92
II. Ausnahme: Fortfall der mit der Grundversorgerstellung einhergehenden Pflichten
Eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Fortbestand der gesetzlichen Verpflichtungen könnte jedoch hinsichtlich der den Grundversorger treffenden gesetzlichen
Pflichten aus §§ 36, 38 EnWG bestehen. So wurde unter Geltung des § 10 EnWG
(1998) der Fortbestand der Allgemeinen Versorgungspflicht im Insolvenzverfahren
in der energierechtlichen Literatur teilweise für nicht selbstverständlich befunden,
sondern – im Gegensatz zu der Frage nach dem Fortbestand anderer energierechtlicher Pflichten – problematisiert.386 Auch unter Geltung des neuen Energierechts
wird teilweise – allerdings ohne nähere Begründung – ein Fortfall der Grundversorgungsstellung in der Insolvenz eines Grundversorgers erwogen.387
In Bezug auf die Frage, ob die Pflichten aus §§ 36, 38 EnWG mit Insolvenzeröffnung ausnahmsweise fortfallen, ist zunächst festzustellen, dass sich in der InsO im
Hinblick auf die Grund- und Ersatzversorgungspflicht keine Ausnahme zu dem oben
erörterten Prinzip des grundsätzlichen Fortbestandes der gesetzlichen Verpflichtungen des Schuldners bei Insolvenzeröffnung findet. Fraglich ist, ob sich ein Fortfall
dieser Pflichten aus dem EnWG ergibt. Der Fortbestand bzw. der Fortfall der
Grundversorgungspflicht ist in § 36 II EnWG388 ausdrücklich geregelt, wobei dieser
Norm zu entnehmen ist, dass die Grundversorgerstellung und damit auch die den
Grundversorger treffenden Pflichten in zwei Fällen entfallen: bei Wechsel des
Grundversorgers aufgrund einer neuen Feststellung (§ 36 II 2 EnWG) oder bei Einstellung der Geschäftstätigkeit durch den Grundversorger (§ 36 II 4 EnWG).389 Angesichts dieser klaren Rechtslage ist davon auszugehen, dass der Fortfall der Grundversorgerstellung bei Nichtvorliegen dieser Voraussetzungen zu verneinen ist.
Insofern ist zu untersuchen, ob bzw. inwieweit die Regelung des § 36 II EnWG
hinsichtlich des Fortbestandes der Grundversorgungspflichten einen Bezug zur Insolvenz eines Grundversorgers aufweist. Sofern sich aus dieser Regelung kein Fortfall der Grundversorgungspflicht bei Insolvenzeröffnung ergibt, ist davon auszugehen, dass die Pflichten aus §§ 36, 38 EnWG – entsprechend dem Grundsatz, dass die
Eröffnung des Insolvenzverfahren nicht zum Fortfall gesetzlicher Pflichten führt –
auch im Falle der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Grundversorgers
fortbestehen.
386 Vgl. Büdenbender, EnWG, § 10 Rn. 134; Löwer, Risikoabsicherung, S. 169 f.
387 So wohl Salje, EnWG, § 36 Rn. 25, 36.
388 Da die Regelung des § 36 I 2 EnWG lediglich bewirkt, dass die Grundversorgungspflicht in
Bezug auf ein einzelnes Schuldverhältnis entfällt, die Stellung als Grundversorger jedoch
weiter bestehen bleibt, ist diese Regelung für die hier zu interessierende Frage des Fortfalls
der Grundversorgerstellung nicht maßgeblich.
389 Vgl. S. 51.
93
1. Insolvenzrechtlicher Bezug des § 36 II 2 EnWG
Im Rahmen des § 36 II 2 EnWG wird für den Fortfall der Grundversorgerstellung
lediglich auf die alle drei Jahre stattzufindende empirische Feststellung der Anzahl
der belieferten Haushaltskunden abgestellt. Aus der Regelung ergibt sich auch nicht,
dass bei der Feststellung diejenigen Stromlieferanten, über deren Vermögen ein
Insolvenzverfahren eröffnet wurde, nicht berücksichtigt werden sollen. Insofern
weist die Regelung des § 36 II 2 EnWG keinerlei Bezüge zur Insolvenz eines
Grundversorgers auf. Daher ergibt sich aus dieser Regelung kein Fortfall der Grundversorgungspflichten zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das
Vermögen eines Grundversorgers.
2. Insolvenzrechtlicher Bezug des § 36 II 4 EnWG
Fraglich ist, ob die Regelung des § 36 II 4 EnWG, nach welcher die Grundversorgungspflicht ipso jure entfällt, wenn der bisherige Grundversorger seine Geschäftstätigkeit einstellt (§ 36 II 4 EnWG)390, einen Bezug zur Insolvenz eines Grundversorgers aufweist.
Ein innerer Zusammenhang zwischen der Insolvenz eines Grundversorgers und
der Regelung des § 36 II 4 EnWG besteht insoweit, als die Einstellung der Geschäftstätigkeit häufig aufgrund der Insolvenz erfolgen wird.391 So wird eine Geschäftseinstellung insbesondere dann beschlossen, wenn es an finanziellen Mitteln
für die Fortführung der Geschäftstätigkeit mangelt. Da im Energierecht, wie gezeigt392, nicht vorgesehen ist, dass ein Energielieferant seine Geschäfte weiterführen
muss, obwohl er dazu personell oder sachlich nicht mehr in der Lage ist393, spricht
nichts gegen eine insolvenzbedingte Betriebsstilllegung bzw. Einstellung der Geschäftstätigkeit durch den Insolvenzverwalter.
Im Rahmen der an dieser Stelle interessierenden Frage, ob die Grundversorgungspflichten generell durch die Insolvenzeröffnung erlöschen, ist ein solcher insolvenzrechtlicher Bezug des § 36 II 4 EnWG jedoch nicht ausreichend. Darauf,
dass es dem Grundversorger grundsätzlich offen steht, seine Geschäftstätigkeit wegen Insolvenz einzustellen, kommt es nicht an. Vielmehr ist zu untersuchen, ob die
mit der Grundversorgerstellung einhergehenden Pflichten ganz unabhängig von der
Entscheidung des Insolvenzverwalters bzw. der Gläubiger hinsichtlich der Einstellung der Geschäftstätigkeit bereits infolge der Insolvenzeröffnung entfallen. Dies ist
zu bejahen, wenn das Ereignis der Insolvenzeröffnung als solches grundsätzlich zur
Einstellung der Geschäftstätigkeit i.S.d. § 36 II 4 EnWG führt.
390 Salje, EnWG, § 36 Rn. 36.
391 Vgl. Salje, EnWG, § 36 Rn. 36.
392 Vgl. S. 56.
393 Vgl. auch: Salje, EnWG, § 36 Rn. 36.
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a) Untersagung der Belieferungstätigkeit mit Insolvenzeröffnung
Der Fortfall der Grundversorgerstellung mit Insolvenzeröffnung wäre denkbar,
wenn diese immer eine Untersagung der Belieferungstätigkeit durch die Regulierungsbehörde (gem. § 5 S. 4 EnWG) nach sich zöge und diese wiederum zur Einstellung der Geschäftstätigkeit i.S.d. § 36 II 4 EnWG führen würde.
Nach § 5 S. 4 EnWG ist die Regulierungsbehörde gem. § 5 S. 4 EnWG befugt,
einem Lieferanten die Ausübung der Tätigkeit der Belieferung von Haushaltskunden
394
jederzeit ganz oder teilweise zu untersagen, wenn die personelle, technische oder
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit oder Zuverlässigkeit nicht gewährleistet ist.
Zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung über das Vermögen eines Grundversorgers ist das Vorliegen einer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Grundversorgers
jedenfalls zu verneinen. Insoweit liegen spätestens zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine Untersagung der Belieferung der Haushaltskunden nach § 5 S. 4
EnWG grundsätzlich vor. Für den Fall, dass die Regulierungsbehörde von der ihr
zustehenden Befugnis nach § 5 S. 4 EnWG Gebrauch machen und dem Grundversorger aufgrund des Fehlens wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit die Weiterbelieferung von Haushaltskunden untersagen würde, wäre es dem Grundversorger rechtlich
nicht mehr möglich, Haushaltskunden zu beliefern und die Pflichten aus §§ 36, 38
EnWG wahrzunehmen. Insoweit würde eine Untersagung nach § 5 S. 4 EnWG stets
bewirken, dass die Stromentnahmen von Haushaltskunden nicht dem Grundversorger zugeordnet werden dürften, was zu einer Beendigung der Belieferungstätigkeit
der Haushaltskunden durch den Grundversorger führen würde. Da davon auszugehen ist, dass die Untersagung nach § 5 S. 4 EnWG im Regelfall von dauerhafter
Wirkung ist, würde eine solche im Ergebnis eine Einstellung der Geschäftstätigkeit
i.S.d § 36 II 4 EnWG und den Fortfall der Grundversorgerstellung bewirken.
Teilweise bei Vorliegen der Voraussetzungen zur Untersagung der Belieferungstätigkeit i.S.d. § 5 S. 4 EnWG hinsichtlich der Untersagungsbefugnis der Regulierungsbehörde eine Ermessensreduzierung auf Null vertreten.395 Selbst wenn man
jedoch bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Grundversorgers eine Untersagungspflicht der Regulierungsbehörde bejahen würde, ist
jedoch zu beachten, dass die Untersagung nicht automatisch zum Zeitpunkt der
Insolvenzeröffnung erfolgen würde, da die Behörde erst nach einer gewissen Zeitspanne von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Kenntnis erlangen würde und
außerdem zwischen der Kenntnisnahme und der Ausübung der Untersagung ebenfalls Zeit verginge. Selbst wenn es sich dabei nur um einen äußerst kurzen Zeitabschnitt handeln sollte, würde dies nichts daran ändern, dass die aus der Untersagung
394 Dass sich die Untersagungsbefugnis lediglich auf die Untersagung der Tätigkeit der Belieferung von Haushaltskunden bezieht, ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang des §
5 S. 4 EnWG zu § 5 S. 1 EnWG sowie aus dem vom Gesetzgeber durch die Normierung der
Anzeigepflicht gem. § 5 S. 3 EnWG und der Untersagungsbefugnis gem. § 5 S. 4 EnWG verfolgten Zweck, die Gewährleistung eines hinreichenden Schutzes von Haushaltskunden zu
ermöglichen (vgl. BT-Drs. 15/3917, Begründung zu § 5 EnWG-E, S. 50).
395 Salje, EnWG, § 5 Rn. 34.
95
der Belieferungstätigkeit nach § 5 S. 4 EnWG regelmäßig resultierende Einstellung
der Geschäftstätigkeit nicht automatisch mit Insolvenzeröffnung stattfände, so dass
sich die Frage nach der Vereinbarkeit zumindest hinsichtlich der zwischen der Insolvenzeröffnung und der Untersagung gem. § 5 S. 4 EnWG liegenden Zeitspanne
weiterhin stellen würde. Die Klärung der Frage, ob im Falle der Insolvenzeröffnung
über das Vermögen eines Grundversorgers tatsächlich eine Untersagungspflicht der
Regulierungsbehörde zu bejahen ist, bedarf an dieser Stelle daher keiner weiteren
Erörterung.
b) Einstellung der Geschäftstätigkeit aufgrund der Auswirkungen der Insolvenzer-
öffnung auf die Belieferungsfähigkeit des Grundversorgers
aa) Vorüberlegung
In den §§ 103 ff. InsO finden sich Regelungen zur Behandlung der bei Insolvenzer-
öffnung von keiner Seite vollständig erfüllten Verträge (sog. schwebende Verträge),
wobei die Auswirkungen dieser Regelungen bis zum Erlöschen bzw. Undurchsetzbarkeit von Verträgen reichen. Dabei muss der Grundversorger zur Wahrnehmung
der Haushaltskundenbelieferung im Rahmen der Grund- bzw. Ersatzversorgung, wie
bereits angesprochen396, Verträge mit Netzbetreibern hinsichtlich des Netzzuganges
der von ihm belieferten Kunden (vgl. § 6 I 1 StromGVV) abschließen. Der Netzzugang wird grundsätzlich durch Netzzugangs- bzw. Lieferantenrahmenverträge sowie
die zum Bilanzausgleich erforderlichen Verträge ausgestaltet bzw. geregelt (vgl. §
20 I a EnWG). Ferner muss der Grundversorger die Energieentnahmen seiner Kunden durch entsprechende Einspeisungen ausgleichen. Auch zu diesem Zweck bedarf
es des Abschlusses entsprechender Verträge, wie z.B. der Stromlieferungsverträge.
Da die Insolvenzeröffnung unter anderem zum Erlöschen bzw. zur Undurchsetzbarkeit von Verträgen führen kann, wäre es denkbar, dass sich die Insolvenzeröffnung auf die für die Wahrnehmung der Belieferung von Haushaltskunden notwendigen Verträge derart auswirkt, dass die Stromentnahmen der Haushaltskunden dem
Grundversorger nicht zugeordnet werden könnten, mit Insolvenzeröffnung also eine
Belieferungsunfähigkeit des Grundversorgers einherginge. In dem Fall, dass die
Insolvenzeröffnung eine Belieferungsunfähigkeit des Grundversorgers und damit
eine faktische Belieferungseinstellung der Haushaltskunden im jeweiligen Netzgebiet der allgemeinen Versorgung durch diesen bewirkt, und dass die etwaige Belieferungsunfähigkeit des Grundversorgers irreparabel ist, würde die Insolvenzeröffnung automatisch zu einer Geschäftseinstellung des Grundversorgers i.S.d. § 36 II 4
EnWG und damit zum Fortfall seiner Grundversorgerstellung führen.
Dementsprechend wird im Folgenden untersucht, wie sich die Insolvenzeröffnung
auf die einzelnen für die Belieferungstätigkeit unabdingbaren Verträge des Grund-
396 Vgl. S. 56.
96
versorgers auswirkt. Dies wird die Beantwortung der Frage ermöglichen, ob mit der
Insolvenzeröffnung eine Belieferungsunfähigkeit des Grundversorgers einhergeht.
Für den Fall, dass eine durch die Insolvenzeröffnung ausgelöste Belieferungsunfähigkeit des Grundversorgers zu bejahen sein wird, wird die Frage zu klären sein, ob
es sich dabei um eine reparable Belieferungsunfähigkeit handelt. Sollte dies zu bejahen sein, würde nicht bereits das Ereignis der Insolvenzeröffnung selbst eine Geschäftseinstellung des Grundversorgers i.S.d. § 36 II 4 EnWG bewirken, sondern
vielmehr das Nichtergreifen der für die Wiederherstellung der Belieferungsfähigkeit
notwendigen Maßnahmen durch den Insolvenzverwalter.
bb) Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf Verträge im Allgemeinen
Unabhängig davon, welche Verträge des Grundversorgers sich in der nachfolgenden
Untersuchung als unabdingbar für die Belieferungsfähigkeit herausstellen, setzt die
konkrete Untersuchung der Frage, wie sich die Insolvenzeröffnung auf diese Verträge auswirkt, eine kurze Auseinandersetzung mit der Frage voraus, wie sich die Insolvenzeröffnung auf bestehende Verträge im Allgemeinen auswirkt bzw. wonach
sich die Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf vertragliche Schuldverhältnisse
richten.
(1) Einführung
Wird über das Vermögen eines Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet, so gibt
es drei Möglichkeiten, wie sich die Eröffnung auf die bestehenden Vertragsverhältnisse auswirken kann: die Vertragsverhältnisse können erlöschen, sie können unver-
ändert bestehen bleiben und ihr Schicksal kann von der Entscheidung des Insolvenzverwalters abhängen.397
Die Auswirkungen des Insolvenzverfahrens auf Verträge, die bei Eröffnung des
Insolvenzverfahrens von allen Beteiligten noch nicht vollständig erfüllt worden sind,
sind den Regelungen der §§ 103 ff. InsO zu entnehmen.398 Dabei ist nach der Systematik des Gesetzes zwischen den Spezialregelungen der §§ 104 ff. InsO und der
Norm des § 103 InsO zu unterscheiden, welche die Grund- und Auffangnorm für
gegenseitige Verträge darstellt.399 In den Spezialregelungen der §§ 104 ff. InsO wird
teilweise das Erlöschen, teilweise aber auch der Fortbestand der diesen Vorschriften
unterfallenden Verträge normiert. Greift keine der Spezialregelungen der §§ 104 ff.
InsO ein und liegen die Voraussetzungen des § 103 InsO – nämlich ein gegenseiti-
397 Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, Rn. 152.
398 Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, Rn. 152.
399 MüKo-Kreft, InsO, § 103 Rn. 97.
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ger, von keiner Seite vollständig erfüllter Vertrag – vor, so hängt das Schicksal des
Vertrages von der Entscheidung des Insolvenzverwalters ab.
Bei Nichtanwendbarkeit des § 103 I InsO – also bei nicht-synallagmatischen oder von einer Seite bereits vollständig erfüllten Verträgen – bleibt der Vertrag bestehen und ist, soweit noch nicht geschehen, zu erfüllen.400
Festzustellen ist also, dass sich die Frage, wie sich die Insolvenzeröffnung auf bestehende Verträge auswirkt, danach richtet, ob eine bzw. welche der Regelungen der
§§ 103 ff. InsO eingreift. Dementsprechend wird im Folgenden die Systematik der
§§ 103 ff. InsO näher erörtert.
Zuvor ist aber noch darauf hinzuweisen, dass die Regelungen der §§ 103 ff. InsO
nur solche Verträge erfassen, bei denen der Anspruch des Vertragspartners nach
dem status quo eine Insolvenzforderung gem. § 38 InsO bilden würde.401 Die Begriffe des Insolvenzgläubigers und der Insolvenzforderung sind kongruent.402 Nach § 38
InsO handelt es sich bei den Insolvenzgläubigern um persönliche Gläubiger, die
einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben. Das persönliche Gläubigerrecht zeichnet sich
dadurch aus, dass dem Gläubiger ein schuldrechtlicher Anspruch zusteht, der
Schuldner also mit seinem ganzen Vermögen bzw. mit einem Sondervermögen für
die Verbindlichkeiten einzustehen hat und nicht nur mit einem einzelnen Gegenstand haftet.403 Dem steht das dingliche Haftungsrecht gegenüber, welches die Belastung eines bestimmten Gegenstandes des Vermögens für Forderungen des Schuldners beschreibt und zur Aussonderung (§§ 47 f. InsO) oder zur (vorrangigen) abgesonderten Befriedigung (§§ 49 ff. InsO) berechtigt.404 Vermögensanspruch i.S.d. §
38 InsO ist das Recht auf eine geldwerte, aus dem Vermögen des Schuldners
beitreibbare Leistung. Voraussetzung für das Vorliegen eines Vermögensanspruchs
ist daher, dass der geltend gemachte Anspruch auf Geld gerichtet ist oder sich nach
§§ 45, 46 InsO in einen Geldanspruch umwandeln lässt.405 Bei Ansprüchen, die sich
gem. § 45 InsO in einen Geldanspruch umwandeln lassen, handelt es sich um Ansprüche, die auf eine Leistung gerichtet sind, die auch außerhalb der Insolvenz aus
dem Vermögen des Schuldners beigetrieben werden kann.406 Dies ist immer dann zu
bejahen, wenn es sich um Ansprüche auf vertretbare Handlungen i.S.d. § 887 ZPO,
also Handlungen, die von einem Dritten an Stelle des Schuldners selbstständig und
400 Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, Rn. 153. Dabei kann der Insolvenzverwalter bei
solchen Verträgen das dem Gemeinschuldner bei Insolvenzeröffnung zustehende Forderungsrecht für Rechnung der Masse ausüben, während der Gegenanspruch des Vertragspartners –
bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 38 InsO – lediglich als Insolvenzforderung verfolgt
werden kann und damit nur eine quotale Befriedigung erfährt.
401 Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 20.02.
402 MüKo-Ehricke, InsO, § 38 Rn. 15.
403 Jaeger-Henckel, InsO, § 38 Rn. 19; HK-Eickmann, InsO, § 38 Rn. 5; MüKo-Ehricke, InsO, §
38 Rn. 10.
404 MüKo-Ehricke, InsO, § 38 Rn. 10.
405 FK-Schumacher, InsO, § 38 Rn. 8; MüKo-Ehricke, InsO, § 38 Rn. 14; Jaeger-Henckel, InsO,
§ 38 Rn. 63; HK-Eickmann, InsO, § 38 Rn. 7.
406 Jaeger-Henckel, InsO, § 38 Rn. 63, 65.
98
ohne dessen Mitwirkung vorgenommen werden können407, handelt.408 Dagegen sind
Ansprüche auf Leistungen, die im Wege der Einzelvollstreckung nicht aus dem
Vermögen des Schuldners erwirkt werden können, nämlich unvertretbare Handlungen i.S.d. § 888 ZPO, auch im Insolvenzverfahren nicht verfolgbar.409 Ferner erfordert § 38 InsO, dass die Forderung vor Verfahrenseröffnung „begründet“ war. Das
ist dann der Fall, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand vor der Verfahrenser-
öffnung materiell-rechtlich abgeschlossen war.410 Es braucht nicht die Forderung
selbst schon entstanden zu sein, notwendig ist nur, dass der „Schuldrechtsorganismus“ bzw. die Grundlage des Schuldrechtsverhältnisses, aus dem der Anspruch
folgt, vor der Insolvenzeröffnung bestanden hat.411 Unter „Begründung“ des Anspruchs ist also das Entstehen der Forderung „ihrem Grund nach“ zu verstehen.412
(2) Systematik der §§ 103 ff. InsO
(a) Spezialregelungen
Das Schicksal der den Spezialregelungen unterfallenden Verträge richtet sich danach, welche der Spezialregelungen eingreift, was in der Regel davon abhängt, welchem Vertragstyp die jeweilige Vereinbarung zuzuordnen ist.413 So bestimmt § 108
I InsO, dass Dienstverhältnisse sowie Miet- und Pachtverhältnisse über unbewegliche Gegenstände oder Räume mit Wirkung für die Insolvenzmasse fortbestehen.
Diese Verträge sollen also auch nach Insolvenzeröffnung so fortgesetzt werden, wie
dies auch ohne die Insolvenzeröffnung der Fall wäre (§ 108 I 1 InsO).414 Dagegen
wird in den Spezialregelungen der §§ 115, 116 InsO bestimmt, dass Aufträge bzw.
Geschäftsbesorgungsverträge mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlöschen.
Durch die Normierung der auf den Vertragstyp abstellenden Spezialregelungen
verfolgte der Gesetzgeber den Zweck, den bei den jeweiligen Schuldverhältnissen
typischerweise bestehenden Interessenlagen sowie den unterschiedlichen Ausprägungen der Schutzbedürftigkeit der Vertragsparteien in angemessener Weise Rechnung zu tragen.
Anders ist die Sondervorschrift des § 104 InsO konzipiert, die nicht an das Vorliegen eines bestimmten Vertragstyps, sondern an das Vorliegen bestimmter tatsächlicher Gegebenheiten bzw. vertraglicher Vereinbarungen anknüpft. So bezieht sich §
104 InsO auf alle Verträge über die Lieferung von Waren bzw. Finanzleistungen, die
407 Zöller-Stöber, ZPO, § 887 Rn. 2.
408 Smid-Smid, InsO, § 38 Rn. 15; MüKo-Ehricke, InsO, § 38 Rn. 14.
409 Jaeger-Henckel, InsO, § 38 Rn. 63, 69.
410 Jaeger-Henckel, InsO, § 38 Rn. 82.
411 MüKo-Ehricke, InsO, § 38 Rn. 16; HK-Eickmann, InsO, § 38 Rn. 16.
412 FK-Schumacher, InsO, § 38 Rn. 12.
413 Müller/Kemper, MMR 2002, 433, 434; Adolphsen, DZWiR 2003, 228, 233.
414 MüKo-Kreft, InsO, § 103 Rn. 1.
99
einen Markt- oder Börsenpreis haben. Dabei muss es sich bei den Verträgen um
Fixgeschäfte handeln, deren Erfüllung zeitlich erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verlangt werden könnte.415 Für diese Verträge wird bestimmt, dass
die beiderseitigen Erfüllungsansprüche endgültig untergehen und an ihre Stelle gem.
§ 104 I 2 bzw. § 104 II 1 InsO automatisch eine einseitige Forderung wegen Nichterfüllung tritt.416
Auch im Rahmen des § 106 InsO wird nicht an das Vorliegen eines bestimmten
Vertragstyps angeknüpft, sondern auf das Vorliegen eines durch eine ins Grundbuch
eingetragene Vormerkung gesicherten Anspruchs abgestellt, welcher aus einem
beliebigen Vertrag über die Rechte an Grundstücken (oder Schiffen bzw. Schiffsbauwerken) folgen kann. Ähnlich ist die Regelung des § 107 InsO konzipiert, die
den Kauf einer beweglichen Sache unter Eigentumsvorbehalt regelt, wobei diese
Vorschrift allerdings sowohl auf das Vorliegen eines bestimmten Vertragstyps als
auch auf auf tatsächliche Gegebenheiten, nämlich die Vertragsabwicklung im Einzelfall abstellt. Durch die §§ 106, 107 InsO wird das Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters für bestimmte Fallkonstellationen ausgeschaltet.
§ 105 InsO stellt eine Regelung dar, die für alle Verträge gilt, aus denen teilbare
Leistungen geschuldet werden. Dabei regelt § 105 InsO nicht die Frage, wie sich die
Insolvenzeröffnung auf diese Verträge auswirkt, sondern die Einordnung der Ansprüche aus diesen Verträgen in das insolvenzrechtliche System. Insoweit stellt §
105 InsO eine Vorschrift dar, welche die Regelungen über die Auswirkungen des
Insolvenzverfahrens auf einzelne Verträge ergänzt.
(b) Grundsatz des § 103 InsO
Im Grundsatz hat sich der Gesetzgeber jedoch dafür entschieden, bei gegenseitigen
Verträgen, die von keiner Partei vollständig erfüllt sind, dem Insolvenzverwalter
gem. § 103 I InsO ein Wahlrecht hinsichtlich der Erfüllung oder Ablehnung des
Vertrages einzuräumen.417
Allerdings beinhaltet § 103 InsO keine explizite Regelung, wie sich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf die unter diese Regelung fallenden Verträge auswirkt. Dementsprechend wurden im Zusammenhang mit den Regelungen der § 17
KO/§ 103 InsO zahlreiche Diskussionen hinsichtlich der dogmatischen Grundlage
für die Abwicklung der bei Insolvenzeröffnung noch unerfüllten gegenseitigen Verträge geführt und diesbezüglich mehrere Theorien vertreten.418 Nunmehr hat sowohl
die Rechtsprechung als auch die Literatur die anfangs herrschende Erlöschenstheo-
415 MüKo-Jahn, InsO, § 104 Rn. 37.
416 N/R-Balthasar, InsO, § 104 Rn. 18.
417 MüKo-Kreft, InsO, § 103 Rn. 2; FK-Wegener, InsO, § 103 Rn. 2.
418 Huber, NZI 2002, 467 ff.
100
rie419 als auch die daraufhin vertretene modifizierte Erlöschenstheorie420 aufgegeben.
Vielmehr ist nun allgemein die Theorie vom Verlust der Durchsetzbarkeit der Erfüllungsansprüche anerkannt.421
Nach der Theorie vom Verlust der Durchsetzbarkeit der Erfüllungsansprüche bewirkt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens kein Erlöschen der Erfüllungsansprüche im Sinne einer materiell-rechtlichen Umgestaltung.422 Vielmehr wirkt sich die
Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf gegenseitige von keiner Seite vollständig
erfüllten Verträge lediglich insoweit aus, als die Ansprüche des Vertragspartners aus
diesen Verträgen in der Regel Insolvenzforderungen darstellen und der Vertragspartner deshalb, soweit er nicht ausnahmsweise gem. §§ 49 ff. InsO eine abgesonderte Befriedigung verlangen kann, im laufenden Verfahren nicht mehr als die Quote zu beanspruchen hat.423 Diese Sachlage wird häufig so umschrieben, dass der
Erfüllungsanspruch des Vertragspartners mit Insolvenzeröffnung seine „Durchsetzbarkeit verliere“.424 Dieser Ausdruck ist in dem Sinne zu verstehen, dass dem Vertragspartner aufgrund der Insolvenzeröffnung kein Anspruch auf volle Erfüllung,
sondern nur auf anteilsmäßige Befriedigung zusteht bzw. dass der Vertragspartner
keinen durchsetzbaren Anspruch gegen die Masse auf (weitere) Erfüllung des Vertrages hat, und dass umgekehrt kein durchsetzbarer Anspruch der Masse auf die
Gegenleistung für vom Schuldner noch nicht erbrachte Leistungen besteht. Die
Insolvenzeröffnung suspendiert also die Erfüllungsansprüche für die Dauer des
Insolvenzverfahrens.425
Nur wenn der Insolvenzverwalter Erfüllung wählt wird den ansonsten nicht
durchsetzbaren Erfüllungsansprüchen die Rechtsqualität von originären Masseverbindlichkeiten und -forderungen beigelegt.426 Die Erfüllungswahl wirkt in dem Sinne gestaltend, als sie die Gegenforderung haftungsrechtlich privilegiert.427
Wählt der Verwalter nicht Erfüllung, bleibt der Vertrag ungeachtet der Eröffnung
eines Insolvenzverwalters bestehen, wird aber rein insolvenzrechtlich abgewickelt.428 Dabei folgt das Ablehnungsrecht nach dieser Theorie nicht aus der Sonderbestimmung des § 103 InsO, sondern aus den allgemeinen Vorschriften der §§ 1 S.
419 RGZ 135, 167, 170; 11, 49, 51; BGHZ 48, 203, 205; 68, 379, 380; 74, 258, 271; 98, 160, 169;
Jaeger-Lent, KO (8. Aufl.), § 17 Rn. 41, 49 a.E.; Kropshofer, in: Hess/Kropshofer, KO (1.
Aufl.), § 17 Rn. 15; Kilger, KO, (15. Aufl.) § 17 Rn. 4; Dieckmann, v. Caemmerer-FS, S. 95,
101; Wirtz, Ablehnung der Erfüllung, S. 8 ff.; 12f.; Gerhardt, Gedächnisschrift für Knobbe-
Keuk, S. 169, 177; ders.: Merz-FS, S. 117, 124.
420 BGHZ 103, 250; 106, 236, 242; 129, 336, 338 f.
421 BGH, NJW 2002, 2783; 2785; BGH, NJW 2003, 2744, 2746 f.; Musielak, AcP 179 (1979),
189, 195; Bork, Zeuner-FS, S. 297 ff.; 315; Marotzke, Gegenseitige Verträge, Rn. 3.5 ff., 3.
48 ff.; MüKo-Kreft, InsO, § 103 Rn. 18; K/P-Tintelnot, InsO, § 103 Rn. 10.
