51
tion saisonal bedingt ist und nur in Betracht kommt, wenn zugleich ein Absatz für
den erzeugten Dampf möglich ist.189
Die Regelung des § 37 I 3, 2. Alt. EnWG dient der Priviligierung kleinerer Heizkraftwerke und erneuerbarer Energien. Damit soll ein Beitrag zum Umweltschutz
geleistet werden und dem in § 1 I EnWG normierten allgemeinen Gesetzeszweck
einer möglichst umweltverträglichen Energieversorgung (vgl. § 3 Nr. 33 EnWG)
entsprochen werden.190 Insoweit liegt die politische Zielsetzung des § 37 I 3 EnWG
auf einer Linie mit derjenigen des EEG sowie des KWKG.191 Die ratio des § 37 I 3
EnWG spricht dafür, diese Vorschrift – entgegen der Definition des Begriffs „Eigenanlage“ in § 3 Nr. 13 EnWG – auch dann anzuwenden, wenn es sich bei dem die
Eigenanlage zur Haushaltskundenbelieferung bereitstellenden Unternehmen um ein
EVU handelt.192
Dabei ist der Grundversorgungsanspruch der Kunden, die von der Regelung des §
37 I 3 EnWG erfasst werden, wie auch bei den Haushaltskunden, die der Regelung
des § 36 I 1 unterfallen, bei Vorliegen einer wirtschaftlichen Unzumutbarkeit i.S.d. §
36 I 2 EnWG ausgeschossen. Insoweit greift die Regelung des § 36 I 2 EnWG jedoch nicht bereits bei Vorliegen typischer, mit dem Betrieb jeder Eigenanlage verbundener Abweichungen gegenüber einer Vollversorgung ein. Vielmehr lässt die
grundsätzliche Gleichstellung der von der Regelung des § 37 I 3 EnWG erfassten
Haushaltskunden mit den gem. § 36 I 1 EnWG vollversorgten Haushaltskunden
darauf schließen, dass die „normalen Unterschiede“ von Reserve- bzw. Zusatzversorgung und Vollversorgung im Rahmen des § 36 I 2 EnWG unerheblich sind. Insofern ist davon auszugehen, dass nur bei Vorliegen besonders gelagerter Umstände
im Rahmen des Betriebs einer Eigenanlage die Anwendung des § 36 I 2 EnWG zu
bejahen ist.193
VI. Fortfall der Grundversorgungspflicht
Neben den soeben erwähnten Einschränkungen einer grundsätzlich bestehenden
Grundversorgungspflicht ist die Frage zu erörtern, in welchen Fällen die Grundversorgungspflicht eines Energielieferanten gänzlich erlischt. Dies ist der Regelung des
§ 36 II EnWG zu entnehmen, in welcher normiert ist, wann die Feststellung eines
neuen Grundversorgers zu erfolgen hat. Angesichts der Tatsache, dass jeweils nur
ein Lieferant Grundversorger in einem Netzgebiet der allgemeinen Versorgung sein
kann, hat die Feststellung eines neuen Grundversorgers stets zur Folge, dass der
bisherige Grundversorger seine Grundversorgerstellung verliert, so dass die Pflich-
189 Büdenbender, EnWG, § 10 Rn. 145.
190 Scholz, in: Bartsch/Röhling/Salje/Scholz, Stromwirtschaft, S. 992, Rn. 72; Hempel, in: Ludwig/Odenthal, EnWG, § 10 Rn. 236.
191 Büdenbender, EnWG, § 10 Rn. 146.
192 de Wyl, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 13 Rn. 116.
193 Büdenbender, EnWG, § 10 Rn, 140.
52
ten aus §§ 36 I 1, § 38 EnWG ihm gegenüber erlöschen und auf den neuen Grundversorger übergehen. Gem. § 36 II EnWG kommt ein Erlöschen der Grundversorgungspflicht in zwei Fällen in Betracht, nämlich bei Wechsel des Grundversorgers
aufgrund einer neuen Feststellung (§ 36 II 2 EnWG)194 oder bei Einstellung der
Geschäftstätigkeit durch den Grundversorger (§ 36 II 4 EnWG)195.
1. Neue Feststellung gem. § 36 II 2 EnWG
Ergibt sich bei der alle drei Jahre vom Netzbetreiber der allgemeinen Versorgung
durchzuführenden Feststellung, dass nunmehr ein anderer Energielieferant die meisten Haushaltskunden versorgt (§ 36 II 1, 2 EnWG), wird der bisherige aus seinen
Pflichten nach § 36 I EnWG entlassen.196 Zu einer förmlichen Entscheidung durch
den Netzbetreiber oder durch die Energieaufsichtsbehörde, dass der bisherige
Grundversorger aus seinen Verpflichtungen entlassen wird, kommt es dabei nicht.197
§ 36 III EnWG stellt klar, dass im Falle der Feststellung eines neuen Grundversorgers die von Haushaltskunden mit dem bisherigen Grundversorger auf der Grundlage des § 36 I 1 EnWG geschlossenen Energielieferverträge zu den im Zeitpunkt des
Wechsels geltenden Bedingungen und Preisen fortbestehen.
2. Einstellung der Geschäftstätigkeit gem. § 36 II 4 EnWG
Zum anderen ist ein neuer Grundversorger nach § 36 II 4 EnWG entsprechend den
Regelungen der § 36 II 2, 3 EnWG festzustellen, wenn der bisherige Grundversorger
seine Geschäftstätigkeit einstellt. Dabei erlischt die Grundversorgungspflicht ipso
jure.198 Da insoweit die Fristen des § 36 II 2 EnWG nicht einschlägig sein können,
weil es ansonsten möglicherweise über Monate an einem Grundversorger fehlen
würde, ist § 36 II 4 EnWG so zu verstehen, dass der Netzbetreiber im Falle einer
Geschäftseinstellung durch den Grundversorger unverzüglich eine außerplanmäßige
Neufeststellung vorzunehmen hat.199
194 Vgl. Büdenbender/Rosin, Energietrechtsreform 2005, S. 276.
195 Vgl. Salje, EnWG, § 36 Rn. 36.
196 Büdenbender/Rosin, Energietrechtsreform 2005, S. 276.
197 Büdenbender/Rosin, Energietrechtsreform 2005, S. 277.
198 Salje, EnWG, § 36 Rn. 36.
199 Hempel, in: Hempel/Franke, EnWG, § 36 Rn. 208; Strohe, ET 2006, Heft 9, 62, 63; de Wyl,
in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 13 Rn. 43; Buchmann, Kommunale
EVU, Kapitel V, 2 d. dd. aaa.
53
a) Begriff „Einstellung der Geschäftstätigkeit“
Fraglich ist, was unter „Einstellung der Geschäftstätigkeit“ i.S.d. § 36 II 4 EnWG zu
verstehen ist. Im EnWG findet sich keine Definition dieses Begriffes.
Allerdings wird eine Einstellung der Geschäftstätigkeit in der Rechtssprechung200
und Literatur201 unabhängig davon, in welchem Rechtsgebiet dieser Begriff verwendet wird, allgemein dann angenommen, wenn ein Unternehmen bzw. Betrieb seine
werbende Tätigkeit i.S. einer Teilnahme am Markt einstellt. Dabei ist zu beachten,
dass bei dem Begriff „werbende Tätigkeit“ der manifestierte Wille des Unternehmens, werbend auf dem Markt tätig zu sein, im Vordergrund steht und es weniger
auf die dauerhafte tatsächliche Durchführung der jeweiligen Tätigkeit ankommt.
