201
In diesen Problemkreis fallen auch die im Folgenden mitbehandelten „Geschäftsund Entwurfsmethoden“.1024 Bei ihnen stellt sich das Problem der grundsätzlichen
Patentierbarkeit (bisher) nur dann, wenn sie in einem Computerprogramm verwirklicht wurden, so dass es auch hier nur darum gehen kann, inwieweit allein durch die
Umsetzung einer Geschäftsmethode in ein Computerprogramm Patentfähigkeit begründet werden kann.1025 Dies führt letztlich notwendigerweise auch zu der grundsätzlichen Frage, ob und wann für ein Computerprogramm allein Patentschutz beansprucht werden kann. Nur wenn das der Fall ist, kann es nämlich auch schutzbegründend für ansonsten nicht patentfähige Verfahren sein.
II. Internationaler Programmschutz
Zunächst sind auch in Bezug auf das Patentrecht die Verhältnisse in wirtschaftlichen
bedeutsamen Staaten wie den USA und Japan zu betrachten, die in Bezug auf Computerprogramme andere Ansätze verfolgt haben als das deutsche und europäische
Recht bisher. Gerade das US-amerikanische Recht spielt auch hier eine besondere
Rolle im kontinentaleuropäischen Bereich. Einerseits dient es insgesamt als Vorbild
im Hinblick auf den Schutz von Computerprogrammen, andererseits fordert die zunehmende Globalisierung eine Berücksichtigung der dortigen Schutzstandards, um
wettbewerbsfähig zu bleiben.
Leitbildfunktion für das deutsche Recht haben in Bezug auf Computerprogramme
auch die japanischen Regeln, da es hier verhältnismäßig klare, wenn auch großzügige Vorschriften zur Patentfähigkeit computerimplementierter Erfindungen gibt. Auffällig ist an beiden Rechtsordnungen, dass dort eine sehr großzügige Patentierungspraxis im Hinblick auf computerimplementierte Erfindungen herrscht und sie dennoch unbestreitbar zu den führenden Nationen moderner Technologie gehören.1026
Das Argument einiger Patentgegner, eine umfassende Patentierbarkeit computerim-
1024 Geschäfts- und Entwurfsmethoden werden häufig getrennt von den „Softwarepatenten“ betrachtet. Vgl. Jänich, GRUR 2003, 483, der dies für erforderlich hält. Vgl. a. Busche, Patentschutz für computerimplementierte Erfindungen, 2003, S. 1, der zwischen einer sachlichen
und einer juristischen Ebene differenziert und Geschäftsmethoden und andere Programme einer einheitlichen sachlichen Ebene zuordnet.
1025 In der japanischen Praxis, die durch ähnliche Probleme gekennzeichnet ist wie die europäische, werden computerimplementierte Geschäftsmethoden ausdrücklich nach denselben
Prinzipien überprüft wie andere computerbezogene Erfindungen, vgl. Basinski et al., GRUR
Int. 2007, 44, 46.
1026 Nach dem WIPO-Jahresbericht 2006 sind sie die führenden Nationen im Hinblick auf Patentanmeldungen, vgl. http://www.wipo.int/pct/en/activity/pct_2006.pdf, S. 3. Dies sagt zwar
nichts Definitives über den tatsächlichen Innovationsgrad aus, ist aber zumindest ein Indiz
dafür, dass trotz umfangreicher Patentierungsmöglichkeiten nicht nur was Computerprogramme angeht keine merklichen Innovationshemmnisse bestehen. Hierzu Blind et al., Softwarepatente, 2003, S. 204.
