den jeweiligen nationalen Verfahrensmodalitäten.
Im vorstehenden Abschnitt wurden exemplarisch die Abhängigkeitswirkungen
auf eine abhängige Gesellschaft mit Sitz in Deutschland – anhand der Verfasstheit
der einzelnen Rechtsformen im deutschen Gesellschaftsrecht – betrachtet. Das war
insofern möglich, als das EBRG und die Umsetzungsgesetze in den anderen Mitgliedstaaten sich strikt an die Richtlinie halten und damit fast kongruent sind. Die
Verpflichtung zur Errichtung eines Europäischen Betriebsrates oder eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer, das Antragserfordernis
(z.B. § 9 I EBRG) sowie die Unterrichtungs- und Anhörungspflichten sind in allen
Umsetzungsgesetzen fixiert.441
(2) Richtlinie und Umsetzungsgesetze beschränken die zu einer Unternehmensgruppe verbundenen Unternehmen nicht auf bestimmte Rechtsformen. Mitglieder einer
Unternehmensgruppe können sowohl Gesellschaften und, nach dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten, auch Einzelunternehmer sein. Maßgeblich ist für abhängige
und herrschende Unternehmen allein die Unternehmenseigenschaft. Die Wirkungen
einer beherrschenden Einflussnahme werden nur im abhängigen Unternehmen sichtbar. Da die einzelnen Rechtsformen jedoch unterschiedlich gesellschaftsrechtlich
verfasst sind, vermag der Einsatz ein und desselben Beherrschungsmittels in den
einzelnen Rechtsformen unterschiedliche Wirkungen zu erzeugen.
Die Untersuchung der Wirkungen einer Einflussnahme aufgrund der in § 6 II
EBRG vorgegebenen Beherrschungsmittel in abhängigen Gesellschaften in Rechtformen des deutschen Rechts ergab zusammengefasst folgendes Bild:
Aktiengesellschaft und GmbH sind eigenständige Rechtspersonen, die über ihre
Organe ihren Willen bilden und handlungsfähig sind. Das Beherrschungsmittel aus
§ 6 II Nr. 1 EBRG (Mehrheit der Bestellungsrechte) kann nur innerhalb juristischer
Personen wirken, es kann bei der GmbH eine Personalhoheit im Organ ermöglichen,
soweit dies gesellschaftsvertraglich vereinbart ist. Das heißt, das Beherrschungsmittel wirkt auf gesellschaftsvertraglicher (statuarischer) Grundlage. Bei der Aktiengesellschaft steht dem die Drittelbeschränkung des § 101 II S. 4 AktG entgegen. Die
Stimmrechtsmehrheit (§ 6 II Nr. 2 EBRG) ermöglicht bei der Aktiengesellschaft eine Personalhoheit im Aufsichtsorgan, in einer GmbH als abhängiger Gesellschaft
eine Personalhoheit im Leitungsorgan. Aufgrund dieser ist der Inhaber der Stimmrechtsmehrheit in der Lage, mittels rechtlich unverbindlicher Anregungen an die Or-
