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Kapitel 3 - Rechtliche Relevanz der Frage nach der Vereinbarkeit von
Versorgungssicherheit und bestmöglicher Gläubigerbefriedigung
A. Vorüberlegung
Die Frage nach der Vereinbarkeit des durch §§ 36, 38 EnWG verfolgten Ziels der
Versorgungssicherheit und des durch die InsO verfolgten Ziels der bestmöglichen
Gläubigerbefriedigung würde sich nicht stellen, wenn die Insolvenzeröffnung über
das Vermögen eines Grundversorgers nicht möglich wäre. Einer Insolvenzeröffnung
könnte grundsätzlich eine Insolvenzunfähigkeit des Grundversorgers entgegenstehen
bzw. eine gegenüber diesem bestehende Insolvenzabwendungspflicht. Ebenso würde
sich die Erörterung der Frage nach der Vereinbarkeit von Versorgungssicherheit und
der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung erübrigen, wenn die Grundversorgerstellung mit der Insolvenzeröffnung stets fortfiele. Diese Fragen werden im Folgenden
untersucht.
B. Insolvenzfähigkeit und Insolvenzabwendungspflicht
Wirtschaftlich kommt die Erfüllung der Insolvenzabwendungspflicht seitens des
hierzu Verpflichteten der Insolvenzunfähigkeit dieser Unternehmen gleich.308 Trotz
ähnlicher Wirkung handelt es sich dabei jedoch um unterschiedliche rechtliche Konstrukte, so dass die Frage der Insolvenzfähigkeit eines Unternehmens grundsätzlich
von der Frage, inwieweit diesem gegenüber eine Insolvenzabwendungspflicht besteht, zu unterscheiden ist.309 Bei der Insolvenzfähigkeit handelt es sich um die Fähigkeit, Schuldner eines Insolvenzverfahrens sein zu können.310 Insoweit treffen die
Regelungen in Bezug auf die Insolvenzfähigkeit eine Aussage darüber, ob die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das schuldnerische Vermögen verfahrenstechnisch möglich ist.311 Anders hingegen ist die Insolvenzabwendungspflicht konzipiert, welche schon im Vorfeld eines möglichen Insolvenzverfahrens ein Tätigwerden der zur Insolvenzabwendung Verpflichteten verlangt, um die Insolvenz der
308 Vgl. Gundlach, LKV 2000, 58, 59.
309 Vgl. MüKo-Ott/Vuia, InsO, § 12 Rn. 20; Röger, Insolvenz, S. 120; insoweit unzutreffend:
Lehmann, Konkursfähigkeit, S. 140, der aufgrund einer aus verfassungsrechtlichen Vorschriften gefolgerten Anstaltslast für eine Einrichtung eine Insolvenzunfähigkeit dieser Einrichtung
bejaht.
310 Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 11 Rn. 5; Jaeger-Ehricke, InsO, § 11 Rn. 1; Jauernig/Berger,
Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, § 40 II Rn. 2.
311 Kemmler, DVBl 2003, 100, 105.
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jeweiligen Unternehmen zu verhindern.312 Dementsprechend wird im Folgenden die
Frage der Insolvenzfähigkeit von Grundversorgern unabhängig von den denkbaren
Insolvenzabwendungspflichten diesen gegenüber behandelt.
I. Insolvenzfähigkeit
Die Insolvenzfähigkeit ist die Fähigkeit, Schuldner eines Insolvenzverfahrens sein
zu können.313 Dabei ist allgemein anerkannt, dass sich die Insolvenzunfähigkeit aus
Gesetz oder Verfassungsrecht ergeben kann.314 Insofern ist zu untersuchen, ob insolvenzrechtliche Vorschriften bzw. das GG eine Insolvenzunfähigkeit der hier
untersuchten, als GmbH bzw. AG organisierten Grundversorger normieren.