202
plementierter Erfindungen führe zu genereller Innovationshemmung, hat vor diesem
Hintergrund nur noch wenig Substanz.1027
1. USA
Der Patentschutz für Computerprogramme in den USA ist zwar gesetzlich geregelt
in § 101 Kap. 35 U.S.C., seine Entwicklung aber stark durch „Case Law“ beeinflusst.1028 § 101 unterscheidet zwischen patentfähigen und nicht patentfähigen Erfindungen. Er lautet:
“Whoever invents or discovers any new and useful process, machine, manufacture, or composition of matter, or any new and useful improvement thereof, may obtain a patent therefore
(…)”
Entscheidend für die Zulassung zum Patentschutz und damit die Abgrenzung
zwischen patentfähigen und nicht patentfähigen Erfindungen ist also nicht wie im
europäischen Recht die Zugehörigkeit zum Bereich „Technik“,1029 sondern die
„Nützlichkeit“ (Utility) eines Prozesses, einer Maschine, eines Produktes, einer
Stoffzusammensetzung oder jedwede Verbesserung hiervon. Grundsätzlich sind alle
Ansprüche schutzfähig, die Maschinen, die Beeinflussung von Maschinen oder Verfahren innerhalb von Maschinen beschreiben.1030
Einschränkungen in Bezug auf zum Schutz zugelassene Gegenstände gibt es
nicht. Patentfähig ist nach der grundlegenden Supreme Court-Entscheidung „Diamond vs. Chakrabarty“ vielmehr „alles unter der Sonne, was von Menschen gemacht wird“.1031 Allerdings gibt es – ähnlich der weiter unten besprochenen deutschen und europäischen Ausschlusstatbestände – Kategorien von Gegenständen, für
die dies nicht gilt: Abstrakte Ideen, Naturgesetze und Naturphänomene.1032 Mathematische Ideen und damit Algorithmen und Computerprogramme können als Unterfall der abstrakten Idee schutzunfähig sein. Auch sie sind aber dann patentierbar,
wenn ihr Ergebnis „useful, concrete and tangible“1033 ist, so dass die Einschränkung
praktisch wertlos ist.
Den bisherigen Schlusspunkt der von zahlreichen Konflikten geprägten Entwicklung und noch immer gültigen Maßstab bezüglich der Computerprogramm-Patente
1027 Vgl. unten Viertes Kapitel, A. I. 1. a).
1028 Für die Rechtslage in den USA und Großbritannien vor 1973 vgl. Kolle, GRUR 1974, 7, 12f.
1029 Vgl. Art. 52 Abs. 1 EPÜ und die folgende Diskussion, dazu Abschnitt D. IV. 3. d).
1030 Dazu auch Nack, Die patentierbare Erfindung, 2002, S. 65ff.; Basinski et al., GRUR Int.
2007, 45, 46; und Jänich, GRUR 2003, 483ff.
1031 „Everything under the sun made by a man should be patentable“, Federal Supreme Court in:
Diamond v. Chakrabarty, 447 U.S. 303, 309 (1980). Die Entscheidung betraf einen von Menschenhand geschaffenen Mikroorganismus und seine Patentierbarkeit.
1032 Diamond v. Diehr, 450 US 175, 185 (1981).
1033 Dt.: Nützlich, konkret und dinghaft.
203
in den USA stellt die Entscheidung „State Street Bank“1034 dar. Es ging um ein computerimplementiertes Geschäftsverfahren und den zugrundeliegenden Algorithmus.1035 Dieser muss nach „State Street Bank“ lediglich auf eine nützliche Art und
Weise angewendet werden, um patentfähig zu sein. Ein „nützliches, konkretes und
dinghaftes“ Ergebnis der Datenverarbeitung reicht hierzu aus.1036 Damit war der
Weg für die umfassende Zulassung von computerimplementierten Erfindungen
geebnet. „State Street Bank“ wurde später in „Excel“1037 und „Ebay“1038 bestätigt
und weiter konkretisiert. Die Entscheidung hatte Einfluss auf die europäische Diskussion und wird in der Regel insbesondere von der Open Source-Szene als negatives Vorbild herangezogen.