Dementsprechend ist die tatsächliche Einstellung der Tätigkeit, die ein Unternehmen
auf dem Markt erbringt, zwar eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Bedingung für das Vorliegen einer Einstellung der werbenden Tätigkeit eines Unternehmens. Vielmehr ist eine Einstellung der werbenden Tätigkeit erst anzunehmen, wenn
das Unternehmen den manifestierten Willen zur Teilnahme am Markt aufgibt, diesen auf Grund tatsächlicher Umstände dauerhaft nicht umsetzen kann oder rechtliche
Gründe der Wahrnehmung der jeweiligen Tätigkeit auf Dauer entgegenstehen. Daraus ergibt sich, dass bei fortbestehendem Willen zur Fortsetzung der werbenden
Tätigkeit etwaige tatsächliche oder rechtliche Umstände, welche die Teilnahme
eines Unternehmens am Markt verhindern, aber reparabel sind, keine Einstellung der
werbenden Tätigkeit dieses Unternehmens zu bewirken vermögen, sofern diese
Umstände innerhalb einer angemessenen Zeit beseitigt werden.
Mangels anderer Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass auch im Rahmen der
Regelung des § 36 II 4 EnWG mit „Einstellung der Geschäftstätigkeit“ die Einstellung der werbenden Tätigkeit i. S. einer Teilnahme am Markt gemeint ist.202
b) Voraussetzungen für die Einstellung der Geschäftstätigkeit i.S.d. § 36 II 4 EnWG
Fraglich ist, unter welchen Voraussetzungen von einer Einstellung der werbenden
Tätigkeit i.S.d. § 36 II 4 EnWG durch den Grundversorger auszugehen ist. Wie
gesehen, bedarf es zur Einstellung der werbenden Tätigkeit notwendigerweise der
tatsächlichen Einstellung einer Tätigkeit, die ein Unternehmen auf dem Markt er-
200 Vgl. BFH, BB 2004, 702, 704 (Pflicht zur Buchführung zwecks Besteuerung und zur Erstellung von Steuerbilanzen bei Einstellung der werbenden Tätigkeit); BAG, BB 2000, 1944,
1946 (Beurteilung der Gesellschafterhaftung in Vor-GmbH bei Einstellung des Geschäftsbetriebs); OLG Celle, NZI 2000, 229, 230 f. (Aufgabe früherer gewerblicher Tätigkeit im Zusammenhang mit der Beurteilung der Frage des Eingreifens des Regel- oder des Verbraucherinsolvenzverfahrens).
201 Nagel, EStB 2003, 458; Haunhorst, DB 2002, 1526, 1527; dies. DB 1999, 1424, 1425; Gosse, in: Berliner Kommentar zum TKG, § 6 Rn. 9; Manssen, Telekommunikations- und Multimediarecht, C § 4 Rn. 4.
202 So auch: Boos, IR 2005, 101, 103; Buchmann, Kommunale EVU, Kapitel V, 2 d. dd. aaa.
54
bringt. Des Weiteren muss die tatsächliche Einstellung dieser Tätigkeit bestimmte
Anforderungen erfüllen, damit ihr die Qualität der Einstellung der werbenden Tätigkeit beigemessen werden kann. Was diese allgemeinen Grundsätze für das Vorliegen des Tatbestandes des § 36 II 4 EnWG im Einzelnen bedeuten, wird im Folgenden zu untersuchen sein.
aa) Die nach § 36 II 4 EnWG erforderliche Tätigkeitseinstellung
Die vom Grundversorger am Markt erbrachte Tätigkeit kann sehr unterschiedlich
ausgestaltet sein. Neben der Belieferung von Haushaltskunden in dem jeweiligen
Netzgebiet der allgemeinen Versorgung wird der als Grundversorger festgestellte
Lieferant nämlich in aller Regel auch in anderen Netzgebieten tätig und beliefert in
den meisten Fällen außer den Haushaltskunden auch andere Kundengruppen, wie
z.B. Großabnehmer. Insoweit stellt sich die Frage, auf die Einstellung welcher Tätigkeiten des Grundversorgers es im Rahmen des § 36 II 4 EnWG ankommt. Dabei
ergibt sich aus der Tatsache, dass eine Geschäftseinstellung i.S.d. § 36 II 4 EnWG
die Feststellung eines neuen Grundversorgers zur Folge hat, dass eine Geschäftseinstellung und somit eine Einstellung der werbenden Tätigkeit i.S.d. § 36 II 4 EnWG
jedenfalls eine Einstellung der Belieferung von Haushaltskunden im jeweiligen
Netzgebiet der allgemeinen Versorgung durch den Grundversorger erfordert.
(1) Einstellung der Belieferung von Haushaltskunden
Angesichts der Besonderheiten des Strommarktes ist zu klären, wann von einer
Belieferungseinstellung der Haushaltskunden durch den Grundversorger auszugehen
ist.
(a) Strombelieferung im Allgemeinen
Im Gegensatz zu anderen Wirtschaftszweigen, in denen eine Belieferung der Kunden aufgrund einer eigenen Entscheidung des Lieferanten erfolgt, bestimmt in der
Elektrizitätswirtschaft der Kunde mit Einschalten seiner Verbrauchsgeräte, wann
und wie viel Energie er in Anspruch nimmt, ohne dass sein Lieferant (bzw. Lieferanten) dies beeinflussen könnte.203 Ferner ist eine Versorgung des Kunden mit
Strom nur über das „natürliche“ Monopol204 der Leitungsnetze möglich.205 Ange-
203 Büdenbender, JuS 1978, 150, 151 f.
204 Von einem natürlichen Monopol spricht man, wenn ein einziges Unternehmen die Nachfrage
nach seinen Dienstleistungen zu niedrigeren Preisen befriedigen kann, als dies mehrere Unternehmen tun könnten (Schneider, Liberalisierung, S. 132 ff.).
205 Säcker, ZNER 2004, 98.
55
sichts des Umstandes, dass Energieverbraucher zum Energiebezug sowie die Lieferanten zur Energiebelieferung auf das natürliche Monopol der Leitungsnetze angewiesen sind, wurde im Zuge Liberalisierung die Öffnung der Netze angeordnet.206
Dementsprechend sind Netzbetreiber nach § 20 I EnWG verpflichtet, jedermann
nach sachlich gerechtfertigten Kriterien diskriminierungsfrei einen Netzzugang zu
gewähren. Dabei kann der Netzzugang sowohl durch den Kunden selbst als auch
durch seinen Lieferanten geregelt werden, wozu es des Abschlusses der in § 20 I a
EnWG genannten Verträge bedarf.207 Als weitere Besonderheit der Energiebelieferung ist zu beachten, dass sich die Belieferung der Kunden mit Energie nicht als eine
Übergabe stofflicher Körper seitens des Lieferanten an die Kunden gestaltet, sondern als Verrichtung elektrischer Arbeit infolge der mit dem Elektronenfluss zusammenhängenden physikalischen Vorgänge.208 Aber auch insoweit findet eine
Energiebelieferung nicht etwa dergestalt statt, dass der Lieferant eine bestimmte
Strommenge in das Stromnetz einspeist und der jeweilige Kunde exakt diesen Strom
entnimmt. Im Gegenteil, da der Strom infolge technisch-physikalischer
Besonderheiten immer den Weg des geringsten Widerstandes wählt, stellt die
Lieferung von Elektrizität keinen wirklichen „Transport“ von einem Einspeisepunkt
zu einem Ausspeisepunkt dar.209 Insoweit besteht zwischen dem von dem
Lieferanten eingespeisten und vom Kunden entnommenen Strom keine Identität.210
Dies führt dazu, dass die durch die Kunden entnommenen Strommengen
nachträglich durch die Netzbetreiber, aus deren Netzen die Entnahmen erfolgen,
denjenigen Stromlieferanten zugeordnet werden müssen, die zur Belieferung der
besagten Kunden verpflichtet sind.211 Dabei wird eine Zuordnung der
Kundenentnahmen zu den Einspeisungen ihrer Stromlieferanten grundsätzlich
immer dann erfolgen, wenn zwischen den Kunden und dem jeweiligen Lieferanten
ein Stromlieferungsvertrag bzw. ein Ersatzversorgungsverhältnis besteht und auch
der für den Energiebezug des Kunden notwendige Netzzugang geregelt ist.212 In
diesen Fällen gilt die durch die Kunden entnommene Elektrizität als von ihren
Stromlieferanten geliefert.