1. Insolvenzrechtliche Vorschriften
a) Grundsatz
Gem. § 11 InsO kann ein Insolvenzverfahren grundsätzlich über das Vermögen jeder
natürlichen und juristischen Person eröffnet werden (§ 11 I 1 InsO). Daraus ergibt
sich, dass die Statthaftigkeit des Insolvenzverfahrens die Regel, der Ausschluss
dagegen die Ausnahme sein soll.315 Energielieferanten, die als AG bzw. GmbH
organisiert sind, sind gem. §§ 1 I 1 AktG bzw. 13 I GmbHG Kapitalgesellschaften
mit eigener Rechtspersönlichkeit, also juristische Personen des Privatrechts und
damit grundsätzlich insolvenzfähig.
b) Ausnahme
§ 12 InsO stellt eine Ausnahmevorschrift zu dem in § 11 I InsO normierten Grundsatz der Insolvenzfähigkeit aller natürlichen und juristischen Personen dar. In § 12 I
Nr. 1 InsO wird die Insolvenzunfähigkeit des Bundes und der Länder normiert. In §
12 I Nr. 2 InsO verweist das Bundesrecht hinsichtlich der Insolvenzfähigkeit jener
juristischer Personen des öffentlichen Rechts, die unter Landesaufsicht stehen, auf
das Landesrecht. Dabei trifft § 12 I Nr. 2 InsO keine Unterscheidung zwischen unterstaatlichen Gebietskörperschaften einerseits und Körperschaften, Anstalten und
312 Röger, Insolvenz, S. 120; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 318 ff.; Erbguth/Stollmann, DÖV 1993, 798, 804.
313 Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 11 Rn. 5; Jaeger-Ehricke, InsO, § 11 Rn. 1; Jauernig/Berger,
Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, § 40 II Rn. 2.
314 BVerfGE 66, 1, 19; Kuhl/Wagner, ZIP 1995, 433, 435; Röger, Insolvenz, S. 86; Gundlach,
DÖV 1999, 815, 817.
315 Röger, Insolvenz, S. 77.
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Stiftungen des öffentlichen Rechts andererseits. Auch die letztgenannten sind juristische Personen des öffentlichen Rechts und unterstehen der Aufsicht des Landes,
wenn sie nicht der Aufsicht des Bundes unterliegen.316 Alle Bundesländer haben die
Insolvenzunfähigkeit der Gemeinden ausdrücklich normiert317, auch hinsichtlich der
Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts haben die Bundesländer – bis auf einige Ausnahmen – von ihrer Befugnis, deren Insolvenzunfähigkeit
zu normieren, Gebrauch gemacht.318 Da es sich bei den als GmbH bzw. AG organisierten Grundversorgern, die den Gegenstand dieser Untersuchung bilden, nicht um
juristische Personen des öffentlichen Rechts handelt, greift der Ausnahmetatbestand
des § 12 InsO nicht ein.
c) Ergebnis
Aus den insolvenzrechtlichen Vorschriften ergibt sich keine Insolvenzunfähigkeit
der hier untersuchten Energielieferanten.
2. Verfassungsrecht
Die Insolvenzunfähigkeit kann anerkanntermaßen auch aus der Verfassung folgen.319 Dementsprechend wird die Insolvenzunfähigkeit bestimmter juristischer
Personen des öffentlichen Rechts aus dem Grundgesetz hergeleitet.
Dies gilt für die als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannten Kirchen
und kirchlicher Organisationen, deren Insolvenzunfähigkeit mit Art. 4 I GG i.V.m.
Art 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV begründet wird.320 Für die Insolvenzunfähigkeit
der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wird das Grundrecht aus Art. 5 I 2 GG
geltend gemacht.321 Ferner wird vertreten, dass sich die Insolvenzunfähigkeit von
Gemeinden bereits aus Art. 28 II GG ergebe und nicht etwa aus den landesrechtlichen Vorschriften.322 Die Insolvenzunfähigkeit dieser Institutionen ist zu bejahen, da
316 Jaeger-Ehricke, InsO, § 12 Rn. 19; Röger, Insolvenz, S. 80.
317 Löwer, Risikoabsicherung, S. 20.
318 Vgl. die Nachweise in: MüKo-Ott/Vuia, InsO, § 12 Rn. 23; Jaeger-Ehricke, InsO, § 12 Rn. 20
ff.
319 BVerfGE 66, 1, 19; Jaeger-Ehricke, InsO, § 12 Rn. 37; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.
30.05; Kuhl/Wagner, ZIP 1995, 433, 435; Röger, Insolvenz, S. 86; Gundlach, DÖV 1999,
815, 817.