„State Street Bank“ hatte nämlich eine sehr großzüge Erteilungspraxis des USP-
TO zur Folge, die zu der berüchtigten Masse an „Trivialpatenten“, d. h. Patenten mit
geringer Erfindungshöhe, in den USA geführt hat. Ein derartiges „Patentdickicht“ ist
vor dem Hintergrund eines funktionsfähigen Wettbewerbs in der Tat höchst bedenklich, da es zu einem Übermaß an monopolisierten Wissen kommt und durch Lizenzpflichten Innovationshemmungen entstehen. Mit der übermäßigen Patentierung zusammen hängen unter anderem Praktiken wie Patentpools und Cross-Licensing (d.h.
die wechselseitige Zurverfügungstellung von Lizenzen durch Unternehmen), ohne
die in den USA Innovation kaum noch möglich ist. Hinzu kommen so genannte „Patenttrolle“, d. h. Unternehmen, die Patente nur anmelden, um sie später überteuert zu
lizenzieren. Hauptsächlich vor diesem Hintergrund hat sich jüngst eine Initiative in
den USA gegründet, um Softwarepatente abzuschaffen, da ihrer Auffassung nach
Auseinandersetzungen um Patente einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden nach
sich ziehen. 1039
Bemerkenswert ist allerdings, dass in der Rechtsprechung in jüngster Zeit ein
Umdenken hinsichtlich der Trivialpatente stattzufinden scheint. Anfang 2008 entschied der Supreme Court in der Sache „KSR International vs. Teleflex“1040, dass
„die Erteilung eines Patentschutzes für Fortschritte, die sich im normalen Entwicklungsverlauf ohne echte Innovation abspielen, den Fortschritt (verhindern) und im
Fall von Patenten, die zuvor bekannte Elemente zusammenführen, frühere Erfindungen ihres Wertes und ihres Nutzens berauben (können)“. Das bisherige Kriterium
zur Beurteilung der erfinderischen Neuheit, die Offensichtlichkeit, bedürfe der Er-
1034 Diese Entscheidung wurde auch in der deutschen Literatur vielfach kommentiert, vgl. z. B.
Basinski et al., GRUR Int. 2007, 45, 46; Jänich, GRUR 2003, 843ff.; Laub, GRUR Int. 2006,
629, 632ff.
1035 US Court of Appeals of the Federal Circuit, 149 F.3d 1368 (Fed. Cir. 1998), abgedruckt in
GRUR Int. 1999, 636. Vgl. a. Alappat, 33 F.3d at 1542, 31 U.S.P.Q.2d at 1556, die ebenfalls
als Wegweiser der Entwicklung gilt. Zu erwähnen ist außerdem Warmerdam, 31 U.S.P.Q.
1754 (1994).
1036 Laub, GRUR Int. 2006, 629, 631, 633.
1037 Excel, 50 U.S.P.Q. 1447 (1999)
1038 Ebay, CAFC 2005.
1039 www.endsoftwarepatents.org.
1040 Mehrheitsmeinung der Richter abzurufen unter http://www.supremecourtus.gov/opinions/
06pdf/04-1350.pdf.
204
gänzung, entschied das Gericht.1041 Weitere diesbezügliche Entscheidungen aus dem
US-amerikanischen Raum sind daher mit Spannung zu erwarten.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es in den USA bislang nahezu keine Einschränkungen in Bezug auf Computerprogramme und ihre grundsätzliche Patentfähigkeit gibt. Erst in jüngster Zeit scheint ein Umdenken bezüglich der Offensichtlichkeit einer Erfindung begonnen zu haben. Grundsätzlich ist aber immer noch jede
vom Menschen geschaffene, nützliche Erfindung dem Patentschutz zugänglich,
unabhängig davon ob ein Computerprogramm oder ein Algorithmus eine Rolle
spielt oder nicht.1042 Das Technizitätserfordernis, das die europäische und deutsche
Diskussion maßgeblich prägt,1043 fehlt völlig.
