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I. Urheber- und Patentrecht als Hauptschutzinstrumente
Bereits in der Einleitung449 wurde erläutert, dass als Ergebnis der langanhaltenden
und intensiven Diskussion um den Programmschutz in den 80er Jahren ein urheberrechtlicher Schutz für sinnvoll erachtet wurde.450 Dies war damals unter anderem auf
zwei Argumente zurückzuführen: Einmal auf den damaligen § 1 Abs. 2 Nr 3, Abs. 3
PatG bzw. Art. 52 Abs. 2 lit. c, Abs. 3 EPÜ, die zu diesem Zeitpunkt bereits Computerprogramme „als solche“ vom Schutz ausnahmen,451 andererseits auf bereits bestehende internationale Abkommen und hier insbesondere die RBÜ, deren erneuten
Abschluss für ein Sonderschutzrecht man als zu aufwändig und daher überflüssig
ansah.452 Erst in jüngerer Zeit erlangt auch der Patentschutz trotz intensiver Kritik
wieder größere Akzeptanz. Ziel dieser Arbeit ist es unter anderem, die erheblichen
wettbewerblichen Vorteile, die ein solches Schutzrecht im Hinblick auf die vorstehenden Überlegungen unter A. mit sich bringen kann, in den Vordergrund zu rücken
und gleichzeitig den „Hype“ um das Urheberrecht zu relativieren.
II. Gebrauchs- und Geschmacksmusterschutz
Praktisch werden sowohl der Gebrauchs- als auch der Geschmacksmusterschutz in
Bezug auf Computerprogramme als problematisch und –angesichts der Dominanz
von Urheber- und Patentrecht- von untergeordneter Bedeutung angesehen.453 Dargestellt werden sollen sie der Vollständigkeit halber dennoch.
1. Gebrauchsmusterrecht
Das Gebrauchsmuster wird oftmals als „kleines Patent“ bezeichnet, d. h. es gelten
ähnliche, aber nicht identische Schutzvoraussetzungen.454 Der sachliche Anwen-
449 S. o. Erstes Kapitel. A.
450 In den Katalog der geschützten Werke wurden Computerprogramme mit der Novelle von
1985 aufgenommen, die derzeit gültigen Regeln der § 69a ff. wurden im Jahre 1993 (2. Urh-
GÄndG v. 9. Juni 1993, BGBl. I, S. 910) in das Gesetz aufgenommen.
451 Loewenheim, in: Schricker, UrhG, 3. Aufl. 2006, Vor § 69a ff., RdNr. 1, 8; Kraßer, PatR, 5.
Aufl. 2004, S. 146ff.
452 Auch die WIPO, deren Mustervorschriften (abgedruckt in GRUR Int 1978, 266) zunächst
einen Sonderrechtsschutz nach dem Vorbild des Urheberrechtsschutzes vorsahen, lehnte am
Ende einen Sonderrechtsschutz ab. Dazu Loewenheim, in: Schricker, UrhG, 3. Aufl. 2006,
vor § 69a ff., RdNr. 1.
453 Grützmacher, in: Wandtke/Bullinger, UrhG, 3. Aufl. 2009, § 69g RdNr. 17. Vgl. a. Loewenheim, in: Schricker, UrhG, 3. Aufl. 2006, Vor §§ 69aff. RdNr. 10; v. Falckenstein, in: Lehmann, Rechtsschutz und Verwertung von Computerprogrammen, 1993, Kap. VI RdNr. 1;
Wiebe, GRUR Int. 1990, 21, 34.
454 Mes, in: ders., PatG/GebrMG, § 1 GebrMG, RdNr. 1; Loth, GebrMG, 2001, Vorb. RdNr. 15.
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dungsbereich deckt sich jedoch weitgehend. Gebrauchsmusterschutzfähig sind
grundsätzlich alle Erfindungen, die neu und gewerblich anwendbar sind und die auf
einem erfinderischen Schritt455 beruhen. Das frühere Erfordernis der Raumform
wurde durch das Produktpirateriegesetz mit dem Ausschluss von Verfahrenserfindungen ersetzt (§ 2 Nr. 3 GebrMG). Mittelbarer Verfahrensschutz gilt dennoch als
möglich.456 Im Unterschied zum Patentrecht erfolgt bei der Anmeldung eines Gebrauchsmusters keine materielle Überprüfung der erfinderischen Schritts und der
Neuheit.457 Dies geschieht vielmehr erst bei der Prüfung eines Verletzungstatbestands, d. h. es kann zu einer Eintragung kommen, obwohl die Schutzvoraussetzungen nicht erfüllt sind.