206 Säcker, ZNER 2004, 98.
207 Näher dazu: vgl. S. 104 ff.
208 Büdenbender, Energierecht, Rn. 844.
209 Herzmann, RdE 2007, 76, 77; Schick, Probleme des Stromlieferantenwechsels, S. 21. Insoweit ist die Verwendung der Termini „Netznutzung“ bzw. „Netzzugang“ dem ungenauen
Begriff der „Durchleitung“ vorzuziehen.
210 Salje, RdE 1998, 169, 170 f.; de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald,
Recht der Energiewirtschaft, § 15 Rn. 303.
211 Vgl. de Wyl/Müller-Kirchenbauer/Thole, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 15 Rn. 369.
212 Vgl. Salje, EnWG, § 38 Rn. 11, 13.
56
(b) Belieferungseinstellung der Haushaltskunden
Aus den vorstehenden Erörterungen ergibt sich, dass eine Einstellung der Belieferung der Haushaltskunden im jeweiligen Netzgebiet der allgemeinen Versorgung
durch den Grundversorger dann anzunehmen ist, wenn die Voraussetzungen, derer
es grundsätzlich bedarf, um die Stromentnahmen von Haushaltskunden dem Grundversorger zuzuordnen, nicht mehr vorliegen und der Grund hierfür in der Sphäre des
Grundversorgers und nicht in der des Kunden liegt. Dadurch wird der Grundversorger nämlich unfähig zur Belieferung der Haushaltskunden in dem jeweiligen Netzgebiet der allgemeinen Versorgung.
Dies wird beispielsweise dann der Fall sein, wenn eine wirksame Kündigung eines der den Netzzugang des Grundversorgers regelnden Verträge erfolgte.213 Der
Grundversorger ist nämlich gem. § 6 I StromGVV selbst dazu verpflichtet, die für
die Durchführung der Grundversorgung erforderlichen Verträge mit Netzbetreibern
abzuschließen. Insofern wird in dem Fall, dass der Netzzugang des Grundversorgers
fortgefallen ist, keine Zuordnung der Stromentnahmen der Haushaltskunden zu den
Einspeisungen des Grundversorgers erfolgen können. Ferner wird es an der Voraussetzung für die Zuordnung der Stromentnahmen seitens der Haushaltskunden zu den
Einspeisungen des Grundversorgers auch dann fehlen, wenn dieser aufgrund einer
Untersagung der Belieferungstätigkeit nach § 5 S. 4 EnWG214 bzw. einer Gewerbeuntersagung gem. § 35 GewO215 keine Belieferung von Haushaltskunden vornehmen
darf.
Der Regelung des § 36 II 4 EnWG ist aber auch zu entnehmen, dass der Grundversorger selbst grundsätzlich eine Geschäftsaufgabe i.S.d. § 36 II 4 EnWG beschließen und vollziehen kann, denn die Formulierung: „Stellt der Grundversorger
nach Satz 1 seine Geschäftstätigkeit ein […]“ lässt darauf schließen, dass der
Grundversorger sich hierzu autonom entscheiden kann. Dies entspricht der wettbewerblichen Ausrichtung des EnWG auf der Vertriebsebene, welche erfordert, dass
Energielieferanten – anders als Netzbetreiber, die gem. § 11 I EnWG einer Betriebspflicht unterliegen – nicht zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs verpflichtet
sind.216 Insofern sind Grundversorger grundsätzlich nicht zur Aufrechterhaltung der
Haushaltskundenbelieferung im jeweiligen Netzgebiet verpflichtet. Dabei ergibt sich
aus dem Umstand, dass die Grundversorgungspflicht nach § 36 EnWG grundsätzlich
keine Differenzierung unter Haushaltskunden zulässt und eine Kündigung der einzelnen Grundversorgungsverträge durch den Grundversorger nach § 20 I 3
StromGVV dementsprechend nur möglich ist, soweit eine Pflicht zur Grundversorgung nach § 36 I 2 EnWG nicht besteht, dass die Einstellung der Belieferung von
Haushaltskunden durch den Grundversorger nur in dem Fall möglich ist, in welchem
dieser die Belieferung aller Haushaltskunden in dem jeweiligen Netzgebiet der all-
213 Vgl. Salje, EnWG, § 38 Rn. 13.
214 Vgl. dazu: S. 94.
215 Vgl. Salje, EnWG, § 5 Rn. 24.
216 Salje, EnWG, § 36 Rn. 36; Buchmann, Kommunale EVU, Kapitel V, 2 d. dd. aaa.
57
gemeinen Versorgung einstellt. Dies kann beispielsweise dadurch erfolgen, dass der
Grundversorger die den Netzzugang dieser Kunden regelnden Verträge kündigt.
Weitere Beispielsfälle, in denen eine Belieferungseinstellung der Haushaltskunden durch den Grundversorger zu bejahen ist, können dahinstehen. Vielmehr reicht
die Feststellung, dass eine Belieferungseinstellung dann zu bejahen ist, wenn die
Voraussetzungen, derer es grundsätzlich bedarf, um die Stromentnahmen von Haushaltskunden dem Grundversorger zuzuordnen, aufgrund einer Belieferungsunfähigkeit des Grundversorgers nicht mehr vorliegen, ganz unabhängig davon, ob die Belieferungsunfähigkeit durch den Grundversorger selbst herbeigeführt wird oder aufgrund äußerer Umstände entsteht.
(2) Notwendigkeit weiterer Tätigkeitseinstellungen
Angesichts des bereits angesprochenen Umstands, dass die Belieferungstätigkeit des
Grundversorgers in der Regel über die Haushaltskundenbelieferung in dem jeweiligen Netzgebiet der allgemeinen Versorgung, in welchem dieser als Grundversorger
festgestellt wurde, hinausgeht, stellt sich die Frage, ob neben der jedenfalls erforderlichen Belieferungseinstellung der Haushaltskunden in dem jeweiligen Netzgebiet
die Einstellung weiterer Tätigkeiten des Grundversorgers für das Vorliegen einer
Geschäftseinstellung i.S.d. § 36 II 4 EnWG erforderlich ist.217
Dabei ist die Einstellung der Haushaltskundenbelieferung in dem jeweiligen
Netzgebiet der allgemeinen Versorgung für das Vorliegen des Tatbestandes des § 36
II 4 EnWG jedenfalls dann ausreichend, wenn die die Belieferungsunfähigkeit des
Grundversorgers bewirkenden tatsächlichen oder rechtlichen Umstände von außen
herrühren, eine solche also nicht aufgrund einer autonomen Entscheidung des
Grundversorgers eintritt. Anderenfalls bliebe der Grundversorger in dem Fall, dass
es ihm nicht gelingt, seine Belieferungsfähigkeit wiederherzustellen bzw. dass diese
irreparabel ist, weiterhin zur Grundversorgung nach § 36 EnWG und Ersatzversorgung nach § 38 EnWG verpflichtet, ohne diese Verpflichtungen faktisch erfüllen zu
können. Dadurch würde der Sinn und Zweck der Feststellung eines Grundversorgers, der in der Gewährleistung der Versorgungssicherheit der nach §§ 36, 38
EnWG anspruchsberechtigten und als schutzwürdig erachteten Kunden liegt, leer
laufen.218
Problematischer ist die Beantwortung der Frage, ob das Tatbestandsmerkmal
„Einstellung der Geschäftstätigkeit“ i.S.d. § 36 II 4 EnWG allein durch eine regionale und nur auf Haushaltskunden bezogene Geschäftseinstellung erfüllt wird, jedoch
dann, wenn sich der Grundversorger hierzu – bei Fortsetzung sonstiger Belieferungstätigkeiten – autonom entscheidet.219 Da eine autonome Belieferungseinstellung jedenfalls eine Einstellung der werbenden Tätigkeit und somit eine Einstellung