320 BVerfGE 66, 1, 18 ff.; Gundlach/Frenzel/Schmidt, NZI 2000, 561, 566; Lehmann, Konkursfähigkeit, S. 110; Parmentier, DVBl 2002, 1378, 1382; a.A.: Engelsing, Zahlungsunfähigkeit,
S. 160.
321 BVerfGE 89, 144, 153 f.; Kempen, DÖV 1988, 547, 552; Gundlach/Frenzel/Schmidt, NZI
2000, 561, 567; a.A.: Lehmann, Konkursfähigkeit, S. 142 f.; Stoll, KTS 1992, 521, 537;
Sachs-Bethge, GG, Art. 5 Rn. 105.
322 Lehmann, Konkursfähigkeit, S. 173, Röger, Insolvenz, S. 115 f.
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die Anwendung insolvenzrechtlicher Vorschriften, insbesondere der Übergang der
Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter gem. § 80 I InsO,
der sich aus den betreffenden Grundrechten ergebenden Selbstverwaltungsgarantie
dieser Institutionen entgegenstünde.323 Selbst der teilweise Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter ist bei Insolvenz von
Gemeinden nicht hinzunehmen, da deren Aufgaben durch demokratisch legitimierte
Organe wahrgenommen werden sollen324, bei Kirchen würde ein solcher Übergang
dem Selbstverständnis der Kirchen entgegenstehen und zu schwerwiegenden Störungen in deren Wirkungsbereich führen325 und bei Rundfunkanstalten wäre dadurch
die Programmfreiheit beeinträchtigt326.
Fraglich ist, ob sich die Insolvenzunfähigkeit von als juristische Personen des
Privatrechts organisierten Grundversorgern ebenfalls aus der Verfassung ergeben
könnte. Dabei kann die Frage, ob bereits die privatrechtliche Organisationsform der
hier untersuchten Grundversorger gegen die Möglichkeit einer aus dem Verfassungsrecht folgenden Insolvenzunfähigkeit spricht, offen bleiben327, wenn sich aus
der Verfassung ohnehin keine Insolvenzunfähigkeit ergibt. Als Anknüpfungspunkt
für eine etwaige aus der Verfassung folgende Insolvenzunfähigkeit von Grundversorgern kommt lediglich Art. 20 I GG in Betracht.
Wie bereits erörtert328, ergibt sich aus dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 I GG
nach allgemeiner Meinung die Gewährleistungspflicht des Staates hinsichtlich einer
sicheren Energieversorgung, die ein Element der Daseinsvorsorge darstellt.329 Dabei
ist zu beachten, dass Art. 20 I GG einen verfassungsrechtlichen Bestandsschutz von
Einrichtungen, die der Daseinsvorsorge dienen, beinhaltet.330 Da Grundversorger
durch die Wahrnehmung der Energiebelieferungsaufgabe eine der Daseinsvorsorge
dienende Institution darstellen und ein Insolvenzverfahren grundsätzlich zum Erlöschen der juristischen Personen führen kann, könnte sich aus dem Bestandsschutz
des Art. 20 I GG die Insolvenzunfähigkeit der als GmbH bzw. AG organisierten
Grundversorger ergeben. Allerdings ist zu beachten, dass es sich bei dem aus dem
Art. 20 I GG folgenden Bestandsschutz lediglich um eine institutionelle Garantie
handelt.331 Diese aus dem Sozialstaatsprinzip folgende institutionelle Garantie ist
von der individuellen Garantie konkreter Einrichtungen im Sinne einer „Status-quo-
323 BVerfGE 66, 1, 19 in Bezug auf Kirchen; BVerfGE 89, 144, 152 in Bezug auf Rundfunkanstalten; Achterberg, Verwaltungsrecht-AT, § 6 Rn. 39 in Bezug auf Gemeinden.