2. Japan
In Japan kann für programmbezogene Erfindungen ebenfalls grundsätzlich Schutz
durch das Patentrecht begehrt werden.1044 Computerimplementierte Erfindungen
sind dann patentierbar, wenn sie die allgemeinen Anforderungen an Erfindungen erfüllen, §§ 2 Abs. 1 und 29 Abs. 1 Japanese Patent Law (JPL): Es muss sich um eine
patentfähige Erfindung handeln, sie muss neu sein, einen erfinderischen Schritt beinhalten und die – sehr wichtigen – Beschreibungsanforderungen erfüllen.1045 Eine
patentfähige Erfindung ist nach § 2 Abs. 1 JPL jede (hochgradig fortschrittliche)
Kreation technischer Ideen unter Einsatz eines Naturgesetzes.1046 Die Abgrenzung
zwischen patentfähigen und nicht patentfähigen Erfindungen erfolgt also über den
Einsatz eines Naturgesetzes. Hierin kann möglichweise eine Analogie zum deutschen und europäischen Technizitätserfordernis gesehen werden, ausdrücklich erwähnt wird die „Technik“ jedoch an keiner Stelle. Naturgesetze selbst, Naturerscheinungen, von Menschen geschaffene Regeln, abstrakte Ideen und rein mathematische Algorithmen sind auch in Japan nicht als Erfindungen anzusehen.1047
Besondere Prüfungsaspekte für computerbezogene Erfindungen enthalten die
„Examination Guidelines for Patent and Utility Model in Japan“,1048 die erstmals
1975 erlassen wurden. Bereits in dieser ersten Fassung wurde festgehalten, dass
1041 Im deutschen Recht entspricht das der erfinderischen Tätigkeit. Vgl. dazu III. 3. d).
1042 Basinski et al., GRUR Int. 2007, 44, 46.
1043 Dazu sogleich III. 4.
1044 Vgl. Sommer, GRUR Int. 1994, 383, 389, der auch eine umfassende Analyse der Ist-Situation
mit zahlreichen Nachweisen aus der japanischen Literatur vornimmt, allerdings nur bis 1993.
1045 Auffällig ist, dass die japanischen Prüfungsrichtlinien mehr Hinweise zu den Beschreibungsbzw. Offenbarungsanweisungen enthalten als zum materiellen Recht. Vgl. Japan Patent Office (JPO),.Examination Guidelines für Patent and Utility Model in Japan, 2000, abrufbar
unter http://www.jpo.go.jp/quick_e/index_tokkyo.htm.
1046 Diese Formel erinnert an die Erfindungsdefinition, die der BGH in Rote Taube aufgestellt
hat. Vgl. BGHZ, 52, 74, 76 – Rote Taube.
1047 Vgl. Basinski et al., GRUR Int. 2007, 44, 46.
1048 JPO, aaO.
205
Computerprogramme Naturgesetze anwenden müssen und nicht nur Ausdruck einer
Idee oder eines logischen Prozesses sein dürfen,1049 wenn Patentschutz für sie gewährt werden soll. Patentfähig sind Vorrichtungen, Verfahren, Programme oder
computerlesbare Speichermedien, die das Programm speichern, wenn wenigstens ein
Teil der angemeldeten Erfindung ein Naturgesetz anwendet. Erfindungen, die einen
durch Menschen ausgeführten Schritt enthalten, sind dagegen nicht patentfähig, da
die Erfindung als Ganzes Naturgesetze verwenden muss. Dies erinnert an das bis zur
Entscheidung „Logikverifikation“ vom BGH geforderte Merkmal der Unmittelbarkeit des Einsatzes beherrschbarer Naturkräfte.1050
Die Prüfungsrichtlinien des JPO verlangen als Eingrenzung lediglich, dass das
Programm in ausreichender Weise mit Hardwaremitteln zusammen wirken muss.1051
Dazu soll es nicht genügen, die Hardwaremittel einfach im Anspruch zu nennen,
sondern es wird überprüft, ob die Erfindung hinreichend konkret den Gebrauch von
Hardware verlangt, damit der geforderte Einsatz von Naturgesetzen gewährleistet
ist.1052 Ausreichend ist in der Regel aber bereits der Zugriff auf Hardware-
Ressourcen, der bei einem Computerprogramm schon wegen seiner Steuerungseigenschaften für den Rechner ohne Weiteres begründbar ist.1053 Größere Rechtsstreitigkeiten über die Patentfähigkeit von Computerprogrammen sind aus Japan nicht
bekannt.