217 Vgl. auch: Boos, IR 2005, 101, 103; Strohe, ET 2006, Heft 9, 62, 63.
218 Ähnlich: Strohe, ET 2006, Heft 9, 62, 63.
219 Vgl. auch Boos, IR 2005, 101, 103.
58
der Geschäftstätigkeit i.S.d. § 36 II 4 EnWG darstellt, ließe sich gegen das Ausreichen der Einstellung der Haushaltskundenbelieferung für das Vorliegen des Tatbestandes des § 36 II 4 EnWG argumentieren, dass es mit der Grundversorgungspflicht, die der Sicherstellung der Versorgungssicherheit von Haushaltskunden dienen soll, nicht vereinbar wäre, wenn sich der Grundversorger der mit der
Grundversorgerstellung verbundenen Verpflichtungen jederzeit allein durch die
Einstellung der Belieferung von Haushaltskunden in dem jeweiligen Netzgebiet der
allgemeinen Versorgung entledigen könnte. Aus diesem Grund könnte die Auffassung vertreten werden, dass der zum Erlöschen der Grundversorgungspflicht führende Tatbestand des § 36 II 4 EnWG nur dann zu bejahen sei, wenn der aufgrund
einer autonomen Entscheidung handelnde Grundversorger neben der Belieferung
der Haushaltskunden im jeweiligen Gebiet zugleich seine gesamte Geschäftstätigkeit
einstelle oder zum Beispiel, wie teilweise erwogen wird220, die Belieferung aller
Kunden im jeweiligen Netzgebiet beende. Durch solches einschränkendes Verständnis des Tatbestandes des § 36 II 4 EnWG würde sichergestellt, dass der Grundversorger die Belieferung von Haushaltskunden nur aufgrund einer Notsituation einstellen würde und sich nicht überwiegend von betriebswirtschaftlichen Erwägungen wie
z.B. Rationalisierungsplänen oder besseren Renditeerwartungen leiten ließe. Durch
das Erfordernis der Einstellung der gesamten Geschäftstätigkeit (im jeweiligen
Netzgebiet) könnte der Grundversorger davon abhalten werden, die Belieferung der
Haushaltskunden vorschnell einzustellen, so dass eine verantwortungsvolle Wahrnehmung der Grundversorgungspflicht durch den Grundversorger gewährleistet und
der Schutzbedürftigkeit der Haushaltskunden Rechnung getragen würde.
Allerdings ist ein solches Verständnis des § 36 II 4 EnWG aus mehreren Gründen
zu verneinen. Gegen das teilweise erwogene Erfordernis der Belieferungseinstellung
aller Kunden im jeweiligen Netzgebiet durch den Grundversorger spricht, dass außer
dieser Möglichkeit grundsätzlich noch zahlreiche andere Geschäftstätigkeiten in
Frage kommen, deren Einstellung verlangt werden könnte, um sicherzugehen, dass
sich der Grundversorger nicht lediglich seiner Pflichten aus §§ 36, 38 EnWG entziehen wolle. So könnte beispielsweise unter Anknüpfung an § 10 EnWG (1998) lediglich die Belieferungseinstellung aller Letztverbraucher im Netzgebiet der allgemeinen Versorgung verlangt werden, außerdem könnte die Einstellung der Belieferung
aller Haushaltskunden bzw. Letztverbraucher deutschlandweit zur Bejahung des
Tatbestandes des § 36 II 4 EnWG als erforderlich erachtet werden. Festzustellen ist
also, dass aus § 36 II 4 EnWG keine klare Grenze ersichtlich wird, ab welcher eine
Einstellung der Geschäftstätigkeit i.S.d. § 36 II 4 EnWG zu bejahen wäre. Vielmehr
spricht das Gesetz dafür, eine Geschäftseinstellung i.S.d. § 36 II 4 EnWG entweder
bereits in der Einstellung der Hauhaltskundenbelieferung im jeweiligen Netzgebiet
zu sehen oder aber in der Einstellung der gesamten Geschäftstätigkeit des Grundversorgers.221
220 Vgl. die Erwägungen von Boos, IR 2005, 101, 103.
221 So auch Strohe, ET 2006, Heft 9, 62, 63.
59
Für die Annahme, dass der Tatbestand des § 36 II 4 EnWG nur bei Einstellung
der gesamten Geschäftstätigkeit des Grundversorgers zu bejahen sei, ließen sich
allein die oben aufgeführten Erwägungen geltend machen, nach welchen – zur Gewährleistung einer verantwortungsbewussten Wahrnehmung der Grundversorgungspflicht – sicherzustellen sei, dass der Grundversorger die Belieferung von Haushaltskunden nicht vorschnell einstelle, sondern nur aufgrund einer Notsituation.
Allerdings besteht der der Sinn und Zweck der Verpflichtungen aus §§ 36, 38
EnWG in der Gewährleistung der Versorgungssicherheit und nicht etwa in der Einschränkung der unternehmerischen Freiheiten eines Grundversorgers. Die Einschränkungen der unternehmerischen Freiheiten durch die §§ 36, 38 EnWG wurden
vom Gesetzgeber zwar in Kauf genommen, um eine lückenlose Energieversorgung
der Haushaltskunden zu gewährleisten, allerdings ist davon auszugehen, dass dem
Grundversorger, der im Wettbewerb zu anderen Lieferanten steht, grundsätzlich ein
am Gewinninteresse ausgerichtetes Handeln möglich sein muss. Dafür spricht die
wettbewerbliche Konzeption des EnWG, nach welcher Energielieferanten durch
Gewinnstreben angetrieben werden sollen.222 In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der Wettbewerb nicht nur aus expansiven, neue Märkte und Kunden
erobernden Unternehmensstrategien besteht, sondern auch reaktive, auf Abbau von
Kapazitäten und Einschränkungen des Geschäftsumfangs gerichteten Verhaltensweisen erfordert. Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs macht also erforderlich,
dass ein EVU die Belieferung bestimmter Kunden bzw. Gebiete zugunsten einer
wettbewerbsfähigen Versorgung in anderen Bereichen aufgeben kann.223 Im Wettbewerb muss grundsätzlich jeder die Chance haben, seinen Kundenkreis neu zu
bestimmen, seine Tätigkeit einzuschränken und andere Marktsegmente zu bedienen.224
Ferner wird dem Sinn und Zweck der Feststellung eines Grundversorgers durch
die Subsumtion der ausschließlichen Belieferungseinstellung von Haushaltskunden
im jeweiligen Netzgebiet der allgemeinen Versorgung unter § 36 II 4 EnWG hinreichend Rechnung getragen, da dies die Feststellung eines neuen Grundversorgers
nach sich ziehen würde, so dass die Versorgungssicherheit der Haushaltskunden
grundsätzlich ausreichend gewährleistet wäre.225
Für die Einordnung der Belieferungseinstellung ausschließlich von Haushaltskunden unter § 36 II 4 EnWG lässt sich außerdem die Systematik des § 36 II EnWG
geltend machen. Da es bei der Feststellung des Grundversorgers gem. § 36 II 1
EnWG nur auf die Tätigkeit der Belieferung von Haushaltskunden im jeweiligen
Netzgebiet der allgemeinen Versorgung ankommt, spricht der systematische Zu-
222 Salje, EnWG, § 2 Rn. 7.
223 Vgl. Scholz, VEnergR 79, S. 61; Baur, RdE 1992, 165, 168; Schulz-Jander, VEnergR 67, 67,
78.
