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Innovation.262 Da digitale Güter keinerlei Abnutzungserscheinungen unterliegen,
kommen als Nachfrager nur neue Nutzer in Betracht und solche, die ihr Produkt
durch ein moderneres oder verbessertes ersetzen wollen. Aufgrunddessen sind Anbieter zur ständigen Fort- und Neuentwicklung ihrer Produkte gezwungen, um im
Markt bleiben und ständig Umsatz machen zu können. Theoretisch können aus diesem Grund bestehende Monopole von neuen Anbietern durchbrochen werden. Teilweise ist daher von einer „Zerbrechlichkeit“ der marktbeherrschenden Stellungen
auf derartigen Märkten gesprochen worden.263
Dabei wird allerdings übersehen, dass ein Großteil der Innovationen im Softwaresektor in der Weiterentwicklung und Verbesserung bereits bestehender Produkte besteht, es also nicht zu einem Wechsel im eigentlichen Sinne kommt. Echte Marktneuheiten gibt es nur noch selten.264 Das macht es unwahrscheinlich, dass im Rahmen einer Weiterentwicklung ein neuer Anbieter in den Markt eintreten kann, zumal
der Zugriff auf die notwendigen Informationen des ursprünglichen Herstellers bezüglich der bestehenden Produkte (Quellcode und Schnittstellen) durch Immaterialgüterrechte unter der derzeitigen Rechtslage erschwert und mit Kosten verbunden
ist.265 Es entsteht zwar ein hoher Druck für etablierte Anbieter, sich gegenüber der
Marktgegenseite durch fortlaufende Produktinnovation zu profilieren, dies gilt jedoch nicht im Verhältnis zu ihren Wettbewerbern und im Hinblick auf den Preis, da
mit Hilfe von Ausschließlichkeitsrechten Preiskonkurrenz vom Markt ferngehalten
werden kann.
VI. Zusammenfassung
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Computerprogramme aufgrund ihrer
Eigenschaft als Informationsgut wesentlichen Besonderheiten unterliegen. Netzwerkeffekte und daraus resultierende Konzentrationstendenzen führen im Zusammenhang mit degressiven Kostenverläufen dazu, dass schnell marktbeherrschende
Stellungen entstehen können, die nur durch mit dem Netzwerkgut interoperable Produkte durchbrochen werden können. Ein wettbewerbskonformer und damit verbraucherfreundlicher immaterialgüterrechtlicher Schutz muss dies berücksichtigen und
die Möglichkeit zur Herstellung von kompatiblen Programmen offen halten. Der
bisherige Urheberrechtsschutz versucht das, indem die Dekompilierung sog. Schnittstelleninformationen zu diesem Zwecke zugelassen wird.266
262 Die wiederum durch die einfache Vervielfältigung unterstützt wird. Vgl. Blind et al., Softwarepatente, 2003, S. 101.
263 V. Engelhardt, Die ökonomischen Eigenschaften von Software, 2006, S. 12ff.
264 Es liegt nur eine geringe Innovationstiefe vor. Koch, in: Linde, Markttheoretische und wettbewerbsstrategische Aspekte des Managements von Informationsgütern, 2007, S. 148ff.,
151ff., 161ff. Dazu auch Ehrhardt, Netzwerkeffekte, Standardisierung und Wettbewerbsstrategie, 2001, S. 29.
265 Vgl. Drittes Kapitel, C. IV. 2.
266 Hierzu näher im Dritten Kapitel, C. III. 4. b).
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Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit will langjährige Missverständnisse und Schwierigkeiten des immaterialgüterrechtlichen Schutzes von Computerprogrammen endgültig ausräumen. Die Betrachtung aus wettbewerbsorientiertem Blickwinkel auf der Grundlage der technischen und ökonomischen Besonderheiten ist – soweit ersichtlich – die erste Untersuchung, die sowohl das Urheber- als auch das Patentrecht einbezieht und dabei eine umfassende Neuregelung vorschlägt.
Dr. Lina Barbara Böcker befasst sich im Rahmen ihrer Tätigkeit am Institut für Wirtschafts-, Wettbewerbs- und Regulierungsrecht an der Freien Universität Berlin in erster Linie mit wettbewerbsrechtlichen Problemen des Immaterialgüterrechtsschutzes und allgemeinem Zivilrecht.