3. Internationale Abkommen
Auch im Bereich des Patentrechts sind zahlreiche internationale Abkommen von
großer Bedeutung, die grenzüberschreitende Aspekte des Patentschutzes regeln.1054
Die Zustimmung zu den Abkommen ist in Deutschland geregelt im Gesetz über
internationale Patentübereinkommen (IntPatÜG).1055
1049 Dazu Fukuhara/Tsunoda, CR 1987, 262ff.; vgl. a. die Nachweise bei Sommer, GRUR Int.
1994, 383, Fn. 39.
1050 BGHZ, 52, 74, 76 – Rote Taube; BGHZ 143, 255ff. – Logikverifikation.
1051 JPO, Examination Guidelines für Patent and Utility Model in Japan, 2000, Kap. VII, Punkt
2.2.1.
1052 JPO, Examination Guidelines für Patent and Utility Model in Japan, 2000, Kap. VII, Punkt
2.2.1. Vgl. a. die Entscheidung Hei 9 (Gyo Ke) 206, 26. Mai 1999.
1053 Sommer, GRUR Int. 1994, 383, 390.
1054 Vgl. dazu auch ausführlicher Brandi-Dohrn, Europäisches und internationales Patentrecht, 5.
Aufl. 2002, S. 298ff.
1055 Gesetz über internationale Patentübereinkommen vom 21. Juni 1976, BGBl. II, 649.
206
a) Pariser Verbandsübereinkunft
Die Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ) ist die erste große Übereinkunft über die
Erteilung von Patentrechten und stammt aus dem Jahre 1883.1056 In ihr geregelt sind
auch andere gewerbliche Schutzrechte, soweit es sich um so genannte Registerrechte
handelt, d. h. Gebrauchsmuster, Geschmacksmuter und Marken. Bemerkenswert ist
hier nur, dass die Übereinkunft geschlossen wurde, bevor es in Europa flächendeckend Patentrechte gab. Lediglich Frankreich und die französisch besetzten Länder
kannten zu dieser Zeit derartige Schutzrechte. Die wesentlichen Bestimmungen der
PVÜ finden sich in ihren Art. 2 und 4, die Regelungen zur Inländerbehandlung und
zur gegenseitigen Gewährung von Prioritätsrechten enthalten.1057 Die Inländerbehandlung entspricht der in Art. 3 TRIPS enthaltenen1058, steht aber hier in einem anderen Zusammenhang, nämlich dem der Einführung eines angemessenen Inlandsschutzes.1059 Bezüglich der Computerprogramme enthält die PVÜ aus naheliegenden
Gründen keine Sonderregelungen: Sie waren zum Zeitpunkt ihres Abschlusses noch
nicht bekannt.
b) Straßburger Übereinkommen
Die Arbeiten an einem harmonisierten europäischen Patentrecht begannen 1949 in
Straßburg mit dem sog. „Longchambon Plan“.1060 Ihren (vorläufigen) Abschluss
fanden sie im Straßburger Übereinkommen (StraÜ) von 1963.1061 Mitgliedstaaten
waren die damaligen Mitglieder der EWG. Der zweite Weltkrieg hatte eine frühere
Vereinheitlichung verhindert. Das StraÜ enthält allgemein gehaltene Formulierungen für Gegenstände, für die eine Patentierungspflicht der Mitgliedstaaten als sinnvoll angesehen wurde. Art. 1 lautet: „Für Erfindungen, die gewerblich anwendbar
sind, neu sind und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen, werden in den Vertragsstaaten Patente erteilt.“ Bemerkenswert daran ist, dass es keinerlei Hinweise auf
eine notwendige Technizität der Erfindungen gibt.
1056 Ihre aktuelle Fassung stammt aus dem Jahre 1967 (Stockholmer Fassung), BGBl. 1970 II,
S: 293, 371; BT-Drs. 6/401, S. 520. In Kraft seit dem 3. Juni 1984, BGBl. II, 799.