224 Baur, RdE 1992, 165, 168.
225 Vgl. Strohe, ET 2006, Heft 9, 62, 63. Zur Frage, ob ein Rückzug auch dann zulässig ist, wenn
es keinen Lieferanten gibt, der als Grundversorger festgestellt werden könnte, vgl. S. 61.
60
sammenhang dafür, dass § 36 II 4 EnWG ebenfalls nur auf die Einstellung dieser
Tätigkeit abstellt. 226
Als weiteres Argument dafür, dass eine Belieferungseinstellung von Haushaltskunden in dem jeweiligen Netzgebiet für eine Einstellung der Geschäftstätigkeit
i.S.d. § 36 II 4 EnWG ausreichend ist, ist außerdem der Wortlaut des § 36 I 1 EnWG
zu beachten. Danach haben EVU für „Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine
Preise […] zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen.“ Der Kontrahierungszwang besteht also nur, soweit eine
Grundversorgung tatsächlich „durchgeführt“ wird. Eine Pflicht zur Beibehaltung der
Grundversorgung wird hingegen nicht statuiert.227
Für das Eingreifen des Tatbestandes von § 36 II 4 EnWG bei lediglich regionaler
und auf Haushaltskunden bezogener Belieferungseinstellung lassen sich außerdem
praktische Erwägungen vorbringen. Insoweit ist zu beachten, dass die Feststellung
eines neuen Grundversorgers dem Netzbetreiber des allgemeinen Versorgungsnetzes
obliegt (§§ 36 II 4 i.V.m. 36 II 2 EnWG). Dieser wird in der Regel jedoch keine
Kenntnis darüber haben, ob der Grundversorger seine Belieferungstätigkeit außerhalb des von ihm betriebenen Netzes der allgemeinen Versorgung fortsetzt. Aus dem
zwischen dem Grundversorger und diesem Netzbetreiber abgeschlossenen Lieferantenrahmenvertrag228 ist der Grundversorger gegenüber dem Netzbetreiber nämlich
nur zur Mitteilung über die Neuaufnahme bzw. die Beendigung der Belieferung der
an dessen Netz angeschlossenen Kunden verpflichtet.229 Käme es bei § 36 II 4
EnWG zusätzlich auf die Einstellung weiterer Belieferungsstätigkeiten durch den
Grundversorger an, müsste der Netzbetreiber, bevor er einen neuen Grundversorger
gem. §§ 36 II 4 i.V.m. 36 II 2 EnWG feststellt, Ermittlungen darüber anstellen, ob
der Grundversorger tatsächlich alle relevanten Geschäftstätigkeiten eingestellt hat,
was aufwendig und unpraktikabel wäre.
Somit ist es für das Vorliegen des Tatbestandes des § 36 II 4 EnWG ausreichend,
wenn sich die Entscheidung des Grundversorgers zur Belieferungseinstellung lediglich auf die Einstellung der Belieferung von Haushaltskunden im jeweiligen Netzgebiet der allgemeinen Versorgung erstreckt.230 Dies ergibt sich aus der wörtlichen und
systematischen Auslegung des § 36 EnWG, aus dem wettbewerblichen Konzept des
EnWG, aus dem Fehlen gegenteiliger Anhaltspunkte sowie aus praktischen Erwägungen.
226 Vgl. Boos, IR 2005, 101, 103.
227 Vgl. schon zu § 10 EnWG (1998): Scholz, in: Bartsch/Röhling/Salje/Scholz, Stromwirtschaft
(1. Aufl.), Kap. 65, Rn. 24.
228 Näher dazu auf S. 105.
229 Vgl. Salje, EnWG, § 38 Rn. 10.
230 So im Ergebnis auch: Boos, IR 05, 101, 105; Strohe, ET 2006, Heft 9, 62, 63.
61
bb) Anforderungen an die Art und Weise der Einstellung der Haushaltskundenbelieferung
Da nicht jede Einstellung der unternehmerischen Tätigkeit eine Einstellung der werbenden Tätigkeit bedeutet, bleibt zu klären, unter welchen Umständen die Einstellung der Belieferung von Haushaltskunden im jeweiligen Gebiet der allgemeinen
Versorgung durch den Grundversorger eine Einstellung der werbenden Geschäftstätigkeit darstellt. Dabei ergibt sich aus den oben dargestellten allgemeinen Erörterungen hinsichtlich der Frage, wann grundsätzlich von einer Einstellung der werbenden
Tätigkeit auszugehen ist231, dass von einer Einstellung der werbenden Tätigkeit und
damit der Geschäftstätigkeit des Grundversorgers i.S.d. § 36 II 4 EnWG jedenfalls
dann auszugehen ist, wenn der Grundversorger die Belieferung der Haushaltskunden
im jeweiligen Netzgebiet auf Grund einer autonomen Entscheidung einstellt. Ferner
folgt aus der allgemeinen Darstellung, dass in dem Fall, in dem tatsächliche oder
rechtliche Umstände von außen zu einer unwillentlichen Einstellung der Haushaltskundenbelieferung führen, eine Einstellung der werbenden Tätigkeit i.S.d. § 36 II 4
EnWG dann zu bejahen ist, wenn es sich dabei um irreparable Umstände handelt,
oder es dem Grundversorger nicht gelingt, seinen Willen zur Fortführung der Haushaltskundenbelieferung in dem jeweiligen Netzgebiet der allgemeinen Versorgung
innerhalb einer angemessenen Zeit umzusetzen, oder aber wenn ein solcher Wille
nicht mehr fortbesteht, so dass der Grundversorger keine Anstrengungen unternimmt, um seine Belieferungsfähigkeit wiederherzustellen.
c) Sonderfall: der Grundversorger ist das einzige EVU im jeweiligen Netzgebiet der
allgemeinen Versorgung, das Haushaltskunden beliefert
Fraglich ist, ob das Ergebnis, dass es dem Grundversorger grundsätzlich möglich ist,
aufgrund einer autonomen Entscheidung ausschließlich die Belieferung von Haushaltskunden in dem jeweiligen Gebiet, in welchem er als Grundversorger festgestellt
wurde – und damit seine Geschäftstätigkeit i.S.d. § 36 II 4 EnWG – einzustellen,
auch dann gilt, wenn der Grundversorger der einzige Lieferant ist, der die Belieferung von Haushaltskunden in diesem Gebiet wahrnimmt. In diesem Fall liefe die
Feststellung des Nachfolgers entsprechend § 36 II 2, 3 EnWG leer, so dass die Versorgungssicherheit der Haushaltskunden gefährdet sein könnte. Zwar könnten die
betroffenen Haushaltskunden, solange diese weiterhin an das Netz der Allgemeinen
Versorgung angeschlossen sind, physisch weiterhin Strom beziehen232, allerdings
würde es sich bei diesen Stromentnahmen in dem Fall, dass der Grundversorger als
alleiniger Stromlieferant von Haushaltskunden im jeweiligen Netzgebiet seine Geschäftstätigkeit eingestellt hat, mangels des Vorliegens der Voraussetzungen nach §
231 Vgl. S. 60.
232 Schick, Probleme des Stromlieferantenwechsels, S. 177.
62
3 II StromNAV233 um unberechtigte Stromentnahmen handeln. Da der Netzbetreiber
der Allgemeinen Versorgung zu deren Duldung nicht verpflichtet ist und der Strombezug anderer Kunden, die an das Niederspannungsnetz angschlossen sind, dadurch
gefährdet würde, käme grundsätzlich eine Trennung dieser Kunden gem. § 24 I 1
Nr. 3 StromNAV vom Netz in Betracht.