Der Gebrauchsmusterschutz kann in praktischer Hinsicht einen das Patentrecht
ergänzenden Schutz für den Zeitraum zwischen Patentanmeldung und -erteilung
darstellen.458 Das in § 11 GebrMG geregelte ausschließliche Benutzungs- und Verbotsrecht entsteht wegen der fehlenden materiellen Prüfung bereits mit der zügig erfolgenden Eintragung. Hinsichtlich der Computerprogramme decken sich die
Schwierigkeiten mit denjenigen im Patentrecht, weswegen auf die dortige Erläuterung verwiesen werden kann.459
2. Geschmacksmusterrecht
Das Geschmacksmusterrecht wird zuweilen als „kleiner Bruder“ des Urheberrechts
bezeichnet,460 da es lange Zeit auf einem stark urheberrechtlich orientierten Ansatz
beruhte. Seit dem Geschmacksmusterreformgesetz von 2004461 wird diesem Schutzinstrument allerdings Eigenständigkeit und eine größere Nähe zu den technischen
Schutzrechten attestiert.462 Geschmacksmusterschutz wird für solche Muster, d. h.
zwei- oder dreidimensionale Gestaltungen eines Erzeugnisses, § 1 Nr. 1
455 Im Patentrecht wird erfinderische Tätigkeit verlangt. Es wird davon ausgegangen, dass die
Anforderungen an den erfinderischen Schritt geringer sind. Vgl. BPatG GRUR 2004, 852 –
Materialstreifenpackung; Mes, in: ders., PatG/GebrMG, § 1 GebrMG, RdNr. 1; Quodbach,
GRUR 2007, 357. Kritisch allerdings Breuer, GRUR 1997, 11.
456 Vgl. u. a. BGHZ 158, 142, 147 - Signalfolge; BPatG Mitt. 2006, 30 – Digitales Speichermedium; Keukenschrijver, in: Busse, PatG, 6. Aufl. 2003, § 2 GebrMG RdNr. 6; zur Problematik ausführlich Quodbach, GRUR 2007, 357ff.
457 Vgl. Loth, GebrMG, 2001, Vorb. RdNr. 15, 26f.
458 Loth, GebrMG, 2001, Vorb. RdNr. 26.
459 Vgl. dazu ausführlich unten D. III.
460 Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl. 2008, § 2 RdNr. 174.
461 Gesetz zur Reform des Geschmacksmusterrechts vom 12. März 2004, BGBl 2004 I, S. 390ff.
Zugrunde liegt die RL 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998, Abl. EG Nr. L 289/98 v. 24. September 1998, abgedruckt in GRUR Int. 1998,
959ff.
462 Wandtke/Ohst, GRUR Int. 2005, 91, 93; dazu auch Kur, GRUR 2002, 661; Berlit, GRUR
2004, 635ff.
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GeschmMG, gewährt, die neu und eigentümlich sind.463 Nach § 1 Nr. 2 GeschmMG
gelten Computerprogramme allerdings nicht als Erzeugnisse in diesem Sinne, sondern sie sind grundsätzlich vom Geschmacksmusterschutz ausgenommen. Das gilt
auch für ihre Erscheinungsform. Der auf dem Bildschirm sichtbare Ablauf, das
„look and feel“ ist mithin vom Schutz ausgenommen.464 Mit dieser Klausel sollte
eine rechtssichere Abgrenzung zum urheberrechtlichen Schutz der Computerprogramme gewonnen werden, um Überschneidungen zu vermeiden. Allenfalls grafische Elemente der Benutzeroberfläche können geschützt werden.465 Der geschmacksmusterrechtliche Schutz für Computerprogramme kann daher allenfalls
marginale Bedeutung haben.