441 Vorgegeben durch die EBR-Richtlinie Art. 1 Abs. 2 und Anhang.
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ganmitglieder auf die geschäftspolitischen Entscheidungen Einfluss zu nehmen,
kombiniert mit dem Druckmittel der drohenden Abberufung aus dem Amt, schafft
dies eine Entscheidungszwangslage, in der zwischen einzelnen unternehmerischen
Handlungsmöglichkeiten und persönlichen Nachteilen abzuwägen ist. Das Beherrschungsmittel der Kapitalmehrheit, dem durch Ausstattung mit Vermutungswirkung
in § 6 II Nr. 3 EBRG eigenständige Bedeutung zukommt, ermöglicht nicht die Auswahl der Organmitglieder. Das eingesetzte Druckmittel ist daher ein anderes: Die
Einflussnahme erfolgt wie bei der Stimmrechtsmehrheit mittels rechtlich unverbindlicher Anregungen an die Organmitglieder. Angedroht wird eine Beteiligungsveräu-
ßerung bzw. der Austritt aus der Gesellschaft. Die Veräußerung einer hälftigen oder
größeren Beteiligung bewirkt bei börsennotierten oder auf dem geregelten Markt
gehandelten Aktiengesellschaften einen erheblichen Kursverfall, der mit seinen Folgeerscheinungen den Untergang der Gesellschaft bedeuten kann. Bei Gesellschaften
mbH kann der mit dem Austritt entstehende Abfindungsanspruch den Entzug von
Eigenkapital bedeuten.442 Dieses Druckmittel ergreift die finanziellen Grundlagen
der Gesellschaft und versetzt die Entscheidungsträger in eine zur Willensbeeinflussung geeignete Zwangslage. Bestellungs-, Stimmrechts- und Kapitalmehrheit schaffen keine einklagbaren Rechte im Hinblick auf geschäftspolitische Entscheidungen
im abhängigen Unternehmen. Rechtlich unverbindliche Anregungen an die Organmitglieder, kombiniert mit einem Druckmittel, führen zu dem Schluss, dass den Beherrschungsmitteln eine faktische Wirkung zukommt mit einer Ausnahme: Die
Stimmrechtsmehrheit in einer GmbH versetzt ihren Inhaber aufgrund des gesetzlich
fixierten Weisungsrechts443 in die Lage, einzelne Maßnahmen der Geschäftsführung
vorzugeben. Die Stimmrechtsmehrheit kann in der GmbH somit eine direkte Wirkung entfalten. Hierbei basiert die Einflussnahme auf die Geschäftspolitik auf einer
rechtlichen Grundlage. In der Aktiengesellschaft hingegen vermag eine Einflussnahme nur indirekte Wirkung – vermittelt über die Androhung persönlicher Nachteile für das Organmitglied – zu erzeugen. Die Einflussnahme erfolgt auf einer tatsächlichen oder faktischen Grundlage.
In Personengesellschaften als Personengesamtheiten sind alle persönlich haftenden Gesellschafter in den Willensbildungsprozess integriert. Das heißt, bei Einstimmigkeitserfordernis oder Mehrheitsprinzip, wenn jedem Gesellschafter eine
Stimme zukommt, kann jeder Gesellschafter die Beschlussfassung blockieren. Eine
Stimmrechtsmehrheit ist nur denkbar, wenn gesellschaftsvertraglich das Mehrheitsprinzip vereinbart ist und das Stimmgewicht gesellschaftsvertraglich – abweichend
vom allgemeinen Grundsatz ein Gesellschafter eine Stimme – entsprechend der
vermögensmäßigen Beteiligung oder abweichend hiervon verteilt ist. Dann vermag
der Inhaber der Mehrheit der Stimmrechte seine geschäftspolitischen Vorstellungen
und Wünsche durchzusetzen. Die Beherrschungsmöglichkeit ergibt sich aufgrund
gesellschaftsvertraglicher Regelungen, somit auf rechtlicher Grundlage.
442 Bis in Höhe des Stammkapitals, § 33 II GmbH.
443 § 37 I GmbHG.
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Der kapitalmäßig mehrheitsbeteiligte Gesellschafter444 hat die Möglichkeit, seinen Wünschen durch Drohung mit seinem Austritt aus der Gesellschaft Nachdruck
zu verleihen. Der Austritt lässt einen Anspruch auf Auszahlung des von ihm eingebrachten Teils des Gesellschaftsvermögens zuzüglich der Gewinnquote entstehen.
Bei einer mehrheitlichen kapitalmäßigen Beteiligung entzieht dies der Gesellschaft
die Eigenkapitalbasis, so dass dies ein sehr starkes Druckmittel darstellt, welches
sowohl vom Inhaber der Stimmrechtsmehrheit als auch vom kapitalmehrheitlich beteiligten Gesellschafter eingesetzt werden kann. Wird der Austritt aus der Gesellschaft als Druckmittel eingesetzt, wirkt dieses Beherrschungsmittel im Tatsächlichen, somit auf einer faktischen Grundlage.
Bei der stillen Gesellschaft ist eine Stimmrechtmehrheit nur bei vereinbarter Beteiligung an der Geschäftsführung und Verteilung des Stimmgewichts entsprechend
der kapitalmäßigen Beteiligung denkbar. Druckmittel ist in beiden Fällen die Drohung einer Kündigung, verbunden mit dem Auszahlungsanspruch bezogen auf die
Beteiligung, zuzüglich etwaiger Gewinne.