1057 Dazu Keukenschrijver, in: Busse, PatG, 6. Aufl. 2003; Einl. IntPatÜG, RdNr. 10; Ullmann,
in: Benkard, PatG, 10. Aufl. 2006, Internationaler Teil RdNr. 30ff. Vgl. zum Grundsatz der
Inländerbehandlung Ullrich, GRUR Int. 1995, 623, 632, 638.
1058 S. a. oben C. I. 3. c).
1059 Keukenschrijver, in: Busse, PatG, 6. Aufl. 2003, Einl. IntPatÜG, RdNr. 10.
1060 Keukenschrijver, in: Busse, PatG, 6. Aufl. 2003, Art. I IntPatÜG, RdNr. 2. Der Plan wurde
benannt nach dem französischen Senator Henri Longchambon.
1061 Straßburger Übereinkommen über die Vereinheitlichung gewisser Begriffe des materiellen
Rechts der Erfindungspatente (StraÜ). CETS-Nr. 047, Volltext abrufbar unter
http://conventions.coe.int/Treaty/Commun/QueVoulezVous.asp?NT=047&CM=8&DF=2/22/
2008&CL=ENG. Deutsche Zustimmung im Gesetz über internationale Patenübereinkommen
vom 21. Juni 1976, BGBl. II, S. 649ff. In Kraft getreten ist das Abkommen am 1. August
1980.
207
Art 2 des StraÜ enthält komplementär dazu eine Liste von Gegenständen, die
nicht patentiert werden sollen. Computerprogramme werden nicht ausdrücklich erwähnt. Allerdings ist war das Phänomen Computerprogramm 1963 noch nicht sehr
bekannt. Folglich hatte auch die Debatte über ihren immaterialgüterrechtlichen
Schutz noch nicht begonnen. Insgesamt hat das StraÜ insbesondere über seinen
Nachfolger, das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) die Entwicklung des europäischen Patentrechts maßgeblich beeinflusst. Eine eigenständige Bedeutung hat
es trotz seines Art. 13, der unbegrenzte Gültigkeit anordnet, jedoch heute nicht
mehr.1062
c) Europäisches Patentübereinkommen
Die heute bedeutsamste Rechtsquelle auf europäischer Ebene ist – neben TRIPS –
das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ),1063 das in Art. 52 die materiellen Anforderungen an die Patentierbarkeit von Erfindungen regelt. Diese Vorschrift ist, bis
auf den ausdrücklichen Technikbezug in Abs. 1 (… „auf allen Gebieten der Technik“…), gleichlautend mit § 1 PatG. Der erste Vorentwurf dieses Abkommens wurde, nachdem die Verhandlungen bereits 1959 begonnen hatten, erst im Jahre 1970
gebilligt.1064 Und erst die Münchener Diplomatische Konferenz über die Einführung
eines europäischen Patenterteilungsverfahrens führte 1973 zur Unterzeichnung des
EPÜ und damit auch zur Schaffung der Europäischen Patentorganisation (EPO).1065
Das EPÜ ist eigenständiges Recht, d. h. es handelt sich nicht um Recht der Europäischen Gemeinschaft. Europäische Gerichte haben keine Entscheidungskompetenz.
Nichts desto trotz lassen sich die weiter oben unter A. angestellten Überlegungen
zum EG-Vertrag als allgemeine Leitlinien auch auf die Ausgestaltung europäischer
Patente beziehen. Es ist nicht einzusehen, warum hier der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und wettbewerbliche Überlegungen, die letztlich dasselbe Gebiet, nämlich
den europäischen Wirtschaftsraum, betreffen, nicht einschlägig sein sollten. Darüber
hinaus richten sich auf die meisten mitgliedstaatlichen Regelungen nach dem EPÜ,
so dass spätestens bei der nationalen Ausgestaltung die beschriebene Interessenabwägung einzuhalten ist.