422 BGH, NJW 2002, 2783; MüKo-Kreft, InsO, § 103 Rn. 3; K/P-Tintelnot, InsO, § 103 Rn. 10.
423 HK-Marotzke, InsO, § 103 Rn. 40.
424 BGH, NJW 2002, 2783; HK-Marotzke, InsO, § 103 Rn. 40.
425 Huber, NZI 2002, 467, 469.
426 MüKo-Kreft, InsO, § 103 Rn. 13.
427 Jaeger-Henckel, KO, § 17 Rn. 114; K/P-Tintelnot, InsO, § 103 Rn. 10.
428 K/P-Tintelnot, InsO, § 103 Rn. 10; MüKo-Kreft, InsO, § 103 Rn. 13.
101
1, 38, 87 InsO und dem in diesen Normen verankerten Grundsatz, dass Gläubiger,
deren Forderungen bereits zur Zeit der Verfahrenseröffnung begründet waren, aus
der Insolvenzmasse nur „gemeinschaftlich“ – in der Regel also unvollständig – zu
befriedigen sind.429 Der Erfüllungsablehnung kommt also lediglich eine deklaratorische – nämlich die Folge der Insolvenzeröffnung bestätigende – Wirkung zu.430 Sie
gestaltet nur sofern, als sie die Wahlfreiheit des Verwalters beendet.431 Sofern der
Insolvenzverwalter die Erfüllung ablehnt, bleibt es daher bei der grundsätzlichen
Einordnung des jeweiligen Anspruchs als Insolvenzforderung, wobei der Vertragspartner als Insolvenzgläubiger eine Forderung wegen der Nichterfüllung geltend
machen kann (§ 103 II 1 InsO).
cc) Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf die für die Belieferungsfähigkeit des
Grundversorgers unabdingbaren Schuldverhältnisse – Bedeutung hinsichtlich
der Frage der Geschäftseinstellung i.S.d. § 36 II 4 EnWG
Im Folgenden wird die Frage untersucht, ob die Insolvenzeröffnung aufgrund ihrer
Auswirkungen auf die zur Wahrnehmung der Belieferungstätigkeit unabdingbaren
Schuldverhältnisse automatisch eine irreparable Belieferungsunfähigkeit des Grundversorgers und damit dessen Geschäftseinstellung i.S.d. § 36 II 4 EnWG auslöst.
(1) Die für die Wahrnehmung der Belieferungstätigkeit grundsätzlich erforderlichen
Verträge
Bei den für die Wahrnehmung der Belieferungstätigkeit durch den Grundversorger
grundsätzlich erforderlichen Verträgen handelt es sich, wie bereits erörtert432, um die
den Netzzugang regelnden Verträge sowie Verträge, die der Grundversorger abschließt, um die Energieentnahmen seiner Kunden auszugleichen (im weiteren Verlauf der Untersuchung werden diese als „Bedarfsdeckungsverträge“ bezeichnet).
Als die den Netzzugang regelnden Verträge sind Netznutzung- bzw. Lieferantenrahmenverträge (§ 20 I a 1, 2 EnWG) sowie die zum Bilanzausgleich erforderlichen
Verträge (§ 20 I a 5 EnWG) zu benennen. Dabei kommen als die einen Bilanzausgleich gewährleistenden Verträge grundsätzlich der Bilanzkreisvertrag, der Subbilanzkreisvertrag sowie der offene Stromliefervertrag in Betracht.433 Den Bedarfsdeckungsverträgen unterfallen grundsätzlich Stromlieferungsverträge mit Vorlieferanten und/oder die zur Einspeisung des selbst erzeugten Stroms notwendigen Verträge
429 Marotzke, Gegenseitige Verträge, Rn. 3. 57.
430 MüKo-Kreft, InsO, § 103 Rn. 20; HK-Marotzke, InsO, § 103 Rn. 40.
431 K/P-Tintelnot, InsO, § 103 Rn. 10.
432 Vgl. S. 95.
433 de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, §
15 Rn. 369.
102
(Netznutzungsverträge zur Einspeisung (sog. Einspeiseverträge), Netzanschlussverträge sowie Anschlussnutzungsverträge).
(2) Vorgehensweise
Die Untersuchung der Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf die für die Belieferungsfähigkeit unabdingbaren Schuldverhältnisse wird sich im Wesentlichen derart
gestalten, dass nach einer kurzen Erläuterung der für die Wahrnehmung der Belieferungstätigkeit grundsätzlich erforderlichen Verträge zunächst die Frage erörtert
wird, inwieweit diese für die Wahrnehmung der Belieferungstätigkeit konstituierend
sind. Wird eine Unentbehrlichkeit des jeweiligen Vertrages zu bejahen sein, wird zu
untersuchen sein, wie sich die Insolvenzeröffnung auf diesen Verträge auswirkt. Für
den Fall, dass die Konstitutivität eines der oben genannten Verträge für die Belieferungsfähigkeit verneint wird, sich jedoch ein damit zusammenhängendes vertrags-
ähnliches Schuldverhältnis als konstitutiv erweist, werden die Auswirkungen der
Insolvenzeröffnung auf dieses Schuldverhältnis zu untersuchen sein.
Sofern sich herausstellt, dass die aus einem für die Belieferungsfähigkeit konstitutiven Vertrages resultierenden Ansprüche gegen den Grundversorger grundsätzlich
als Insolvenzforderungen i.S.d. § 38 InsO einzuordnen sind und es sich bei dem
jeweiligen Vertrag um ein schwebendes Schuldverhältnis handelt, wird sich die
Untersuchung der Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf diesen Vertrag entsprechend der gesetzlichen Systematik der §§ 103 ff. InsO vollziehen. Daher wird
zunächst untersucht, ob eine der Spezialregelungen der InsO eingreift. Sollte der zu
untersuchende Vertrag in keiner der insolvenzrechtlichen Spezialnormen eine ausdrückliche Regelung gefunden haben, wird als erstes geprüft, ob diejenigen Spezialregelungen eingreifen, die unabhängig von der schuldrechtlichen Einordnung des
Vertrages gelten. Für den Fall, dass keine solcher Spezialregelungen eingreift, wird
die Frage untersucht, ob die auf das Vorliegen eines bestimmten Vertragstyps abstellenden Spezialregelungen eingreifen. Grundsätzlich ist bei der Bestimmung des
Vertragstyps bzw. der Rechtsnatur eines Vertrages auf die Hauptleistungspflichten
der Vertragsparteien abzustellen.434 Dabei handelt es sich um Pflichten, die dem
jeweiligen Rechtsgeschäft sein Gepräge geben.435 Bei Unklarheit über die schuldrechtliche Einordnung des zu untersuchenden Vertrages wird die Frage zu beantworten sein, welchem Vertragstyp der jeweilige Vertrag am ehesten zuzuordnen ist und
ob es sich dabei um einen Vertragstyp handelt, welcher in der InsO eine spezialgesetzliche Ausgestaltung erfahren hat. Zu beachten ist nämlich, dass die Spezialregelungen der InsO trotz ihres Wortlauts nicht nur für die typischen Ausgestaltungen
der Vertragstypen gelten, an welche diese anknüpfen, sondern auch atypische Aus-
434 Palandt-Heinrichs, BGB, § 241 Rn. 5; Jauernig-Mansel, BGB, § 241 Rn. 9; Piepenbrock/Müller, in: Schuster, Vertragshandbuch Telemedia, S. 346 Rn. 32.
435 Palandt-Heinrichs, BGB, § 241 Rn. 5; Bamberger/Roth-Grüneberg/Sutschet, BGB, § 241 Rn.
13.
103
formungen solcher Verträge umfassen.436 Als atypische Verträge werden solche
Verträge bezeichnet, die gesetzlich – gemeint ist schuldrechtlich – nicht besonders
geregelt sind bzw. von den gesetzlich normierten Vereinbarungen divergieren.437
Handelt es sich bei den atypischen Verträgen um Verträge, die einem bestimmten
gesetzlich geregelten Vertragstypus ähnlich sind, sind die für diesen Vertragstypus
geltenden Regelungen – auch die insolvenzrechtlichen Spezialregelungen438 – entsprechend auch auf die atypischen Verträge anzuwenden.439
Ferner können die insolvenzrechtlichen Spezialregelungen auch dann eingreifen,
wenn es sich bei dem jeweiligen Vertrag um einen gemischten Vertrag handelt. Ein
gemischter Vertrag zeichnet sich durch eine nicht in selbstständige Abreden trennbare Verschmelzung mehrerer Vertragstypen in einen Vertrag neuer Art aus, weist also
Elemente verschiedener Verträge auf.440 Bei den einzelnen untereinander verbundenen Elementen des gemischten Vertrages kann es sich auch um Elemente atypischer
Verträge handeln.441 Die insolvenzrechtliche Einordnung der gemischten Verträge
hängt davon ab, welcher Vertragsart die vertragsbestimmende primäre Hauptleistung zugehört, in welcher Leistung also der rechtliche oder wirtschaftliche Schwerpunkt des Vertrages liegt.442
Insoweit wird die Anwendbarkeit der insolvenzrechtlichen Sonderregelungen
nicht bereits dann zu verneinen sein, wenn es sich bei den jeweiligen Verträgen
nicht um typische Ausgestaltungen der in den Sonderregelungen normierten Vertragsarten handelt. Vielmehr wird eine umfassende Untersuchung der schuldrechtlichen Einordnung dieser Verträge erforderlich sein.
Sollte sich dabei herausstellen, dass der jeweilige Vertrag keinen Vertragstyp darstellt, der einer der insolvenzrechtlichen Spezialregelungen unterfällt, so wird im
nächsten Schritt die Frage des Eingreifens des § 103 InsO bzw. der Anwendbarkeit
von außerhalb der InsO normierten Regelungen, die sich mittelbar mit den Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf bestimmte Verträge beschäftigen, zu prüfen sein.
Sobald feststeht, wie sich die insolvenzrechtliche Behandlung der jeweiligen
Schuldverhältnisse gestaltet, wird die Beantwortung der Frage möglich sein, ob mit
der Insolvenzeröffnung eine Belieferunfähigkeit des Grundversorgers einhergeht
sowie ob diese irreparabel ist. Sollte automatisch mit der Insolvenzereröffnung eine
436 Vgl. Uhlenbruck-Berscheid, InsO, § 108 Rn. 8 hinsichtlich der Einbeziehung von miet- und
pachtähnlichen Verträgen in die Regelung des § 108 InsO sowie Uhlenbruck-Sinz, InsO, §
108 Rn. 50 hinsichtlich der Leasingverträge.
437 Bamberger/Roth-Gehrlein, BGB, § 311 Rn. 17.
438 Vgl. Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 108 Rn. 50 hinsichtlich der Leasingverträge.
439 Allgemein für alle atypischen Verträge: Soergel-Wolf, BGB, § 305 Rn. 26; für die allgemeine
rechtliche Behandlung der Netznutzungsverträge: de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in:
Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 15 Rn. 305; Scholz/Röhling, in:
Bartsch/Röhling/Salje/Scholz, Stromwirtschaft (1. Aufl.), S. 447, Rn. 22.
440 Palandt-Grüneberg, BGB, Überbl. Vor § 311 Rn. 19; Bamberger/Roth-Gehrlein, BGB, § 311
Rn. 20; MüKo-Emmerich, BGB, § 311, Rn. 45.
441 Bamberger/Roth-Gehrlein, BGB, § 311 Rn. 20.
442 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 20. 46; K/P-Tintelnot, § 103 Rn. 16; Müller/Kemper, MMR
2002, 433, 435; Uhlenbruck-Berscheid, InsO, § 108 Rn. 9.
104
irreparable Belieferungsunfähigkeit des Grundversorgers einhergehen, würde die
Insolvenzeröffnung eine Geschäftseinstellung des Grundversorgers gem. § 36 II 4
EnWG und damit den Fortfall seiner Grundversorgungsstellung auslösen.
(3) Konkrete Untersuchung der Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf die Belieferungsfähigkeit des Grundversorgers – Bedeutung hinsichtlich der Frage der
Geschäftseinstellung i.S.d. § 36 II 4 EnWG
(a) Die den Netzzugang regelnden Schuldverhältnisse
Die vertragliche Ausgestaltung des Netzzuganges wird in § 20 I a EnWG sowie in
den §§ 3, 23-26 StromNZV443 näher geregelt. Dabei entspricht § 3 StromNZV der
Sache nach dem § 20 I a EnWG.444 Aus § 20 I a 1, 2 EnWG ergibt sich, dass der
Netzzugang durch Netznutzungs- bzw. Lieferantenrahmenverträge ausgestaltet wird.
Ferner setzt der Netzzugang gem. § 20 I a 5 EnWG voraus, dass über einen Bilanzkreis, der in ein vertraglich begründetes Bilanzkreissystem nach Maßgabe der
StromNZV einbezogen ist, ein Ausgleich zwischen Einspeisung und Entnahme
stattfindet.
(aa) Netznutzungsvertrag/Lieferantenrahmenvertrag445
[1] Gesetzliche Grundlage
Ein Netznutzungsvertrag ist laut § 20 I a 1 EnWG mit denjenigen Netzbetreibern
abzuschließen, aus deren Netzen die Entnahme und in deren Netze die Einspeisung
der Elektrizität erfolgen soll.446 An die Stelle des Abschlusses eines Netznutzungsvertrags kann auch ein sog. Lieferantenrahmenvertrag treten, sofern es sich bei dem
Netznutzer447 um einen Lieferanten handelt (§ 20 I a 2 EnWG). Eine Konkretisierung des Netznutzungsvertrages findet sich in § 24 StromNZV, der Lieferantenrahmenvertrag wird in § 25 StromNZV näher geregelt.
443 Verordnung über den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen vom 25.07.2007 (BGBl. I S.
2243), zuletzt geändert durch Art. 3 I der Verordnung vom 1.11.2006 (BGBl. I S. 2477).
444 Salje, EnWG, § 20 Rn. 29.
445 Diese Verträge werden teilweise auch als „Durchleitungsverträge“ bezeichnet.
446 Dittmann, in: Germer/Loibl, Energierecht, S. 249, Rn. 54; Salje, EnWG, § 20 Rn. 30.
447 Nach § 3 Nr. 28 EnWG sind Netznutzer natürliche oder juristische Personen, die Energie in
ein Elektrizitäts- oder Gasversorgungsnetz einspeisen oder daraus beziehen.
105
[2] Wesentlicher Inhalt des Netznutzungs- bzw. Lieferantenrahmenvertrages448
Zur Beantwortung der Frage, inwieweit der Netznutzungs- bzw. Lieferantenrahmenvertrag für die Wahrnehmung der Belieferungstätigkeit eines Lieferanten konstitutiv
ist, ist zunächst zu klären, worin der wesentliche Regelungsgegenstand dieser Verträge besteht. Die Regelungen der §§ 24 und 25 StromNZV schreiben in den §§ 24
II bzw. 25 II StromNZV StromNZV zwar den Mindestinhalt der Netznutzungs- bzw.
Lieferantenrahmenverträge fest, die Frage, worin der eigentliche Vertragsgegenstand
dieser Verträge liegt, wird jedoch nicht näher erörtert.
Allerdings haben sich in der Praxis – entsprechend der Regelung des § 20 I 1
EnWG – Musterverträge für Netznutzungs- und Lieferantenrahmenverträge herausbildet, so dass eine gewisse Standardisierung dieser Verträge stattgefunden hat.449
Insofern kann der Vertragsgegenstand der Netznutzungs- bzw. Lieferantenrahmenverträge diesen Standardverträgen entnommen werden.
Dabei lässt sich zunächst feststellen, dass sowohl der Netznutzungs- als auch der
Lieferantenrahmenvertrag die Komponente der Netznutzung zum Gegenstand haben.450
Die in den Netznutzungs- sowie Lieferantenrahmenverträgen geregelte Netznutzung beinhaltet die Verpflichtung des Netzbetreibers, dem Netznutzer die Nutzung
eines funktionstüchtigen, stabilen Netzes zu ermöglichen451, indem er diesem die für
„Energietransporte“ notwendigen Kapazitäten zur Verfügung stellt.452 Dies umfasst
die Pflicht des Netzbetreibers, für die Elektrizitätsversorgung des Kunden Netzinfrastruktur vorzuhalten und Netzdienste zu erbringen453 sowie dessen Verpflichtung
zur Bereitstellung einer bestimmten Entnahmemenge an elektrischer Leistung am
vereinbarten Übergabepunkt.454 Auf der anderen Seite besteht die Verpflichtung des
Netznutzers in der B/egleichung des Netznutzungsentgelts.455 Diese im Zusammen-
448 Eingehend hierzu: de Wyl/ Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der
Energiewirtschaft, § 15 Rn. 355 ff.
449 Vgl. zu den von den Verbänden erstellten Musterverträgen die Nachweise bei Herzmann,
RdE 2007, 76, 77.
450 de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, §
15 Rn. 356.
451 Herzmann, RdE 2007, 76, 78.
452 Salje, EnWG, § 20 Rn. 1.
453 de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, §
15 Rn. 313; Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht, S. 148.
454 Salje, RdE 1998, 169, 172; Theobald/Theobald, Grundzüge (1. Aufl.), S. 221.
455 Herzmann, RdE 2007, 76, 78; de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald,
Recht der Energiewirtschaft, § 15 Rn. 333. Regelungen zur Bildung bzw. der Bemessung der
Netznutzungsentgelte finden sich in den §§ 21, 21 a, 23 a EnWG sowie in der StromNEV.
Auf die mit der Bemessung des Netznutzungsentgelts einhergehenden Probleme wird mangels Relevanz für die im Rahmen dieser Arbeit zu untersuchenden Frage nicht näher eingegangen.
106
hang mit der Netznutzung stehenden Pflichten der Vertragsparteien sind die Hauptleistungspflichten des Netznutzungs- bzw. Lieferantenrahmenvertrages.456
Der Unterschied zwischen Netznutzungs- und Lieferantenrahmenverträgen besteht darin, dass Netznutzungsverträge hinsichtlich der Entnahmestellen punktbezogen abzuschließen sind, während die von einem Lieferanten abzuschließenden Lieferantenrahmenverträge als Rahmenvereinbarung die Netznutzung aller von ihm
belieferten Kunden, die an das jeweilige Netz angeschlossen sind, regeln, ohne dass
von vornherein die Bestimmung sämtlicher Entnahmepunkte zu erfolgen hat.457
Vielmehr wird eine verfahrenstechnisch einfache Aufnahme weiterer Verbrauchsstellen gewährleistet, indem die Aufnahme eines neuen Endkunden nicht den Abschluss eines neuen Netznutzungsvertrags erfordert, sondern lediglich eine Daten-
übermittlung.458 Insoweit regelt der Lieferantenrahmenvertrag die Frage, wie die
Neuaufnahme der Belieferung von Kunden durch den Lieferanten gehandhabt wird,
sowie die Fristen, die sowohl Lieferant als auch Netzbetreiber einzuhalten haben,
um eine Neuaufnahme praktisch umzusetzen bzw. ihr zu widersprechen oder fehlende Daten anzufordern.459 Der Lieferantenrahmenvertrag stellt also im Ergebnis einen
Netznutzungsvertrag dar, der neben den zur Netznutzung auch die zur Belieferung
notwendigen Verfahrensabläufe konkret festlegt.460 In der Praxis werden zwischen
einem Stromlieferanten und dem Verteilernetzbetreiber (vgl. § 3 Nr. 3, 37 EnWG)
wegen der Vielzahl der zu beliefernden Kunden aus praktischen Gründen Lieferantenrahmenverträge und keine Netznutzungsverträge geschlossen.461
[3] Konstitutivität der Netznutzungs- bzw. Lieferantenrahmenverträge für die Belieferungstätigkeit
[a] Konstitutivität der Netznutzungs- bzw. Lieferantenrahmenverträge bzgl. Einspeisung
Fraglich ist, inwieweit es zur Vornahme der Belieferungstätigkeit durch einen Lieferanten des Abschlusses von Netznutzungs- bzw. Lieferantenrahmenverträgen mit
denjenigen Netzbetreibern bedarf, in deren Netze die Einspeisung von Energie erfolgen soll.
456 Herzmann, RdE 2007, 76, 78.
457 Salje, EnWG, § 20 Rn. 31.
458 de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, §
15 Rn. 356; Schick, Probleme des Stromlieferantenwechsels, S. 21 f.
459 de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, §
15 Rn. 360 f.
460 de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, §
15 Rn. 356; Schick, Probleme des Stromlieferantenwechsels, S. 21 f.
461 Schick, Probleme des Stromlieferantenwechsels, S. 21 f.; de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole,
in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 15 Rn. 356.
107
Zwar legt der Wortlaut des § 20 I a 1 EnWG nahe, dass die Netznutzer, egal ob es
sich dabei um Verbraucher selbst oder deren Lieferanten handelt, zwei Netznutzungsverträge abschließen sollen, nämlich mit dem Netzbetreiber, aus dessen Netz
die Stromentnahme erfolgt sowie mit demjenigen, in dessen Netz die von ihm bezogene Elektrizität eingespeist wird. Allerdings ist diese Regelung dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass der Abschluss eines Netznutzungsvertrages mit dem
Netzbetreiber, in dessen Netz eingespeist wird, nur für den Fall erforderlich ist, dass
der Netznutzer nicht nur Energie bezieht, sondern auch selbst eine (dezentrale) Einspeisung aus eigenen Kraftwerken vornimmt.462 In diesem Fall besteht nämlich ein
Bedürfnis des Einspeisers, die Netznutzung und die damit verbundenen, vom Netzbetreiber zu entrichtenden Entgelte (vgl. § 18 StromNEV463) zu regeln.464 Im Übrigen ist hingegen, wie bereits unter der Geltung der Verbändevereinbarungen II
plus465, von einem Ein-Vertrags-Modell auszugehen, wonach der Abschluss eines
Netznutzungsvertrages nur mit demjenigen Netzbetreiber erforderlich ist, aus dessen
Netz die Elektrizität entnommen wird.466 Für das Ein-Vertrags-Modell spricht die
bessere Handhabbarkeit für den Netznutzer, für welchen oftmals kaum erkennbar
sein wird, in welches Netz die von ihm bezogene Energie von den jeweiligen Vertragskraftwerken eingespeist wird. Durch das Ein-Vertragsmodell würde dem Netznutzer erspart, sich mit technisch-organisatorischen Einzelheiten des Energiemarktes
zu beschäftigen und die Notwendigkeit des Abschlusses einer Vielzahl von Netznutzungsverträgen vermieden. 467 Ferner verdeutlicht das gem. § 15 I 1 StromNEV
geltende transaktionsunabhängige Punktmodell (Abrechnung der Netznutzungskos-
462 Herzmann, RdE 2007, 76, 79 f.
463 Verordnung über die Entgelte für den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen vom
29.07.2007 (BGBl. I S. 2005, 2225), zuletzt geändert durch Art. 2 der der Verordnung vom
29.10.2007 (BGBl. I S. 2529).
464 Herzmann, RdE 2007, 76, 79.
465 Verbändevereinbarung II plus vom 13.12.2001 (BAnz. Nr. 85 b vom 08.05.2002) bot unter
Geltung des § 6 EnWG (1998) Hilfestellung bezüglich der Ausgestaltung der Vertragsverhältnisse über den Netzzugang. Es handelte sich dabei um ein Modell des verhandelten Netzzugangs, auf welches sich die Hauptverbände der leitungsgebundenen Energiewirtschaft und
die bedeutendsten (gewerblichen) Energieverbraucher/Netznutzer verständigten, wobei sich
die jeweiligen Hauptverbände einer freiwilligen Selbstverpflichtung unterwarfen. Die nun
geltende normative Regelung des Netzzugangs in StromNZV deckt sich konzeptionell weitgehend mit der VV II plus, so dass durch die Verordnung die bisher angewendeten Bedingungen im Grundsatz bestätigt und lediglich festgeschrieben wurden (Dittmann, in: Germer/Loibl, Energierecht, S. 249 f.).
466 Herzmann, RdE 2007, 76, 77; Sieberg, in: Bartsch/Röhling/Salje/Scholz, Stromwirtschaft, S.
667, Rn. 47; So auch, allerdings ohne nähere Begründung: Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht, S. 68; vorsichtig vormulierend: Salje, EnWG, § 20 Rn. 30. Auch in der Vertragspraxis wird im Elektrizitätsbereich weiterhin das Ein-Vertrags-Modell angewendet, indem sich
die Netznutzungs- bzw. Lieferantenrahmenverträge nur auf die Fragen der Energieentnahme
beziehen. Die im Zusammenhang mit der Einspeisung notwendige Netznutzung wird hingegen im Rahmen eigenständiger Einspeiseverträge geregelt, die zwischen dem Erzeuger und
dem Netzbetreiber, in dessen Netz die erzeugte Energie eingespeist werden soll, abgeschlossen werden (vgl. die Nachweise in: Herzmann, RdE 2007, 76, 77).
467 Herzmann, RdE 2007, 76, 78.
108
ten nach Briefmarken entsprechend den genutzten Netzebenen), dass eine zusätzliche vertragliche Regelung der Nutzung durch Einspeisung unnötig und unpraktisch
ist, da es für die Abrechnung der Netzentgelte ohnehin stets auf den Weg vom Übertragungsnetz zum Netz und die Netzebene der Entnahme ankommt.468
Ausgehend von dem Ein-Vertrags-Modell muss ein Lieferant für die Wahrnehmung der Belieferungstätigkeit daher grundsätzlich nur einen Netznutzungs- bzw.
Lieferantenrahmenvertrag mit demjenigen Netzbetreiber abschließen, aus dessen
Netz die Energieentnahme seiner Kunden erfolgt. Dies bedeutet, dass ein Grundversorger für die den Pflichten aus §§ 36, 38 EnWG entsprechende Belieferung seiner
Kunden grundsätzlich nur einen Netznutzungs- bzw. Lieferantenrahmenvertrag mit
dem Netzbetreiber des Energieversorgungsnetzes der Allgemeinen Versorgung nach
§ 18 EnWG abschließen muss. Der Abschluss von Netznutzungs- bzw. Lieferantenrahmenverträgen bezüglich Einspeisung ist für die Wahrnehmung der Belieferungstätigkeit als nicht konstitutiv anzusehen.
[b] Konstitutivität der Netznutzungs- bzw. Lieferantenrahmenverträge bzgl. Stromentnahmen
Zu klären ist, inwieweit das Vorliegen eines Netznutzungs- bzw. Lieferantenrahmenvertrages mit denjenigen Netzbetreibern, aus deren Netzen die Entnahme von
Elektrizität erfolgen soll, für die Wahrnehmung der Belieferungstätigkeit konstitutiv
ist.
Betreiber von Energieversorgungsnetzen haben gem. § 20 I 1 EnWG jedermann
nach sachlich gerechtfertigten Kriterien diskriminierungsfrei Netzzugang zu gewähren sowie die Bedingungen, einschließlich Musterverträge und Entgelte für diesen
Netzzugang im Internet zu veröffentlichen. Die Vorschrift enthält – wie erstmals die
§§ 6 I 1, 6 a II 1 EnWG (1998), die einen Netzbetreiber verpflichteten, anderen
Unternehmen diskriminierungsfrei die Durchleitung zu ermöglichen469 – einen
grundsätzlichen Anspruch auf den Netzzugang.470 Dabei ist an die Stelle des unter
Geltung des EnWG (1998) geltenden Prinzips des verhandelten Netzzugangs ein
regulierter Netzzugang getreten.471 Während der Gesetzgeber im ersten Liberalisierungsgesetz von 1998 entsprechend seiner Intention, den unternehmerischen Handlungsspielraum der EVU durch Deregulierung zu stärken472, auf den Erlass von
Rechtsverordnungen zur Regelung des Netzzugangs bewusst verzichtet und die
Bedingungen des Netzzuganges der Aushandlung im Einzelfall überlassen hat473,
468 Herzmann, RdE 2007, 76, 79.
469 Masing, Verw 36, 1, 14.
470 Loibl/Becker, ET 2006, Heft 7, 60; de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, Schneider/Theobald,
Recht der Energiewirtschaft, § 15 Rn. 229.
471 Salje, EnWG, § 20 Rn. 3; Stumpf/Gabler, NJW 2005, 3174.
472 BT-Drs. 13/7274, Zum Reformvorhaben als Ganzes, S. 10.
473 Stumpf/Gabler, NJW 2005, 3174; Masing, Verw 36, 1, 14.
109
musste im Zuge der Umsetzung der Beschleunigungsrichtlinien im EnWG 2005 ein
Systemwechsel von der Selbst- zur staatlichen „Zwangs“-Regulierung stattfinden.474
Durch die staatliche Regulierung des Netzbetriebes (Netzzugangs- und Entgeltregulierung) sollten die Voraussetzungen für wirksamen Wettbewerb auf den den Energienetzen vor- und nachgelagerten Märkten für Elektrizität und Gas geschaffen
werden.475
Der Systemwechsel vom verhandelten zum geregelten Netzzugang darf jedoch
nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Abschluss eines Netznutzungs- bzw. Lieferantenrahmenvertrages zwischen dem Netzbetreiber und dem Netzzugangspetenten
weiterhin grundsätzliche Voraussetzung für den Netzzugang ist.476 Dementsprechend stellt sich die Frage, ob es sich bei dem aus § 20 I 1 EnWG resultierenden
gesetzlichen Anspruch auf die Gewährleistung des Netzzugangs um einen Kontrahierungsanspruch oder um einen unmittelbaren gesetzlichen Anspruch auf die
Erbringung der realen Leistung durch den Netzbetreiber handelt. Hierbei ist anzumerken, dass diese Frage unter der Geltung des § 6 EnWG (1998), insbesondere im
Rahmen der prozessualen Durchsetzung des Netzzugangsanpruchs, zwar umstritten
war, die ganz herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur477 allerdings
von einem unmittelbaren gesetzlichen Anspruch ausging und den Abschluss eines
Netznutzungsvertrages zur Begründung eines Netzzugangsanspruchs für nicht erforderlich hielt.478 Unter der heutigen Rechtslage könnte aus den Formulierungen in §
20 I a 1 EnWG („haben …abzuschließen“) sowie § 24 I 1 StromNZV („Netznutzer
haben einen Anspruch auf den Abschluss eines Netznutzungsvertrages.“) gefolgert
werden, dass es sich bei dem Netzzugangsanspruch um einen Kontrahierungsanspruch handele479, so dass das Vorliegen von Netznutzungs- bzw. Lieferantenrahmenverträgen für den Netzzugang konstituierend sei. Dafür ließe sich auch § 6 I 1
StromGVV geltend machen, der den Grundversorger verpflichtet, „die für die
Durchführung der Grundversorgung erforderlichen Verträge mit Netzbetreibern
abzuschließen.“ Dabei wird aus der Begründung zu § 6 StromGVV deutlich, dass es
den Verordnungsgebern diesbezüglich insbesondere um den Abschluss von Lieferantenrahmenverträgen durch den Grundversorger ging.480 Bei einem solchen Verständnis des Netzzugangsanspruchs wäre denkbar, dass die Auswirkung der Insolvenzeröffnung auf Netznutzungs- bzw. Lieferantenrahmenverträge, zum Beispiel im
474 Pielow, in: Pielow, Grundsatzfragen der Energiemarktregulierung, S. 23; Sieberg, in:
Bartsch/Röhling/Salje/Scholz, Stromwirtschaft, S. 654, Rn. 13.
475 Stumpf/Gabler, NJW 2005, 3174; Loibl/Becker, ET 2006, Heft 7, 60, 61.
476 Loibl/Becker, ET 2006, Heft 7, 60, 61; Herzmann, RdE 2007, 76, 78; de Wyl/Müller-
Kirchenbauer/Thole, Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 15 Rn. 243.
477 Für einen unmittelbaren Anspruch: OLG Dresden, RdE 2001, 144, 145; RdE 2002, 310, 311;
OLG Düsseldorf, RdE 2004, 171, 172; Kühne, RdE 2000, 1, 2; Ungemach/Weber, RdE 1999,
131; a.A.: Lukes, BB 1998, 1219; ders. RdE 1998, 49, 52.
478 Loibl/Becker, ET 2006, Heft 7, 60, 61.
479 Vgl. Loibl/Becker, ET 2006, Heft 7, 60, 61; einen Kontrahierungsanspruch bejahend: de
Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 15 Rn.