Diese Untersuchung hat gezeigt, dass die einzelnen von § 6 II EBRG benannten
Beherrschungsmittel in den verschiedenen Gesellschaftsrechtsformen jeweils unterschiedliche Wirkungen haben. Ein Beherrschungsmittel, welches in der einen
Rechtsform stärkere Wirkungen hervorzubringen vermag, sei es, dass es eine rechtliche Durchsetzungsmöglichkeit im Hinblick auf die Geschäftspolitik im abhängigen
Unternehmen gewährt, sei es, dass die Zwangswirkung der angedrohten Nachteile
sehr stark ist, kann in einer anderen Rechtsform schwächere Wirkungen haben. Da
das EBRG445 hinsichtlich der abhängigen Unternehmen nicht auf bestimmte Rechtsformen beschränkt ist, genügt es für die Anforderungen an Beherrschungsmittel im
Sinne einer beherrschenden Einflussnahme nach § 6 I EBRG, dass diese nicht auf
eine bestimmte Wirkungsweise beschränkt sind. Taugliche Beherrschungsmittel sind
sowohl solche, die eine rechtlich durchsetzbare Einflussnahme auf die Geschäftspolitik gewähren, als auch solche, die eine Beeinflussung des Willensbildungsprozesses im Tatsächlichen ermöglichen, indem auf die Entscheidungsträger Druck in
Form der Androhung bestimmter Nachteile ausgeübt wird und sie somit in eine Entscheidungszwangslage gedrängt werden.
(3) Gegenstand beherrschender Einflussnahme ist eine Beeinflussung des Willensbildungsprozesses in den Entscheidungsträgern des abhängigen Unternehmens im
Hinblick auf eine aktive Steuerung der Geschäftspolitik. Ziel des Einfluss nehmenden herrschenden Unternehmens ist dabei eine Abstimmung der in den verschiedenen Unternehmen verfolgten Zwecke unter dem Aspekt einer Gewinnmaximierung.
Schutzzweck des EBRG ist es, den Arbeitnehmern Informations- und Anhörungsrechte zu gewähren, wenn vom Einfluss ausübenden Unternehmen geschäftspoliti-
444 Ohne dass ihm auch die Stimmrechtsmehrheit zukommt, sei es, dass das Einstimmigkeitsprinzip gilt oder sei es dass, das Mehrheitsprinzip vereinbart ist, aber die Stimmrechte so
verteilt sind, dass jedem Gesellschafter eine Stimme zukommt.
445 Wie auch die EBR-Richtlinie.
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sche Entscheidungen fremdbestimmt werden, die Auswirkungen auf die Arbeitnehmer haben können,446 welche z.B. die Beschäftigungspolitik, Änderung der Arbeitsorganisation, Einführung neuer Fertigungsverfahren betreffen.
Die Einflussnahme erfolgt über rechtlich unverbindliche Anregungen im Hinblick
auf geschäftspolitische Entscheidungen, kombiniert mit einem Druckmittel, der Abberufung aus dem Organamt oder dem Abzug der finanziellen Beteiligung. § 6 I
EBRG enthält keinerlei Aussagen darüber, dass ein Beherrschungsmittel nur persönliche Nachteile für die Organmitglieder mit sich bringen darf. Im Gegenteil: Die beispielhafte Auszählung der Einfluss gewährenden Mitteln in Art. 3 I der EBR-
Richtlinie „Eigentum, finanzielle Beteiligung, Bestimmungen, die die Tätigkeit des
Unternehmens regeln“,447 bezieht ausdrücklich Nachteile aus dem Abzug der finanziellen Beteiligung mit ein. Daraus folgt, dass auch Beherrschungsmittel, die eine
Entscheidungslage erzeugen, bei der zwischen verschiedenen Nachteilen für die Gesellschaft bzw. den Bestand des Unternehmens abzuwägen ist, sind taugliche Beherrschungsmittel im Sinne des Art. 3 I EBR-Richtlinie bzw. § 6 I EBRG. Aus der
Einbeziehung der Kapitalmehrheit in den Kanon der Beherrschungsmittel ergibt sich
zudem, dass Beherrschungsgrundlagen nicht notwendig auf eine Personalhoheit im
Sinne der Bestellung von Organmitgliedern gerichtet sein müssen, zumal dies bei
Personengesellschaften sowie der stillen Gesellschaft ohnehin nicht möglich ist. Die
in § 6 II EBRG genannten Beherrschungsmittel vermitteln keine Einflussnahmeposition, die mit rechtlichen Mitteln durchsetzbar ist. Der Inhaber eines der Beherrschungsmittel des § 6 II EBRG kann, mit Ausnahmen der Stimmrechtsmehrheit in
der GmbH aufgrund des Weisungsrechts,448 die abhängige Gesellschaft nicht zu bestimmten unternehmerischen Einzelmaßnahmen zwingen. Aber der Einsatz des
Druckmittels, welches den Entscheidungsträgern persönliche Nachteile oder den
Abzug der Beteiligung androht, bringt den Entscheidungsträger in eine Zwangslage,
in der er abwägen muss, zwischen einer Entscheidung im Sinne des Einfluss Nehmenden und den persönlichen Nachteilen bzw. den erheblichen Nachteilen für die
Gesellschaft aus dem Abzug der Beteiligung. Aus der Sicht des Einfluss Nehmenden
ist es die Erwartung, dass der Entscheidungsträger seinen Anregungen und Wünschen folgen und sich somit einflusskonform verhalten wird, weil er die in Aussicht
gestellten Nachteile höher gewichtet und zu vermeiden sucht, zumal, wenn die Entscheidung in seinem Sinne wirtschaftlich und geschäftspolitisch vertretbar erscheint.