III. Marken- und Titelschutz
Die Möglichkeit eines markengesetzlichen Schutzes für Computerprogramme war
nicht immer unumstritten.466 Mittlerweile ist sie jedoch in Rechtsprechung und Literatur anerkannt.467 Liegt eine Ausgestaltung als Standardsoftware vor, ist eine Eintragung als Warenmarke möglich.468 Handelt es sich um Individual- bzw. Auftragssoftware, so kann eine Dienstleistungsmarke erworben werden.469 Der Name eines
Computerprogramms kann zudem als Werktitel geschützt werden.470 Weder Marken- noch Titelschutz schützen indessen das Programm selbst,471 sondern nur seine
Bezeichnung.472
Für einen markenrechtlichen Schutz muss diese Bezeichnung so in das Programm
integriert sein, dass sie beim Ablauf erscheint und damit bei jeder Verwendung in
463 Vgl. § 1 GeschMG; dazu Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl. 2008, § 2 RdNr. 174.
464 Dazu Kur, GRUR 2002, 661, 663.
465 Grützmacher, in: Wandtke/Bullinger, UrhG, 3. Aufl. 2009, § 69g RdNr. 7; Kur, GRUR 2002,
661, 663. Für den Schutz der gesamten Benutzeroberfläche im Unterschied zum look and feel
Wandtke/Ohst, GRUR Int. 2005, 91, 94.
466 Zur Entwicklung Schweyer, in: Lehmann, Rechtsschutz und Verwertung von Computerprogrammen, 1993, Kap. VIII RdNr. 7ff.
467 Vgl. dazu Loewenheim, in: Schricker, UrhG, 3. Aufl. 2006, Vor §§ 69aff., RdNr. 11; Grützmacher, in: Wandtke/Bullinger, UrhG, 3. Aufl. 2009, § 69g RdNr. 19ff.; Hoeren, in: Möhring/Nicolini, UrhG, 2. Aufl. 2000, Vor §§ 69a, RdNr. 7ff.; Schweyer, in: Lehmann, Rechtsschutz und Verwertung von Computerprogrammen, 1993, Kap. VIII RdNr. 7ff.
468 BGH GRUR 1985, 1055 – Datenverarbeitungsprogramm als Ware.
469 Zur Differenzierung ausführlich Fezer, MarkenR, 3. Aufl. 2001, § 3 RdNr. 140f.; Loewenheim, in: Schricker, UrhG, 3. Aufl. 2006, Vor §§ 69a ff., RdNr. 11; Fezer, GRUR Int. 1996,
445ff.
470 BGH GRUR 1998, 155f. – PowerPoint; a.A. Betten, GRUR 1995, 5, 7, 9; dagegen Lehmann,
GRUR 1995, 250ff.; Jacobs, GRUR 1996, 601ff.
471 Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl. 2008, § 69a RdNr. 9; Loewenheim, in: Schricker,
UrhG, 3. Aufl. 2006, Vor §§ 69aff. RdNr. 11; Grützmacher, in: Wandtke/Bullinger, UrhG, 3.
Aufl. 2009, § 69g RdNr. 19.
472 Schweyer, in: Lehmann, Rechtsschutz und Verwertung von Computerprogrammen, 1993,
Kap VIII, RdNr. 1; Kolle, GRUR 1982, 443, 445.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit will langjährige Missverständnisse und Schwierigkeiten des immaterialgüterrechtlichen Schutzes von Computerprogrammen endgültig ausräumen. Die Betrachtung aus wettbewerbsorientiertem Blickwinkel auf der Grundlage der technischen und ökonomischen Besonderheiten ist – soweit ersichtlich – die erste Untersuchung, die sowohl das Urheber- als auch das Patentrecht einbezieht und dabei eine umfassende Neuregelung vorschlägt.
Dr. Lina Barbara Böcker befasst sich im Rahmen ihrer Tätigkeit am Institut für Wirtschafts-, Wettbewerbs- und Regulierungsrecht an der Freien Universität Berlin in erster Linie mit wettbewerbsrechtlichen Problemen des Immaterialgüterrechtsschutzes und allgemeinem Zivilrecht.