246.
480 BRat-Drs. 306/06, Begründung zu § 6 StromGVV-E, S. 26.
110
Falle des Erlöschens bzw. einer vorübergehenden Undurchsetzbarkeit dieser Verträge, grundsätzlich zu einer Belieferungsunfähigkeit des Grundversorgers führen
könnte.
Andererseits spricht der Wortlaut des § 20 I 1 EnWG ganz allgemein und ohne
eine Bezugnahme auf einen Vertragsabschluss von der Gewährung des Netzzugangs, und § 20 II 1 EnWG von der Verweigerung eines solchen.481 Ferner ist zu
beachten, dass die §§ 20 I a sowie 20 I b EnWG erst nachträglich im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eingefügt wurden, wobei das Ziel die gesetzliche Verankerung der Grundprinzipien der Netzzugangsmodelle war.482 Insofern sollte durch die
Normierung der §§ 20 I a, I b EnWG lediglich der Überlegung Rechnung getragen
werden, dass wesentliche Entscheidungen – entsprechend dem Art. 80 I 2 GG –
nicht dem Verordnungsgeber überlassen bleiben sollten, nicht aber eine vom bisherigen Entwurf abweichende Entscheidung über die Rechtsnatur des Netzzugangsanspruchs getroffen werden.483 Des Weiteren spricht der Umstand, dass durch § 20 I
EnWG eine Stärkung des Zugangsanspruchs als Voraussetzung für mehr Wettbewerb auf den den Energienetzen vor- und nachgelagerten Märkten erreicht werden
sollte, dafür, dass der Anspruch auf den Netzzugang nicht erst aus den Netznutzungs- bzw. Lieferantenrahmenverträgen resultiert, sondern bereits aus § 20 EnWG.
Denn anderenfalls könnten die Netzbetreiber durch hinhaltendes Verweigern des
Vertragsabschlusses im Ergebnis die vom Gesetzgeber angestrebte Liberalisierung
des Strommarktes verhindern.484 Diese Gründe sprechen dafür, dass es sich bei dem
Netzzugang selbst (dem „Ob“ des Netzzuganges) um ein gesetzliches Schuldverhältnis handelt, welches bereits mit Beantragung des Netzzuganges entsteht, während durch den Abschluss der Netznutzungs- bzw. Lieferantenverträge dieses
gesetzliche Schuldverhältnis lediglich näher ausgestaltet wird (das „Wie“ des
Netzzuganges“).485 Dabei sind die jeweiligen Verträge zwar obligatorisch
abzuschließen, für den Netzzugang selbst jedoch nicht konstitutiv.486 Die
Erfüllungsansprüche auf die Zurverfügungstellung von Kapazitäten für
„Energietransporte“ entstehen zwar in der Regel erst mit wirksamen
Zustandekommen der jeweiligen Verträge487, allerdings gilt für die Fälle, in denen
zwischen den Vertragsparteien Streit über die vertragliche Ausgestaltung einzelner
Netzzugangsbedingungen vorliegt, dass der Netzzugang gleichwohl zu gewähren ist,
wobei die Streitigkeiten während des bereits laufenden Netznutzungsverhältnisses
beizulegen sind,488 so dass die Erfüllungsansprüche ausnahmsweise auch
481 Loibl/Becker, ET 2006, Heft 7, 60, 61.
482 BT-Drs. 15/5268, Begründung zu § 20 I a, I b-E, S. 119.
483 Loibl/Becker, ET 2006, Heft 7, 60, 62.
484 OLG Düsseldorf, RdE 2004, 171, 172.
485 Salje, EnWG, § 20 Rn. 26; Sieberg, in: Bartsch/Röhling/Salje/Scholz, Stromwirtschaft, S.
650, Rn. 3; Theobald/Theobald, Grundzüge, S. 219.
486 Salje, EnWG, § 20 Rn 10, 27; a.A.: de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, Schneider/Theobald,
Recht der Energiewirtschaft, § 15 Rn. 246.
487 Salje, EnWG, § 20 Rn. 26.
488 Salje, EnWG, § 20 Rn. 28; a.A.: de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald,
Recht der Energiewirtschaft, § 15 Rn. 246; S. 858 Fn. 343, die die Praxis der Gewährung des
111
sprüche ausnahmsweise auch unabhängig von Netznutzungs- bzw. Lieferantenrahmenverträgen zur Entstehung gelangen können.
Aus der mangelnden Konstitutivität der Netznutzungs- bzw. Lieferantenrahmenverträge für das Entstehen eines Erfüllungsanspruchs auf die Gewährleistung eines
Netzzugangs ergibt sich, dass ein etwaiges Erlöschen bzw. eine vorübergehende
Undurchsetzbarkeit dieser Verträge aufgrund der Auswirkungen der Insolvenzeröffnung nicht zu einer Lieferunfähigkeit eines Lieferanten zu führen vermögen, sollte
sich herausstellen, dass dessen unmittelbar aus § 20 I 1 EnWG folgender gesetzlicher Erfüllungsanspruch auf den Netzzugang selbst bei Erlöschen dieser Verträge
bzw. deren Undurchsetzbarkeit grundsätzlich trotz Insolvenzeröffnung fortbesteht.
Diesbezüglich ist festzustellen, dass das bestehende gesetzliche Netzzugangsschuldverhältnis aus § 20 I 1 EnWG zwischen einem Netzbetreiber und einem Netznutzer mit Zustandekommen eines Netznutzungs- bzw. Lieferantenrahmenvertrages
nicht etwa erlischt.489 Durch diese Verträge wird das gesetzliche Netzzugangsschuldverhältnis nämlich, wie gezeigt, lediglich ausgestaltet und nicht etwa in dem
Sinne abgelöst, dass das (Fort-) Bestehen des Erfüllungsanspruchs auf den Netzzugang ab dem Zeitpunkt des Zustandekommens des jeweiligen Vertrages nur noch
vom Schicksal dieses Vertrages abhängt. Dagegen lässt sich auch nicht einwenden,
dass mit einer wirksamen Kündigung der Netznutzungs- bzw. Lieferantenrahmenverträge grundsätzlich eine Lieferunfähigkeit eines Lieferanten anzunehmen ist, so
dass in diesem Fall anerkanntermaßen eine Ersatzversorgung seiner Kunden gem. §
38 EnWG eingreift. Denn die Wirksamkeit einer Kündigung des Netznutzungsbzw. Lieferantenrahmenvertrags durch den Netzbetreiber hängt vom Vorliegen eines
Verweigerungsgrundes i.S.d. § 20 II EnWG hinsichtlich des gesetzlichen Anspruchs
auf Gewährung der Netzzuganges ab.
Folglich kommt es für die Frage, ob mit der Insolvenzeröffnung eine irreparable
Belieferungsunfähigkeit des Grundversorgers und damit dessen Geschäftseinstellung
iS.d. § 36 II 4 EnWG einhergeht, nicht auf die Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf den Netzzugangs- bzw. Lieferantenrahmenvertrag an, den dieser zum
Zwecke der Erfüllung seiner Pflichten aus §§ 36, 38 EnWG abgeschlossen hat.
Vielmehr bedarf es einer Untersuchung der Auswirkungen der Insolvenzeröffnung
auf das zwischen dem Grundversorger und dem Netzbetreiber des Energieversorgungsnetzes der Allgemeinen Versorgung (vgl. § 18 EnWG) bestehende gesetzliche
Netzzugangsschuldverhältnis.
Netzzuganges trotz Uneinigkeit über die Inhalte des Vertrages lediglich als Kulanz des Netzbetreibers ansehen.
489 So auch Sieberg, in: Bartsch/Röhling/Salje/Scholz, Stromwirtschaft, S. 667, Rn. 45.
112
(bb) Gesetzliches Netzzugangsschuldverhältnis
[1] Inhalt des gesetzlichen Schuldverhältnisses
Gem. § 20 I a EnWG wird das gesetzliche Netzzugangsschuldverhältnis durch Netznutzung- bzw. Lieferantenrahmenverträge ausgestaltet. Hinsichtlich des Inhalts des
gesetzlichen Netzzugangsschuldverhältnisses kann daher auf die Darstellung der
Komponente der Netznutzung im Netznutzungs- bzw. Lieferantenrahmenvertrag
verwiesen werden.490 Daraus folgt, dass das gesetzliche Netzzugangsschuldverhältnis gem. § 20 I 1 EnWG einen Anspruch des Netznutzers auf die Erbringung von
Leistungen durch den Netzbetreiber beinhaltet, derer es zur Zurverfügungstellung
von Kapazitäten für „Energietransporte“ bedarf. Im Gegenzug ist der Netznutzer
dem Netzbetreiber zur Zahlung von Entgelten für die Gewährung des Netzzuganges
verpflichtet.
[2] Insolvenzrechtliche Behandlung
[a] Grundsatz
Es wurde bereits ausgeführt491, dass alle Rechte und Pflichten des Schuldners bei
Insolvenzeröffnung grundsätzlich bestehen bleiben. Dieser Grundsatz gilt sowohl für
die gesetzlichen als auch für die vertraglichen Rechte und Pflichten, wobei sich für
letztere allerdings in den §§ 103 ff. InsO Sonderregelungen finden. Im Hinblick auf
den gesetzlichen Anspruch des Netznutzers auf die Gewährung eines Netzzuganges,
welcher für die Wahrnehmung der Belieferungstätigkeit unumgänglich ist, gilt daher, dass dieser auch nach Insolvenzeröffnung über dessen Vermögen grundsätzlich
fortbesteht, so dass der Netzbetreiber die für den „Energietransport“ erforderlichen
Kapazitäten grundsätzlich auch nach der Insolvenzeröffnung zur Verfügung stellen
muss.
Dabei würde es sich im hier untersuchten Fall bei dem aus dem gesetzlichen
Netzzugangsschuldverhältnis folgenden Gegenanspruch des Netzbetreibers auf die
Zahlung von Netzentgelt grundsätzlich um einen Insolvenzanspruch i.S.d. § 38 InsO
handeln. Dieser stellt nämlich einen persönlichen Anspruch dar, der auf die Zahlung
von Netzentgelt gerichtet und somit als Vermögensanspruch anzusehen ist. Ferner
sind Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit solche Netzzugangsschuldverhältnisse,
die bereits vor der Insolvenzeröffnung des Grundversorgers begründet wurden, da es
gerade um die Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf bereits bestehende
Schuldverhältnisse geht. Dabei ist zu beachten, dass Insolvenzgläubiger in der Regel
490 Vgl. S. 105.
491 Vgl. S. 91.
113
nur eine quotale, also unvollständige Befriedigung erfahren.492 Zwar führen die
Regelungen der §§ 103 ff. InsO zum Teil dazu, dass Insolvenzforderungen ausnahmsweise als Masseforderungen zu befriedigen sind (vgl. §§ 103 I 1, 108 I i.V.m.
55 I Nr. 2 InsO), was grundsätzlich eine volle Erfüllung dieser Forderungen bedeutet.493 Allerdings gelten die Regelungen der §§ 103 ff. InsO ihrem Wortlaut nach nur
für vertragliche, nicht aber für gesetzliche Schuldverhältnisse, so dass sich die Situation grundsätzlich so darstellen würde, dass der Netzbetreiber – entsprechend der
Regel, dass alle Verpflichtungen im Insolvenzverfahren grundsätzlich fortbestehen –
seine Leistungen weiterhin erbringen müsste, als Gegenleistung aber nur eine Befriedigung aus der Insolvenzquote erhielte.
Insoweit ist jedoch festzustellen, dass es sich bei dem gesetzlichen Netzzugangsschuldverhältnis um ein gegenseitiges Schuldverhältnis handelt, bei welchem die
Leistungen des Netzbetreibers nur Zug um Zug gegen die Leistungen des Netznutzers, nämlich Entgeltzahlungen, erbracht werden müssen. Die Gegenseitigkeit der
Verpflichtungen des Netzbetreibers zur Gewährung des Netzzuganges und des
Netznutzers zur Zahlung von Netzentgelt ergibt sich sowohl aus § 20 I 1 EnWG
(„Entgelte für diesen Netzzugang“) als auch aus § 21 I EnWG, in welchen von Bedingungen und Entgelten „für den Netzzugang“ die Rede ist. Wer die Leistungen
des Netzbetreibers in Anspruch nimmt, hat also hierfür an den Netzbetreiber das
entsprechende Netzentgelt zu entrichten.494
Vor diesem Hintergrund ist die Regelung des § 20 II EnWG, nach welcher die
Netzbetreiber den Zugang nach § 20 I EnWG verweigern können, soweit sie nachweisen, dass ihnen die Gewährung des Netzzugangs aus betriebsbedingten oder
sonstigen Gründen unter Berücksichtigung der Ziele des § 1 EnWG nicht möglich
oder nicht zumutbar ist, auch als Ausprägung des funktionallen Synallagmas anzusehen. So wird eine Unzumutbarkeit gem. § 20 II EnWG bei Nichtbezahlung von
Netzentgelten zu bejahen sein, da die aus einer unentgeltlichen Netznutzung folgenden Verluste des Netzbetreibers im Ergebnis das von diesem zu gewährleistende
Ziel einer möglichst sicheren Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität i.S.d. §
1 EnWG vereiteln würden. In diesem Fall würde der Verweigerung des Netzzuganges durch den Netzbetreiber die Funktion einer Einrede des nicht erfüllten Vertrages
i.S.d. § 320 BGB zukommen. Ebenso muss dem Netzbetreiber aber auch eine Verweigerung des Netzzuganges gem. § 20 II EnWG möglich sein, wenn er in Hinblick
auf seine Entgeltansprüche aus den nach der Insolvenzeröffnung erbrachten Leistungen lediglich auf die Insolvenzquote verwiesen und damit nur unvollständig befriedigt würde. Aus der dem Netzzugangsschuldverhältnis zugrunde liegenden Gegenseitigkeit von Leistung und Gegenleistung folgt nämlich, dass der Netzbetreiber zur
Erbringung seiner Leistungen nur insoweit verpflichtet ist, als er die dieser Leistung
492 Marotzke, Gegenseitige Verträge, Rn. 3.57; Blum, Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit, S.
101.
493 Vgl. Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, Rn. 275; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 14.01.
494 de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, §
15 Rn. 333.
114
entsprechende Gegenleistung erhält (vgl. hinsichtlich der gegenseitigen Verträge: §
320 BGB). Eine der Einordnung seiner Entgeltforderungen als Insolvenzforderungen entsprechende quotale Befriedigung würde allerdings keine vollwertige Gegenleistung darstellen.495 Eine Verweigerung nach § 20 II EnWG aufgrund der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Netznutzers würde – angesichts der Tatsache,
dass der Netzbetreiber vorleistungspflichtig ist – eine Leistungsverweigerung i.S.d.
§ 321 BGB darstellen. § 321 BGB stellt eine Ausprägung des funktionallen Synallagmas zum Schutze des vorleistungspflichtigen Vertragspartners dar.496 Zwar entzieht § 103 InsO dem Vertragspartner des Schuldners die Einrede des § 321 BGB,
wenn und sobald die in § 321 BGB vorausgesetzte Gefährdung seines Anspruchs
durch dessen Umwandlung in eine Masseverbindlichkeit gem. §§ 103 I 1, 55 I Nr. 2,
1. Alt. InsO infolge des Erfüllungsverlangens seitens des Insolvenzverwalters behoben ist497, allerdings ist § 103 InsO seinem Wortlaut nach, wie bereits festgestellt,
auf gesetzliche Schuldverhältnisse nicht anwendbar, so dass im Grundsatz davon
auszugehen ist, dass das Leistungsverweigerungsrecht des Netzbetreibers nach § 20
II EnWG in der Insolvenz des Vertragspartners zu bejahen wäre. Allerdings entfällt
das Leistungsverweigerungsrecht gem. § 321 I 2 BGB, wenn die Gegenleistung
bewirkt oder Sicherheit für sie geleistet wird. Insoweit ist davon auszugehen, dass
der Netzbetreiber einem Netznutzer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren
eröffnet wurde – sofern von diesem Netznutzer keine Sicherheitsleistungen erbracht
wurden (vgl. § 23 II 2 StromNZV) – den Netzzugang gem. § 20 II 1 EnWG verweigern könnte und dies in der Regel auch tun würde, womit der Anspruch des Netznutzers auf den Netzzugang fortfiele und eine Belieferungsunfähigkeit eintreten
würde.
Die für gesetzliche Schuldverhältnisse grundsätzlich geltende Situation stellt sich
also so dar, dass das gesetzliche Netzzugangsschuldverhältnis nach der Insolvenzer-
öffnung fortbesteht, die Insolvenzeröffnung selbst also nicht zu einer automatischen
Belieferungsunfähigkeit des Grundversorgers führt. Vielmehr führt die Insolvenzer-
öffnung lediglich dazu, dass der Netzbetreiber dem Grundversorger im Einzelfall
aufgrund der mit der Insolvenzeröffnung einhergehenden Folgen für die Befriedigung seiner Ansprüche den Netzzugang gem. § 20 II EnWG verweigern darf. Eine
bereits durch die Insolvenzeröffnung eintretende Einstellung der Geschäftstätigkeit
des Grundversorgers gem. § 36 II 4 EnWG ist dementsprechend zu verneinen.
495 Vgl. Marotzke, Gegenseitige Verträge, Rn. 2.13 sowie die näheren Ausführungen auf S. 214
dieser Untersuchung.
496 Bamberger/Roth-Grothe, BGB, § 321 Rn. 1.
497 Marotzke, Gegenseitige Verträge, Rn. 4.85; Palandt-Grüneberg, BGB, § 321 Rn. 5.
115
[b] Ausnahme
[aa] Vorüberlegung
Allerdings liegt hinsichtlich der insolvenzrechtlichen Behandlung des gesetzlichen
Netzzugangsschuldverhältnisses – in Abweichung von dem oben dargestellten
Grundsatz – eine Anwendung der für schwebende Vertragsverhältnisse geltenden
Regelungen der §§ 103 ff. InsO nahe. Durch das Rechtsinstitut der Analogie kann
eine Norm auch auf einen Sachverhalt angewendet werden, auf welchen sie sich
ihrem Wortlaut nach nicht erstreckt. Für eine analoge Anwendung der §§ 103 ff.
InsO auf das gesetzliche Netzzugangsschuldverhältnis und die damit einhergehende
Abweichung von der oben dargestellten insolvenzrechtlichen Behandlung dieses
Schuldverhältnisses spricht, dass durch die Regelungen der §§ 103 ff. InsO den
unterschiedlichen Interessenlagen der Vertragsparteien im Falle der Insolvenz eines
der Vertragspartner grundsätzlich in einer ausgewogenen Art und Weise Rechnung
getragen wird, indem zwischen unterschiedlichen Vertragstypen bzw. tatsächlichen
Verhältnissen differenziert und abhängig davon eine Regelung angeordnet wird. So
tragen die Regelungen der §§ 103 ff. InsO beispielsweise dem Umstand Rechnung,
dass bei Vorliegen eines synallagmatischen Schuldverhältnisses derjenige Vertragspartner, der nach der Insolvenzeröffnung weiterhin zur Erbringung seiner Leistungen verpflichtet ist, nicht etwa als Insolvenzgläubiger zu befriedigen ist, sondern
eine Befriedigung als Massegläubiger erfahren muss (vgl. §§ 103 I 1, 108 I i.V.m.
55 I Nr. 2 InsO). Dadurch wird der Überlegung Rechnung getragen, dass es bei der
Einordnung der Ansprüche aus gegenseitigen, nicht vollständig erfüllten Verträgen
als Insolvenzforderungen nur bleiben kann, wenn die in die Masse fallenden Gegenforderungen nicht erfüllt werden sollen.498
Die analoge Anwendung einer Norm setzt eine ungeplante Regelungslücke sowie
eine Ähnlichkeit der Interessenlagen zwischen den von der Norm erfassten Sachverhalten und den Sachverhalten, auf welche sich die Norm ihrem Wortlaut nach nicht
erstreckt, voraus.499
Festzustellen ist, dass die Voraussetzungen für die analoge Anwendung der für
vertragliche Schuldverhältnisse geltenden Normen der §§ 103 ff. InsO auf das gesetzliche Netzzugangsschuldverhältnis – unabhängig davon, welche der Normen der
§§ 103 ff. InsO letztlich anzuwenden wäre – im Allgemeinen zu bejahen ist.
Dies ergibt sich aus der Ähnlichkeit des gesetzlichen Netzzugangsschuldverhältnisses zu den rein vertraglich begründeten Schuldverhältnissen. So entsprechen die
sich aus einem gesetzlichen Netzzugangsschuldverhältnis ergebenden Rechte und
Pflichten des Netzbetreibers und des Netznutzers denen, die bereits unter Geltung
des Prinzips des verhandelten Netzzugangs bestanden. Ebenso ist die Interessenlage
der Parteien des gesetzlichen Netzzugangsschuldverhältnisses untereinander dieselbe wie dies bei einem rein vertraglichen Schuldverhältnis der Fall wäre. Dies wird
498 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 20.02 f.
499 Larenz, Methodenlehre, S. 377, 381 f.; Achterberg, Verwaltungsrecht-AT, § 17 Rn. 49.
116
auch daran deutlich, dass zur Konkretisierung der Rechte und Pflichten des gesetzlichen Schuldverhältnisses aus § 20 I 1 EnWG vertragliche Schuldverhältnisse abgeschlossen werden. Ferner steht der analogen Anwendung der §§ 103 ff. InsO auf
gesetzliche Netzzugangsschuldverhältnisse nicht etwa entgegen, dass durch die
Normierung des § 20 I 1 EnWG eine Abkehr vom Prinzip des verhandelten Netzzuganges stattgefunden hat. Denn die Abkehr vom Prinzip des verhandelten Netzzuganges durch Normierung eines bereits mit Beantragung des Netzzuganges entstehenden gesetzlichen Anspruchs verfolgte lediglich den Zweck, den Wettbewerb auf
der Vertriebsebene zu fördern bzw. die Diskriminierung von Energielieferanten zu
verhindern. Die Frage nach dem Schicksal dieses Schuldverhältnisses für den Fall
einer Insolvenzeröffnung über das Vermögen eines Netznutzers spielte dabei jedoch
keine Rolle.
Die im Vergleich zu der für gesetzliche Schuldverhältnisse grundsätzlich vorzufindenden Rechtslage ausgewogenere Berücksichtigung der jeweiligen Interessen
der Parteien eines Schuldverhältnisses durch die Regelungen der §§ 103 ff. InsO
spricht dafür, diese Regelungen auch auf diejenigen gesetzlichen Schuldverhältnisse
anzuwenden, welche den vertraglichen Schuldverhältnissen ähnlich sind500 bzw. bei
welchen eine rein vertragliche Regelung ebenso denkbar, wenn auch weniger effizient wäre. Eine für die Analogie erforderliche ungeplante Regelungslücke wäre
daher ebenso zu bejahen, wie eine Ähnlichkeit des Netzzugangsschuldverhältnisses
mit den von den §§ 103 ff. InsO erfassten vertraglichen Schuldverhältnissen.
Dementsprechend ist zu untersuchen, die analoge Anwendung welcher Regelung
der §§ 103 ff. InsO auf das gesetzliche Schuldverhältnis über den Netzzugang in
Frage kommt. Stellt sich dabei heraus, dass das gesetzliche Schuldverhältnis weder
erlischt noch undurchsetzbar wird, sondern unverändert fortbesteht, wären alle
Zweifel am Fortbestand des Netzzugangsverhältnisses bei Insolvenzeröffnung beseitigt und insoweit eine automatisch mit Insolvenzeröffnung einhergehende Belieferungsunfähigkeit des Grundversorgers zu verneinen.
500 So ist die analoge Anwendung des § 103 I InsO auf die gesetzlichen Rückabwicklungsschuldverhältnisse allgemein anerkannt (BGH WM 1961, 482, 485 f.; Huber, in: Gottwald,
Insolvenzrechts-Handbuch, § 35 Rn. 16; Häsemeyer, KTS 2002, 603, 606 ff.; Scherer, NZI
2002, 356, 359 ff; HK-Marotzke, InsO, § 103 Rn. 11; N/R-Balthasar, InsO, § 103 Rn. 15;
K/P-Tintelnot, InsO, § 103 Rn. 14; v. Caemmerer, Larenz-FS, S. 621, 636; FK-Wegener, InsO, § 103 Rn. 15; Larenz, Michaelis-FS, S. 293, 208; Becker, DZWiR 2004, 202; offengelasen von BGHZ 150, 138, 148; BGH, DZWiR 2004, 200, 201; Pape, WuB VI B § 17 4.02, S.
994.)
117
[bb] Auswirkungen der §§ 103 ff. InsO auf das gesetzliche Netzzugangsschuldverhältnis
{1} Voraussetzungen der Anwendbarkeit der §§ 103 ff. InsO
Bei den Entgeltansprüchen des Netzbetreibers gegen den Grundversorger handelt es
sich grundsätzlich, wie bereits ausgeführt501, um Insolvenzforderungen. Insofern
wäre eine Anwendung der §§ 103 ff. InsO auf das gesetzliche Netzzugangsschuldverhältnis zu bejahen, wenn es sich dabei um ein schwebendes, d.h. von keiner Seite
vollständig erfülltes Schuldverhältnis handelt. Im Rahmen dieser Untersuchung sind
lediglich die Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf ein fortbestehendes Netzzugangsschuldverhältnis von Interesse, also auf ein solches, welches vor der Insolvenzeröffnung nicht gekündigt wurde. Ferner ist zu beachten, dass es sich beim
gesetzlichen Netzzugangsschuldverhältnis um ein Dauerschuldverhältnis handelt.
Darunter sind Schuldverhältnisse zu verstehen, die einen mehr oder minder langen
Zeitraum ausfüllen, weil sie ein dauerndes Verhalten oder in bestimmten Zeitabständen wiederkehrende einzelne Leistungen zum Inhalt haben, und bei denen der
Gesamtumfang der Leistungen von der Dauer der Rechtsbeziehung abhängt.502 Aus
diesen Gründen ist auch das Vorliegen eines schwebenden Schuldverhältnisses zu
bejahen, so dass die Regelungen der §§ 103 ff. InsO grundsätzlich eingreifen können. Fraglich ist, welche der für schwebende Rechtsverhältnisse geltenden Regelungen der §§ 103 ff. InsO auf das gesetzliche Netzzugangsschuldverhältnis anzuwenden ist. Diese Frage wird mangels des Vorliegens eines vertraglichen Schuldverhältnisses dahingehend zu untersuchen sein, welche Regelung der §§ 103 ff. InsO am
ehesten dem Wesen des gesetzlichen Netzzugangsschuldverhältnisses entspricht.
Die oben erörterte Vorgehensweise503 hinsichtlich der Prüfung der Auswirkungen
der §§ 103 ff. InsO auf die einzelnen Verträge wird im Folgenden eingehalten.
{2} Spezialregelungen
{a} Spezialregelungen, die unabhängig vom Vertragstyp eingreifen
Von denjenigen Spezialregelungen, die unabhängig vom Vertragstyp gelten, kommt
lediglich die Anwendung des Tatbestandes des § 104 InsO auf das gesetzliche Netzzugangsschuldverhältnis in Betracht. Dabei ist jedenfalls festzustellen, dass die
Anwendung des § 104 II InsO, der Geschäfte über Finanzleistungen behandelt, auf
das gesetzliche Netzzugangsschuldverhältnis nicht passt. Auch das Eingreifen des §
104 I InsO, der sich auf Verträge über die Lieferung von Waren, die einen Markt-
501 Vgl. S. 112.
502 Palandt-Grüneberg, BGB, § 314 Rn. 2; Uhlenbruck-Berscheid, InsO, § 55 Rn. 83.
503 Vgl. S. 102.
118
oder Börsenpreis haben, bezieht, ist allerdings – unabhängig von der Frage, ob es
sich bei Strom um eine Ware i.S.d. § 104 InsO handelt504 – zu verneinen. Die Anwendung des § 104 InsO auf das gesetzliche Netzzugangsschuldverhältnis scheidet
nämlich bereits aus dem Grund aus, dass dieses nicht die Lieferung der Energie als
Ware, sondern lediglich die Nutzung der Netzinfrastruktur sowie der Systemdienstleistungen des Netzbetreibers zum Transport der Energie zum Gegenstand hat.505
Trotz des missverständlichen Wortlauts kommt es bei § 104 InsO jedoch nicht auf
einen Vertrag an, der allein eine „Lieferung“ i.S. einer Transportleistung zum Gegenstand hat. Vielmehr ist § 104 InsO auf Verträge anzuwenden, deren Vertragsgegenstand die Ware selbst ist und der vereinbarte Preis dementsprechend den Wert
dieser Ware wiederspiegelt. Dies wird zum einen daran deutlich, dass es bei bloßen
Transportverträgen nicht darauf ankäme, ob die zu transportierende Ware einen
Markt- oder Börsenpreis hat und zum anderen an dem Umstand, dass der Marktoder Börsenpreis einer Ware zur Berechnung der Forderung wegen Nichterfüllung
herangezogen wird (vgl. § 104 III1 InsO). Ferner wird das Erlöschen der Forderungen gem. § 104 I InsO damit begründet, dass für die zu liefernde Ware jederzeit eine
anderweitige Deckungsmöglichkeit besteht.506 Folglich ist § 104 InsO auf das gesetzliche Netzzugangsschuldverhältnis nicht anwendbar.
{b} Die auf das Vorliegen eines bestimmten Vertragstyps abstellenden Spezialregelungen
{aa} Vorüberlegung
Fraglich ist, welchem Vertragstyp das gesetzliche Netzzugangsschuldverhältnis am
ehesten entspricht und ob es sich dabei um einen Vertragstyp handelt, der in den §§
103 ff. InsO eine Spezialregelung erfahren hat, oder bei welchem die Grundnorm
des § 103 InsO eingreift.
Wie oben bereits erörtert507, richtet sich die schuldrechtliche Einordnung eines
Vertrages nach den die Vertragsparteien treffenden Hauptleistungspflichten. Insoweit ist auch für die Frage, welchem Vertragstyp das gesetzliche Netzzugangsschuldverhältnis am ehesten entspricht, auf die Hauptleistungspflichten des gesetzlichen Schuldverhältnisses abzustellen. Dabei ergibt sich, dass die Hauptleistungspflicht des Lieferanten in der Zahlung des Netznutzungsentgelts besteht. Die
Zahlungspflicht ist jedoch eine Pflicht, die für mehrere Vertragsarten kennzeichnend
ist, so dass daraus keine Schlüsse auf die dem gesetzlichen Netzzugangsschuldver-
504 Vgl. dazu: S. 151 ff.
505 Vgl. Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht, S. 148.
506 BT-Drs. 12/7302, Beschlussempfehlung zu § 118 InsO-E, S. 168; Marotzke, Gegenseitige
Verträge, Rn. 5.121.
507 Vgl. S. 102.
119
hältnis am ehesten entsprechende Vertragsart gezogen werden können.508 Andererseits macht die Hauptleistungspflicht des Netzbetreibers, die darin besteht, dem
Netznutzer die erforderlichen Kapazitäten für den „Energietransport“ zur Verfügung
zu stellen, die Erbringung mehrerer Leistungen seinerseits erforderlich, so dass nicht
direkt ersichtlich ist, welche dieser Leistungen für das gesetzliche Netzzugangsschuldverhältnis prägend ist und im „Synallagma“ zu der Zahlungspflicht des Netznutzers steht.