324 Lehmann, Konkursfähigkeit, S. 173.
325 BVerfGE 66, 1, 24; Jaeger-Ehricke, InsO, § 12 Rn. 38.
326 BVerfGE 89, 144, 153 f.; Gundlach/Frenzel/Schmidt, NZI 2000, 561, 567.
327 Die Frage, ob die aus der Verfassung folgende Insolvenzunfähigkeit der kirchlichen Körperschaften des öffentlichen Rechts auch für kirchliche Einrichtungen in der Rechtsform des Privatrechts gilt, wurde vom BVerfG ausdrücklich offen gelassen (BVerfGE 66, 1, 25).
328 Vgl. S. 65.
329 Rüfner, in: Isensee/Kirchhof, HStR III, § 80, Rn. 1-5; Wesener, Energieversorgung, S. 134;
Ruge, Gewährleistungsverantwortung, S. 221.
330 Alfuß, Staatliche Haftungsbeschränkung, S. 103 f; Röger, Insolvenz, S. 189.
331 Stern/Burmeister, Die kommunalen Sparkassen, S. 97 ff.; Kemmler, Anstaltslast, S. 72 f.
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Garantie“ zu unterscheiden.332 Die institutionelle Garantie bedeutet nicht den Bestandsschutz der einzelnen Einrichtung, sondern erfordert lediglich, dass es die Institution an sich immer geben muss. Die Notwendigkeit des Bestandes einer bestimmten Einrichtung lässt sich daraus also nicht folgern.333 Da die Aufgabe der Energielieferung in der Regel auch von anderen Lieferanten wahrgenommen werden kann,
würde die insolvenzbedingte Beendigung der Existenz einzelner Grundversorger
nicht gegen Art. 20 I GG verstoßen.
Ferner ergibt sich aus Art. 20 I GG keine Selbstverwaltungsgarantie der EVU.
Die EVU nehmen eine Tätigkeit wahr, die - anders als dies bei Kirchen, Rundfunk
und Gemeinden der Fall ist - kein besonderes Selbstverständnis erfordert bzw. aufweist, so dass das Bedürfnis der EVU, von jeglicher staatlichen Einflussnahme frei
zu bleiben, zu verneinen ist. Im Gegenteil, aus dem Sozialstaatsprinzip folgt auch
eine allgemeine Überwachungs- und Vorsorgeverantwortung des Staates, die dem
Ziel der Versorgungssicherheit dient.334 Somit ergibt sich aus dem Verfassungsrecht
keine Insolvenzunfähigkeit der Grundversorger.
3. Ergebnis
Weder aus gesetzlichen noch aus verfassungsrechtlichen Regelungen ergibt sich eine
Insolvenzunfähigkeit von Energielieferanten, die als juristische Personen des Privatrechts organisiert sind. Damit ist die Insolvenzfähigkeit der als GmbH oder AG
organisierten Grundversorger grundsätzlich zu bejahen.
4. Ausnahme: Insolvenzunfähigkeit kommunaler Eigengesellschaften
Ausgehend von der Theorie, dass sich die Insolvenzunfähigkeit nicht nur aus Gesetz
und Verfassungsrecht, sondern auch aus allgemeinen Erwägungen ergeben kann335
wird in der Literatur teilweise die Möglichkeit bedacht, dass die Insolvenzfähigkeit
von kommunalen Eigengesellschaften, bei welchen es sich um juristische Personen
des Privatrechts handelt, deren Alleingesellschafter die Kommunen sind, aufgrund
der Gesellschafterstellung der öffentlichen Hand ausgeschlossen sein könne.336 Da-
332 Röger, Insolvenz, S. 197.
333 Röger, Insolvenz, S. 196.
334 Ruge, Gewährleistungsverantwortung, S. 223.
335 Baumann, Konkurs und Vergleich, § 9 I 1 c, S. 79; Jauernig/Berger, Zwangsvollstreckungsund Insolvenzrecht, § 40 I, S. 171; Lehmann, Konkursfähigkeit, S. 24 f; Bethge, Staatshaftung, S. 79; Gundlach, DÖV 1999, 815, 817.