Denkbar ist daher, dass die Grundversorgungspflicht der autonomen Entscheidung des Grundversorgers zur Einstellung der Belieferung von Haushaltskunden in
dem Fall, in welchem kein Nachfolger für die Grundversorgerstellung existiert,
ausnahmsweise entgegenstehen könnte, so dass die Einstellung der Geschäftstätigkeit durch den Grundversorger in einem solchen Fall unzulässig wäre. Für die Unzulässigkeit der Einstellung der Geschäftstätigkeit im oben genannten Fall ließe sich
der Sinn und Zweck der Grundversorgungspflicht aufführen, welcher in der
Gewährleistung der Versorgungssicherheit von Haushaltskunden besteht. Da die
Gewährleistung der Versorgungssicherheit der Haushaltskunden voraussetzt, dass
deren Strombelieferung ununterbrochen erfolgt, könnte die Auffassung vertreten
werden, der Grundversorger müsse ein Netzgebiet, in welchem er als einziger
Haushaltskundenlieferant tätig ist, weiterbeliefern, bis ein anderer Lieferant in diesem Netzgebiet die Belieferung der Haushaltskunden aufnimmt.
Die Annahme der Unzulässigkeit der Einstellung der Geschäftstätigkeit für den
Fall, in dem es keinen Nachfolger für die Grundversorgerstellung gibt, würde der bis
zur Liberalisierung des Energiesektors geltenden Rechtsprechung des BGH zur
Interimsversorgungspflicht der Gebietsversorger nach Ablauf von Konzessionsverträgen entsprechen. Der BGH sowie die ganz herrschende Meinung in der Literatur234 haben der Anschluss- und Versorgungspflicht aus § 6 EnWG (1935) entnommen, dass der Gebietsversorger auch nach Ablauf seines Konzessionsvertrages,
notfalls auch gegen seinen Willen, verpflichtet sei, die Versorgung innerhalb eines
Netzgebiets der allgemeinen Versorgung so lange fortzusetzen, bis sich ein versorgungsbereiter Nachfolger finde. Dies wurde damit begründet, dass das Fortbestehen
der Anschluss- und Versorgungspflicht nicht von einem Konzessionsvertrag abhängig sei, sondern dass die Versorgungspflicht nach § 6 EnWG (1935) erst mit dem
endgültigen Verlust der Verfügungsbefugnis über die innerörtlichen Verteilungsanlagen ende, ebenso wie diese erst mit dem Erwerb dieser Verfügungsbefugnis entstehen könne.235 Angesichts der nun geltenden Entflechtungsvorschriften lässt sich
das Argument des BGH, dass die Belieferungspflicht erst mit dem endgültigen Verlust der Verteilungsanlagen ende, nicht für die Unzulässigkeit einer Geschäftseinstellung durch den Grundversorger geltend machen. Allerdings ist zu beachten, dass
die Rechtsprechung zur Interimsversorgungspflicht nach der Einführung des § 103 a
233 Verordnung über Allgemeine Bedingungen für den Netzanschluss und dessen Nutzung für
die Elektrizitätsversorgung in Niederspannung vom 1.11.2006 (BGBl. I S. 2477).
234 BGH, RdE 1991, 104, 106; BGH, RdE 1994, 194, 196; Braun, ET 1978, 250, 258; Hempel,
VEnergR 67, 43, 57 ff.; Straßburg, ET 1977, S. 507, 509; a.A.: Scholz, VEnergR 79, S. 61 f.;
Baur, RdE 1992, 165, 168; Schulz-Jander, VEnergR 67, 67, 78.
235 BGH, RdE 1994, 194, 196; Braun, ET 1978, 300, 303 (Fn. 72, 73); Hempel, VEnergR 67,
43, 57 f.
63
GWB a.F. fortgeführt wurde, der zwar noch keinen Wettbewerb mehrerer EVU um
die einzelnen Kunden, aber immerhin einen Wettbewerb um Versorgungsgebiete
bezweckte236, so dass die Rechtsprechung zur Interimsversorgung der Versorgungssicherheit der Gemeindeeinwohner einen höheren Stellenwert beigemessen hat als
den unternehmerischen Interessen des EVU.237 Fraglich ist, inwieweit eine solche
Wertung nach der heutigen Rechtslage weiterhin gerechtfertigt wäre, so dass die
Geschäftseinstellung durch einen Grundversorger i.S.d. § 36 II 4 EnWG bei Fehlen
eines Nachfolgers als unzulässig anzusehen wäre.
Gegen die Annahme, dass dem Grundversorger eine Geschäftseinstellung versagt
sein solle, bis sich ein potentieller Nachfolger finde, ist einzuwenden, dass der
Grundversorger dadurch unter Umständen auf ewig zur Weiterbelieferung verpflichtet bliebe, sollte sich kein anderes Unternehmen zur Übernahme der Belieferung
bereit erklären.238 Damit würde die Grundversorgungspflicht der Betriebspflicht des
Netzbetreibers gleichgestellt. Ein solches Ergebnis ließe sich zwar mit der Überlegung rechtfertigen, dass der Grundversorger in dem Fall, dass er der einzige Lieferant in einem Netzgebiet der allgemeinen Versorgung ist, in diesem Netzgebiet ebenso wie ein Netzbetreiber eine Monopolstellung einnehme. Allerdings würde
dabei außer Acht gelassen, dass der Grundversorger als Lieferant zumindest in anderen Gebieten dem Wettbewerb mit anderen Lieferanten ausgesetzt sein könnte und
daher wirtschaftlich handeln können muss. Dabei ist zu beachten, dass Energielieferanten durch die Liberalisierung des Energiesektors nunmehr einem deutschlandbzw. europaweiten Wettbewerb um Kunden ausgesetzt sind. Demgegenüber bestand
die Monopolstellung der in einem Gemeindegebiet tätigen EVU auch nach der Einführung des § 103 a GWB a.F. weiterhin fort. Durch § 103 a I GWB a. F. wurde
lediglich eine Beschränkung der Demarkations- und Konzessionsverträge auf zwanzig Jahre festgelegt, so dass nach Ablauf dieser Frist grundsätzlich ein Wechsel des
Gebietsversorgers und somit ein Wettbewerb um die Versorgungsgebiete ermöglicht
werden sollte. Insoweit ist die wettbewerbliche Ausrichtung des EnWG (2005) im
Vergleich zu der unter Geltung des § 103 a I GWB a.F. vorzufindenden Situation
der EVU sehr viel stärker ausgeprägt, was für eine größere Berücksichtigung der
unternehmerischen Freiheiten der EVU spricht, als dies nach der Rechtsprechung
zur Interimsversorgung der Fall war.239
Im Übrigen spricht gegen die Annahme der Unzulässigkeit der Geschäftseinstellung im oben genannten Fall, dass sich eine solche nicht aus § 36 EnWG ergibt. Wie
gezeigt240, folgt aus dem Wortlaut des § 36 I 1 EnWG, dass der Kontrahierungs-
236 Scholz, VEnergR 79, S. 175.
237 Gegen eine Interimsversorgungspflicht nach Einführung des § 103 a GWB vgl. allerdings:
Scholz, VEnergR 79, S. 61 f.; Baur, RdE 1992, 165, 168; Schulz-Jander, VEnergR 67, 67, 78.