Dementsprechend wird in Hinblick auf die Rechtsnatur des Netznutzungsvertrages das Vorliegen eines Kauf-, Miet-, Dienst-, Werk- sowie Geschäftsbesorgungsvertrages diskutiert.509 Die Überlegungen, die hinsichtlich der schuldrechtlichen
Einordnung des Netznutzungsvertrages vorzufinden sind, lassen sich angesichts der
Tatsache, dass es sich dabei um eine vertragliche Ausgestaltung des gesetzlichen
Netzzugangsschuldverhältnisses handelt, auch für die Frage geltend machen, welchem Vertragstyp das gesetzliche Netzzugangsschuldverhältnis am ehesten entspricht. Dabei ist festzustellen, dass hinsichtlich der Rechtsnatur des Netznutzungsvertrages im Ergebnis teilweise das Vorliegen eines Geschäftsbesorgungsvertrages
mit werkvertraglichen Elementen bejaht wird.510 Diese Ansicht hätte zur Folge, dass
das gesetzliche Netzzugangsschuldverhältnis mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens
gem. § 116 InsO erlöschen würde, was wiederum eine Belieferungsunfähigkeit des
Grundversorgers bewirken würde. Nach der herrschenden Meinung handelt es sich
beim Netznutzungsvertrag jedoch um einen typengemischten Vertrag sui generis, in
dem Elemente des Kauf-, Dienst-, Werk-, Miet- und auch des Geschäftsbesorgungsvertrags verwirklicht sind.511 Für den Fall, dass die Annahme eines gemischten Vertrages dem Wesen des gesetzlichen Netzzugangsschuldverhältnis am ehesten entspricht, wäre zu klären, welches vertragliche Element dabei den Schwerpunkt des
gesetzlichen bildet bzw. für das gesamte Schuldverhältnis prägend ist.
Im Folgenden wird untersucht, inwieweit die grundsätzlich in Frage kommenden
Vertragstypen des Kauf-, Miet-, Dienst-, Werk- sowie Geschäftsbesorgungsvertrages dem Wesen des gesetzlichen Netzzugangsschuldverhältnisses entsprechen. Anzumerken ist, dass die Ergebnisse der nachfolgenden Untersuchung naturgemäß
auch für die schuldrechtliche Einordnung der Netznutzungs- bzw. Lieferantenrahmenverträge Geltung beanspruchen.
508 Vgl. Piepenbrock/Müller, in: Schuster, Vertragshandbuch Telemedia, S. 346.
509 Vgl. Salje, RdE 1998, 169, 170 ff; Theobald/Theobald, Grundzüge, S. 273 f.
510 Salje, RdE 1998, 169, 172; sich diesem anschließend: Albert, Stromlieferungsverträge, S.
289; Kühne, RdE 2000, 1, 2; Ungemach/Weber, RdE 1999, 131, 132.
511 de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, §
15 Rn. 305; Recknagel, in: Energiewirtschaftsgesetz 1998, § 6 Rn. 2.2.; Büdenbender,
Schwerpunkte, S. 110; Scholz/Röhling, in: Bartsch/Röhling/Salje/Scholz, Stromwirtschaft (1.
Aufl.), S. 447, Rn. 22, auf die 1. Aufl. verweisend: Sieberg, in: Bartsch/Röhling/Salje/Scholz,
Stromwirtschaft, S. 668, Rn. 49 (Fn. 82).
120
{bb} Mögliche vertragliche Einordnungen des gesetzlichen Netzzugangsschuldverhältnisses
<1> Mietvertrag
Für eine Ähnlichkeit des gesetzlichen Netzzugangsschuldverhältnisses zum Mietvertrag i.S.d § 535 BGB könnte sprechen, dass der Lieferant die im Eigentum der Netzbetreiber stehenden Netze nutzt, um die Energie am vereinbarten Lieferort – bei
Grundversorgungsverträgen am Kundenanschluss – zur Verfügung zu stellen. Allerdings ist zu beachten, dass die Nutzung einer fremden Sache beim gesetzlichen
Netzzugangsschuldverhältnis angesichts der physikalischen Gegebenheiten der Elektrizität nicht im Vordergrund steht. Denn zwischen dem von dem Lieferanten
eingespeisten und vom Kunden entnommenen Strom besteht keine Identität.512 Ferner ist es für die tatsächliche Stromentnahme eines Kunden nicht entscheidend, ob
dessen Lieferant tatsächlich in das Elektrizitätsnetz Strom einspeist, also das Netz
benutzt, sondern ob das Stromnetz, an das der Kunde angeschlossen ist, funktioniert.513 Angesichts der Tatsache, dass die Aufrechterhaltung der Spannung und
Frequenz des Netzes durch den Netzbetreiber dem Abnehmer die Energieentnahme
ermöglicht, und nicht etwa die Nutzung einer fremden Sache durch den Lieferanten,
ist das mietvertragliche Element des gesetzlichen Netzzugangsschuldverhältnisses
nicht als prägend für dieses Schuldverhältnis anzusehen, so dass nicht davon auszugehen ist, dass der Vertragstyp des Mietvertrages dem Wesen des gesetzlichen Netzzugangsschuldverhältnisses am ehesten entspricht.
<2> Kaufvertrag (zugunsten Dritter)
Ebenso ist eine Ähnlichkeit des gesetzlichen Netzzugangsschuldverhältnisses zum
Vertragstyp des Kaufvertrages (zugunsten Dritter) zu verneinen. Zwar muss der
Netzbetreiber die vom Lieferanten bzw. von dessen Drittzulieferer eingespeiste
Energie abnehmen und an den Abnehmer „weiterleiten“, allerdings ist der Netzbetreiber – abgesehen von den Sonderfällen der Einspeisung von EE- bzw. KWK-
Strom514 – nicht als Käufer von Energie anzusehen, da nicht dem Netzbetreiber,
sondern dem Lieferanten Zahlungsverpflichtungen obliegen. Insoweit passen weder
die Rollenverteilung noch die Definition des Äquivalenzverhältnisses des Kaufvertrags auf das gesetzliche Netzzugangsschuldverhältnis.515 Im Übrigen bedarf es der
512 Vgl. Salje, RdE 1998, 169, 170 f.; de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 15 Rn. 303; Theobald/Theobald, Grundzüge (1.
Aufl.), S. 219.
513 BRat-Drs. 367/06, Begründung zu § 18 StromNAV-E, S. 54.
514 Nach §§ 4, 5 EEG und §§ 3,4 KWK-G unterliegen diejenigen Netzbetreiber, in deren Netz
eine Einspeisung des EE- bzw. KWK-Stroms erfolgt, einer Abnahme- und Vergütungspflicht.
515 Salje, RdE 1998, 169, 172.
121
Konstruktion der Drittbegünstigung des Kunden nicht, da der Kunde aus dem Liefervertrag mit dem Lieferanten ohnehin eigene Ansprüche gegen den Stromlieferanten hat.516
<3> Dienstvertrag/Werkvertrag
Dem Wesen des gesetzlichen Netzzugangsschuldverhältnisses könnte der Vertragstyp des Dienstvertrages bzw. des Werkvertrages entsprechen. Die Entscheidung
darüber, ob ein Dienstvertrag oder ein Werkvertrag anzunehmen ist, wird üblicherweise über die Erfolgskomponente (§ 631 II BGB) vorgenommen.517 Wird nach dem
Gegenstand des Vertrages die Herbeiführung eines Arbeitsergebnisses, also ein fest
umrissener Leistungsgegenstand, geschuldet, ist von einem Werkvertrag auszugehen. Wird hingegen lediglich die Arbeitsleistung, also das bloße Wirken geschuldet,
ist ein Dienstvertrag anzunehmen.518 Das gesetzliche Netzzugangsschuldverhältnis
zwischen einem Lieferanten und dem Netzbetreiber dient dem Zweck, den Kunden
des Lieferanten die Elektrizitätsentnahme zu ermöglichen. Da es hierfür, wie oben
gezeigt wurde519, darauf ankommt, dass das Netz ordnungsgemäß betrieben wird, ist
die Herstellung und Aufrechterhaltung der elektrischen Spannung eine sich aus dem
Netzzugangsschuldverhältnis ergebende Leistungspflicht des Netzbetreibers.520 Die
ständige Bereitstellung der Verteilungsanlagen macht entsprechende Arbeitsleistungen seitens des Netzbetreibers erforderlich, wobei es sich dabei um eine Dauerleistung handelt.521 Angesichts der Tatsache, dass die Dauerschuldkomponente bei dem
tätigkeits- und nicht erfolgsbezogenen Dienstvertrag im Mittelpunkt steht522, liegt es
nahe, die im Zusammenhang mit der Herstellung und Aufrechterhaltung der elektrischen Spannung stehenden Arbeitsleistungen des Netzbetreibers als dienstvertragliche Tätigkeiten einzuordnen.523 Dafür spricht auch, dass die zur Frequenz- und
Spannungshaltung erforderlichen Tätigkeiten des Netzbetreibers allgemein als „Systemdienstleistungen“ bezeichnet werden.524 Insoweit weist das gesetzliche Netzzugangsschuldverhältnis jedenfalls dienstvertragliche Elemente auf.
516 Salje, RdE 1998, 169, 172; Theobald/Theobald, Grundzüge (1. Aufl.), S. 219.
517 MüKo-Busche, BGB, § 631 Rn. 14; Palandt-Sprau, BGB, Einf. Vor § 631, Rn. 8; kritisch in
Bezug auf dieses Abgrenzungskriterium: Soergel-Teichmann, BGB, Vor § 631, Rn. 8; Bamberger/Roth-Voit, BGB, § 631 Rn. 4.
518 Palandt-Sprau, BGB, Einf. Vor § 631, Rn. 8.
519 Vgl. S. 120.
520 Vgl. Albert, Stromlieferungsverträge, S. 64.
521 Vgl. Ern, Rechtsnatur des Elektrizitätsversorgungsvertrages, S. 33.
522 Vgl. Piepenbrock/Müller in: Schuster, Vertragshandbuch Telemedia, S. 349 Rn. 41.
523 So auch Salje, RdE 1999, 169, 173; Ern, Rechtsnatur des Elektrizitätsversorgungsvertrages,
S. 33.
524 de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, §
15 Rn. 333.
122
Allerdings trägt das Netzzugangsschuldverhältnis auch erfolgsbezogene Elemente
in sich, was für eine Ähnlichkeit zum Werkvertrag spricht. Dies ergibt sich daraus,
dass das Ziel eines Netzzugangsschuldverhältnisses darin besteht, eine bestimmte
Menge und Qualität an Elektrizität für sich oder einen Dritten zur Verfügung gestellt
zu erhalten.525 Der Netzbetreiber ist nämlich nur gegenüber denjenigen Abnehmern
zur Zurverfügungstellung von Energie verpflichtet, denen selbst oder deren Lieferanten ein Recht auf Netzzugang nach § 20 EnWG zusteht (vgl. §§ 16 I 1, 3 II Nr. 2
StromNAV). Dadurch wird der Überlegung Rechnung getragen, dass der Netzbetreiber die Anschlussnutzung des Abnehmers nicht unentgeltlich ermöglichen
muss, sondern nur wenn er für seine Leistungen einen Anspruch auf Entgelt für den
Netzzugang nach § 21 EnWG hat.526 Insoweit ist das gesetzliche Netzzugangsschuldverhältnis auf die Herbeiführung eines Erfolges, nämlich der Zurverfügungstellung von Energie an den jeweils vereinbarten Abnahmestellen gerichtet,
was als Herstellung eines Werks i.S.d. § 631 I BGB angesehen werden könnte.527
Festzuhalten ist daher, dass gesetzliche Netzzugangsschuldverhältnis sowohl
dienst- als auch werkvertragliche Elemente in sich trägt, wobei beide Vertragstypen
als Schwerpunkt des Schuldverhältnisses in Frage kommen. Die Frage, welches
dieser Elemente überwiegt, kann an dieser Stelle jedoch dahinstehen, wenn die im
Rahmen des gesetzlichen Netzzugangsschuldverhältnisses vom Netzbetreiber vorzunehmenden dienst- bzw. werkvertraglichen Tätigkeiten ohnehin – wie teilweise
vertreten wird528 – eine „Geschäftsbesorgung“ darstellen, so dass am ehesten eine
Ähnlichkeit zum Geschäftsbesorgungsvertrag i.S.d. § 675 BGB zu bejahen wäre. §
675 BGB stellt eine Sonderregelung für Dienst- und Werkverträge dar, die eine
Geschäftsbesorgung zum Gegenstand haben.529
<4> Geschäftsbesorgungsvertrag
Nach ständiger Rechtsprechung ist für § 675 BGB eine selbstständige Tätigkeit
wirtschaftlicher Art kennzeichnend, die im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrages ausgeführt wird.530 Entscheidend für die Einordnung als Geschäftsbesorgungsvertrag ist dabei, dass die Tätigkeit i.S.d. § 675 BGB durch ein Tätigwerden im
fremden Interesse gekennzeichnet ist.531 Der Netzbetreiber wird, indem er Durchleitungsaufträge entgegennimmt und die eingespeiste Elektrizität an den Übergabepunkt bzw. an einen bestimmten Abnehmer „weiterleitet“, als Unternehmer selbst-
525 Salje, RdE 1999, 169, 173.
526 Begründung zu § 18 StromNAV, S. 48.
527 Salje, RdE 1999, 169, 173.
528 Salje, RdE 1998, 169, 172; sich diesem anschließend: Albert, Stromlieferungsverträge, S.
289; Kühne, RdE 2000, 1,2; Ungemach/Weber, RdE 1999, 131, 132.
529 MüKo-Heermann, BGB, § 675 Rn. 2.
530 BGHZ 45, 223, 228 f.
531 Salje, RdE 1998, 169, 172; Palandt-Sprau, BGB, § 662 Rn. 7; MüKo-Seiler, § 662 Rn. 15.
123
ständig tätig.532 Ferner kommen dem Wesen des gesetzlichen Netzzugangsschuldverhältnisses – wie gezeigt – die Vertragstypen des Dienst- oder Werkvertrages am
nächsten, so dass im Hinblick auf eine vertragliche Zuordnung des gesetzlichen
Netzzugangsschuldverhältnisses festzustellen ist, dass die Voraussetzungen für das
Vorliegen eines Geschäftsbesorgungsvertrages insoweit erfüllt sind. Fraglich ist
aber, ob der Netzbetreiber dabei im fremden Interesse tätig wird. Im fremden Interesse liegt die Tätigkeit, wenn sie „an sich der Sorge eines anderen“ obliegt.533 Dies
bedeutet, dass es sich um Geschäfte handeln muss, die ursprünglich der Geschäftsherr selbst in Wahrnehmung seiner Vermögensinteressen hätte besorgen müssen, für
die er aber – arbeitsteilig – eine andere Person einschaltet.534
Gegen ein Handeln im fremden Interesse kann nicht geltend gemacht werden,
dass der Netzbetreiber bereits kraft Gesetzes zur Aufrechterhaltung von Spannung/Frequenz verpflichtet sei535 und daher ausschließlich im eigenen Interesse
handele. Wie gesehen, ist das gesetzliche Netzzugangsschuldverhältnis nicht auf
diese allgemeine Verpflichtung gerichtet, vielmehr wird die allgemeine gesetzliche
Verpflichtung durch das Netzzugangsschuldverhältnis konkretisiert, indem gewährleistet werden soll, dass bestimmte Kunden Energie beziehen können. Hierzu ist der
Netzbetreiber nicht bereits gesetzlich verpflichtet, so dass die Wahrnehmung eines
fremden Interesses jedenfalls nicht aus diesem Grunde ausscheidet.
Die Ansicht, die in Bezug auf den Netznutzungsvertrag das Vorliegen eines Geschäftsbesorgungsvertrages bejaht, argumentiert, dass es sich bei der Zurverfügungstellung der Elektrizität um eine Annextätigkeit in Bezug auf die vom Lieferanten gegenüber dem Stromabnehmer bereits eingegangene Verpflichtung aus dem
Stromlieferungsvertrag handele. Der Netzbetreiber übernehme insoweit das eigentlich vom Durchleitenden zu führende Geschäft und unternehme eine Besorgung, die
eigentlich dem Lieferanten als Auftraggeber obliege, so dass ein Tätigwerden im
fremden Interesse zu bejahen sei.536
Allerdings kann die Frage, ob der Netzbetreiber im fremden Interesse handelt,
nicht pauschal beantwortet werden, sondern hängt von den im Einzelfall zwischen
dem Lieferanten und dem Kunden vereinbarten Regelungen ab.
So ist der Grundversorger aus einem Grundversorgungsvertrag sowie aus einem
Ersatzversorgungsverhältnis lediglich zum Abschluss der für die Durchführung der
Grundversorgung erforderlichen Verträge mit Netzbetreibern verpflichtet (§ 6 I 1
StromGVV). Ferner bestimmt § 6 I 2 StromGVV, dass der Grundversorger die ihm
möglichen Maßnahmen zu treffen hat, um den Kunden am Ende des Netzanschlusses Elektrizität zur Verfügung zu stellen. Dabei wurde die Regelung des § 6 I
StromGVV damit begründet, dass der Energielieferant technisch nicht in der Lage
532 Salje, RdE 1998, 169, 173.
533 Palandt-Sprau, BGB, § 662 Rn. 7; Bamberger/Roth-Czub, BGB, § 662 Rn. 8.
534 BGH, NJW-RR 1992, 560; Palandt-Sprau, BGB, § 675 Rn. 4.
535 Vgl. Salje, EnWG, § 12 Rn. 4, 7, § 14 Rn. 7; Büdenbender, EnWG, § 4 Rn. 17 zur Betriebspflicht nach EnWG (1998).
536 Salje, RdE 1998, 169, 173.
124
ist, die Spannung und Frequenz des Stroms zu beeinflussen.537 Dies wiederum resultiert daraus, dass dem nun geltenden EnWG als Konzept zur Schaffung von Wettbewerb eine grundsätzliche Trennung der Tätigkeiten des Netzbetriebsbereichs von
den anderen Tätigkeiten der Energieversorgung zugrunde liegt (sog. Unbundling).538
Selbst wenn es sich bei einem Lieferanten um ein vertikal integriertes EVU (vgl. §
3 Nr. 38 EnWG) handelt, ist den Regelungen in § 8 II bis IV EnWG zu entnehmen,
dass eine innere und äußere Entscheidungsfreiheit der für den Netzbetrieb verantwortlichen Personen in Bezug auf die Fragen des Netzbetriebes, der Wartung und
des Ausbaus des Netzes zu gewährleisten ist.539 Gemäß § 8 IV 4 EnWG sind nicht
einmal Weisungen zum laufenden Netzbetrieb erlaubt. Diesem Umstand hat der
Verordnungsgeber der StromGVV Rechnung getragen, indem er sich dazu entschieden hat, den Grundversorger nur so weit zu verpflichten, wie dessen Einflussmöglichkeiten reichen. Die Verpflichtungen des Grundversorgers wurden daher darauf
beschränkt, die für den Netzzugang nach § 20 EnWG erforderlichen Verträge abzuschließen und dadurch die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Belieferung
grundversorgungsberechtigter Haushaltskunden zu schaffen.540 Eine Annexverpflichtung des Grundversorgers ist also auf den Abschluss (und die Erfüllung) der
für die Abnahme der Elektrizität durch den Kunden notwendigen Verträge beschränkt. Eine Annexverpflichtung des Grundversorgers zur technischphysikalischen Zurverfügungstellung von Strom besteht im Rahmen der Grundversorgungsverträge bzw. Ersatzversorgungsverhältnisse hingegen nicht.
Dies wird im Übrigen auch bei anderen Stromlieferungsverträgen – unabhängig
davon, ob es sich um reine Stromlieferungsverträge oder um all-inclusive-Verträge
handelt – die Regel sein. Da der in der StromGVV normierte Grundversorgungsvertrag den Interessen der als schutzwürdig erachteten Haushaltskunden Rechnung
trägt, ist davon auszugehen, dass die sich daraus ergebenden Verpflichtungen des
Grundversorgers derart umfassend sind, dass sich kein Lieferant freiwillig darüber
hinausgehende Verpflichtungen aufbürden würde. Ferner ist ohnehin davon auszugehen, dass sich ein Lieferant seinen Kunden gegenüber in der Regel nur soweit
verpflichten wird wie seine eigenen Einflussmöglichkeiten reichen.541
537 BRat-Drs. 306/06, Begründung zu § 6 StromGVV-E, S. 26.
538 BT-Drs. 15/3917, Begründung zu § 6 EnWG-E, S. 51; Salje, EnWG, § 6 Rn. 2; de
Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 15
Rn. 306.
539 Salje, EnWG, § 8 Rn. 11.
540 BRat-Drs. 306/06, Begründung zu § 6 StromGVV-E, S. 26.
541 Im Einzelfall mag anderes gelten. Verpflichtet sich ein Lieferant ausnahmsweise zur technisch-physikalischen Zurverfügungstellung der Energie, liegt die Annahme eines Geschäftsbesorgungsvertrages nahe. Für das Vorliegen des Geschäftsbesorgungsvertrages ist es nämlich nicht erforderlich, dass der Geschäftsherr persönlich in der Lage ist, das Geschäft zu erfüllen (Palandt-Sprau, BGB, § 662 Rn. 7). Vielmehr kann sich der Geschäftsherr gegenüber
einem Dritten vertraglich zur Erbringung eines Dienstes oder zu einer Werkerrichtung verpflichtet haben, ohne selbst das notwendige Know-how bzw. die dafür erforderlichen technischen Vorrichtungen zu haben. Beauftragt der Geschäftsherr in diesem Fall einen anderen mit
der Erledigung dieses Geschäftes, handelt der Beauftragte im Rahmen eines Geschäftsbesor-
125
Somit ist grundsätzlich zwischen der Verpflichtung zur Zurverfügungstellung der
Energie, die der Lieferant in einem Liefervertrag eingeht und der Verpflichtung zur
Zurverfügungstellung der Energie, die ein Netzbetreiber im Rahmen eines (gesetzlichen) Netzzugangsschuldverhältnisses zu erfüllen hat, zu unterscheiden. Während
sich der Netzbetreiber dazu verpflichtet, die Energie so zur Verfügung zu stellen,
dass dem Kunden die Energieentnahme technisch-physikalisch möglich wird, kann
die Verpflichtung des Lieferanten zur Zurverfügungstellung von Energie in der
Regel nur als eine Verpflichtung zur Einspeisung einer bestimmten Strommenge
verstanden werden. Insoweit übernimmt der Netzbetreiber, sofern er Energie zur
Verfügung stellt, in der Regel keine Besorgung, die eigentlich dem Geschäftskreis
des Lieferanten obliegt.542 Vielmehr erfüllt er Verpflichtungen, die aufgrund des
zwischen ihm und dem Netznutzer bestehenden Netzzugangsschuldverhältnisses
originär seinem Geschäftskreis angehören. Dies ist angesichts der Regelung des § 6
I StromGVV jedenfalls im Hinblick auf die Netzzugangsschuldverhältnisse zu bejahen, derer der Grundversorger zur Wahrnehmung seiner Pflichten aus §§ 36, 38
EnWG bedarf. Ein Tätigwerden des Netzbetreibers im fremden Interesse ist daher zu
verneinen.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die oben erörterte Ansicht, welche
hinsichtlich eines Netznutzungsvertrages das Vorliegen eines Geschäftsbesorgungsvertrages bejaht, noch unter Geltung des EnWG (1998) vertreten wurde, in welchem
das Prinzip des Unbundlings – verglichen zum geltenden Recht, in welchem die
diesbezüglichen strengen europarechtlichen Vorgaben543 umgesetzt wurden – nur
inkonsequent verwirklicht wurde. So hat eine Trennung zwischen Netz und Dienst
unter Geltung des EnWG (1998) noch nicht stattgefunden, gefordert war allein eine
Separierung der Rechnungslegung (vgl. § 9 II EnWG (1998)).544 Insofern ist nicht
auszuschließen, dass die Vertreter dieser Meinung unter heutiger Gesetzeslage das
Vorliegen eines Geschäftsbesorgungsvertrages ebenso verneinen würden.
Festzustellen ist jedenfalls, dass der Vertragstypus des Geschäftsbesorgungsvertrages aus dargelegten Gründen dem Wesen des gesetzlichen Netzzugangsschuldverhältnisses nicht entspricht.
gungsvertrags.
Da sich diese Arbeit jedoch auf die Untersuchung der Grundversorgungs- und Ersatzversorgungspflicht im Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Grundversorgers beschränkt,
wird auf etwaige Ausnahmefälle, in denen sich der Grundversorger bei Verträgen außerhalb
der Grundversorgung weiter verpflichten sollte, als dies nach dem Konzept der StromGVV
erforderlich wäre, nicht weiter eingegangen.
542 So auch de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 15 Rn. 305.
543 Vgl. Art. 10, 14, 12 Elt-RL.
544 Masing, Verw 36, 1, 14.
126
<5> Zwischenergebnis
Die herrschende Auffassung sieht den Netznutzungsvertrag, wie bereits angesprochen545 als einen typengemischten Vertrag eigener Art an, in dem Elemente des
Kauf-, Dienst-, Werk-, Miet- und auch des Geschäftsbesorgungsvertrags verwirklicht sind.546 Die obigen Ausführungen sprechen jedoch gegen das Vorliegen von
Elementen des Kauf- und Geschäftsbesorgungsvertrags im Netzzugangsschuldverhältnis.547 Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Netzzugangsschuldverhältnisse
am ehesten einen typengemischten Vertrag eigener Art darstellen, in welchem lediglich die Elemente des Werk- Dienst- und Mietvertrages verwirklicht sind.
Für die insolvenzrechtliche Behandlung eines gemischten Vertrages ist das Recht
desjenigen Vertragstypus heranzuziehen, der den rechtlichen oder wirtschaftlichen
Schwerpunkt des Vertrags bildet.548 Es wurde bereits festgestellt, dass der Schwerpunkt des gesetzlichen Netzzugangsschuldverhältnisses nicht im mietvertraglichen
Element zu sehen ist. Zu untersuchen ist daher, ob das dienst- oder das werkvertragliche Element die primäre Hauptleistung des Netzbetreibers darstellt.
<6> Schwerpunkt des Schuldverhältnisses
Das Ziel des Netzzugangsschuldverhältnisses ist in der Zurverfügungstellung von
Strom an einer bestimmten Abnahmestelle zu sehen.549 Dies spricht dafür, in den
Arbeitsleistungen des Netzbetreibers lediglich das Durchgangs- nicht jedoch das
Endziel des gesetzlichen Netzzugangsschuldverhältnisses zu sehen, was die Annahme nahe legen würde, dass der Vertragstyp des Werkvertrages dem Wesen des gesetzlichen Netzzugangsschuldverhältnisses am ehesten entspricht.550
Gegen das Vorliegen eines Werkes i.S.d. § 631 I BGB spricht jedoch, dass beim
Werkvertrag eine erfolgreiche Wertschöpfung, ein über den Arbeitseinsatz hinausgehendes Arbeitsprodukt geschuldet ist.551 Bei der Zurverfügungstellung der Energie
am Abnahmeort sieht die Situation jedoch so aus, dass keine vom Arbeitseinsatz des
Netzbetreibers zu unterscheidende Wertschöpfung vorliegt. Auch das Einschalten
545 Vgl. S. 119.
546 de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, §
15 Rn. 305; Scholz/Röhling, in: Bartsch/Salje/Röhling/Scholz (1. Aufl.), Stromwirtschaft, S.
447, Rn. 22; Recknagel, in: Energiewirtschaftsgesetz 1998, § 6 Rn. 2.2; Büdenbender,
Schwerpunkte, S. 110.
547 Dabei sei hinsichtlich des Fehlens des Elementes des Geschäftsbesorgungsvertrags, wie
bereits oben (S. 125), darauf hingewiesen, dass die jeweiligen Ausführungen noch unter der
Geltung des EnWG (1998) gemacht wurden, welcher sich hinsichtlich des Prinzips des Unbundlings von dem heute geltenden EnWG entscheidend unterschied.
548 Vgl. S. 103.
549 Salje, RdE 1998, 167, 173.
550 Vgl. Salje, RdE 1998, 167, 173.
551 Soergel-Mühl, BGB, Vor § 631 Rn. 14; Palandt-Sprau, BGB, Einf. vor § 631 Rn. 1, 8.
127
eines Gerätes durch den Abnehmer bewirkt keine Wertschöpfung, sondern lediglich,
dass die sich infolge der Arbeitsleistung des Netzbetreibers im Netz befindliche
Elektrizität dem Netz entzogen wird.
Vielmehr ist angesichts der Tatsache, dass für die tatsächliche Stromentnahme
durch den Kunden lediglich die Aufrechterhaltung der Spannung und Frequenz des
Netzes durch den Netzbetreiber entscheidend sind und der Netzbetreiber für die
Zurverfügungstellung der Energie nichts anderes zu tun braucht, als das Netz ordnungsgemäß zu betreiben, gerade diese Leistung des Netzbetreibers als Schwerpunkt
des Netzzugangsschuldverhältnisses anzusehen. Für die Ähnlichkeit zum Dienstvertrag und gegen die Annahme eines Werkvertrages spricht auch der Umstand, dass es
bei einem Netzzugangsschuldverhältnis an der einen Werkvertrag kennzeichnenden
Gewährleistungspflicht des Netzbetreibers fehlt, was wiederum typisch für einen
Dienstvertrag ist, welcher – anders als der Werkvertrag – gerade keine Gewährleistungsregeln vorsieht.552
Die Zuordnung des gesetzlichen Netzzugangsschuldverhältnisses zum Dienstvertrag wird auch durch die Entscheidungen des BGH hinsichtlich der schuldrechtlichen Einordnung von Durchleitungsverträgen im Bereich der Durchleitung von
Rundfunk- und Fernsehprogrammen sowie hinsichtlich der Lieferantenrahmenverträge für die Durchleitung von Gas bekräftigt. So hielt der BGH die schuldrechtliche
Einordnung der Verträge, die die Durchleitung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen durch die Kabelnetzinhaber regeln, als Dienstverträge für nahe liegend.553
Ferner wurde die Durchleitung von Gas vom BGH als die Erbringung von Transport- und Dienstleistungen durch den Netzbetreiber zur Versorgung des Durchleitungsempfängers umschrieben, wobei namentlich auf die Tätigkeiten des Netzbetreibers hinsichtlich des Betriebs von Speicheranlagen, der Einhaltung der Gasbeschaffenheit sowie des Belastungsausgleichs abgestellt wurde.554 Dies spricht dafür,
dass die den Durchleitungsvertrag prägenden Leistungen vom BGH in den Dienstleistungen des Netzbetreibers gesehen wurden.
<7> Ergebnis hinsichtlich der möglichen vertraglichen Einordnung des gesetzlichen
Netzzugangsschuldverhältnisses und der Anwendbarkeit insolvenzrechtlicher
Spezialregelungen
Das gesetzliche Netzzugangsschuldverhältnis lässt sich am ehesten als ein dienstvertraglicher Rahmenvertrag mit einzelnen werkvertraglichen Elementen begreifen.555
Dadurch wird sowohl der Dauerschuldkomponente als auch der Erfolgsgerichtetheit
552 Vgl. MüKo-Müller-Glöge, BGB, § 611 Rn. 23.
553 BGH, NJW 196, 2656, 2657.
554 BGH, NJW 1995, 2718, 2720.
555 So auch Piepenbrock/Müller hinsichtlich der schuldrechtlichen Einordnung der Zusammenschaltungsverträge im Festnetz, die ebenfalls Durchleitungsverträge darstellen, in: Schuster,
Vertragshandbuch Telemedia, S. 351 Rn. 48.