336 Vgl. Kuhl/Wagner, ZIP 1995, 433, 434 f.; Röger, Insolvenz, S. 76; Löwer, Risikoabsicherung,
S. 73.
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bei wird erwogen, dass die Insolvenzunfähigkeit der kommunalen Eigengesellschaften aus der Insolvenzunfähigkeit ihrer Träger folgen könnte.337
Im Ergebnis wird eine aus der Gesellschafterstellung der öffentlichen Hand folgende Insolvenzunfähigkeit kommunaler Eigengesellschaften allerdings allgemein
verneint.338 Denn die Gründe, die für die Insolvenzunfähigkeit der Gemeinden sprechen339, lassen sich auf kommunale Unternehmen nicht übertragen.340 Ferner sind
selbst juristische Personen des öffentlichen Rechts – mit Ausnahme des Bundes
sowie der Länder341 – nach der InsO grundsätzlich insolvenzfähig.342 Dies ergibt
sich aus § 11 InsO, der nicht zwischen juristischen Personen des Privatrechts und
öffentlichen Rechts unterscheidet. Daneben finden sich auch andere Gesetzesvorschriften, die als Ausnahmeregelungen von der grundsätzlichen Insolvenzfähigkeit
der juristischen Personen des öffentlichen Rechts ausgehen (z.B.: §§ 17 II BetrAVG
betreffend Beitragspflichten zur Insolvenzsicherung und § 359 II SGB III betreffend
Aufbringung des Insolvenzgeldes). Da die bloße öffentlich-rechtliche Trägerschaft
gegenüber der Organisation eines Unternehmens in einer der öffentlich-rechtlichen
Formen nur ein schwächer ausgeprägtes Näheverhältnis zur Gebietskörperschaft
herstellt, ist davon auszugehen, dass die Eigengesellschaften erst recht insolvenzfähig sind.343
Zwar ließe sich für die Insolvenzunfähigkeit der Eigengesellschaft die funktionelle Äquivalenz von öffentlichrechtlich organisierten Unternehmen und Eigengesellschaften aufführen und die analoge Anwendung der landesrechtlichen Regelungen,
die zur Funktionsgewährleistung der öffentlichen Verwaltung die Insolvenzunfähigkeit der juristischen Personen des öffentlichen Rechts normieren, auch auf juristische Personen des Privatrechts in öffentlicher Trägerschaft befürworten.344 Allerdings scheidet eine analoge Anwendung dieser gesetzlichen Vorschriften auf juristische Personen des Privatrechts in öffentlicher Trägerschaft mangels einer
Regelungslücke aus. Da die Ermächtigung an den Landesgesetzgeber (§ 12 I Nr. 2
337 Röger, Insolvenz, S. 76; Parmentier, DVBl 2002, 1378, 1382; Buchmann, Kommunale EVU,
Kapitel IV, 2 b. bb.
338 Missverständlich noch Gern, Kommunalrecht, (2. Aufl.), Rn. 717: Die Gesamtvollstreckung
sei bei Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie bei Rechtssubjekten des Privatrechts, auf welche die Kommune beherrschenden Einfluss hat, ausgeschlossen. Nun wird dies klargestellt, indem für diese Institutionen aus Gründen des Gläubigerschutzes eine Nachschusspflicht der tragenden Körperschaft zur Wiederherstellung der Liquidität vertreten wird. (Gern, Kommunalrecht, Rn. 717).
339 Vgl. S. 81.
340 Vgl. auch: Buchmann, Kommunale EVU, Kapitel IV, 2 b. bb.; Parmentier, DVBl 2002, 1378,
1382.
341 Die Insolvenzfähigkeit des Bundes und der Länder folgt nicht etwa aus § 12 I Nr. 1 InsO,
sondern aus allgemeinen Erwägungen. Vgl. dazu: Röger, Insolvenz, S. 108 ff., 116.
342 BVerfGE 60, 135, 137; 65, 359, 362; MüKo-Ott/Vuia, InsO, § 11 Rn. 12; Uhlenbruck-Hirte,
InsO, § 11 Rn. 34.
343 BVerfGE, NJW 1994, 1465, 1466; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 321; Püttner,
Die öffentlichen Unternehmen, S. 186 f.; Kuhl/Wagner, ZIP 1995, 433, 432f.; Parmentier,
DVBl 2002, 1378, 1382.