238 Vgl. Scholz, VEnergR 79, S. 61 f.; Baur, RdE 1992, 165, 168; Schulz-Jander, VEnergR 67,
67, 78.
239 Vgl. Scholz, VEnergR 79, S. 61 f.; Baur, RdE 1992, 165, 168; Schulz-Jander, VEnergR 67,
67, 78, die bereits aufgrund der wettbewerblichen Ausrichtung des § 103 a I GWB eine
Pflicht des Gebietsversorgers zur Interimsversorgung ablehnten.
240 Vgl. S. 60.
64
zwang nur solange besteht, wie eine Grundversorgung tatsächlich „durchgeführt“
wird. Eine Pflicht zur Beibehaltung der Grundversorgung wird hingegen genauso
wenig statuiert wie etwaige Bedingungen für die Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit
der Einstellung der Durchführung der Grundversorgung.
Auch ist dem Wortlaut des § 36 II 4 EnWG nicht die Bedingung zu entnehmen,
dass eine Einstellung der Geschäftstätigkeit nur dann zulässig sei, wenn es einen
Nachfolger gäbe, der als Grundversorger festgestellt werden könne. Es kann nicht
argumentiert werden, § 36 II 4 EnWG setze durch die Anordnung, dass bei Einstellung der Geschäftstätigkeit des alten Grundversorgers die Feststellung eines neuen
erfolgen solle, die Existenz eines Nachfolgers voraus. Bei der Anordnung der Feststellung eines neuen Grundversorgers handelt es sich nämlich um die Rechtsfolge,
die sich an den Tatbestand der Geschäftseinstellung anschließt. Zwar geht § 36 II 4
EnWG davon aus, dass regelmäßig außer dem Grundversorger noch ein anderer
Lieferant in dem Netzgebiet tätig sein wird, dies ist jedoch keine Bedingung für die
Geschäftseinstellung durch den Grundversorger. Es lässt sich also feststellen, dass §
36 EnWG keine Pflicht des Grundversorgers normiert, die Grundversorgung so
lange aufrecht zu erhalten, bis sich ein Nachfolger findet.
Allerdings könnte eine solche Pflicht aus der Gemeinwohlverpflichtung des
Grundversorgers folgen. Grundsätzlich besteht eine Gemeinwohlverpflichtung der
EVU nur, soweit diese gesetzlich tituliert ist.241 Als Ausdruck der Allgemeinwohlverpflichtung der EVU wird § 2 I EnWG angesehen, der eine Verpflichtung der
EVU zu einer möglichst sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen Versorgung der Allgemeinheit normiert.242 Insofern
könnte die Verpflichtung des Grundversorgers zur Fortführung der Belieferungstätigkeit von Haushaltskunden aus § 2 I EnWG folgen. Allerdings ist festzzustellen,
dass § 2 EnWG lediglich auf andere Normen des EnWG verweist, selbst aber keine
zusätzlichen rechtlich bindenden Verpflichtungen normiert.243 Aufgrund der Unbestimmtheit des § 2 EnWG ist nämlich nicht davon auszugehen, dass diese Vorschrift
Handlungs- oder Unterlassungspflichten von EVU auslöst, deren Nichteinhaltung
zum hoheitlichen Eingriff der Regulierungsbehörde nach § 65 I, II EnWG führen
könnte.244 § 2 I EnWG ist daher als eine die Eigenverantwortung der EVU betonende und klarstellende Norm aufzufassen, nicht jedoch als eine Norm, aus der konkrete
Rechte oder Pflichten hergeleitet werden können. Dadurch, dass der Gesetzgeber die
Ziel- und Zweckbindung des EnWG in die Sammelform des § 2 I EnWG übernommen hat, wurde die rechtliche Beachtung der fünf Ziele des § 1 EnWG hervorgehoben; eine darüber hinausgehende rechtliche Bindung folgt daraus aber nicht.245 Angesichts der Tatsache, dass den dem § 2 EnWG nachfolgenden Normen des EnWG
kein Verbot der Geschäftseinstellung durch einen Grundversorger für den Fall zu
241 Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft, S. 436.
242 BT-Drs. 15/3917, Begründung zu § 2 EnWG-E, S. 48.
243 Salje, EnWG, § 2 Rn. 9.
244 Säcker, ZNER 2004, 98, 107.
245 Salje, EnWG, § 2 Rn. 10.
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entnehmen ist, dass dieser der einzige Lieferant ist, der Haushaltskunden in einem
bestimmten Netzgebiet beliefert, folgt auch aus § 2 EnWG keine rechtlich bindende
Belieferungspflicht des Grundversorgers für diesen Fall.
Festzuhalten ist also, dass aus dem EnWG keine Unzulässigkeit der Geschäftseinstellung im oben genannten Fall durch den Grundversorger folgt. Das Ergebnis, dass
der Grundversorger durch das EnWG auch dann keiner Belieferungspflicht unterworfen ist, wenn er der einzige Lieferant ist, der die Aufgabe der Belieferung der
Haushaltskunden im jeweiligen Netzgebiet der allgemeinen Versorgung wahrnimmt,
wird auch dadurch unterstützt, dass sich im EnWG keine ausreichend konkretisierte
Untersagungsbefugnis finden lässt, welche es einer Aufsichtsbehörde erlauben würde, gegen die faktische Einstellung der Belieferungstätigkeit der Haushaltskunden
durch einen Grundversorger (in bestimmten Fällen) vorzugehen.246
aa) Ausnahme: die von der öffentlichen Hand beherrschten Grundversorger
Die Unzulässigkeit einer Geschäftseinstellung für den Fall, dass es keinen anderen
Lieferanten gibt, der als Grundversorger in dem jeweiligen Netzgebiet der Allgemeinen Versorgung festgestellt werden könnte, wäre allenfalls gegenüber Grundversorgern zu bejahen, auf welche die öffentliche Hand, beispielsweise aufgrund der
Alleinträgerschaft der öffentlichen Hand bzw. staatlicher Majoritätsbeteiligung an
einem gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen, einen beherrschenden Einfluss aus-
üben kann. In diesen Fällen könnte sich die Unzulässigkeit einer Geschäftseinstellung aus Art. 20 GG ergeben. Aus dem in Art. 20 I GG normierten Sozialstaatsprinzip ergibt sich nach allgemeiner Meinung die Gewährleistungspflicht des Staates
hinsichtlich einer sicheren Energieversorgung als einem Element der Daseinsvorsorge.247 Dies folgt daraus, dass alle Bereiche des menschlichen Lebens heute derart
eng mit dem Verbrauch von Strom verbunden sind, dass dieser aus der heutigen
Gesellschaft nicht mehr wegzudenken ist.248
Fraglich ist, inwieweit Grundversorger in der Organisationsform der AG bzw.