128
des Netzzugangsschuldverhältnisses Rechnung getragen. Auch mietrechtliche Elemente sind, wie bereits gezeigt, vorhanden. Als für das gesamte Schuldverhältnis
prägend ist dabei die Dienstleistungsverpflichtung des Netzbetreibers zu erachten.
Dementsprechend wäre auf das gesetzliche Netzzugangsschuldverhältnis am ehesten
die für Dienstverhältnisse geltende Spezialregelung des § 108 I InsO anzuwenden.
[c] Schlussfolgerung hinsichtlich der insolvenzrechtlichen Behandlung / der Frage
der Geschäftseinstellung i.S.d. § 36 II 4 EnWG
[aa] Insolvenzrechtliche Behandlung
§ 108 I InsO bestimmt den Fortbestand von Dienstverträgen bei Insolvenzeröffnung
und führt zur Einordnung der daraus folgenden Ansprüche gegen den Schuldner als
Masseforderungen (§ 108 I i.V.m. 55 I Nr. 2, 2. Alt. InsO).
Festzustellen ist daher, dass das gesetzliche Netzzugangsschuldverhältnis sowohl
bei Nichtanwendung der §§ 103 ff. InsO fortbestehen würde als auch bei der Anwendung dieser Regelungen. Aus diesem Grund bedarf die Frage, inwieweit die
Voraussetzungen für die analoge Anwendung der Norm des § 108 I InsO auf das
gesetzliche Netzzugangsschuldverhältnis im Einzelnen tatsächlich vorliegen, im
Rahmen dieser Untersuchung keiner weiteren Erörterung.
[bb] Bedeutung hinsichtlich der Frage der Geschäftseinstellung i.S.d. § 36 II 4
EnWG
Im Ergebnis ist eine Belieferungsunfähigkeit des Grundversorgers aufgrund der
Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf das gesetzliche Netzzugangsschuldverhältnis jedenfalls zu verneinen. Vielmehr hat der Grundversorger auch nach der
Insolvenzeröffnung einen Erfüllungsanspruch gegen den Netzbetreiber auf die Zurverfügungstellung der für die Belieferung seiner Kunden notwendigen Kapazitäten.
Durch die Auswirkung des Ereignisses der Insolvenzeröffnung auf das gesetzliche
Netzzugangsverhältnis wird also keine Geschäftseinstellung des Grundversorgers
i.S.d. § 36 II 4 EnWG ausgelöst.
(cc) Die den Bilanzausgleich regelnden Verträge
Der Netzzugang, dessen der Grundversorger für die Wahrnehmung seiner Belieferungstätigkeit bedarf, setzt gem. § 20 I a 5 EnWG voraus, dass über einen Bilanzkreis, der in ein vertraglich begründetes Bilanzkreissystem nach Maßgabe der
StromNZV einbezogen ist, ein Ausgleich zwischen Einspeisung und Entnahme
stattfindet.
129
[1] Bilanzkreissystem
Das in § 20 I a 5 EnWG angesprochene Bilanzkreissystem wird in den §§ 4, 5, 26
StromNZV konkretisiert.
Gem. § 4 I 1 StromNZV sind innerhalb einer Regelzone von einem oder mehreren Netznutzern Bilanzkreise zu bilden. Nach § 3 Nr. 10 a EnWG handelt es sich
beim Bilanzkreis im Elektrizitätsbereich um eine Zusammenfassung von Einspeiseund Entnahmestellen innerhalb einer Regelzone, die dem Zweck dient, Abweichungen zwischen Einspeisungen und Entnahmen durch ihre Durchmischung zu minimieren und die Abwicklung von Handelstransaktionen zu ermöglichen.556 Als eine
Regelzone wird gem. § 3 Nr. 30 EnWG im Bereich der Elektrizitätsversorgung das
Netzgebiet bezeichnet, für dessen Primärregelung (vgl. § 2 Nr. 8 StromNZV), Sekundärregelung (vgl. § 2 Nr. 10 StromNZV) und Minutenreserve (vgl. § 2 Nr. 6
StromNZV) ein Betreiber von Übertragungsnetzen (vgl. § 3 Nr. 10, 32 EnWG) im
Rahmen der Union für die Koordinierung des Transports elektrischer Energie (UC-
TE) verantwortlich ist.
Für jeden Bilanzkreis haben die bilanzkreisbildenden Netznutzer gegenüber dem
Betreiber des jeweiligen Übertragungsnetzes einen Bilanzkreisverantwortlichen zu
benennen (§ 4 II 1 StromNZV), wobei Netznutzer und Bilanzkreisverantwortlicher
identisch sein können und es in der Regel auch sind.557 Zwischen dem Bilanzkreisverantwortlichen und dem Übertragungsnetzbetreiber (im Folgenden: ÜNB) wird
ein Bilanzkreisvertrag abgeschlossen (vgl. § 26 StromNZV). Der Bilanzkreisverantwortliche ist gem. § 4 II 2 StromNZV für eine ausgeglichene Bilanz zwischen
Einspeisungen und Entnahmen in einem Bilanzkreis (sog. Leistungsbilanz558) in
jeder Viertelstunde verantwortlich und übernimmt als Schnittstelle zwischen Netznutzern und Betreibern von Übertragungsnetzen die wirtschaftliche Verantwortung
für Abweichungen zwischen Einspeisungen und Entnahmen eines Bilanzkreises
(sog. Bilanzabweichungen559).
Die Entstehung von Abweichungen zwischen Einspeisungen und Entnahmen sind
bei Stromlieferungen unvermeidlich.560 Da der jeweilige Bedarf schwankend ist,
kann die zu beschaffende Strommenge vom Lieferanten nicht so genau prognostiziert werden, dass sich die Einspeisung und Ausspeisung vollständig decken.561
Energieversorgungsnetze benötigen zum Zwecke der Frequenzhaltung jedoch einen
gleichmäßigen Betrieb i.S. eines Gleichklangs von Einspeisungen und Entnah-
556 Dabei ist die Abwicklung von Handelstransaktionen weit aufzufassen, so dass die Abwicklung sämtlicher Stromlieferungen darunterfällt (vgl. auch: von der Wense, in: Germer/Loibl,
Energierecht, S. 278, Fn. 230).
557 von der Wense, in: Germer/Loibl, Energierecht, S. 279, Rn. 99.
558 Vgl. de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 15 Rn. 396.
559 Vgl. de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 15 Rn. 403.
560 Vgl. von der Wense, in: Germer/Loibl, Energierecht, S. 282, Rn. 103.
561 von der Wense, in: Germer/Loibl, Energierecht, S. 282, Rn. 103.
130
men.562 Die sich zwangsläufig ergebenden Abweichungen zwischen Einspeisung
und Entnahmen werden daher vom ÜNB – entsprechend seinen Verpflichtungen aus
§§ 12, 13 EnWG – kompensiert, indem er Regel- bzw. Ausgleichsenergie beschafft
bzw. bei Überspeisung Strom entnimmt.563 Die Bilanzabweichungen eines Bilanzkreises werden anschließend mit dem Bilanzkreisverantwortlichen abgerechnet (vgl.
§ 8 II StromNZV). Zu diesem Zweck schreibt § 4 IV StromNZV fest, dass Netzbetreiber, die für die Messung der Ein- und Ausspeisungen in ihren Netzen verantwortlich sind, verpflichtet sind, dem Bilanzkreisverantwortlichen und anderen
Betreibern von Elektrizitätsversorgungsnetzen (also auch den ÜNB) die zur Abrechnung und Verminderung der Bilanzabweichungen erforderlichen Daten unverzüglich zur Verfügung zu stellen.564
Neben der Bildung von Bilanzkreisen lässt § 4 I 3 StromNZV auch die Bildung
sogenannter Unterbilanzkreise zu. § 2 Nr. 11 StromNZV definiert den Begriff des
Unterbilanzkreises als: „Ein Bilanzkreis, der nicht für den Ausgleich der Abweichungen gegenüber dem Betreiber von Übertragungsnetzen verantwortlich ist.“ Die
Bilanzabweichungen eines Unterbilanzkreises (im Folgenden: Subbilanzkreis) werden einem anderen Bilanzkreis zugeordnet.565
[2] Die die Teilnahme am Bilanzkreissystem regelnden Verträge
Die Teilnahme der Netznutzer am Bilanzkreissystem wird vertraglich geregelt.
Dabei wird eine Teilnahme am Bilanzkreissystem jedenfalls durch den oben angesprochenen Bilanzkreisvertrag, der zwischen dem Bilanzkreisverantwortlichen
und dem ÜNB abgeschlossen wird, sichergestellt. In der Regel handelt es sich bei
einem Lieferanten um einen Bilanzkreisverantwortlichen.566
Der einen Subbilanzkreis bildende Letztverbraucher oder Lieferant schließt mit
dem ÜNB einen Subbilanzkreisvertrag ab. Der Unterschied zwischen Bilanzkreisund Subbilanzkreisverträgen besteht lediglich darin, dass angesichts der Tatsache,
dass der Ausgleich der Bilanzabweichungen nicht vom Subbilanzkreis selbst, sondern von einem anderen Bilanzkreis wahrgenommen wird, die vertragliche Verpflichtung des Subbilanzkreises, seine Leistungsbilanz möglichst ausgeglichen zu
halten, nicht notwendig ist.567 Zwischen dem Netznutzer, dessen Bilanzkreis die
562 Salje, EnWG, § 3 Rn. 44.
563 Salje, EnWG, § 3 Rn. 45; de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht
der Energiewirtschaft, § 15 Rn. 250, 396.
564 von der Wense, in: Germer/Loibl, Energierecht, S. 279, Rn. 99; de Wyl/Müller-
Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 15 Rn. 403.
565 de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, §
15 Rn. 411; von der Wense, in: Germer/Loibl, Energierecht, S. 279, Rn. 99.
566 Panos, Praxisbuch Energiewirtschaft, S. 41.
567 de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, §
15 Rn. 411.
131
Bilanzabweichungen des Subbilanzkreises zugeordnet werden und dem jeweiligen
Subbilanzkreis besteht in der Regel ein offener Liefervertrag.568
Neben den Möglichkeiten der Bildung eines eigenen (Sub-) Bilanzkreises besteht
für den Letztverbraucher bzw. Lieferanten auch die Möglichkeit, als Aggregator
eines (Sub-) Bilanzkreises aufzutreten. In diesem Fall ordnet der Letztverbraucher
bzw. Lieferant seine Leistungsbilanz einem (Sub-) Bilanzkreis zu, ohne selbst über
einen (Sub-) Bilanzkreis zu verfügen.569 Der (Sub-) Bilanzkreis, welchem der Aggregator zugeordnet wird, übernimmt gegenüber seinem Vertragspartner (einem
Bilanzkreisverantwortlichen bzw. ÜNB) das Bilanzabweichungsrisiko des Aggregators.570 Dabei besteht zwischen dem Aggregator und dem jeweiligen Netznutzer, der
den (Sub-) Bilanzkreis bildet, welchem seine Leistungsbilanz zugeordnet wird, in
der Regel ein offener Stromliefervertrag.571 Zwischen dem Aggregator eines (Sub-)
Bilanzkreises und dem ÜNB besteht hingegen kein direktes Vertragsverhältnis.572
Anzumerken ist, dass mit der Übernahme der Bilanzkreisverantwortung ein Verzicht auf einen offenen Stromliefervertrag einhergeht, so dass einen solchen nur die
Letztverbraucher bzw. Lieferanten abschließen dürfen, die als Subbilanzkreis bzw.
Aggregationskreis auftreten.573
[3] Konstitutivität der die Teilnahme am Bilanzkreissystem regelnden Verträge für
den Netzzugang
Durch § 20 I a 5 EnWG wird eine Teilnahme am Bilanzkreissystem durch die Letztverbraucher und Lieferanten als Voraussetzung für den Netzzugang verpflichtend
vorgeschrieben.574 Dementsprechend sieht § 4 III 1 StromNZV vor, dass jede Einspeise- und Entnahmestelle einem Bilanzkreis i.S.d. § 3 Nr. 10 a EnWG zugeordnet
sein muss. Auch der Tatsache, dass diese Verpflichtung in § 24 II Nr. 4 sowie § 25
II Nr. 5 StromNZV als Mindestregelung eines Netznutzungs- bzw. Lieferantenrahmenvertrages festgeschrieben wird, ist zu entnehmen, dass es sich dabei um eine
568 Müller-Kirchenbauer/de Wyl, in: Zander/Riedel/Kraus, Praxishandbuch Energiebeschaffung,
II 3.1.2.2, S.1, Abbildung 1 sowie II 2.5.3, S.2; de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in:
Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 15 Rn. 411; Koenig/Kühling/Rasbach,
Energierecht, S. 58, 64.
569 Vgl. de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 15 Rn. 251.
570 Vgl. Müller-Kirchenbauer/de Wyl, in: Zander/Riedel/Kraus, Praxishandbuch Energiebeschaffung, II 3.1.2.2, S. 1.
571 de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, §
15 Rn. 251.
572 de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, §
15 Rn. 369.
573 de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, §
15 Rn. 411.
574 von der Wense, in: Germer/Loibl, Energierecht, S. 279, Rn. 98.
132
Grundbedingung der Netznutzung handelt.575 Entsprechend setzen die Muster-
Netznutzungsverträge sowie – Lieferantenrahmenverträge eine Zuordnung der Entnahmestellen zu einem Bilanzkreis als Voraussetzung des Netzzugangs voraus.576
Festzustellen ist also, dass der in § 20 I a 5 EnWG vorausgesetzte Bilanzausgleich, der durch die Teilnahme eines Netznutzers am Bilanzkreissystem sichergestellt wird, für den Netzzugang dieses Netznutzers konstitutiv ist. Daraus ergibt sich
auch die Konstitutivität derjenigen die Teilnahme am Bilanzkreissystem regelnden
Verträge für den Netzzugang, ohne die nicht sichergestellt wäre, dass – entsprechend
der Vorschrift des § 20 I a 5 EnWG – über einen Bilanzkreis, der in ein vertraglich
begründetes Bilanzkreissystem nach Maßgabe der StromNZV einbezogen ist, ein
Ausgleich zwischen Einspeisung und Entnahme stattfindet. Im Gegensatz zu den
Fällen, in denen zwischen dem Netzzugangspetenten und dem Netzbetreiber Streit
über die vertragliche Ausgestaltung einzelner Netzzugangsbedingungen entsteht,
wie etwa der Höhe des Netzentgeltes, und in denen der Netzzugang grundsätzlich
gleichwohl zu gewähren ist577, fehlt es bei Nichtvorliegen der den Bilanzausgleich
regelnden Verträge an einer Grundvoraussetzung für den Netzzugang. Ernsthafte
Verhandlungen über die Bedingungen bzw. das Entgelt für den Netzzugang würden
vom Netzbetreiber gar nicht erst geführt. Insoweit wäre mit Beantragung des Netzzuganges durch den Netzzugangspetenten zwar das Vorliegen eines gesetzlichen
Schuldverhältnisses zwischen diesem und dem Netzbetreiber zu bejahen, ein Erfüllungsanspruch des Letztverbrauchers bzw. des Lieferanten auf die Gewährung des
Netzzugangs würde jedoch nur dann zur Entstehung gelangen können, wenn dieser
dem jeweiligen Netzbetreiber das Vorliegen eines Vertrages vorweisen kann, der die
Voraussetzungen des § 20 I a 5 EnWG erfüllt.
Fraglich ist, welcher der oben erörterten Verträge sicherstellt, dass über einen Bilanzkreis, der in ein vertraglich begründetes Bilanzkreissystem nach Maßgabe der
StromNZV einbezogen ist, ein Ausgleich zwischen Einspeisung und Entnahme
stattfindet und somit gem. § 20 I a 5 EnWG konstitutiv für den Netzzugang ist.
Die Voraussetzungen des § 20 I a EnWG werden jedenfalls bei Abschluss eines
Bilanzkreisvertrages durch den Netznutzer erfüllt. Dies wird auch durch § 3 II
StromNZV bestätigt, wonach der Netzzugang durch die Letztverbraucher und Lieferanten voraussetzt, dass der Bilanzkreis in ein nach § 26 StromNZV vertraglich
begründetes Bilanzkreissystem einbezogen ist. Insoweit kann der Grundversorger
den gem. § 20 I a 5 EnWG für den Netzzugang erforderlichen Ausgleich zwischen
Einspeisung und Entnahme über einen Bilanzkreis, der in ein vertragliches Bilanzkreissystem nach StromNZV einbezogen ist, durch den Abschluss eines Bilanzkreisvertrages mit dem ÜNB gewährleisten.578 In diesem Fall wird der Bilanzaus-
575 Herzmann, RdE 2007, 76, 79.
576 Herzmann, RdE 2007, 76, 79; Salje, EnWG, § 20 Rn. 3.
577 Vgl. S. 110; Salje, EnWG, § 20 Rn. 28.
578 Vgl. de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 15 Rn. 369.
133
gleich ausschließlich über den Bilanzkreisvertrag geregelt und sichergestellt, so dass
dieser für den Netzzugang konstituierend ist.
Fraglich ist, ob der Subbilanzkreisvertrag konstitutiv für den Netzzugang ist. Dafür müsste der Bilanzausgleich i.S.d. § 20 I a 5 EnWG durch den Subbilanzkreisvertrag geregelt sein.
Teilweise wird dies bejaht, indem angenommen wird, dass der für einen Netzzugang erforderliche Bilanzausgleich durch den Abschluss eines Subbilanzkreisvertrages mit dem ÜNB geregelt werden kann.579 Angesichts der Tatsache, dass der Netznutzer, der einen Subbilanzkreis bildet, im Subbilanzkreisvertrag nicht dazu verpflichtet wird, seine Leistungsbilanz möglichst ausgeglichen zu halten bzw. die
wirtschaftliche Verantwortung für Bilanzabweichungen zu übernehmen, geht diese
Meinung davon aus, dass der durch den ÜNB im Rahmen des Subbilanzkreisvertrages sicherzustellende Bilanzausgleich des Subbilanzkreises für den Netzzugang
maßgeblich ist. Dafür, dass es im Rahmen des § 20 I a 5 EnWG auf die Leistungen
des ÜNB ankommt, könnte vorgebracht werden, dass es dem Verteilernetzbetreiber
(vgl. § 3 Nr. 3, 37 EnWG), welcher in der Regel über den Netzzugang eines Netzzugangspetenten entscheidet, darauf ankommt, dass die für die Stabilität seines Netzes
erforderliche Ausgeglichenheit zwischen Einspeisungen und Entnahmen gewährleistet wird. Allerdings ist zu beachten, dass der ÜNB bereits gesetzlich dazu verpflichtet ist, für die Ausgeglichenheit seiner Regelzone zu sorgen (§§ 12, 13 EnWG).
Dabei vollzieht sich die Ausgeglichenheit des Verteilernetzes weitestgehend automatisch durch Entnahme aus bzw. Abgabe in ein vorgelagertes Netz.580 Dies spricht
gegen die Annahme, dass es dem Verteilernetzbetreiber im Rahmen des nach § 20 I
a 5 EnWG erforderlichen Bilanzausgleich auf die Gewährleistung des Bilanzausgleichs durch den ÜNB ankommt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es ihm darauf ankommt, dass der Netzzugangspetent selbst bzw. der Bilanzkreisverantwortliche, dessen Bilanzkreis der Netzzugangspetent zugeordnet wird, einen Ausgleich
zwischen Einspeisung und Entnahme sicherstellt sowie die wirtschaftliche Verantwortung dafür übernimmt. Denn dadurch wird gewährleistet, dass die wirtschaftliche Verantwortlichkeit für Stromentnahmen aus dem Netz des Verteilernetzbetreibers, welche nicht durch entsprechende Einspeisungen ausgeglichen wurden, nicht
beim Verteilernetzbetreiber verbleibt, sondern dem jeweiligen Bilanzkreisverantwortlichen obliegt.581 Dies spricht dafür, dass für den Netzzugang nicht das Beste-
579 de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, §
15 Rn. 369.
580 Herzmann, RdE 2007, 76, 79.
581 Für den Fall, dass aus einer Entnahmestelle Elektrizität bezogen wird, ohne dass diese einem
Bilanzkreis zugeordnet werden kann, für welchen eine Bilanzkreisverantwortung durch den
Kunden selbst bzw. seinen Lieferanten übernommen wurde, entstehen nämlich für den Verteilernetzbetreiber, aus dessen Netz der Strom bezogen wurde, Verluste (Schick, Probleme
des Stromlieferantenwechsels, S. 29 f.). Dies ergibt sich daraus, dass die Ausgeglichenheit
der Strombezüge und Einspeisungen des untergelagerten Netzes zwar tatsächlich durch den
Elektrizitätsausgleich mit dem vorgelagerten Netz vollzogen wird, so dass die Elektrizität von
diesem „geliefert“ wird, letztlich ist jedoch der Betreiber des untergelagerten Netzes für die
134
hen eines Subbilanzkreisvertrages konstitutiv ist, sondern vielmehr der Nachweis
darüber, dass der Subbilanz in einen Bilanzkreis einbezogen ist, dessen Bilanzkreisverantwortlicher einen Bilanzkreisvertrag mit dem ÜNB abgeschlossen hat (sog.
führender Bilanzkreis). Die Einbeziehung eines Subbilanzkreises in einen solchen
Bilanzkreis erfolgt in der Regel durch den Abschluss eines offenen Stromliefervertrages zwischen ihm und dem Bilanzkreisverantwortlichen des führenden Bilanzkreises (bzw. einem diesem Bilanzkreis bereits zugeordneten Subbilanzkreis).
Dafür, dass es für den Netzzugang eines Letztverbrauchers bzw. Lieferanten, der
einen Subbilanzkreis bildet, nicht auf das Vorliegen eines Subbilanzkreisvertrages
ankommt, sondern auf den offenen Stromliefervertrag, spricht auch die in Hinblick
auf den Netzzugang eines Aggregators vorzufindende Rechtslage. Da ein Aggregator, welcher keinerlei Vertragsbeziehungen zum ÜNB hat, einen Netzzugang erhält,
sofern er das Bestehen eines offenen Stromliefervertrages mit einem anderen Netznutzer, der wiederum eine vertragliche Beziehung zu einem Bilanzkreisverantwortlichen oder dem ÜNB unterhält, vorweisen kann, kann der Subbilanzkreisvertrag für
den Netzzugang nicht essenziell sein. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der jeweilige Letztverbraucher bzw. Lieferant auch bei Fehlen eines Subbilanzkreisvertrages einen Netzzugang erhalten würde und zwar als Aggregator desjenigen (Sub-)
Bilanzkreises, mit welchem er einen offenen Stromlieferungsvertrag abgeschlossen
hat. Auch für den Fall, dass der Subbilanzkreisvertrag fortfällt, der offene Liefervertrag jedoch fortbesteht, ist davon auszugehen, dass der Subbilanzkreis als Aggregationskreis weiterhin über einen Netzzugang verfügen würde.
Ergebnis
Aus diesen Überlegungen ergibt sich, dass der nach § 20 I a 5 EnWG bzw. § 3 II
StromNZV erforderliche Ausgleich zwischen Einspeisung und Entnahme über einen
Bilanzkreis, der in ein vertraglich begründetes Bilanzkreissystem nach Maßgabe der
der StromNZV einbezogen ist, dann zu bejahen ist, wenn der Netznutzer selbst einen
Bilanzkreisvertrag nach § 26 StromNZV abgeschlossen hat oder – als Subbilanzkreis oder Aggregator – einem Bilanzkreis zugeordnet wird, dessen Bilanzkreisver-
Ausgeglichenheit seines Netzes verantwortlich. Dementsprechend muss der jeweilige Verteilernetzbetreiber seinerseits Stromlieferverträge abschließen, um einen Netzanschluss bzw. einen Netzzugang zum vorgelagerten Netz zu erhalten (vgl. de Wyl/Müller-
Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 15 Rn. 145, 256;
Germer, in: Germer/Loibl, Energierecht, S. 293 f., Rn. 115). Sofern aus dem untergelagerten
Netz unberechtigterweise Elektrizität gezogen wird, wird der Verteilernetzbetreiber diesen
Strom vergüten müssen (vgl. auch Schick, Probleme des Stromlieferantenwechsels, S. 29 f.).
Um sich vor diesen Verlusten zu schützen, vereinbart der Netzbetreiber üblicherweise als
Voraussetzung der Anschlussnutzung im Anschlussnutzungsvertrag, dass der betreffende Anschlussnutzer über einen Netzzugang verfügt (vgl. § 3 II StromNAV), was auch beinhaltet,
dass dessen Entnahmestelle als Ausspeisestelle einem Bilanzkreis zugeordnet wird (Schick,
Probleme des Stromlieferantenwechsels, S. 32; vgl. auch de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole,
in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 15 Rn. 144, 369).
135
antwortlicher über einen Bilanzkreisvertrag den Bilanzausgleich mit dem ÜNB
geregelt hat. Im Rahmen des § 20 I a 5 EnWG kommt es also darauf an, dass der
Netznutzer entweder das Vorliegen eines Bilanzkreisvertrages nachweisen kann
oder eine Zuordnung zu einem Bilanzkreis, der in ein nach § 26 StromNZV begründetes Bilanzkreissystem einbezogen ist.582 In der Regel erfolgt eine solche Zuordnung, wie gesehen, durch den Abschluss eines offenen Stromlieferungsvertrages mit
einem (Sub-) Bilanzkreis. Dementsprechend ist für den Netzzugang grundsätzlich
das Bestehen eines Bilanzkreisvertrages oder eines offenen Stromlieferungsvertrages konstitutiv.
Daraus folgt, dass die Möglichkeit der Wahrnehmung der Belieferungstätigkeit
durch den Grundversorger vom (Fort-) Bestand des Bilanzkreisvertrages oder des
offenen Liefervertrages abhängt.
Im Folgenden wird geprüft, wie sich die Insolvenzeröffnung auf den Bilanzkreisvertrag sowie den offenen Stromlieferungsvertrag583 auswirkt und die Frage beantwortet, ob die jeweiligen Auswirkungen eine irreparable Belieferungsunfähigkeit
des Grundversorgers auslösen, die zu einer mit Insolvenzeröffnung automatisch
erfolgenden Einstellung der Geschäftstätigkeit des Grundversorgers i.S.d. § 36 II 4
EnWG und damit zum Fortfall seiner Grundversorgungspflichten führt.
[4] Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf Bilanzkreisverträge/offene Lieferverträge
[a] Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf Bilanzkreisverträge
[aa] Wesentlicher Inhalt des Bilanzkreisvertrages584
Zu dem zwischen dem Bilanzkreisverantwortlichen und dem ÜNB abzuschließenden Bilanzkreisvertrag finden sich in § 26 StromNZV nähere Ausführungen. Der
Bilanzkreisvertrag ist gem. § 26 I StromNZV ein Vertrag über die Führung,
Abwicklung und Abrechnung von Bilanzkreisen. Ebenso wie bei den Netznutzungsund Lieferantenrahmenverträgen hat auch bei der Ausgestaltung der Bilanzkreisverträge eine Standardisierung der Verträge stattgefunden585, so dass der wesentliche
582 So wohl auch Theobald/Theobald, Grundzüge, S. 281.
583 In Einzelfällen können zwischen den Subbilanzkreisen bzw. Aggregationskreisen und deren
Vertragspartnern zwar auch andere Vertragsarten, wie z.B. ein Schenkungsvertrag vereinbart
worden sein, allerdings würde die Behandlung aller vorstellbaren Verträge angesichts der
Tatsache, dass die vertraglichen Regelungen sehr unterschiedlich sein können, den Rahmen
dieser Untersuchung sprengen, so dass eine Beschränkung auf den Regelfall zu erfolgen hat.
584 Eingehend hierzu: de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der
Energiewirtschaft, § 15 Rn. 396 ff.; von der Wense, in: Germer/Loibl, Energierecht, S. 282,
Rn. 101 ff.
585 Vgl. zu den von den Verbänden erstellten Musterverträgen die Nachweise bei Herzmann,
RdE 2007, 76, 77.
136
Vertragsinhalt den allgemein verbreiteten Muster-Bilanzkreisverträgen entnommen
werden kann.
Danach verpflichtet sich der ÜNB im Bilanzkreisvertrag zur Zurverfügungstellung eines Bilanzkreises als „Plattform“ für die Durchführung des Bilanzausgleichs
sowie zur Abwicklung und Abrechnung des Bilanzkreises in seiner Regelzone.586 Im
Rahmen dieser Tätigkeiten ist der ÜNB für das Gleichgewicht von Einspeisung und
Entnahmen von Strom verantwortlich. Wird zuviel eingespeist, muss der ÜNB die
Mehrmengen abnehmen; wird zu wenig eingespeist, übernimmt er den Ausgleich
durch die Zurverfügungstellung von sog. Regelenergie (vgl. § 2 Nr. 9
StromNZV).587 Um den Bilanzkreisverantwortlichen an seiner wirtschaftlichen Verantwortung festzuhalten, führt der ÜNB für jeden Bilanzkreis ein Bilanzkonto, in
welchem er die Abweichungen zwischen Einspeisungen und Entnahmen vermerkt.
Bilanzabweichungen liegen vor, wenn sich aus den gemessenen zeitgleichen Entnahmen und Einspeisungen eine Differenz ergibt.588 Die Abweichungen des Bilanzkontos sind durch den ÜNB gegenüber dem Bilanzkreisverantwortlichen abzurechnen. Bei einer Unterspeisung des Bilanzkontos (wenn also die entnommene Energie
die vom Bilanzkreisverantwortlichen beschaffte Menge überschreitet), stellt der
ÜNB dem Bilanzkreisverantwortlichen die für den bilanziellen Ausgleich zur Verfügung gestellte Energie in Rechnung, so dass diesen die Pflicht zur Vergütung
dieser Energie trifft. Bei einer Überspeisung hat der Bilanzkreisverantwortliche
einen Anspruch auf Vergütung der von ihm eingespeisten Energiemengen.589 Da die
Abrechnung von Bilanzabweichungen nicht ohne Übermittlung der Daten des Bilanzkontos (auch Leistungsbilanz genannt) erfolgen kann, sind im Bilanzkreisvertrag außerdem Regelungen hinsichtlich des Datenaustauschs erforderlich.590
Der Bilanzkreisverantwortliche ist seinerseits verpflichtet, die Leistungsbilanz
seines Bilanzkreises möglichst ausgeglichen zu halten. Das bedeutet, dass er die
Abweichungen zwischen Einspeisungen und Entnahmen so gering wie möglich zu
halten hat.591 Da bei Bilanzkreisen, über die physische Erfüllungsgeschäfte abgewickelt werden, Abweichungen zwischen Einspeisung und Ausspeisung unvermeidlich
sind, sind Abweichungen innerhalb bestimmter – im Vertrag zu definierender –
Grenzen zu tolerieren.592 Eine schuldhafte Überschreitung des Toleranzbandes durch
586 Schröder/Stelzner, ET 2000, 683, 684.
587 von der Wense, in: Germer/Loibl, Energierecht, S. 282, Rn. 103.
588 Schröder/Stelzner, ET 2000, 683, 684.
589 von der Wense, in: Germer/Loibl, Energierecht, S. 282, Rn. 103.
590 de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, §
15 Rn. 403.
591 von der Wense, in: Germer/Loibl, Energierecht, S. 282, Rn. 104.