344 Vgl. Löwer, Risikoabsicherung, S. 73, Fn. 288.
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InsO) nur juristische Personen des öffentlichen Rechts erfasst345, dürfte der Landesgesetzgeber die Insolvenzfähigkeit der Eigengesellschaften in Privatrechtsform,
selbst wenn er wollte, nicht entgegen der gesellschaftsrechtlichen Ordnung ausschließen.346 Eine ungeplante Regelungslücke ist daher zu verneinen.
5. Ergebnis
Energielieferanten, die als juristische Personen des Privatrechts organisiert sind, sind
– unabhängig von ihrer Trägerschaft – insolvenzfähig. Insoweit ist die rechtliche
Relevanz der Frage nach der Vereinbarkeit des durch §§ 36, 38 EnWG verfolgten
Ziels der Versorgungssicherheit und des durch die InsO verfolgten Ziels der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung zu bejahen.
II. Insolvenzabwendungspflicht
Wie bereits erörtert347, verlangt eine Insolvenzabwendungspflicht schon im Vorfeld
eines möglichen Insolvenzverfahrens ein Tätigwerden der zur Insolvenzabwendung
Verpflichteten, um die Insolvenz der jeweiligen Unternehmen zu verhindern.348 In
der Literatur wird insbesondere eine Insolvenzabwendungspflicht der öffentlichen
Hand hinsichtlich der sich in ihrer Alleinträgerschaft befindlichen Unternehmen
diskutiert.349 Ferner ergibt sich aus § 302 AktG im Hinblick auf Konzerne eine Verlustausgleichspflicht der beherrschenden Unternehmen gegenüber den abhängigen,
welche ein Insolvenzverfahren des abhängigen Unternehmens in der Regel ausschließt.350 Neben diesen Fallgruppen kommt eine generelle Insolvenzabwendungspflicht des Staates gegenüber Grundversorgern in Betracht. Im Folgenden werden
die grundsätzlich in Betracht kommenden Insolvenzabwendungspflichten gegenüber
den im Rahmen dieser Arbeit untersuchten Grundversorgern näher erörtert. Dabei
wird die Frage zu beantworten sein, inwieweit etwaige Insolvenzabwendungspflichten eine Insolvenzeröffnung über das Vermögen eines Grundversorgers zu verhindern vermögen und somit dazu führen könnten, dass sich die Frage nach der Vereinbarkeit der durch §§ 36, 38 EnWG verfolgten Ziels der Versorgungssicherheit und
des durch die InsO verfolgten Ziels der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung nicht
stellt.
345 Löwer, Risikoabsicherung, S. 74.
346 Gundlach/Frenzel/Schmidt, NZI 00, 561, 568; Löwer, Risikoabsicherung, S. 74.
347 Vgl. S. 79.
348 Röger, Insolvenz, S. 120; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 318 ff.; Erbguth/Stollmann, DÖV 1993, 798, 804.
349 MüKo-Ott/Vuia, InsO, § 12 Rn. 20; Röger, Insolvenz, S. 120; Buchmann, Kommunale EVU,
Kapitel 5, 2 b.
350 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 32.10.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Nach der Liberalisierung des Energiemarktes müssen sich die auf der Vertriebsebene tätigen Energieversorgungsunternehmen dem Wettbewerb mit anderen Lieferanten stellen, womit die Wahrscheinlichkeit der Insolvenz dieser Unternehmen steigt.
Die Autorin widmet sich der Untersuchung der mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen eines Grundversorgers zusammenhängenden rechtlichen Fragen. Ausgehend von den veränderten Rahmenbedingungen wird zunächst die Reichweite der den Grundversorger gem. §§ 36, 38 EnWG treffenden Grund- und Ersatzversorgungspflichten erörtert. Einen Kernpunkt der Untersuchung bildet die Frage des Fortbestandes dieser Pflichten auch nach der Insolvenzeröffnung.
Abschließend wird die Vereinbarkeit von Versorgungssicherheit und Gläubigerbefriedigung im Insolvenzverfahren anhand der Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf die Befriedigung der aus §§ 36 (i.V.m. StromGVV), 38 EnWG resultierenden Ansprüche einerseits und der §§ 36, 38 EnWG auf das Ziel der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung andererseits analysiert.