Zuletzt revidiert wurde das Übereinkommen erst kürzlich (die neue Fassung trat
im Dezember 2007 in Kraft). Der Ausschlusstatbestand für „Computerprogramme
als solche“ in Art. 52 Abs. 2 lit. c EPÜ wurde dabei zwar diskutiert, letztlich aber
beibehalten.1066 Das EPÜ enthält sowohl formale Regelungen hinsichtlich der Insti-
1062 Keukenschrijver, in: Busse, PatG, 6. Aufl. 2003, Art. I IntPatÜG, RdNr. 2; Ullmann, in: Benkard, PatG, 10. Aufl. 2006, Internationaler Teil, RdNr. 80.
1063 BGBl 1976 II S. 649, 826.
1064 Zur Geschichte auch Guellec/van Pottelsberghe de la Potterie, The Economics of the European Patent System, 2007, S. 27ff.
1065 BGBl. 1976 II, 649, 826.
1066 Vgl. Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000, in Kraft getreten am 13. Dezember 2007.
208
tutionen, als auch materielle Regelungen über die Patenterteilung in den Art. 52ff. In
institutioneller Hinsicht ist vor allem die EPO zu nennen, die in Art. 4 genannt ist.
Völkerrechtlich handelt es sich um eine zwischenstaatliche Organisation, die aus
dem Europäischen Patentamt (EPA) und dem Verwaltungsrat aufgebaut ist, der das
EPA überwacht und Rechtsetzungskompetenzen hat.1067 Das EPA ist demgegenüber
zuständig für die Verwaltung und Vergabe von Patenten. Gegen seine Entscheidungen kann Berufung eingelegt werden bei den Beschwerdekammern, gerichtlich sind
jedoch bislang die nationalen Gerichte zuständig.1068
d) TRIPS
Das TRIPS wurde bereits im Rahmen der urheberrechtlichen Erläuterungen angesprochen.1069 Die weiter oben beschriebenen Grundsätze der Inländerbehandlung
(Art. 3) und der Meistbegünstigung (Art. 4) gelten selbstverständlich auch für das
Patentrecht.
TRIPS enthält – anders als in seinem urheberrechtlichen Teil – im Patentrecht
keine speziellen Regelungen hinsichtlich der Computerprogramme, sondern schreibt
den Mitgliedstaaten in Art. 27 lediglich vor, alle technischen Erfindungen zu patentieren. Ob darunter auch Computerprogramme fallen, wird weiter unten zu klären
sein, ebenso wie der Einfluss des TRIPS, dass keinen Ausschlusstatbestand hinsichtlich der Computerprogramme enthält, auf die Auslegung und Anwendung des
EPÜ.1070
e) Patent Cooperation Treaty
Für den Schutz selbst von geringer, für die Anmeldung von Patenten aber von gro-
ßer Bedeutung ist der Patent Cooperation Treaty (PCT)1071 von 1970. Er regelt das
Verfahren für den Fall, dass in mehreren Mitgliedstaaten ein Patent auf einen einheitlichen Erfindungsgegenstand erworben werden soll und ermöglicht dies mit einer einzigen Anmeldung. Zur vorläufigen Sicherung des Patents reicht hier gemäß
Art. 3 des Abkommens die Hinterlegung bei einem Patentamt eines Mitgliedstaates.
Verwalter des PCT und der Anmeldungen ist die WIPO.
1067 Keukenschrijver, in: Busse, PatG, 6. Aufl. 2003, Art. I IntPatÜG, RdNr. 9; vgl. a. Ullmann,
in: Benkard, PatG, 10. Aufl. 2006, Internationaler Teil, RdNr. 101.