592 von der Wense, in: Germer/Loibl, Energierecht, S. 283, Rn. 104. Der Toleranzband umfasste
nach VV II 5 % der höchsten Last des Bilanzkreises innerhalb eines Monats. Innerhalb des
Toleranzbandes bestand die Möglichkeit zum Naturalausgleich. Außerhalb des Toleranzbandes war ein Naturalausgleich nicht möglich, so dass Bilanzabweichungen unmittelbar abgerechnet wurden (de Wyl/Müller-Kirchbauer, in Schneider/Theobald, Handbuch zum Recht
der Energiewirtschaft (1. Aufl.), § 13 Rn. 290, 292; Schröder/Stelzner, ET 2000, 683, 684).
137
den Bilanzkreisverantwortlichen kann, je nach Vertragsgestaltung, Sanktionen nach
sich ziehen, die bis zu einer Kündigung des Bilanzkreisvertrages führen können.593
Sofern Energiebezüge von bzw. Energielieferungen an andere Bilanzkreise, innerhalb oder außerhalb der Regelzone getätigt werden sollen, ist dies vom Bilanzkreisverantwortlichen innerhalb definierter Fristen in Form von Fahrplänen an den
ÜNB zu übermitteln.594 Fahrplan ist gem. § 2 Nr. 1 StromNZV die Angabe, wie viel
elektrische Leistung in jeder Zeiteinheit zwischen den Bilanzkreisen ausgetauscht
wird oder an einer Einspeise- oder Entnahmestelle eingespeist oder entnommen
wird, wobei die Grundsätze der Fahrplanabwicklung sowie die vom Bilanzkreisverantwortlichen dabei einzuhaltenden Fristen, in § 5 StromNZV normiert sind. Der
vom Bilanzkreisverantwortlichen zu erstellende Fahrplan soll die vom Bilanzkreisverantwortlichen beschafften Energiemengen sowie die Prognose mit dem voraussichtlichen Verbrauch enthalten.595 Außerdem ist der Bilanzkreisverantwortliche
gem. § 26 III StromNZV zur Öffnung seines Bilanzkreises für Fahrplangeschäfte,
die der Bereitstellung von Minutenreserve dienen, verpflichtet. Ohne auf die weiteren Einzelheiten des Bilanzkreisvertrages einzugehen, ist festzuhalten, dass Aufgabe
und Zweck eines Bilanzkreisvertrags in der Gewährleistung der Ausgeglichenheit
der Leistungsbilanz der einem Bilanzkreis zugeordneten Einspeisungen und Entnahmen liegt.596
[bb] Insolvenzrechtliche Behandlung
{1} Voraussetzungen der Anwendbarkeit der §§ 103 ff. InsO
Bei den Ansprüchen des ÜNB gegen den Grundversorger aus dem Bilanzkreisvertrag handelt es sich um persönliche Ansprüche. Ferner sind diese auf die Gewährleistung der Ausgeglichenheit der Leistungsbilanz bzw. auf die Zahlung des zur
Verfügung gestellten Stroms gerichtet, so dass das Vorliegen eines Vermögensanspruchs i.S.d. § 38 InsO zu bejahen ist. Da die hier untersuchten Ansprüche außerdem bereits vor der Insolvenzeröffnung begründet wurden, wären diese grundsätzlich als Insolvenzforderungen gem. § 38 InsO einzuordnen. Angesichts der Tatsache, dass es sich bei einem Bilanzkreisvertrag um ein Dauerschuldverhältnis
handelt, ist auch das Vorliegen eines schwebenden Rechtsverhältnisses zu bejahen,
so dass die Regelungen der §§ 103 ff. InsO grundsätzlich anwendbar sind. Zu untersuchen ist, ob bzw. welche der Regelungen der §§ 103 ff. InsO eingreift.
593 von der Wense, in: Germer/Loibl, Energierecht, S. 283, Rn. 104.
594 Müller-Kirchenbauer/de Wyl, in: Zander/Riedel/Kraus, Praxishandbuch Energiebeschaffung,
II 2.5.3.6, S. 36; de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 15 Rn. 404.
595 von der Wense, in: Germer/Loibl, Energierecht, S. 282, Rn. 104.
596 Theobald/Theobald, Grundzüge, S. 286; Müller-Kirchenbauer/de Wyl, in: Zander/Riedel/Kraus, Praxishandbuch Energiebeschaffung, II 2.5.3., S. 35.
138
{2} Spezialregelungen
{a} Spezialregelungen, die unabhängig vom Vertragstyp eingreifen
Angesichts der Tatsache, dass zu den Pflichten des ÜNB unter anderem gehört, dem
Bilanzkreis Ausgleichsenergie zur Verfügung zu stellen, kommt grundsätzlich die
Anwendbarkeit des § 104 I InsO auf Bilanzkreisverträge in Betracht. Dann müsste
es sich bei der im Rahmen des Bilanzkreisvertrages zu liefernden Energie um eine
Ware handeln, die einen Markt- oder Börsenpreis hat. Die Frage, ob es sich bei
Elektrizität um eine Ware handelt und ob bzw. in welchen Fällen diese einen Marktoder Börsenpreis hat, bedarf angesichts der fehlenden Sacheigenschaft der Elektrizität einer näheren Untersuchung.597 Allerdings kann die Frage, ob es sich bei Elektrizität um eine Ware i.S.d. § 104 InsO handelt, an dieser Stelle dahinstehen. Denn
selbst wenn man vom Vorliegen einer Ware ausgeht, hätte die im Rahmen eines
Bilanzkreisvertrages vom ÜNB zu liefernde Elektrizität keinen Markt- oder Börsenpreis. Zwar ist der Begriff des Markt- und Börsenpreises i.S.d. § 104 InsO weit auszulegen598, so dass lediglich die Möglichkeit entscheidend ist, sich anderweitig auf
dem Markt einzudecken599, allerdings ist dem Bilanzkreisverantwortlichen eine
solche Möglichkeit gerade nicht gegeben. Dies folgt daraus, dass die Ausgleichsenergie, derer es zur Gewährleistung des Bilanzausgleichs des Bilanzkreises bedarf,
dem Bilanzkreisverantwortlichen nur vom ÜNB zur Verfügung gestellt wird, so dass
das Vorliegen eines liquiden Marktes, von welchem die Regelung des § 104 InsO
ausgeht,600 zu verneinen ist. Angesichts der Tatsache, dass dem Bilanzkreisverantwortlichen nur ein Anbieter der Ausgleichsenergie gegenüber steht, handelt es sich
bei der im Rahmen eines Bilanzkreisvertrages zur Verfügung gestellten Ausgleichsenergie also jedenfalls nicht um eine Ware, die einen Börsen- oder Marktpreis hat.
Die Anwendung der Spezialregelung des § 104 InsO auf Bilanzkreisverträge ist also
zu verneinen.
{b} Die auf das Vorliegen eines bestimmten Vertragstyps abstellenden Spezialregelungen
{aa} Rechtsnatur des Bilanzkreisvertrages
Über die schuldrechtliche Einordnung von Bilanzkreisverträgen findet man – anders
als z.B. hinsichtlich der Einordnung der Netznutzungs- bzw. Lieferantenrahmenverträge oder Stromlieferungsverträge – keine näheren Ausführungen in der Rechtspre-
597 Vgl. dazu: S. 151.
598 Bosch, WM 1995, 413, 417; BT-Drs, 12/2443, Begründung zu § 118 InsO-E, S. 145.
599 BT-Drs. 12/7302, Beschlussempfehlung zu § 118 InsO-E, S. 168.
600 K/P-Köndgen, InsO, § 104 Rn. 4; Marotzke, Gegenseitige Verträge, Rn. 5.121.
139
chung bzw. Literatur. Da in den Bilanzverträgen – wie gesehen – eine Vielzahl von
verschiedenen Vertragspflichten geregelt wird, ist zur Bestimmung der Rechtsnatur
des Bilanzkreisvertrages zu untersuchen, in welchen vertraglichen Pflichten der
Schwerpunkt des Bilanzkreisvertrages liegt.
Die Pflichten des Bilanzkreisverantwortlichen bestehen vor allem darin, die Abweichungen zwischen Einspeisungen und Entnahmen seines Bilanzkreises so gering
wie möglich zu halten, sowie in der Übernahme der wirtschaftlichen Verantwortung
für Bilanzabweichungen (vgl. § 4 II 2 StromNZV).601 Die Pflichten des ÜNB bestehen in der Zurverfügungstellung eines Bilanzkreises als „Plattform“ für die Durchführung des Bilanzausgleichs602 sowie in der Führung, Abwicklung und Abrechnung eines Bilanzkreises (vgl. § 26 I StromNZV). Dazu gehört die Pflicht des ÜNB
– bei Überspeisung des Bilanzkreises – überschüssige Energie abzunehmen und –
bei Unterspeisung – zusätzliche Energie einzuspeisen.
Die vom ÜNB zu erbringenden Leistungen könnten zu einer schuldrechtlichen
Einordnung des Bilanzkreisvertrages als Dienst- bzw. Werkvertrag führen. Ferner ist
festzustellen, dass sich die Vertragsparteien gegenseitig zur Zahlung des vom jeweils anderen Vertragspartner zur Verfügung gestellten Stroms verpflichten, was
typisch für einen Stromlieferungsvertrag ist. Des Weiteren ist angesichts der Tatsache, dass der ÜNB gesetzlich zur Gewährleistung der Ausgeglichenheit seiner Regelzone verpflichtet ist, denkbar, dass der Bilanzkreisverantwortliche im Interesse
des ÜNB handelt, indem er sich zur bestmöglichen Ausgeglichenheit seines Bilanzkreises verpflichtet, so dass es sich bei dem Bilanzkreisvertrag um einen Auftrag
bzw. einen Geschäftsbesorgungsvertrag handeln könnte. Andererseits ist zu beachten, dass sich nicht nur der Bilanzkreisverantwortliche, sondern auch der ÜNB dazu
verpflichtet, die Einspeisungen und Entnahmen eines Bilanzkreises ausgeglichen zu
halten, so dass es sich beim Bilanzkreisvertrag um einen Gesellschaftsvertrag i.S.d.
§ 705 BGB handeln könnte.
<1> Dienstvertrag/Werkvertrag
Die Errichtung, Führung und Abwicklung des Bilanzkreises erfordert seitens des
ÜNB die Erbringung entsprechender Arbeitsleistungen. Zu beachten ist jedoch, dass
die Aufgabe und der Zweck eines Bilanzkreisvertrages in der Gewährleistung der
Ausgeglichenheit der Leistungsbilanz der zugeordneten Einspeisungen und Entnahmen bestehen.603 Insofern kommt es darauf an, ob diejenigen Leistungen, die der
ÜNB im Zusammenhang mit der Gewährleistung der Ausgeglichenheit der Einspeisungen und Entnahmen eines Bilanzkreises erbringt, zu einer Qualifizierung des
Bilanzkreisvertrages als Dienst- bzw. Werkvertrag führen. Der Ausgleich der Ein-
601 Vgl. von der Wense, in: Germer/Loibl, Energierecht, S. 282 Rn. 104.
602 von der Wense, in: Germer/Loibl, Energierecht, S. 282.
603 Theobald/Theobald, Grundzüge, S. 286; Müller-Kirchenbauer/de Wyl, in: Zander/Riedel/Kraus, Praxishandbuch Energiebeschaffung, II 2.5.3, S. 35.
140
und Ausspeisungen der einzelnen Bilanzkreise wird durch den ÜNB im Rahmen
seiner Systemverantwortung vorgenommen. Den ÜNBn wurde als „Systemverantwortung“ die Verpflichtung übertragen, für die Sicherheit und Zuverlässigkeit des
Elektrizitätsversorgungssystems in der jeweiligen Regelzone zu sorgen (§ 13
EnWG)604, wobei als Maßnahme, um einer Gefährdung der Versorgungssicherheit
entgegenzuwirken, die Pflicht des ÜNB zur Bereitstellung von Regel- und Ausgleichsenergie für die gesamte Regelzone ausdrücklich gesetzlich normiert wurde (§
13 I Nr. 2 EnWG).605 Insoweit ist der ÜNB bereits gesetzlich zum Bilanzausgleich
in der gesamten Regelzone verpflichtet.606 Zur Erfüllung der Systemverantwortung
muss der ÜNB die für die Herstellung und Aufrechterhaltung der elektrischen Spannung notwendigen Arbeitsleistungen (sog. „Systemdienstleistungen“) erbringen.607
Durch dieselben Arbeitsleistungen wird auch die Ausgeglichenheit der Leistungsbilanz der einzelnen Bilanzkreise erzielt. Zwar wird die Gewährleistung der Ausgeglichenheit der Leistungsbilanz der einzelnen Bilanzkreise größtenteils allein durch die
Durchmischung der Ein- und Ausspeisungen verschiedener Bilanzkreise erreicht608,
so dass der ÜNB den unterspeisten Bilanzkreisen lediglich bilanziell "Energie zur
Verfügung stellt" bzw. den überspeisten Bilanzkreisen "entnimmt"609. Bilanzkreise
sind nämlich keine geografischen Segmente, sondern Kontierungssysteme, in denen
für jeden einzelnen Bilanzkreisverantwortlichen die Bilanzierung für die zugeordnete Entnahmestelle (physische Entnahmestellen und Fahrplanlieferungen) und für das
Beschaffungsportfolio (Einspeisungen und Fahrplanbezüge) stattfindet.610 Allerdings muss der ÜNB bei unzureichender Durchmischung eine tatsächliche Energieentnahme bzw. Energieeinspeisung vornehmen, was seine Handlungen als Arbeitsleistungen qualifiziert. Diese Umstände sprechen dafür, den Bilanzkreisvertrag als
einen Dienstvertrag anzusehen. Dagegen könnte aber argumentiert werden, dass es
sich bei der Pflicht des ÜNB zur Gewährleistung des Bilanzausgleichs um eine
Pflicht zur Herstellung eines Werkes handele, was die Annahme eines Werkvertrages nahe legen würde.
Die Entscheidung dieser Frage kann jedoch dahinstehen, da es jedenfalls an einer
sowohl für die Annahme eines Dienst- als auch eines Werkvertrages erforderlichen
Verpflichtung des Bilanzkreisverantwortlichen zur Zahlung eines Entgelts für die
vom ÜNB erbrachten Leistungen fehlt. Mit Ausnahme der gegenseitigen Abrechnung der zur Verfügung gestellten Energie wird nämlich für die im Bilanzkreisver-
604 Salje, EnWG, § 2 Rn. 12.
605 Salje, EnWG, § 13 Rn. 24.
606 Vgl. Salje, EnWG, § 12 Rn. 7; de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald,
Recht der Energiewirtschaft, § 15 Rn. 249, 396.
607 Theobald/Zenke/Ochsenfahrt, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 15 Rn.
104 f.
608 de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, §
15 Rn. 250.
609 von der Wense, in: Germer/Loibl, Energierecht, S. 281 Rn. 102.
610 de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, §
15 Rn. 250.
141
trag vereinbarten Leistungspflichten des ÜNB im Rahmen des Bilanzkreisvertrages
kein Entgelt erhoben.611 Vielmehr werden die im Zusammenhang mit der Führung
und Abwicklung des Bilanzkreises erbrachten Leistungen durch das Netzentgelt
abgegolten, so dass die Netznutzer das Entgelt hierfür erbringen.612 Das gleiche gilt
für die Dienstleistung der Erbringung des Bilanzausgleichs, welche als Systemdienstleistung des ÜNB einen Bestandteil des Netznutzungsentgelts darstellt (vgl.
StromNEV, Anlage 2 (zu § 13 StromNEV), Nr. 1.2). Im Rahmen des Bilanzkreisvertrages wird vom Bilanzkreisverantwortlichen also lediglich die vom ÜNB zur
Verfügung gestellte Ausgleichsenergie selbst vergütet, nicht aber die hierfür vom
ÜNB getätigten Dienstleistungen bzw. die Herstellung der Ausgeglichenheit des
Bilanzkreises als Werkerfolg. Somit handelt es sich beim Bilanzkreisvertrag nicht
um einen Dienst- bzw. Werkvertrag.
<2> Stromlieferungsvertrag
Im Bilanzkreisvertrag verpflichtet sich der ÜNB dazu, dem Bilanzkreisverantwortlichen bei Unterspeisung seines Bilanzkreises Energie zur Verfügung zu stellen, wofür diesem eine Zahlungspflicht auferlegt wird. Andererseits verpflichtet sich der
ÜNB zur Abnahme und Bezahlung überschüssiger Energie bei Überspeisung des
Bilanzkreises. Insoweit beinhaltet ein Bilanzkreisvertrag die für einen Stromlieferungsvertrag typischen Verpflichtungen zur Lieferung von Energie auf der einen
Seite und der Entgeltzahlung auf der anderen Seite. Obwohl Energielieferverträge
im Wirtschaftsleben eine erhebliche praktische Bedeutung haben, sind sie gesetzlich
nicht typisiert.613 Für den Fall, dass der Schwerpunkt des Bilanzkreisvertrages im
Element der gegenseitigen Strombelieferung liegt, müsste daher eine Untersuchung
der Rechtsnatur von Stromlieferungsverträgen stattfinden. Allerdings kann die Frage
nach der Rechtsnatur von Stromlieferungsverträgen an dieser Stelle dahinstehen, da
es den Vertragsparteien in erster Linie ohnehin nicht um die Zurverfügungstellung
von Strom geht. Vielmehr ist der ÜNB an der Ausgeglichenheit des Bilanzkreises
interessiert. Durch eine möglichst genaue Prognose des Energiebedarfs seitens des
Bilanzkreisverantwortlichen werden nämlich unerwartete Abweichungen von der
Gesamtprognose des ÜNB in Bezug auf den Strombedarf seiner Regelzone vermieden und somit dessen Wahrnehmung der Systemverantwortung erleichtert.614 Auf
der anderen Seite entspricht es dem Interesse des Bilanzkreisverantwortlichen, so
wenig Energie wie möglich vom ÜNB zu beziehen, da die von diesem zur Verfü-
611 Vgl. z.B.: Muster-Bilanzkreisvertrag des BNE:
http://www.neue-energieanbieter.de/energiethemen/strom/index_2005.html, S. 5, § 3 Abs. 6
(Ausdruck s. Anlage).
612 de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, §
15 Rn. 333.
613 de Wyl/Essig, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 11 Rn. 2.
614 Vgl. von der Wense, in: Germer/Loibl, Energierecht, S. 283 Rn. 104.
142
gung gestellte Ausgleichsenergie in der Regel teuerer ist als diejenige, die auf dem
Markt eingekauft werden kann. Dementsprechend handelt es sich bei den Lieferund Abnahmeverpflichtungen des ÜNB sowie bei der Abnahmeverpflichtung des
Bilanzkreisverantwortlichen lediglich um eine Vereinbarung, durch welche sichergestellt werden soll, dass keine der Vertragsparteien durch die unumgänglichen
Bilanzabweichungen eines Bilanzkreises unverdiente Vorteile erhält. So bekommt
der ÜNB die von ihm zur Verfügung gestellte Ausgleichsenergie, die der Bilanzkreis benötigte, vergütet und auch der Bilanzkreisverantwortliche erhält bei Überspeisung seines Bilanzkreises ein Entgelt für die Energie, die vom ÜNB anderweitig
eingesetzt und abgerechnet werden konnte. Der Zweck bzw. der Schwerpunkt des
Bilanzkreisvertrages ist jedoch nicht in diesem vertraglichen Element zu sehen.
Insofern beinhaltet der Bilanzkreisvertrag zwar Elemente eines Stromlieferungsvertrages, allerdings stellen diese keinen Schwerpunkt des Bilanzkreisvertrages dar.
<3> Auftrag/Geschäftsbesorgungsvertrag
Die Annahme eines Geschäftsbesorgungsvertrages scheidet von vornherein aus, da
der Bilanzkreisverantwortliche für seine Leistungen im Rahmen des Bilanzausgleichs keine Vergütung erhält. Fraglich ist, ob ein Auftrag i.S.d. § 662 BGB vorliegt.
Dieser setzt eine unentgeltliche Tätigkeit des Beauftragten im fremden Interesse
voraus. Fraglich ist daher, ob der Bilanzkreisverantwortliche im Interesse des ÜNB
handelt, indem er die Ausgeglichenheit seines Bilanzkreises sicherstellt. Aus der
Tatsache, dass der ÜNB gesetzlich zur Ausgeglichenheit der Ein- und Ausspeisungen der gesamten Regelzone verpflichtet ist, könnte gefolgert werden, dass der ÜNB
im Bilanzkreisvertrag diese Verpflichtung zum Teil auf den Bilanzkreisverantwortlichen übertrage. Allerdings ist der vom ÜNB sicherzustellende Ausgleich der Leistungsbilanz der Regelzone ein anderer ist als der vom Bilanzkreisverantwortlichen
geschuldete Ausgleich seines Bilanzkreises. Der Bilanzkreisverantwortliche ist zwar
zu einem möglichst genauen Ausgleich der Leistungsbilanz seines Bilanzkreises,
nicht jedoch zu einem derart exakten Ausgleich verpflichtet, wie dieser durch den
ÜNB im Rahmen des Netzbetriebs sicherzustellen ist. Ferner ist zu beachten, dass
der Bilanzkreisverantwortliche als Schnittstelle zwischen den seinem Bilanzkreis
angehörenden Netznutzern und dem ÜNB nicht erst durch den Bilanzkreisvertrag,
sondern bereits durch § 4 II 2 StromNZV zum Bilanzausgleich sowie zur Übernahme der wirtschaftlichen Verantwortung für die Bilanzabweichungen seines Bilanzkreises verpflichtet wird, so dass es sich hierbei um eine originäre Aufgabe des Bilanzkreisverantwortlichen handelt.
Somit ist ein Handeln des Bilanzkreisverantwortlichen im fremden Interesse und
damit auch das Vorliegen eines Auftrages i.S.d. § 662 BGB im Ergebnis abzulehnen.
143
<4> Gesellschaftsvertrag
Angesichts der Tatsache, dass sowohl der ÜNB als auch der Bilanzkreisverantwortliche sich im Bilanzkreisvertrag verpflichten, für die Ausgeglichenheit des jeweiligen Bilanzkreises zu sorgen, könnte es sich bei dem Bilanzkreisvertrag um einen
Gesellschaftsvertrag i.S.d. § 705 BGB handeln.
Ein Gesellschaftsvertrag i.S.d. § 705 BGB liegt vor, wenn sich die Gesellschafter
gegenseitig verpflichten, die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes in der durch
den Vertrag bestimmten Weise zu fördern, insbesondere die vereinbarten Beiträge
zu leisten. Gemeinsamer Zweck und Förderungspflicht als die beiden nach § 705
BGB konstitutiven Merkmale des Gesellschaftsvertrags hängen unmittelbar zusammen.615 Dabei kann grundsätzlich jeder erlaubte Zweck Gegenstand eines Gesellschaftsvertrages sein.616 Die Vergemeinschaftung des Zwecks kommt einerseits
darin zum Ausdruck, dass die Gesellschafter als Vertragspartner eine Einigung über
bestimmte, gemeinsam zu verfolgende Interessen herbeiführen, um dadurch gemeinsam einen bestimmten Erfolg zu erzielen. Andererseits und vor allem übernehmen
sie damit aber auch die Verpflichtung, ihr Handeln an diesem Zweck auszurichten
und seine Verwirklichung zu fördern.617 Dabei ist der Gesellschaftsvertrag auf die
Vereinigung von Leistungen gerichtet.618 In Abgrenzung zu einseitigen bzw. unvollkommen zweiseitigen Verträgen verpflichten sich die Vertragsparteien „wechselseitig“ zur Förderung des gemeinsamen Zwecks. Die Wechselseitigkeit der Förderungspflichten begründet allerdings auch kein typisches Gegenseitigkeitsverhältnis
i.S.e. Synallagmas zwischen den Vertragspartnern. Die jeweiligen Leistungen werden nicht um der von den Mitgesellschaftern zugesagten Leistungen willen versprochen, sondern zur Förderung des vereinbarten gemeinsamen Zwecks.619
Wie gezeigt, liegen die Aufgabe und der Zweck eines Bilanzkreisvertrages in der
Gewährleistung der Ausgeglichenheit der Leistungsbilanz der dem Bilanzkreis zugeordneten Einspeisungen und Entnahmen.620 Zur Erreichung dieses Zweckes verpflichtet sich der Bilanzkreisverantwortliche im Bilanzkreisvertrag dazu, die Abweichungen zwischen Einspeisungen und Entnahmen möglichst gering zu halten. Der
ÜNB seinerseits verpflichtet sich zur Gewährleistung eines exakten Ausgleichs der
Leistungsbilanz eines Bilanzkreises. Darin sind die für einen Gesellschaftsvertrag
konstitutiven Förderungspflichten der Gesellschafter hinsichtlich der Erreichung
eines gemeinsamen Zweckes zu sehen. Die Tatsache, dass der Bilanzkreisverantwortliche beim Abschluss des Bilanzkreisvertrages in erster Linie den Zweck verfolgt, einen Netzzugang zu erhalten und der ÜNB vor allem an der Ausgeglichenheit
seiner Regelzone interessiert ist, steht der Annahme, dass die Vertragsparteien durch
615 MüKo-Ulmer, BGB, § 705 Rn. 142.
616 Bamberger/Roth-Timm/Schöne, BGB, § 705 Rn. 63; Palandt-Sprau, BGB, § 705 Rn. 20.
617 MüKo-Ulmer, BGB, § 705 Rn. 142.
618 Palandt-Sprau, BGB, § 705 Rn. 13.
619 MüKo-Ulmer, BGB, § 705 Rn. 161 f.
620 Theobald/Theobald, Grundzüge, S. 286; Müller-Kirchenbauer/de Wyl, in: Zander/Riedel/Kraus, Praxishandbuch Energiebeschaffung, II 2.5.3, S. 35.
144
den Abschluss des Bilanzkreisvertrages den gemeinsamen Zweck der Ausgeglichenheit des Bilanzkreises verfolgen, nicht entgegen. Die Motive der Parteien für
ihre Beteiligung an der Gesellschaft (sog. „Endzweck“), die nicht zum Gegenstand
der Zweckvereinbarung gemacht werden, sind nämlich von dem Zweck der Gesellschaft zu unterscheiden.621 Dies spricht für das Vorliegen eines Gesellschaftsvertrages. Die Annahme eines Gesellschaftsvertrages wird auch dadurch bestätigt, dass die
Pflichten der Vertragsparteien nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis zueinander stehen, sondern wechselseitig zu erbringen sind. Der Bilanzkreisverantwortliche verpflichtet sich nämlich nicht zur Gewährleistung einer möglichst ausgeglichenen
Leistungsbilanz, damit der ÜNB im Gegenzug eine exakte Ausgeglichenheit erbringt. Ebenso wenig kommt es dem ÜNB darauf an, im Gegenzug für seine Leistungen eine möglichst ausgeglichene Leistungsbilanz durch den Bilanzkreisverantwortlichen zu erhalten. Ein Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen den Vertragsparteien entsteht erst, wenn diese im Rahmen der Erbringung ihrer Pflichten zur
Erreichung der Ausgeglichenheit der Leistungsbilanz eines Bilanzkreises dem Vertragspartner Energie zur Verfügung stellen. In diesem Fall entsteht eine Zahlungspflicht des jeweiligen Vertragspartners. Bei diesem vertraglichen Element handelt es
sich jedoch, wie gezeigt, nicht um den Schwerpunkt des Bilanzkreisvertrages.
{c} Ergebnis hinsichtlich der rechtlichen Einordnung des Bilanzkreisvertrages und
der Anwendbarkeit insolvenzrechtlicher Spezialregelungen
Aus den oben dargestellten Überlegungen hinsichtlich der Rechtsnatur eines Bilanzkreisvertrages ergibt sich, dass es sich bei diesem um einen Vertrag handelt, in welchem die Elemente eines Stromlieferungs- und Gesellschaftsvertrages enthalten
sind. Enthält ein Vertrag sowohl Elemente der Gesellschaft als auch eines Austausch- bzw. Geschäftsbesorgungsvertrages, handelt es sich um einen gemischten
Vertrag, dessen rechtliche Behandlung davon abhängt, welches vertragliche Element
überwiegt und die anderen überlagert.622 Das überwiegende und den Schwerpunkt
des Bilanzkreisvertrages bildende vertragliche Element ist angesichts der Tatsache,
dass die Aufgabe und der Zweck eines Bilanzkreisvertrages in der Gewährleistung
der Ausgeglichenheit der Leistungsbilanz der zugeordneten Einspeisungen und Entnahmen besteht623, und dass zur Erreichung dieses Zwecks sowohl der Bilanzkreisverantwortliche als auch der ÜNB beizutragen haben, im Gesellschaftsvertrag zu
sehen.
Festzustellen ist daher, dass die insolvenzrechtlichen Spezialregelungen auf Bilanzkreisverträge nicht anzuwenden sind.
621 MüKo-Ulmer, BGB, § 705 Rn. 147; Bamberger/Roth-Timm/Schöne, BGB, § 705 Rn. 64.
622 MüKo-Ulmer, BGB, Vor § 705 Rn. 106.
623 Theobald/Theobald, Grundzüge, S. 286; Müller-Kirchenbauer/de Wyl, in: Zander/Riedel/Kraus, Praxishandbuch Energiebeschaffung, II 2.5.3, S. 35.
145
{3} Schlussfolgerung hinsichtlich der insolvenzrechtlichen Behandlung / der Frage
der Geschäftseinstellung i.S.d. § 36 II 4 EnWG
{a} Insolvenzrechtliche Behandlung
§ 728 II 1 BGB stellt mit zwingender Geltung sicher, dass die Insolvenzeröffnung
über das Vermögen eines Gesellschafters zur Beendigung seiner Mitgliedschaft in
der Gesellschaft und zur Liquidation seiner Beteiligung führt.624 Dabei kann die
Gesellschaft nur als Mehrpersonengesellschaft, folglich nicht als „Einpersonengesellschaft“ fortbestehen, so dass der Fortfall des Mehrpersonenverhältnisses eine
automatische Vollbeendigung der Gesellschaft bewirkt.625 Der Bilanzkreisverantwortliche und der ÜNB sind die einzigen Gesellschafter der durch den Abschluss
des Bilanzkreisvertrages begründeten GbR, so dass diese zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Grundversorgers vollbeendet wird. Eine
Vollbeendigung führt bei einer rein schuldrechtlichen Innengesellschaft zur Konfusion – Zusammenfallen der Gläubiger- und Schuldnerstellung626 – und bei Außengesellschaften zur Gesamtrechtsnachfolge des verbleibenden Gesellschafters in das
Gesellschaftsvermögen.627 Dabei zeichnet sich eine Innengesellschaft zum einen
durch die Nichtteilnahme am Rechtsverkehr und zum anderen durch den Verzicht
auf die Bildung von Gesamthandsvermögen aus.628 Vielmehr beschränkt sich eine
solche auf interne schuldrechtliche Beziehungen zwischen den Vertragspartnern
betreffend Förderung des gemeinsamen Zwecks.629 Dies trifft auf das durch den
Bilanzkreisvertrag begründete Gesellschaftsverhältnis zwischen einem Bilanzkreisverantwortlichen und dem ÜNB zu. Insoweit bewirkt die Vollbeendigung der zwischen einem Bilanzkreisverantwortlichen und einem ÜNB bestehenden GbR eine
Konfusion. Diese wiederum führt stets zum Erlöschen von Schuldverhältnissen und
damit auch von Gesellschaftsverträgen.630 Folglich erlischt mit Insolvenzeröffnung
über das Vermögen des Grundversorgers der zwischen diesem und dem ÜNB abgeschlossene Bilanzkreisvertrag.