Eine beherrschende Einflussnahme, ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne des § 6 I
EBRG setzt demnach keine einklagbaren Leitungs- oder Weisungsrechte voraus, es
genügt, wenn die Entscheidungsträger durch den Einfluss Ausübenden tatsächlich in
einen Entscheidungskonflikt gebracht werden.
Die Beherrschungsmittel des § 6 II EBRG wirken somit im Tatsächlichen, sie haben – mit Ausnahme des Weisungsrechts bei der GmbH - keine von Gesetz oder
Vertrag beabsichtigte, vorgegebene, sondern eine faktische Wirkung. Daraus folgt,
446 Vgl. § 32 II EBRG.
447 Die allerdings nicht in § 6 I EBRG übernommen worden ist.
448 § 37 I GmbHG, siehe dazu Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 16. A. 2004, § 37 Rn. 18.
152
dass zur Begründung eines Abhängigkeitsverhältnisses im Sinne des § 6 I EBRG
geeignete Beherrschungsgrundlagen zum einen solche sind, die auf einer rechtlichen
Grundlage (wie Gesellschaftsvertrag, gesetzliches oder vertragliches Weisungsrecht)
basieren, als auch solche genügen, die im Tatsächlichen wirken und eine faktische
Wirkung haben.
Die von ihnen vermittelte Machtposition versetzt ihren Inhaber in die Lage, auf
den Willensbildungsprozess innerhalb der Entscheidungsträger der abhängigen Gesellschaft einzuwirken; sie wirken damit gesellschaftsintern. Damit grenzt sich der
Abhängigkeitsbegriff des § 6 I EBRG von einer marktbedingten Abhängigkeit, wie
sie den Regelungen der §§ 19 – 21 GWB zugrunde liegt, ab. Letztere ist dadurch
gekennzeichnet, dass das marktmächtigere Unternehmen die Vertragsbedingungen
diktieren oder die Wettbewerbsmöglichkeiten des anderen Unternehmens beeinträchtigen, nicht aber aktiv inhaltlich auf geschäftspolitische Entscheidungen Einfluss nehmen kann.
Eine Mehrfachabhängigkeit von mehr als einem Unternehmen ist unter der
Voraussetzung möglich, dass die herrschenden Unternehmen ihre Willensbildung im
Hinblick auf eine gemeinsame einheitliche Einflussnahme koordinieren und sie
demgemäß bei der Beeinflussung der Geschäftspolitik im abhängigen Unternehmen
einheitlich auftreten.449 Die Ausübungsmacht hinsichtlich der beherrschenden
Einflussnahme ist somit teilbar, Abhängigkeitswirkungen hingegen nicht.
Die Untersuchung hat gezeigt, dass eine Mehrheit der Bestellungsrechte in
Gesellschaftsformen des deutschen Rechts nur bei Gesellschaften mbH aufgrund
gesellschaftsvertraglicher Vereinbarung in Betracht kommt. Dieses Einflussnahmemittel wirkt somit auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage. Ebenso ermöglicht die
Stimmrechtsmehrheit in einer GmbH auf der Grundlage des gesetzlich vorgesehenen
Weisungsrechts450 die Vorgabe geschäftspolitscher Einzelmaßnahmen. Einflussnahmen auf dieser Grundlage sind mit rechtlichen Mitteln durchsetzbar. Werden
gesellschaftsvertraglich eingeräumte Bestellungsrechte mißachtet, kann der
Bestellungsberechtigte die Geschäftsführerbestellung anfechten.451 Die Nichtbefolgung einer Weisung im Sinne des § 37 I GmbHG stellt einen wichtigen Grund
zur Abberufung dar, § 38 II GmbHG; zudem bedeutet sie eine Obliegenheitsverletzung,452 die einen Schadenersatzanspruch § 43 II GmbHG nach sich ziehen
kann. Andererseits können die Beherrschungsmittel aus § 6 II EBRG, ohne dass sie
einklagbare Rechte gewähren, auf rein tatsächlicher Ebene wirken. Damit kann man
Beherrschungsgrundlagen nach der Art ihrer Durchsetzbarkeit typisieren in rechtliche, solche die auf satzungsmäßiger, gesetzlicher oder vertraglicher Grundlage wir-