1068 Zur Debatte um eine einheitliche europäische Patentgerichtsbarkeit ausführlich sogleich Abschnitt III. 1.
1069 S. o. C. I. 3. c).
1070 S. dazu unten III. 7. c).
1071 „Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens“, BGBl
1976 II, S. 649, 664; BGBl. 1978 II, S. 485. Zuletzt geändert 2001.
209
III. Patentschutz in Deutschland und Europa – Der Status Quo
Bereits Anfang der 1970er Jahre, als Art. 52 EPÜ formuliert wurde,1072 kam die Frage auf, ob und inwieweit Computerprogramme patentrechtlich geschützt werden
sollten.1073 Damals waren Computerprogramme rechtlich und technisch eine Neuerung, deren Behandlung vollkommen unklar war. Unglücklicherweise hat sich an
dieser Unklarheit bis heute nicht sehr viel geändert. Erst in jüngster Zeit scheint es
Bestrebungen aus dem EPA zu geben, hier endlich Klarheit zu schaffen.1074
1. Das European Patent Litigation Agreement und das Europäische
Gemeinschaftspatent
Spätestens mit dem Wiederaufgreifen der Versuche, ein europäisches Gemeinschaftspatent zu schaffen, ist der Streit um Softwareinnovationen, Softwarepatente,
computerimplementierte und computerimplementierbare Erfindungen auf europäischer Ebene wieder voll im Gange.1075 Das zeigt wohl unter anderem auch, dass das
Urheberrecht von der Praxis nicht als optimale Lösung angesehen wird. Patentgegner befürchten jedoch, dass „Softwarepatente“ im Rahmen des Gemeinschaftspatents „durch die Hintertür“ grundsätzlich eingeführt werden sollen,1076 da es im Wesentlichen um eine Festschreibung der diesbezüglich großzügigen Erteilungspraxis
des EPA gehen soll.
Hintergrund der Befürchtungen ist die Tatsache, dass dann das EPA alleinige
Vergabebehörde für Patente wäre, und damit seine heftig kritisierte Erteilungspraxis
insbesondere im Hinblick auf Computerprogramme etabliert würde.1077 Um eine
Neueinführung von Programmpatenten geht es jedoch entgegen der Behauptungen
der Patentgegner nicht. Dass die Praxis des EPA in der Tat kritikwürdig ist, weil sie
dem aktuellen Gesetzeswortlaut widerspricht, wird weiter unten noch deutlicher.1078
Es muss also auch in Bezug auf eine Vereinheitlichung auf prozessualer Ebene zunächst darum gehen, die Vergabepraxis auf nationaler und gemeinschaftlicher Ebene
vor dem Hintergrund der bestehenden Gesetzeslage zu untersuchen und Missstände
1072 Die Vorschrift gilt als Vorbild für § 1 PatG und ist folglich nahezu gleichlautend.
1073 Vgl. Pfeiffer, GRUR 2003, 581, 586.
1074 http://www.heise.de/newsticker/Europaeisches-Patentamt-will-Unsicherheiten-bei-
Softwarepatenten-klaeren--/meldung/117929.
1075 Zu den Bestrebungen, eine einheitliche Patentgerichtsbarkeit zu schaffen vgl. a. die jüngste
Empfehlung der Kommission hierzu unter http://ec.europa.eu/internal_market/indprop/patent/
index_de.htm. Es ist allerdings nicht zu erwarten, dass diese Vereinheitlichungsbestrebungen
in überschaubarer Zeit zu Erfolg führen werden. Das EPLA kann als gescheitert bezeichnet
werden, da im Rat keine Einigung über eine gemeinsame Linie gefunden werden konnte.
Auch im Hinblick auf das Gemeinschaftspatent ist die Zukunft ungewiss.
1076 Wimmer-Leonhardt, WRP 2007, 273.
1077 Vgl. etwa Müller, auf www.NoSoftwarepatents.com.
1078 S. u. 4. c) und 5.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit will langjährige Missverständnisse und Schwierigkeiten des immaterialgüterrechtlichen Schutzes von Computerprogrammen endgültig ausräumen. Die Betrachtung aus wettbewerbsorientiertem Blickwinkel auf der Grundlage der technischen und ökonomischen Besonderheiten ist – soweit ersichtlich – die erste Untersuchung, die sowohl das Urheber- als auch das Patentrecht einbezieht und dabei eine umfassende Neuregelung vorschlägt.
Dr. Lina Barbara Böcker befasst sich im Rahmen ihrer Tätigkeit am Institut für Wirtschafts-, Wettbewerbs- und Regulierungsrecht an der Freien Universität Berlin in erster Linie mit wettbewerbsrechtlichen Problemen des Immaterialgüterrechtsschutzes und allgemeinem Zivilrecht.