624 Bamberger/Roth-Timm/Schöne, BGB, § 728 Rn. 9; MüKo-Ulmer, BGB, § 728 Rn. 31; Jauernig-Stürner, BGB, § 728 Rn. 15.
625 Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1762.
626 Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1860.
627 Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1762.
628 BGHZ 12, 308, 314 f.; MüKo-Ulmer, BGB, § 705 Rn. 275.
629 MüKo-Ulmer, BGB, § 705 Rn. 276, 285.
630 Vgl. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1859 f.
146
{b} Bedeutung hinsichtlich der Frage der Geschäftseinstellung i.S.d. § 36 II 4
EnWG
Angesichts der Tatsache, dass mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Bilanzkreisvertrag, über welchen der Grundversorger seinen Bilanzausgleich geregelt hat,
erlischt und damit die nach § 20 I a 5 EnWG erforderliche Voraussetzung für den
Netzzugang des Grundversorgers fortfällt, entsteht mit Insolvenzeröffnung eine
faktische Belieferungsunfähigkeit des Grundversorgers. Fraglich ist, ob es sich dabei
um eine irreparable Belieferungsunfähigkeit handelt, welche zu einer automatisch
mit Insolvenzeröffnung erfolgenden Geschäftseinstellung i.S.d. § 36 II 4 EnWG
führt.
Grundsätzlich ist zu beachten, dass der Insolvenzverwalter die Möglichkeit hat,
nach Insolvenzeröffnung über das Vermögen eines Grundversorgers umgehend
einen neuen Vertrag zur Regelung des Bilanzausgleichs abzuschließen. Allerdings
könnte ein neuer Vertragsabschluss aufgrund der Besonderheiten des Strommarktes
nicht ausreichend sein, um zu verhindern, dass eine Geschäftseinstellung i.S.d. § 36
II 4 EnWG automatisch mit Insolvenzeröffnung eintritt. Angesichts der mangelnden
Speicherbarkeit von Strom ist nämlich, wie gezeigt631, erforderlich, dass jede Stromentnahme durch eine zeitgleiche Stromeinspeisung ausgeglichen wird. Da zwischen
der Insolvenzeröffnung über das Vermögen eines Grundversorgers und dem Neuabschluss eines neuen den Bilanzausgleich regelnden Vertrag durch den Insolvenzverwalter stets eine Zeitspanne liegen wird, in welcher der Grundversorger mangels
einer Einbeziehung in das Bilanzkreissystem keine Einspeisungen vornehmen kann,
werden die in dieser Zeit erfolgenden Stromentnahmen seiner Kunden nicht dem
insolventen Grundversorger zugeordnet werden können. Dabei ist zu beachten, dass
durch § 38 EnWG sichergestellt werden soll, dass die Stromentnahmen der Letztverbraucher aus dem Niederspannungsnetz der allgemeinen Versorgung, die keiner
Lieferung oder einem bestimmten Liefervertrag zugeordnet werden können, nie
unberechtigt erfolgen, sondern dass diese stets als vom Grundversorger geliefert
gelten. Diese Regelung würde bei einer Belieferungsunfähigkeit des Grundversorgers jedoch leer laufen. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass durch die Feststellung eines Grundversorgers die Versorgungssicherheit der nach §§ 36, 38 EnWG
anspruchsberechtigten und als schutzwürdig erachteten Kunden sichergestellt werden soll, was eine jederzeitige Belieferungsfähigkeit des Grundversorgers erfordert.
Daraus könnte folgen, dass selbst eine äußerst kurzzeitige Lieferunfähigkeit des
Grundversorgers dessen Geschäftseinstellung i.S.d. § 36 II 4 EnWG und die Feststellung eines neuen Grundversorgers bewirken müsse. In diesem Fall würden die
Stromentnahmen der betroffenen Kunden gem. § 38 EnWG als vom neuen Grundversorger geliefert gelten. Dabei müsste die Feststellung des neuen Grundversorgers
angesichts des Umstandes, dass zwischen der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des bisherigen Grundversorgers und der tatsächlichen Feststellung gem. § 36 II
631 Vgl. S. 129.
147
1, 2 EnWG notwendigerweise eine gewisse Zeitspanne verstreicht, und dass die
betroffenen Kunden in dieser Zeit weiterhin – berechtigterweise – Strom beziehen
würden, rückwirkend erfolgen. Die Rückwirkung der Feststellung eines neuen
Grundversorgers bereitet dabei keine Schwierigkeiten, da die jeweiligen Stromentnahmen der Kunden den Einspeisungen ihrer Lieferanten ohnehin nachträglich zugeordnet werden.
Allerdings ist gerade dem Umstand, dass die Zuordnung der Kundenentnahmen
zu den Einspeisungen eines Lieferanten nachträglich erfolgt, zu entnehmen, dass die
aufgrund der Auswirkung der Insolvenzeröffnung auf den Bilanzkreisvertrag entstandene faktische Lieferunfähigkeit eines Grundversorgers ohne weiteres durch
eine rückwirkende Neuregelung seines Netzzuganges durch den Insolvenzverwalter
behoben werden kann. So hat der Insolvenzverwalter grundsätzlich die Möglichkeit,
den neuen Vertrag zur Regelung der Bilanzabweichungen des Grundversorgers
rückwirkend zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung abzuschließen. Damit würde
sichergestellt, dass die in der Zeitspanne zwischen der Insolvenzeröffnung über das
Vermögen des Grundversorgers und dem tatsächlichen Abschluss eines neuen den
Bilanzausgleich regelnden Vertrages erfolgten Kundenentnahmen rückwirkend
einem in das Bilanzkreissystem einbezogenen Bilanzkreis zugeordnet werden können.632 Durch den rückwirkenden Abschluss eines neuen die Bilanzabweichungen
regelnden Vertrages würden die Stromentnahmen der betroffenen Kunden daher
problemlos den Einspeisungen des Grundversorgers zugeordnet werden können, so
dass diese als vom Grundversorger beliefert gelten würden. Dementsprechend kann
die durch die Insolvenzeröffnung faktisch eingetretene Belieferungsunfähigkeit
grundsätzlich behoben werden, wobei auch die nach EnWG erforderliche ständige
Belieferungsfähigkeit eines Grundversorgers rückwirkend gewährleistet wird.
Angesichts des Fehlens einer irreparablen Belieferungsunfähigkeit durch das insolvenzbedingte Erlöschen des Bilanzkreisvertrages ist eine automatisch mit Insolvenzeröffnung erfolgende Geschäftseinstellung des Grundversorgers i.S.d. § 36 II 4
EnWG zu verneinen. Vielmehr ist von einer Geschäftseinstellung des Grundversorgers i.S.d. § 36 II 4 EnWG nur dann auszugehen, wenn der Insolvenzverwalter des
Grundversorgers keinen Willen zum rückwirkenden Abschluss eines neuen den
Bilanzausgleich regelnden Vertrages zeigt bzw. wenn ihm ein solcher innerhalb
angemessener Zeit nicht gelingt. Dadurch wäre nämlich eine Einstellung der werbenden Tätigkeit und damit der Geschäftstätigkeit des bisherigen Grundversorgers
i.S.d. § 36 II 4 EnWG zu bejahen. In diesem Fall müsste eine rückwirkende Feststellung eines neuen Grundversorgers erfolgen.
Somit ist festzustellen, dass das bloße Ereignis der Insolvenzeröffnung zwar eine
Belieferungsunfähigkeit des Grundversorgers bewirkt, diese jedoch reparabel ist, so
632 Der Grundversorger bzw. der Bilanzkreisverantwortliche, in dessen Bilanzkreis dieser nunmehr einbezogen würde, müsste gegenüber dem Übertragungsnetzbetreiber für die in der Zeit
zwischen der Insolvenzeröffnung und der Neuregelung des Netzzuganges entstandenen Bilanzabweichungen wirtschaftlich einstehen.
148
dass die Insolvenzeröffnung keine automatische Einstellung der Geschäftstätigkeit
des Grundversorgers i.S.d. § 36 II 4 EnWG auslöst.
[b] Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf offene Stromlieferungsverträge
[aa] Wesentlicher Inhalt der offenen Stromlieferungsverträge633
Der wesentliche Inhalt der offenen Stromlieferungsverträge entspricht dem der
Stromlieferungsverträge im Allgemeinen; lediglich die Ausgestaltung der einzelnen
Regelungen ist spezifisch. Insofern wird im Folgenden auf den wesentlichen Vertragsinhalt von Stromlieferungsverträgen im Allgemeinen eingegangen und im
Rahmen dieser Darstellung auf die Besonderheiten der offenen Lieferverträge hingewiesen.
Die Liberalisierung des Elektrizitätsmarktes hat, bedingt durch die unterschiedlichen Interessenlagen der Marktteilnehmer, die Entstehung einer Vielzahl unterschiedlicher Vertragsarten bzw. Produkte begünstigt.634 Anstelle der bis zur Liberalisierung üblichen Vollversorgungsverträge635 kann der Kunde nun seine Energie
von mehreren Lieferanten und im Rahmen mehrerer, aufeinander abgestimmter
Lieferverträge beziehen. Je nach Zweck oder Typik des Vertrages lassen sich eine
Vielzahl verschiedener Energielieferungsverträge unterscheiden. In ihrer Grundstruktur sind diese jedoch weitgehend standardisiert.636 Der Mindestinhalt dieser
Verträge ist unabhängig von der jeweiligen Vertragsart und umfasst unter anderem
die Bestimmung der Vertragsparteien, der Art und Weise der Energielieferung als
Hauptleistung sowie der technischen Lieferanforderungen, des Erfüllungsortes der
Energielieferung, die Regelung über die Zahlungspflicht des Kunden und der
Verbrauchsmessung sowie die Klärung von Haftungsfragen und Endschaftsbestimmungen.637
Kennzeichnend für einen offenen Liefervertrag ist eine spezifische Bestimmung
der Art und Weise der Energiebelieferung als Hauptleistung des Energielieferungsvertrages. Anders als bei Fahrplanlieferungen, bei denen die Menge der zu liefernden Elektrizität sowie die Lieferzeit von Anfang an feststehen, sind bei offenen
Lieferverträgen weder die Liefermenge noch die Lieferzeit von Anfang an festgelegt.638 Vielmehr ist der Lieferant dazu verpflichtet, Energie zu liefern, sobald beim
Kunden Bedarf entsteht und außerdem soviel zu liefern, wie der Kunde benötigt. Da
633 Eingehend zu Stromlieferungsverträgen im Allgemeinen: de Wyl/ Essig, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 11.
634 de Wyl/Essig, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 11 Rn. 4, 33.
635 Eingehend hierzu: de Wyl/Essig, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 11
Rn. 9 ff.
636 Vgl. de Wyl/Essig, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 11 Rn. 57.
637 de Wyl/Essig, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 11 Rn. 63.
638 Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht, S. 151.
149
bei einer offenen Liefervereinbarung der Bedarf des Kunden nicht von Anfang an
feststeht, muss der Lieferant Ausgleichsmengen vorhalten und trägt damit das Mengenrisiko.639 Dabei kann ein offener Energieliefervertrag nicht nur – wie bei Vollversorgungsverträgen – zur Deckung des Gesamtbedarfs abgeschlossen werden,
sondern auch als Ergänzung zu Fahrplanlieferungen dienen. In diesen Fällen gleicht
der offene Vertrag stochastische Abweichungen zwischen prognostiziertem Bezug
(Fahrplan) und tatsächlicher Abnahme aus.640
Die Pflichten des Lieferanten bei einem offenen Stromliefervertrag hängen von
der bilanziellen Abwicklung ab. Zum einen kann sich der Lieferant zum Ausgleich
der Abweichungen des Bilanzkreises seines Kunden verpflichten, so dass der Kunde
zum Subbilanzkreis des Vorlieferanten wird.641 Dabei handelt es sich um eine Fallkonstellation, in welcher der Kunde zusätzlich einen Subbilanzkreisvertrag mit dem
ÜNB abschließt. Sofern der Kunde jedoch keinen eigenen Subbilanzkreis besitzt,
sondern als Aggregationskreis des Lieferanten fungiert, mit welchem er einen offenen Liefervertrag abgeschlossen hat, wird im offenen Liefervertrag die Verpflichtung des Lieferanten vereinbart, die Entnahmen des Kunden (bzw., sofern es sich bei
dem Kunden um einen Lieferanten handelt, die Entnahmen dessen Kunden) in seinen Bilanzkreis einzustellen. In diesem Fall wird die Verpflichtung des Lieferanten
aus einem offenen Liefervertrages erfüllt, wenn die Stromentnahmen seines Vertragspartners bzw. dessen Kunden vom Netzbetreiber seiner Bilanz zugeordnet werden.642
Im Übrigen besteht bei den offenen Lieferverträgen kein signifikanter Unterschied zu den anderen Stromlieferungsverträgen. So kann als Erfüllungsort grundsätzlich sowohl der Handelsplatz der Höchstspannungsebene als auch der Kundenanschluss vereinbart werden. Dies hängt davon ab, ob der Kunde des offenen Liefervertrages selbst Netznutzer ist (dann ist der Erfüllungsort die
Höchstspannungsebene) oder ob der Lieferant selbst die Netznutzungsverträge abschließt (dann handelt es sich um einen „all-inclusive-Vertrag“ und der Lieferort ist
der Kundenanschluss).643 Ferner ist der Kunde des (offenen) Liefervertrags zur Bezahlung des vereinbarten Strompreises verpflichtet. Da der Lieferant das Mengenrisiko trägt, ist die Elektrizität bei offenen Lieferverträgen im Vergleich zu denen, bei
denen die Liefermenge sowie Lieferzeit von Anfang an feststeht, verhältnismäßig
teuer.644 Die Preise zeichnen sich durch eine Doppelstruktur aus (Grund- und Leistungspreis).
639 de Wyl/Essig, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 11 Rn. 9; Müller-
Kirchenbauer/de Wyl, in: Zander/Riedel/Kraus, Praxishandbuch Energiebeschaffung II
3.1.2.2, S. 1.
640 Müller-Kirchenbauer/de Wyl, in: Zander/Riedel/Kraus, Praxishandbuch Energiebeschaffung
II 3.1.2.2, S. 1.
641 Vgl. de Wyl/Essig, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 11 Rn. 74.
642 Vgl. de Wyl/Essig, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 11 Rn. 74.
643 Vgl. de Wyl/Essig, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 11 Rn. 63, 66.
644 Müller-Kirchenbauer/de Wyl, in: Zander/Riedel/Kraus, Praxishandbuch Energiebeschaffung,
II 3.1.2.2, S. 1.
150
[bb] Insolvenzrechtliche Behandlung
{1} Voraussetzungen der Anwendbarkeit der §§ 103 ff. InsO
Bei den Ansprüchen des Vorlieferanten gegen den Grundversorger aus dem Stromlieferungsvertrag handelt es sich um persönliche Ansprüche, die auf die Zahlung von
Stromentgelt gerichtet sind und bereits vor der Insolvenzeröffnung begründet wurden, so dass diese Ansprüche grundsätzlich als Insolvenzforderungen gem. § 38
InsO einzuordnen sind. Ferner handelt es sich bei den hier unteruchten Energielieferungsverträgen zwischen einem Grundversorger und dessen Vorlieferanten um Dauerschuldverhältnisse. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass Stromlieferungsverträge, die unabhängig von der AVBEltV abgeschlossen wurden (sog. Sonderkundenverträge) – anders als Tarifkundenverträge, die früher teilweise als
Wiederkehrschuldverhältnisse eingeordnet und deshalb nicht als schwebende Verträge i.S.d. § 103 ff. InsO angesehen wurden645 – stets als Dauerschuldverträge klassifiziert wurden.646 Insoweit sind jedenfalls auf die hier untersuchten Stromlieferungsverträge zwischen einem Grundversorger und dessen Vorlieferanten die für
schwebende Verträge geltenden Regelungen der §§ 103 ff. InsO grundsätzlich anwendbar.647
Fraglich ist, ob bzw. welche der für schwebende Rechtsverhältnisse geltenden
Regelungen der §§ 103 ff. InsO eingreift.
{2} Spezialregelungen
{a} Spezialregelungen, die unabhängig vom Vertragstyp eingreifen
{aa} Vorüberlegung
Angesichts des Umstands, dass Strom infolge der Liberalisierung zu einem national
und international handelbaren und börsenfähigen Produkt geworden ist (Commoditisation)648, kommt in Bezug auf die insolvenzrechtliche Behandlung offener Stromlieferverträge § 104 InsO in Betracht. Darin werden nämlich gerade Lieferverträge
über Waren (§ 104 I InsO) bzw. Finanzleistungen (§ 104 InsO) behandelt, die einen
645 Vgl. dazu S. 179.
646 BGH, EW 1961, Rechtsbeilage, S. 9, 10; RdE 1979, 8; RdE 1978, 88; RdE 1976, 19; RdE
1976, 23; BGH, RdE 1981, 173, 174; Bydlinski, Hämmerle-FS, S. 40.
647 Vgl. Reinholz, RdE 1999, 64, 73; Büdenbender, Energierecht, Rn. 849 und Fn. 23 m.w.N.
648 de Wyl/Essig, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 11 Rn. 33. Als „Commodities“ werden allgemein Waren oder Rohstoffe bezeichnet, die zu Handelszwecken soweit vereinheitlicht bzw. standardisiert sind, dass sich Produkte verschiedener Anbieter in der
Wahrnehmung der Kunden qualitativ und funktional nicht unterscheiden und damit beliebig
austauschbar werden (Fried, in: Schwintowski, Handbuch Energiehandel, S. 149, Rn. 258).
151
Markt- oder Börsenpreis haben. Zwischen den Tatbeständen des § 104 I InsO und
des diesem gegenüber vorrangigen § 104 II InsO ist grundsätzlich zu unterscheiden.
Während § 104 II InsO lediglich finanzielle Kontrakte erfasst649, behandelt § 104 I
InsO physische Geschäfte.650 Gegenstand physischer Geschäfte ist die Ware
selbst.651 Die Partei eines physischen Geschäfts verpflichtet sich, die jeweilige Ware
(gegen Bezahlung des vereinbarten Preises) zu liefern. Finanzielle Geschäfte dagegen beziehen sich nicht auf die Lieferung einer Ware, sondern zielen auf einen finanziellen Ausgleich ab.652 Die sich aus finanziellen Geschäften ergebenden Primärpflichten sind darauf gerichtet, dass in der Zukunft die Parteien Zahlungspflichten haben, die sich auf Grundlage einer vorher vereinbarten Rechenoperation
ergeben (finanzieller Handel).653 Die hier behandelten offenen Stromlieferverträge
werden vom Grtundversorger abgeschlossen, weil es ihm auf die tatsächliche Erfüllung des Vertrages, also auf den Erhalt der Elektrizität durch seine Kunden ankommt. Angesichts des Vorliegens eines physischen Geschäftes kommt das Eingreifen des § 104 I InsO in Betracht. Fraglich ist, ob die Tatbestandsvoraussetzungen
dieser Vorschrift gegeben sind.
{bb} § 104 InsO
<1> Lieferung von Waren, die einen Markt- oder Börsenpreis haben
Bei den offenen Stromlieferungsverträgen müsste es sich um Liefergeschäfte über
Waren handeln, die einen Markt- oder Börsenpreis haben.
Ware i.S.d. § 104 InsO
Im Rahmen des § 104 InsO werden unter Waren bewegliche Sachen verstanden, die
Gegenstand des Handelsverkehrs sind.654 Grundsätzlich muss es sich um eine vertretbare, das heißt bewegliche und im Verkehr gewöhnlich nach Zahl, Maß oder
Gewicht bestimmte Sache (gem. § 91 BGB) handeln, die als Ware einen Marktoder Börsenpreis aufweist.655 Gem. § 90 BGB sind Sachen i.S.d. BGB nur körperliche Gegenstände. Diese müssen durch eigene körperliche Begrenzung, durch Fassung in einem Behältnis oder durch sonstige künstliche Mittel im Raum abgrenzbar
649 Vgl. Fried, in: Schwintowski, Handbuch Energiehandel, S. 274 Rn. 569.
650 Smid-Meyer, InsO, § 104 Rn. 6.
651 de Wyl/Essig, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 11 Rn. 40; Fried, in:
Schwintowski, Handbuch Energiehandel, S. 153, Rn. 267.
652 Fried, in: Schwintowski, Handbuch Energiehandel, S. 153, Rn. 267.
653 Fried, in: Schwintowski, Handbuch Energiehandel, S. 153 Rn. 268.
654 RGZ 130, 85, 88; Uhlenbruck-Lüer, InsO § 104 Rn. 7.
655 Smid-Meyer, InsO, § 104 Rn. 5.
152
sein.656 Mangels Körperlichkeit handelt es sich bei Strom daher nicht um eine Sache
i.S.d. §§ 90, 91 BGB.657 Dennoch bejahen diejenigen in der Literatur, die sich mit
dem Problem der Einbeziehung der Elektrizität in den Warenbegriff des § 104 I
InsO beschäftigen, die Anwendbarkeit dieser Regelung auf Verträge über Elektrizität.658
Dafür spricht, dass sich § 104 InsO gerade nicht auf Sachen i.S.d. § 90 BGB bezieht, sondern auf Warenlieferungen. Selbst für Normen, die den Sachbegriff außerhalb des 3. Buches des BGB verwenden, gilt jedoch, dass es eine Frage des Einzelfalls ist, ob sie auch auf unkörperliche Gegenstände angewandt werden können.659
Dies muss erst recht für § 104 InsO gelten, der den Begriff „Ware“ verwendet. Auch
den verschiedenen Ansichten über den Sinn und Zweck des § 104 I InsO660 lässt sich
nicht entnehmen, dass es im Rahmen des § 104 InsO entscheidend auf die Körperlichkeit der Ware ankäme. Im Übrigen lässt sich für das Vorliegen einer „Ware“
i.S.d. § 104 InsO die vom EuGH im Rahmen der Regelungen der Art. 28 bis 30 des
EG-Vertrages getroffene Definition einer Ware vorbringen. Danach umfasst der
Begriff „Ware“ i.S.d. Art. 28 bis 30 EGV sämtliche Produkte bzw. Erzeugnisse, die
einen Geldwert haben und deshalb Gegenstand von rechtmäßigen Handelsgeschäften sein können.661 Unter die Warenverkehrsfreiheit fallen daher auch nichtkörperliche Gegenstände wie elektrischer Strom.662 Dementsprechend wurde Strom nach der
Rechtsprechung des EuGH schon weit vor der Liberalisierung als Ware i.S.d. EGV
angesehen.663 Da es im Rahmen des § 104 InsO entscheidend auf die Handelbarkeit
eines Produktes ankommt, was der Tatsache zu entnehmen ist, dass die Ware einen
Markt- oder Börsenpreis haben muss, liegt die Parallele zu den europarechtlichen
Vorschriften über Warenverkehrsfreiheit nahe. Als weitere Indizien für die Warenqualifikation von Strom lässt sich anführen, dass Elektrizität in der Verordnung
(EWG) Nr. 960/68 des Rates vom 28.06.1968 über den gemeinsamen Zolltarif664
unter Kapitel 27.16 als Ware aufgeführt wird.665 Im Ergebnis ist also davon auszu-
656 Palandt-Heinrichs/Ellenberger, BGB, § 90 Rn. 1.
657 RGE 86, 14; MüKo-Holch, BGB, § 90 Rn. 23; Palandt-Heinrichs/Ellenberger, BGB, § 90
Rn.2.
658 Braun-Kloth, InsO, § 104 Rn. 4; FK-Wegener, InsO, § 104 Rn. 6 a); Liesenhoff, in: Horstmann/Cieslarczyk, Energiehandel, Kapitel 10 Rn. 89; Fried, in: Schwintowski, Handbuch
Energiehandel, S. 152, Rn. 264; Benzler, ZInsO 2000, 1, 4; a.A.: Reiner, Derivate Finanzinstrumente, S. 210, der allerdings im Zusammenhang mit § 104 InsO auf die Lagerfähigkeit
der Ware abstellt, um eine Ähnlichkeit mit Derivaten zu begründen.
659 Palandt-Heinrichs/Ellenberger, BGB, § 90 Rn. 4.
660 Vgl. herrschende Auffassung: FK-Wegener, § 104 Rn. 7; Smid-Meyer, InsO, § 104 Rn. 2;
Benzler, ZInsO 2000, 1, 11; N/R-Balthasar, § 104 Rn. 6, 8; a.A.: K/P-Köndgen § 104 Rn. 5;
a. A.: v. Wilmowsky, WM 2002, 2264, 2268.
661 EuGH, Rs. 7/68 (Kommission/Italien), Slg. 1968, S. 633, 642; Briche, Elektrizitätswirtschaft,
S. 77.
662 Calliess/Ruffert-Kingreen, EGV, Art. 28 Rn. 120; Albert, Stromlieferungsverträge, S. 71.
663 EuGH, Rs. 6/64 (Costa/ENEL), Slg. 1964, S. 1251, 1274; EuGH, Rs. C-393/92 (Amelo), Slg.
1994, S. I-1477, 1477, 1516 Rn. 27-28;
664 Abl. EU Nr. L 172, S. 1 ff.
665 Albert, Stromlieferungsverträge, S. 71.
153
gehen, dass es bei der Anwendung von § 104 I InsO nicht auf die Körperlichkeit
einer Ware ankommt, so dass auch Elektrizität eine Ware im Sinne dieser Vorschrift
ist, sofern diese einen Markt- oder Börsenpreis aufweist.
Ware, die einen Markt- oder Börsenpreis hat
Zu beachten ist, dass § 104 I InsO nur solche Waren erfasst, die einen Markt- oder
Börsenpreis haben. Börsengehandelte Instrumente haben immer einen Börsenpreis.666 Dabei handelt es sich um den an einer amtlich anerkannten Börse im geregelten Markt oder im Freiverkehr festgestellten Kurs.667 Marktpreis ist derjenige
Preis, der an einem für das Unternehmen maßgeblichen oder ihm zugänglichen
Handelsplatz für Waren einer bestimmten Gattung zu einem bestimmten Zeitpunkt
oder während eines bestimmten Zeitraums im Durchschnitt gewährt wird.668
Marktpreise können ausweislich des § 104 III InsO nur solche Preise sein, die sich
für Geschäfte gleicher Fälligkeit täglich ermitteln lassen. Dies erfordert jedenfalls
einen gewissen Mindestumsatz, der als Berechnungsbasis für einen
Durchschnittspreis taugt.669 Im Übrigen ist der Begriff des Markt- und Börsenpreises
weit auszulegen.670 Entscheidend ist die Möglichkeit, sich anderweitig auf dem
Markt einzudecken.671
Zwar ist Strom durch die Liberalisierung des Energiemarktes, wie bereits erwähnt, zu einer handelbaren und börsenfähigen Ware geworden (Commoditisation),
allerdings kann daraus nicht geschlossen werden, dass alle Stromlieferverträge die
Lieferung einer Ware beinhalten, die einen Börsen- oder Marktpreis hat. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass das Wesensmerkmal für die Commoditisation der Waren
Strom und Gas deren zeitliche und mengenmäßige Eingrenzbarkeit ist.672 Die Frage,
ob es sich bei der vereinbarten Stromlieferung um die Lieferung einer Ware handelt,
die einen Börsen- oder Marktpreis hat, kann daher nicht pauschal beantwortet werden, sondern bedarf einer Differenzierung danach, ob die vereinbarte Stromlieferung
überhaupt als ein handelbares Produkt i.S.d. § 104 I InsO einzustufen ist. Dabei ist
zwischen Stromlieferungsverträgen zu unterscheiden, bei denen eine zeitliche und
mengenmäßige Eingrenzung der Ware Strom von vornherein stattgefunden hat
(Fahrplanlieferungen) sowie Stromlieferungsverträgen, in denen eine solche Eingrenzung gerade nicht stattgefunden hat, wie dies bei offenen Lieferverträgen der
Fall ist.
666 Benzler, ZInsO 2000, 1, 4.
667 Uhlenbruck-Lüer, InsO § 104 Rn. 7; Baumbach-Hopt, HGB, § 253 Rn. 14.
668 Uhlenbruck-Lüer, InsO § 104 Rn. 7.
669 K/P-Köngen § 104 Rn. 9.
670 Bosch, WM 1995, 413, 417; BT-Drs, 12/2443, Begründung zu § 118 InsO-E, S. 145.
671 BT-Drs. 12/7302, Beschlussempfehlung zu § 118 InsO-E, S. 168.
672 Fried, in: Schwintowski, Handbuch Energiehandel, S. 282 Rn. 590; Briche, Elektrizitätswirtschaft, S. 77.
154
Fahrplanlieferungen
Bei Fahrplanlieferungen werden die Lieferzeit und die Liefermenge des zu liefernden Stroms von Anfang an festgelegt, wodurch der zu liefernde Strom eine Eingrenzung erfährt, die ihn zu einem standardisierten und somit handelbaren Produkt
macht. Insoweit stellt der im Rahmen von Fahrplanlieferungen gelieferte Strom eine
Ware dar, die bei Vorliegen eines bestimmten Mindestumsatzes über einen regelmä-
ßig ermittelbaren Markt- bzw. Börsenpreis verfügt.673
Der im Rahmen von offenen Lieferverträgen gelieferte Strom
Fraglich ist, ob der im Rahmen von offenen Lieferverträgen zu liefernde Strom, wie
die von § 104 InsO erfassten Waren, einen regelmäßig ermittelbaren Markt- bzw.
Börsenpreis aufweist. Zu beachten ist, dass offene Lieferverträge dadurch gekennzeichnet sind, dass weder die vom Lieferanten zu liefernde Gesamtmenge noch die
Lieferzeit von vornherein festgelegt ist. Dabei bewirkt die fehlende Bestimmung der
Liefermenge sowie Lieferzeit bei offenen Verträgen, dass es für den im Rahmen
dieser Verträge gehandelten Strom keinen jederzeit ermittelbaren Markt- bzw. Börsenpreis gibt. Der Vorgang, durch den der Strom bei offenen Lieferverträgen zeitlich
und mengenmäßig eingegrenzt wird, nämlich der Bezug von Elektrizität führt nämlich gleichzeitig dazu, dass Strom verbraucht wird. Da es jedoch keinen Markt für
eine bereits verbrauchte Ware gibt, ist der nach dem Bezug ermittelbare Strompreis
für die Ware kein Marktpreis, sondern ein Kaufpreis674.
Jederzeit ermittelbar ist lediglich der Durchschnittspreis, der bei offenen Lieferverträgen pro Stromeinheit zu zahlen ist. Dabei handelt es sich jedoch nicht um den
Markt- bzw. Börsenpreis einer Ware, sondern lediglich um eine Berechnungsgrundlage für den später zu ermittelnden Strompreis. Eine weitere Komponente für die
Berechnung des Strompreises, nämlich die Quantität des zu bezahlenden Stroms,
lässt sich nur nach Bezug der Elektrizität feststellen. Dies führt zum auf den ersten
Blick eigenartigen Ergebnis, dass der im Rahmen von offenen Stromlieferverträgen
gelieferte Strom zwar einen Verkaufs- bzw. Kaufpreis, jedoch keinen Börsen- bzw.