449 S.u. Kapitel 4 C und 6.
450 § 37 I GmbHG.
451 § 243 I AktG analog.
452 Unter der Voraussetzung deren Rechtmäßigkeit; bei Anhaltspunkten für die Rechtswidrigkeit der Weisung hat der Geschäftsführer ein Prüfungsrecht; siehe dazu Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 16. A. 2004, § 37 Rn. 22, 23.
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ken, und faktisch wirkende, bei denen das einflusskonforme Verhalten der Organmitglieder über rechtlich unverbindliche Anregungen verbunden mit einem Druckmittel erzeugt wird.
Die Untersuchung der Regelbeispiele § 6 II EBRG hinsichtlich Intensität und
Wirkungsweise bezogen auf Rechtsformen des deutschen Rechts hat gezeigt, dass
Bestellungsrechtsmehrheit (§ 6 II Nr. 1 EBRG), Stimmrechtsmehrheit (§ 6 II Nr. 2
EBRG) und Kapitalmehrheit (§ 6 II Nr. 3 EBRG) überwiegend nur indirekte
Einflussnahmemöglichkeiten gewähren. Das heißt, der privilegierte Gesellschafter,
dem eines dieser Einflussmittel zukommt, kann seinen Einfluss nur über
unverbindliche Anregungen und Hinweise an die Organpersonen, verbunden mit
dem Druckmittel persönlicher Nachteile aufgrund der Personalhoheit bei
Stimmrechts- oder Bestellungsrechtsmehrheit, durchsetzen. Die Personalhoheit
bringt die betroffenen Organmitglieder in eine Entscheidungszwangslage. Das
einflusskonforme Verhalten der Organmitglieder ergibt sich daraus, dass diese, für
sich abgewogen, nicht bereit waren, die angedrohten Nachteile hinzunehmen.
Rechtlich durchsetzbar sind diese Einflussnahmen jedoch nicht. Mit einer Ausnahme: das gesetzliche Weisungsrecht im Recht der GmbH (§ 37 I GmbHG) gibt
dem Inhaber der Stimmrechts- und/oder Bestellungsrechtsmehrheit eine rechtlich
verbindliche und durchsetzbare Beeinflussungsmöglichkeit und gewährt somit eine
direkte Einflussnahmemöglichkeit. Aufgrund der den Regelbeispielen § 6 II EBRG
zukommenden Vermutungswirkung müssen die unter § 6 I EBRG zu erfassenden
Einflussgrundlagen mindestens eine indirekte Einflussnahmemöglichkeit begründen,
eine solche, die den originären Entscheidungsträger in eine Entscheidungszwangslage bringt.
Im Folgenden sollen unter Rückgriff auf die Kasuistik der europäischen Fusionskontrolle verschiedene Unternehmensverbindungen auf ihre Einbeziehungsfähigkeit
in den Gruppenbegriff des § 6 EBRG geprüft werden.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Europaweit agierende Unternehmen bevorzugen zunehmend Formen der Einflussnahme auf andere Gesellschaften, die sich nicht mehr nur über die Kategorien Austauschvertrag und Konzern erfassen lassen. Um diese einer rechtlichen Regelung zuführen zu können, müssen sie strukturell erfasst und einem Rechtsbegriff zugeordnet werden.
Ausgehend von dem in der EBR-Richtlinie verwendeten Begriff der Unternehmensgruppe werden in dieser Studie vielfältige Abhängigkeitsbeziehungen untersucht. Über die bisher vom deutschen Konzernrecht betrachteten gesellschaftsrechtlich vermittelten Beherrschungsgrundlagen hinausgehend, gelingt die strukturelle Erfassung von organisationsvertraglichen Einflussnahmeformen. Die entwickelten Strukturelemente von Unternehmensgruppen sind auch für andere Bereiche des europäischen Rechts der Unternehmensverbindungen von größtem Interesse.