Marktpreis hat. Dieses Ergebnis lässt sich jedoch damit erklären, dass der Kaufpreis
einer Ware von der abgerufenen Quantität des Kaufgegenstandes abhängig gemacht
werden kann und sich somit nachträglich berechnen lässt, während die jederzeitige
Bestimmbarkeit eines Markt- bzw. Börsenpreises für die zu liefernde Ware voraussetzt, dass diese Ware hinreichend konkretisiert ist. Eine nachträgliche Bestimmbarkeit reicht hierfür nicht aus. Die Besonderheit von Strom führt also dazu, dass dieser
673 So z.B. die im Rahmen von EFET-Verträgen vereinbarten Energielieferungen. Vgl. dazu:
Fried, in: Schwintowski, Handbuch Energiehandel, S. 282 Rn. 590; Liesenhoff, in: Horstmann/Cieslarczyk, Energiehandel, S. 494 Rn. 89.
674 Zur Einordnung des Stromlieferungsvertrages als Kauvertrag vgl. S. 158.
155
ohne zeitliche bzw. mengenmäßige Eingrenzung zwar verkauft, nicht jedoch gehandelt werden kann.675
<2> Ergebnis
Somit handelt es sich bei dem im Rahmen offener Lieferverträgen zu liefernden
Strom nicht um eine Ware mit einem Börsen- oder Marktpreis i.S.d. § 104 InsO, so
dass die Anwendbarkeit des § 104 InsO zu verneinen ist.
<3> Anmerkung
Die Nichtanwendbarkeit des § 104 I InsO auf offene Stromlieferverträge wird durch
den Optionscharakter dieser Verträge bestätigt. Bei Stromlieferungsverträgen, die
als offene Lieferverträge ausgestaltet sind, wird die Festsetzung des zu liefernden
Quantums dem Bezieher überlassen. Diesem wird ein dauerndes, durch einmalige
Ausübung keineswegs erschöpftes, sondern bis zum Ende des Vertragsverhältnisses
weiterlaufendes Bestimmungsrecht hinsichtlich der zu liefernden Energiemenge
eingeräumt.676 Fehlt es an der Vereinbarung einer Mindestmenge, so erstreckt sich
das Bestimmungsrecht des Beziehers auch darauf, ob er überhaupt etwas bezieht, so
dass sein Bestimmungsrecht einen Optionscharakter annimmt.677 Das jederzeitige
Bezugsrecht des Energiekunden ist also als Wahl- und Optionsrecht anzusehen.678
Nicht ausgeübte Optionen über Warengeschäfte fallen jedoch nicht unter § 104 I
InsO, da dieser keine Verträge über Forderungen und Rechte umfasst.679 Auch § 104
II Nr. 5 InsO, der Optionsgeschäfte zum Gegenstand hat, gilt nur für Optionen auf
Lieferungen oder Geldleistungen im Sinne der § 104 II Nr. 1 bis 4 InsO, so dass
dieser nicht auf Optionen über Warenlieferungen anzuwenden ist.680 Zwar wird
teilweise aufgrund der ähnlichen Interessenlage eine analoge Anwendung des § 104
I InsO auf nicht ausgeübte Optionen, die die Lieferung einer Ware zum Gegenstand
haben, für wünschenswert gehalten681, allerdings handelt es sich bei Optionsgeschäf-
675 Vgl. Fried, in: Schwintowski, Handbuch Energiehandel, S. 151, Rn. 263, der ebenfalls einen
Unterschied zwischen Handel und Verkauf macht.
676 Bydlinski, Hämmerle-FS, 31, 44.
677 Bydlinski, Hämmerle-FS, 31, 44.
678 Bydlinski, Hämmerle-FS, 31, 46; Spicker, in: Schwintowski, Handbuch Energiehandel, S. 94
f.
679 Liesenhoff, in: Horstmann/Cieslarczyk, Energiehandel, S. 495 ff.; Braun-Kloth, InsO, § 104
Rn. 4.
680 Liesenhoff, in: Horstmann/Cieslarczyk, Energiehandel, S. 495 f.; a.A. Benzler, der allerdings
darauf hinweist, dass von § 104 II Nr. 5 nach dem Willen des Gesetzgebers nur das die Option begründende Geschäft erfasst sein solle, das Ausführungsgeschäft sei unter die vorstehenden Ziffern zu subsumieren (ZInsO 2000, 1, 4.)
681 Liesenhoff, in: Horstmann/ Cieslarczyk, Energiehandel, S. 495 ff.
156
ten um Verträge über Rechte und nicht Waren, so dass der Wortlaut des § 104 I
InsO einer Anwendung auf Optionsgeschäfte entgegensteht und es erst einer Gesetzesänderung bedürfte, um der Ähnlichkeit der Interessenlage Rechnung tragen zu
können.682 Gegen eine analoge Anwendung des § 104 I InsO spricht auch, dass der
Gesetzgeber in § 104 II InsO die Einbeziehung von Optionen ausdrücklich normiert
hat, so dass die Annahme nahe liegend ist, dass es sich bei der Nichteinbeziehung
der Optionsgeschäfte über Waren in den § 104 I InsO gerade nicht um eine ungeplante Regelungslücke handelt. Im Übrigen hätte die Option im Rahmen offener
Lieferverträge ohnehin keinen Markt- bzw. Börsenpreis, da die der Option zugrunde
liegende „Ware“ nicht hinreichend bestimmt ist.
Schließlich ist festzustellen, dass die Anwendbarkeit des § 104 I InsO auf offene
Lieferverträge auch an dem Tatbestandsmerkmal einer „genau zu einer festbestimmten Zeit oder innerhalb einer festbestimmten Frist“ vereinbarten Lieferung scheitern
würde. Insoweit verwendet § 104 I InsO dieselbe Formulierung wie § 323 II Nr. 2
BGB sowie § 376 I HGB. Im Rahmen dieser Vorschriften ist allgemein anerkannt,
dass das Tatbestandsmerkmal der genau festbestimmten Zeit oder Frist nur dann zu
bejahen ist, wenn die vertraglich vereinbarte Leistungszeit oder Leistungsfrist kalendermäßig bestimmbar ist, was bereits dann angenommen wird, wenn sich die
Lieferzeit bzw. Lieferfrist von einem künftigen Ereignis (z.B. ab dem Abruf durch
den Käufer) kalendermäßig bestimmen lässt.683 Bei offenen Lieferverträgen wird der
Lieferzeitpunkt allein durch das Kundenverhalten (Strombezug) bestimmt. Dabei ist
der Lieferant zeitgleich zu einer Lieferung verpflichtet, so dass die Lieferzeit beim
Vertragsschluss nicht kalendermäßig bestimmbar ist und es dementsprechend an
einer Lieferung „genau zu einer festbestimmten Zeit oder innerhalb einer festbestimmten Frist“ fehlt.
Die fehlende Bestimmbarkeit der Lieferzeit und der Liefermenge würde im Übrigen auch dazu führen, dass die Berechnung der Forderung wegen Nichterfüllung
nach § 104 III InsO als Rechtsfolge der Anwendung des § 104 I InsO unmöglich
wäre. Nach § 104 III InsO kommt es nämlich auf den Unterschied zwischen dem
vereinbarten Preis und dem Markt- oder Börsenpreis, der zu einem von den Parteien
vereinbarten Zeitpunkt, spätestens jedoch am fünften Tag nach der Eröffnung des
Verfahrens am Erfüllungsort für einen Vertrag mit der vereinbarten Erfüllungszeit
maßgeblich ist, an. Da der Bedarf des Kunden bei offenen Lieferverträgen aber
gerade nicht prognostiziebar ist, ist die Ermittlung des Markt- oder Börsenpreises für
die ausstehenden Stromlieferungen gem. § 104 III InsO jedoch unmöglich.
682 So im Ergebnis auch Liesenhoff, in: Horstmann/ Cieslarczyk, Energiehandel, S. 496 f.
683 Baumbach-Hopt, HGB, § 376 Rn. 6; Roth, in: Koller/Roth/Morck, HGB, § 376 Rn. 4.
157
{b} Die auf das Vorliegen eines bestimmten Vertragstyps abstellenden Spezialregelungen
{aa} Rechtsnatur des offenen Stromlieferungsvertrages
Zu untersuchen ist, welchen Vertragstyp der offene Stromlieferungsvertrag darstellt
und ob die auf einen bestimmten Vertragstyp abstellenden Sonderregelungen eingreifen.
Früher wurde teilweise die Einordnung der Stromlieferungsverträge als Miet684bzw. Pachtverträge685, als Dienst-686 bzw. Werkverträge687 sowie als Verträge sui
generis688 vertreten. Alle diese Ansichten sind jedoch spätestens seit den im Zuge
der Liberalisierung erfolgten Änderungen der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse auf dem Energiemarkt abzulehnen. Dies folgt daraus, dass diejenigen, die für
die Qualifizierung der Stromlieferungsverträge als Dienst- bzw. Werkvertrag sowie
als Vertrag sui generis plädierten, die Hauptpflicht eines Stromliefervertrages in der
Pflicht des EVU zur dauernden Vorhaltung der Kraftwerks- und Leitungskapazitäten
sahen.689 Aufgrund der Unbundling-Vorschriften sind nunmehr jedoch nicht die
Lieferanten, sondern die Netzbetreiber dazu verpflichtet, das Elektrizitätsnetz ordnungsgemäß zu betreiben und stets für eine konstante Spannung und Frequenz zu
sorgen.690 Dementsprechend sind diese Pflichten nicht mehr Gegenstand eines Energielieferungsvertrags, sondern eines eigenständigen Netznutzungsvertrages.691 Ferner ist auch die Vorhaltung von Kraftwerkskapazitäten nicht (mehr) erforderlich, da
ein Lieferant den Stromliefervertrag auch dann erfüllt, wenn er nicht selbst produzierten Strom an seine Abnehmer liefert.692 Sofern der Lieferant dennoch selbst
Kraftwerkskapazitäten vorhält, um seine Lieferverpflichtungen zu erfüllen, ist festzustellen, dass es dem Kunden beim Abschluss eines Stromlieferungsvertrages nicht
auf diese Tätigkeiten des EVU ankommt.693 Dem Kunden geht es in erster Linie
darum, eine Stromlieferung gegen Entgelt zu erhalten, was dieses Vertragselement
als Hauptpflicht des Vertrages qualifiziert.694 Gegen die in der Vergangenheit eben-
684 Pfleghart, Elektrizität als Rechtsobjekt, S. 279 ff., 296.
685 Kohler, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts II, S. 5, 313.
686 Ludewig, ZHR 35, S. 14, 29, 33.
687 Ern, Rechtsnatur des Elektrizitätsversorgungsvertrages, S. 36 ff.; Börner, VEnergR 60, 34 ff.
688 Büdenbender, Energierecht, Rn. 843 f.; ders., DZWiR 1995, 315, 319; Dickmann, Rechtsnatur des Energieversorgungsvertrages, S. 50, 55; Hose, Energieversorgungsvertrag, S. 95 f.
689 Ludewig, ZfH 35, 14, 29, 33; Börner, VEnergR 60, S. 35; Ern, Rechtsnatur des Elektrizitätsversorgungsvertrages, S. 36; Büdenbender, Energierecht, Rn. 843 f.; ders., DZWiR 1995,
315, 319; Dickmann, Rechtsnatur des Energieversorgungsvertrages, S. 50, 55; Hose, Energieversorgungsvertrag, S. 95 f.
690 de Wyl/Essig, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 11 Rn. 79.
691 Albert, Stromlieferungsverträge, S. 67.
692 Bydlinski, Hämmerle-FS, 31, 37, der die Erforderlichkeit der Vorhaltung von
Kraftwerkskapazitäten auch schon vor der Liberalisierung verneinte.
693 de Wyl/Essig, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 11 Rn. 79.
694 Bydlinski, Hämmerle-FS, 31, 37.
158
falls vertretene Einordnung der Stromlieferverträge als Miet- bzw. Pachtvertrag
spricht, dass diese Verträge den Erhalt der Substanz des Miet- oder Pachtgegenstandes voraussetzen695, die Elektrizität vom Kunden jedoch verbraucht wird, so dass
eine Rückgabe der Elektrizität, wie dies bei Miet- und Pachtverträgen üblich ist,
nicht möglich ist.
Vielmehr ist die – bereits vor der Liberalisierung – von der überwiegenden Meinung in der Rechtsprechung696 und Literatur697 vertretene Einordnung der Stromlieferungsverträge als Kaufverträge (§ 433 BGB) bzw. als Verträge, auf welche die
kaufvertraglichen Regelungen gem. § 453 I BGB entsprechend anzuwenden sind698
zutreffend. Diese Qualifizierung der Stromlieferungsverträge wird damit begründet,
dass die Hauptpflicht der Stromlieferungsverträge in der Lieferung des Stroms gegen Entgelt zu sehen ist.699 Zwar setzt ein Kaufvertrag voraus, dass es sich beim
Vertragsgegenstand um eine Sache handelt700, der Sachbegriff im Sinne des Kaufrechts wurde jedoch durch Rechtsprechung und Lehre unter Berufung auf § 453
BGB auf alle verkehrsfähigen Gegenstände ausgedehnt.701 So kommen auch unkörperliche Dinge wie Ideen, Betriebsgeheimnisse, Kundenstämme, Rechte jeglicher
Art und darüber hinaus alle verkehrsfähigen Güter anerkanntermaßen als Kaufgegenstände in Betracht.702 Die Verkehrsfähigkeit von Strom ist, wie der Stromhandel
auf nationaler und europäischer Ebene zeigt, möglich. Daher können die Regeln des
Kaufrechts auf Stromlieferverträge jedenfalls entsprechend angewendet werden.703
Ferner sprechen die oben genannten Argumente für die Bejahung der Wareneigenschaft von Elektrizität704 dafür, dass Elektrizität wie eine Sache behandelt werden
und Gegenstand eines Kaufvertrages sein kann. Für die Behandlung von Strom als
Sache lässt sich außerdem geltend machen, dass jedenfalls Gas eine Sache im Sinne
695 Ern, Rechtsnatur des Elektrizitätsversorgungsvertrages, S. 30; Hose, Energieversorgungsvertrag, S. 84; Reinholz, RdE 1999, 64, 70.
696 RG, JW 1930, 1924, 1925; BGH, NJW 1969, 1903, 1905; NJW 1979, 1304, 1305; BGH,
NJW 1983, 1777, 1778; BGH, RfE 1994, 70, 72.
697 Hempel, in: Ludwig/Odental, Band 1, § 1 AVBEltV, Rn. 3; Bydlinski, Hämmerle-FS, S. 38;
Herrmann, RdE 1998, 219, 221 f.; de Wyl/Essig, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 11 Rn. 79.
698 BGH, NJW 1969, 1903; BGHZ 59, 303; Palandt-Weidenkaff, BGB, § 433 Rn. 8; MüKo-
Westermann, § 433 Rn. 13; Erman-Grunewald, BGB, § 433 Rn. 11; Albert, Stromlieferungsverträge, S. 71 f.
699 Bydlinski, Hämmerle-FS, 31, 37; Albert, Stromlieferungsverträge, S. 67; Herrmann, RdE
1998, 219, 221.
700 Ern, Rechtsnatur des Elektrizitätsversorgungsvertrages, S. 16 ff.; Hose, Energieversorgungsvertrag, S. 52 ff.
701 Hermann, in: Hermann/Recknagel/Schmidt-Salzer, AVB, Rechtsgrundlagen, Rn. 148.
702 Hempel, § 1 AVBEltV, Rn. 111; Palandt-Weidenkaff, BGB, § 453 Rn. 6; Herrmann, RdE
1998, 219, 221.
703 Vgl. BGHZ 23, 175; BGHZ 59, 303, 305; Hempel, in Ludwig/Odenthal, AVBEltV, Einf. Rn.
30, § 1 AVBEltV Rn. 111; Erman-Grunewald, BGB, § 433 Rn. 11; Palandt-Weidenkaff,
BGB, § 453 Rn.6; MüKo-Westermann, § 433 Rn. 13; Herrmann, RdE 1998, 229, 221; Albert,
Stromlieferungsverträge, S. 67.
704 Vgl. 152.
159
des § 90 BGB705 ist und somit Gegenstand eines Kaufvertrages sein kann. Aufgrund
der Gleichbehandlung beider Energiearten im EnWG (§ 3 Nr. 14 EnWG) ist die
gleiche rechtliche Einordnung von Lieferverträgen über Strom und Gas auch außerhalb des EnWG geboten.706
{bb} Ergebnis hinsichtlich der Rechtsnatur des offenen Stromliefervertrages und der
Anwendbarkeit insolvenzrechtlicher Spezialregelungen
Der Stromlieferungsvertrag stellt also einen Vertrag dar, auf den die kaufrechtlichen
Vorschriften direkt oder entsprechend anzuwenden sind, was im Rahmen dieser
Untersuchung keiner weiteren Erörterung bedarf, da es für die insolvenzrechtliche
Einordnung unerheblich ist, ob es sich um einen Kaufvertrag i.S.d. § 433 BGB oder
um einen Kaufvertrag i.S.d. §§ 453 i.V.m. 433 BGB handelt. Festzustellen ist jedenfalls, dass die insolvenzrechtlichen Spezialregelungen auf offene Stromlieferungsverträge nicht anzuwenden sind.
{3} Schlussfolgerung hinsichtlich der insolvenzrechtlichen Behandlung / der Frage
der Geschäftseinstellung i.S.d. § 36 II 4 EnWG
{a} Insolvenzrechtliche Behandlung
Da es sich bei den offenen Lieferverträgen um synallagmatische Verträge handelt
und diese in dem hier untersuchten Fall von keiner Seite vollständig erfüllt sind, ist
die Anwendbarkeit des § 103 InsO zu bejahen.
{b} Bedeutung hinsichtlich der Frage der Geschäftseinstellung i.S.d. § 36 II 4
EnWG
Angesichts des Eingreifens des § 103 InsO bewirkt die Insolvenzeröffnung, dass die
im offenen Vertrag geregelten Erfüllungsansprüche undurchsetzbar werden. Aufgrund der Tatsache, dass der Grundversorger in dem hier untersuchten Fall als Subbilanzkreis bzw. Aggregator auftritt und dementsprechend die gem. § 20 I a 5
EnWG für den Netzzugang erforderliche Einbeziehung in das Bilanzkreissystem
über den offenen Stromlieferungsvertrag geregelt hat, könnte die insolvenzbedingte
Undurchsetzbarkeit des aus dem offenen Stromliefervertrag resultierenden Belieferungsanspruchs des Grundversorgers dazu führen, dass die Voraussetzung für seinen
Netzzugang wegfällt und er somit belieferungsunfähig wird. Die Beantwortung der
705 Büdenbender, Energierecht, Rn. 824; Palandt-Heinrichs/Ellenberger, BGB, § 90 Rn. 1.
706 Reinholz, RdE 1999, 64, 69; Briche, Elektrizitätswirtschaft, S. 77.
160
Frage, ob die durch die Insolvenzeröffnung ausgelöste Undurchsetzbarkeit des offenen Stromlieferungsvertrages zum Wegfall des Netzzuganges des Grundversorgers
und somit zu dessen Belieferungsunfähigkeit führt, ist insofern problematisch, als
die Undurchsetzbarkeit durch die Erfüllungswahl seitens des Insolvenzverwalters
gem. § 103 I InsO überwunden werden kann707. Dabei kann der Vertragspartner des
Grundversorgers den Insolvenzverwalter gem. § 103 II 2 InsO zur unverzüglichen
Ausübung seines Wahlrechts auffordern. Allerdings würde zwischen der Insolvenzeröffnung und der tatsächlichen Ausübung des Wahlrechts durch den Insolvenzverwalters stets eine Zeitspanne vorliegen, in welcher der Grundversorger kein durchsetzbares Recht auf eine Belieferung durch seinen Vertragspartner hätte. Die Frage,
ob der in dieser Zeitspanne vorliegende Schwebezustand des offenen Stromliefervertrages eine Belieferungsunfähigkeit des Grundversorgers zu bewirken vermag,
kann jedoch im Rahmen der an dieser Stelle interessierenden Frage, ob allein die
Auswirkung der Insolvenzeröffnung auf den offenen Stromlieferungsvertrag eine
Geschäftseinstellung des Grundversorgers i.S.d. § 36 II 4 EnWG bewirkt, dahinstehen. Selbst wenn eine Belieferungsunfähigkeit eintreten würde, hätte der Insolvenzverwalter des Grundversorgers nämlich – wie auch bei der aufgrund der Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf den Bilanzkreisvertrag ausgelösten Belieferungsunfähigkeit – die Möglichkeit, die Belieferungsfähigkeit rückwirkend
wiederherzustellen. So könnte er sein Erfüllungswahlrecht nach § 103 I InsO derart
ausüben, dass er die Erfüllung des offenen Lieferungsvertrages mit Rückwirkung
zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Grundversorgers
verlangt. Des weiteren könnte er die Erfüllung des bestehenden offenen Stromlieferungsvertrages ablehnen und die Einbeziehung in das Bilanzkreissystem anderweitig
regeln, indem er innerhalb einer angemessenen Zeit rückwirkend einen neuen seinen
Bilanzausgleich regelnden Vertrag abschließt.
Somit ist jedenfalls festzustellen, dass das bloße Ereignis der Insolvenzeröffnung
keine automatische Einstellung der Geschäftstätigkeit des Grundversorgers i.S.d. §
36 II 4 EnWG bewirkt.
(dd) Zusammenfassung: Bedeutung der Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf
die für den Netzzugang konstitutiven Schuldverhältnisse hinsichtlich der Frage
der Geschäftseinstellung i.S.d. § 36 II 4 EnWG
Im Ergebnis ist festzustellen, dass die Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf die
für den Netzzugang des Grundversorgers unabdingbaren Schuldverhältnisse nicht zu
einer automatisch mit Insolvenzeröffnung eintretenden Geschäftseinstellung des
Grundversorgers i.S.d. § 36 II 4 EnWG führen.
707 Vgl. S. 100.
161
(b) Bedarfsdeckungsverträge
Wie bereits angesprochen708, schließen die Lieferanten in der Regel selbst Bedarfsdeckungsverträge ab, um die Stromentnahmen ihrer Kunden durch entsprechende
Einspeisungen ausgleichen zu können. Unter Bedarfsdeckungsverträge fallen Stromlieferungsverträge mit Vorlieferanten und/oder die zur Einspeisung des selbst erzeugten Stroms notwendigen Verträge (Netznutzungsverträge zur Einspeisung (sog.
Einspeiseverträge), Netzanschlussverträge sowie Anschlussnutzungsverträge).
Fraglich ist, ob die Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf die Bedarfsdeckungsverträge eine automatische Einstellung der Geschäftstätigkeit des Grundversorgers i.S.d. § 36 II 4 EnWG herbeizuführen vermögen. Dies wäre nur zu bejahen,
wenn das Bestehen von Bedarfsdeckungsverträgen für die Wahrnehmung der Belieferungstätigkeit konstitutiv wäre, so dass die Auswirkungen der Insolvenzeröffnung
auf Bedarfsdeckungsverträge grundsätzlich zu einer Belieferungsunfähigkeit des
Grundversorgers führen würden. Zur Beantwortung der Frage nach der Konstitutivität der Bedarfsdeckungsverträge für die Wahrnehmung der Belieferungstätigkeit ist
zu untersuchen, ob der Grundversorger bei Wegfall sämtlicher Bedarfsdeckungsverträge seine Belieferungsfähigkeit behalten oder diese verlieren würde. Dementsprechend ist zunächst von einer bestehenden Belieferungsfähikeit des Grundversorgers
auszugehen.
Da das Fehlen eines Bilanzkreisvertrages bzw. offenen Liefervertrages, wie gezeigt709, zu einer Belieferungsunfähigkeit des Grundversorgers führt, ist für die an
dieser Stelle interessierende Frage daher davon auszugehen, dass der Insolvenzverwalter des Grundversorgers – entsprechend den obigen Ausführungen – für dessen
rückwirkende Einbeziehung in das Bilanzkreissystem gesorgt hat. Insofern ist zu
untersuchen, ob die Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf die Bedarfsdeckungsverträge des Grundversorgers trotz eines sichergestellten Bilanzausgleichs
des Grundversorgers eine irreparable Belieferungsunfähigkeit des Grundversorgers
zu bewirken vermögen, so dass denkbar wäre, dass mit Insolvenzeröffnung automatisch eine Geschäftseinstellung i.S.d. § 36 II 4 EnWG einhergehen könnte.
Dies ist jedenfalls für den Fall zu verneinen, in welchem der Insolvenzverwalter
des Grundversorgers den für die Kundenbelieferung erforderlichen Bilanzausgleich
i.S.d. § 20 I a 5 EnWG durch einen offenen Stromlieferungsvertrag geregelt hat.
Denn für einen offenen Stromlieferungsvertrag ist es gerade kennzeichnend, dass der
Stromlieferant den jeweils entstehenden Bedarf des Kunden decken muss.710 Selbst
wenn sämtliche Verträge, die der Grundversorger neben dem offenen Stromliefervertrag zum Zwecke des Strombezuges oder der eigenen Stromeinspeisung abgeschlossen hat, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlöschen sollten, wäre
daher eine Belieferungsfähigkeit des Grundversorgers weiterhin gegeben, so dass
708 Vgl. S. 95; 101.
709 Vgl. S. 135.
710 Vgl. dazu: S. 148.
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eine mit Insolvenzeröffnung automatisch einhergehende Einstellung der Geschäftstätigkeit i.S.d. § 36 II 4 EnWG zu verneinen wäre.
Fraglich ist, ob die Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf Bedarfsdeckungsverträge eines Grundversorgers in dem Fall zu einer automatisch erfolgenden Einstellung seiner Geschäftstätigkeit i.S.d. § 36 II 4 EnWG zu führen vermögen, in
welchem der Bilanzausgleich des Grundversorgers durch einen Bilanzkreisvertrag
geregelt wurde. In diesem Fall ist der Grundversorger gegenüber dem ÜNB zur
Gewährleistung einer möglichst ausgeglichenen Bilanz zwischen Einspeisungen und
Ausspeisungen seines Bilanzkreises verpflichtet. Die Erfüllung dieser Verpflichtung
wäre dem Grundversorger jedoch – zumindest kurzfristig – nicht möglich, wenn
sämtliche Verträge, die er zum Zwecke der Bedarfsdeckung abgeschlossen hat, mit
Insolvenzeröffnung erlöschen würden. Allerdings ist zu beachten, dass bei einem
bestehenden Bilanzkreisvertrag die Bilanzabweichungen eines Bilanzkreises durch
den ÜNB auszugleichen sind, wobei die vom ÜNB zur Verfügung gestellte Energie
dem Grundversorger im Nachhinein in Rechnung gestellt wird. Zwar werden in den
Bilanzkreisverträgen üblicherweise Toleranzgrenzen hinsichtlich der vom ÜNB
hinzunehmenden Bilanzabweichungen eines Bilanzkreises definiert, wobei eine
schuldhafte Überschreitung dieser Toleranzgrenzen durch den Bilanzkreisverantwortlichen, je nach vertraglicher Ausgestaltung, Sanktionen nach sich ziehen kann,
die bis zu einer Kündigung des Bilanzkreisvertrages reichen711, die bloße Überschreitung dieser Grenzen führt jedoch nicht dazu, dass der ÜNB den Bilanzausgleich nicht mehr sicherstellt. Insoweit wäre der ÜNB selbst dann zum Bilanzausgleich verpflichtet, wenn sämtliche vom Grundversorger abgeschlossenen Strombezugsverträge bzw. Verträge zur Stromeinspeisung durch die Insolvenzeröffnung
erlöschen würden. Dabei würden die Kunden des Grundversorgers weiterhin als von
diesem beliefert gelten. Solange der Bilanzkreisvertrag zwischen dem Grundversorger und dem ÜNB fortbesteht, ist das Vorliegen der Bedarfsdeckungsverträge für die
Belieferungsfähigkeit eines Grundversorgers also nicht konstitutiv.
Erst wenn der Bilanzkreisvertrag aufgrund der fehlenden Einspeisungen seitens
des Grundversorgers gekündigt würde, wäre aufgrund der damit einhergehenden
Lieferunfähigkeit des Grundversorgers im Ergebnis eine Einstellung seiner Geschäftstätigkeit gem. § 36 II 4 EnWG denkbar. Insofern müsste sich der Insolvenzverwalter, sollte er die Haushaltskundenbelieferung fortsetzen wollen, möglichst
schnell nach der Insolvenzeröffnung darum kümmern, die zum Ausgleich der Kundenentnahmen erforderlichen Bedarfsdeckungsverträge – sofern diese nicht ohnehin
fortbestehen – neu abzuschließen bzw. deren Erfüllung zu verlangen. Dabei wird der
Abschluss von Stromlieferungsverträgen angesichts des herrschenden Wettbewerbs
auf der Vertriebsebene keine Schwierigkeiten bereiten.
711 von der Wense, in: Germer/Loibl, Energierecht, S. 283 Rn. 104.
163
Ergebnis
Im Ergebnis ist also festzustellen, dass die Bedarfsdeckungsverträge – mit Ausnahme des offenen Stromlieferungsvertrages, durch welchen der Lieferant nicht nur
seine Bedarfsdeckung, sondern zugleich auch seinen Bilanzausgleich regelt – für die
Wahrnehmung der Belieferungstätigkeit durch einen Lieferanten nicht konstitutiv
sind. Somit vermögen die Auswirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf
jene Verträge nicht zu einer automatisch mit Insolvenzeröffnung einhergehenden
Geschäftseinstellung i.S.d. § 36 II 4 EnWG zu führen.
dd) Ergebnis hinsichtlich der Einstellung der Geschäftstätigkeit aufgrund der Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf die Belieferungsfähigkeit des Grundversorgers
Als konstitutiv für die Fähigkeit eines Grundversorgers zur Belieferung der grundund ersatzversorgten Kunden hat sich das Bestehen eines gesetzlichen Netzzugangsschuldverhältnisses i.S.d. § 20 I 1 EnWG sowie eines Bilanzkreisvertrages oder
eines offenen Stromliefervertrages erwiesen. Dabei wirkt sich die Insolvenzeröffnung auf diese Schuldverhältnisse nicht derart aus, dass mit dem Ereignis der Insolvenzeröffnung eine irreparable Belieferungsunfähigkeit und damit automatisch eine
Geschäftseinstellung des Grundversorgers i.S.d. § 36 II 4 EnWG einhergeht.
3. Zusammenfassung hinsichtlich des insolvenzrechtlichen Bezugs des § 36 II
EnWG
Folglich ist festzuhalten, dass weder die Regelung des § 36 II 2 EnWG noch die des
§ 36 II 4 EnWG einen Bezug zur Insolvenzeröffnung aufweisen. Eine Ausnahme
von dem allgemeinen Grundsatz, nach welchem gesetzliche Pflichten auch nach der
Insolvenzeröffnung fortbestehen, ist hinsichtlich der Grundversorgungs- und Ersatzversorgungspflicht also zu verneinen.
D. Zusammenfassung zur rechtlichen Relevanz der Frage nach der Vereinbarkeit
von Versorgungssicherheit und bestmöglicher Gläubigerbefriedigung
Die Untersuchung hat ergeben, dass die rechtliche Relevanz der Frage nach der
Vereinbarkeit des durch die §§ 36, 38 EnWG verfolgten Ziels der Versorgungssicherheit und des durch die InsO verfolgten Ziels der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung im Ergebnis zu bejahen ist. So wurde festgestellt, dass die als GmbH
bzw. AG organisierten Grundversorger insolvenzfähig sind. Ferner wurde gezeigt,
dass etwaige in Einzelfällen bestehende Insolvenzabwendungspflichten gegenüber