GmbH, die staatlich bzw. kommunal beherrscht werden, an das Sozialstaatsprinzip
gebunden sind. Hinsichtlich der Frage der Grundrechtsgebundenheit des Staates bei
Handeln in privatrechtlichen Handlungsformen werden herkömmlich drei Bereiche
unterschieden, nämlich die sog. privatrechtlichen Hilfsgeschäfte der Verwaltung, die
erwerbswirtschaftliche Betätigung, bei welcher der Staat zum Zwecke der Gewinnerzielung am Wirtschaftsverkehr teilnimmt sowie die Inanspruchnahme privatrechtlicher Handlungs- und Orgationsnormen zum Zwecke der Wahrnehmung originärer öffentlicher Aufgaben leistender Art, wie etwa der Erbringung der Leistungen
246 So auch: Buchmann, Kommunale EVU, Kapitel V, 2 d. dd. aaa.
247 BVerfGE 66, 248, 258; Dreier-Gröschner, GG, Art. 20 Rn. 54; Rüfner, in: Isensee/Kirchhof,
HStR III, § 80, Rn. 1-5; Wesener, Energieversorgung, S. 134; Ruge, Gewährleistungsverantwortung, S. 221.
248 Ruge, Gewährleistungsverantwortung, S. 221.
66
der Daseinsvorsorge (sog. Verwaltungsprivatrecht).249 Lediglich bei staatlichem
Handeln, das der dritten Fallgruppe unterfällt, ist die Grundrechtsgebundenheit der
öffentlichen Hand unbestritten.250 Nach der Liberalisierung des Energiesektors ist
die Einordnung der Wahrnehmung der Energiebelieferung durch die öffentliche
Hand unter diese Fallgruppen allerdings problematisch geworden. Aufgrund des nun
herrschenden Wettbewerbs liegt neben der bisher überwiegend vertretenen Einordnung dieser der Daseinsvorsorge dienenden Tätigkeit unter die dritte Fallgruppe251
die Annahme nahe, dass die Energieversorgung durch die öffentliche Hand der Fallgruppe der erwerbswirtschaftlichen – wenngleich im öffentlichen Interesse stehenden – Betätigung der öffentlichen Hand unterfällt.252 Bei erwerbswirtschaftlicher
Betätigung der öffentlichen Hand ist deren Grundrechtsgebundenheit umstritten.253
Allerdings ist nicht einzusehen, warum die Grundrechtsgebundenheit in diesem Fall
verneint werden sollte. Art. 1 III GG bietet für eine derartige Differenzierung keine
Anhaltspunkte. Vielmehr konstituieren und binden die Grundrechte den Staat in
allen seinen Ausprägungen und Aktivitäten.254 Dabei ist die Grundrechtsgebundenheit des von der öffentlichen Hand beherrschten Unternehmens unabhängig davon
zu bejahen, ob der Staat Alleinbesitz oder die Mehrheit der Anteile an einem privatrechtlich organisierten Unternehmen hält.255 Dafür spricht, dass der Staat als Gesellschafter oder in den Organen einer solchen Gesellschaft hinreichende Einflussmöglichkeiten hat und damit in der Lage ist, der Grundrechtsbindung durch moderierende Einwirkung auf das Unternehmen zu entsprechen.256 Da der Staat
dementsprechend auch dann an das Sozialstaatsprinzip und das öffentliche Wohl
gebunden ist, wenn er eine privatrechtliche Organisationsform wählt und einen be-
249 Dreier-Dreier, GG, Art. 1 Rn. 48; Sachs-Höfling, GG, Art. 1 Rn. 94.
250 BGHZ 29, 76, 80; 37, 1, 27; 52, 325, 327; 91, 4, 96 f.; Sachs-Höfling, GG, Art. 1 Rn. 94;
Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Art. 1 Rn. 28.
251 Vgl. v. Danwitz, AöR 120 (1995), 595, 597; RhPfVerfGH, NVwZ 2000, 801; a.A.: Löwer,
Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft, S. 396, der die Wahrnehmung
der Energieversorgung durch öffentliche Hand bereits vor der Liberalisierung als erwerbswirtschaftliche Betätigung ansah.
252 Vgl. Buchmann, Kommunale EVU, Kapitel V, 2 b. ee. ccc.
253 Die Grundrechtsgebundenheit bejahen: Sachs-Höfling, GG, Art. 1 Rn. 95 f.; Dreier-Dreier,
GG, Art. 1 Rn. 50; Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Art. 1 Rn. 28. A.A.: BGHZ 36, 91, 95 ff,;
BGH, NJW 2004, 1032.
254 Sachs-Höfling, GG, Art. 1 Rn. 95 f.; Dreier-Dreier, GG, Art. 1 Rn. 50; Jarass/Pieroth-Jarass,
GG, Art. 1 Rn. 28.
255 BVerwGE 113, 208, 211; Stern, Staatsrecht III/1, S. 1421 f.; Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Art.
20 Rn. 29, 29 a. A.A.: Dreier-Dreier, GG, Art. 1 Rn. 51 f.; Sachs-Höfling, GG, Art. 1 Rn. 96,
die bei gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen, an denen die öffentliche Hand mehrheitlich
beteiligt ist, die Grundrechtsbindung des Unternehmens ablehnen, sondern allein die öffentlich-rechtlichen Anteilseigner als an Grundrechte gebunden ansehen. Dagegen ist jedoch
einzuwenden, dass dadurch die praktische Wirkung der Grundrechte stark beschränkt wird
und dass diese Ansicht insbesondere bei der hier problematischen Frage der Bindung an das
Sozialstaatsgebot im Hinblick auf die Fortführung bzw. Einstellung der Geschäftstätigkeit
eines Grundversorgers nicht zu klaren Ergebnissen führt.
256 Stern, Staatsrecht III/1, S. 1421 f.; Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Art. 20 Rn. 29 a.
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herrschenden Einfluss auf das jeweilige Unternehmen ausüben kann, könnte Art. 20
I GG als Ausdruck der Sozialpflichtigkeit des Staates eine Fortsetzung der Belieferungstätigkeit von Haushaltskunden durch den von der öffentlichen Hand beherrschten Grundversorger erfordern.
Dabei ist zu beachten, dass dem Staat grundsätzlich lediglich eine Gewährleistungsverantwortung in normativer Hinsicht obliegt, so dass er seiner Verantwortung
aus Art. 20 I GG im Regelfall bereits dann gerecht wird, wenn er gesetzliche Rahmenbedingungen für die Erfüllung der Bedürfnisse der Allgemeinheit nach Daseinseinsvorsorge schafft.257 Allerdings entsteht eine Rechtspflicht des Staates zur
Vornahme der Daseinsvorsorge mit eigenen Einrichtungen dann, wenn sich anderenfalls unerträgliche Zustände einstellen würden.258 Dies wäre bei Fehlen der Energieversorgung von Haushaltskunden in einem Netzgebiet der allgemeinen Versorgung
zu bejahen. Insoweit folgt aus Art. 20 I GG, dass die in von der staatlichen Hand
beherrschten Grundversorger die Belieferung der Haushaltskunden nur dann einstellen dürfen, wenn deren Energieversorgung durch ein anderes EVU sichergestellt ist.
Zu beachten ist jedoch, dass der Staat seiner Verpflichtung zur Eigenvornahme der
Energieversorgung beispielsweise auch dadurch nachkommen könnte, dass er andere Lieferanten, die in seiner Trägerschaft liegen, mit der Aufnahme der Energieversorgung in dem jeweiligen Netzgebiet betraut, ein in (überwiegend) privater Trägerschaft liegendes EVU durch Vergütung zu einer Aufnahme der Energieversorgung
in betroffenem Netzgebiet anreizt bzw. ein neues EVU gründet, um den bisherigen
Grundversorger abzulösen.259 In diesen Fällen wäre dem bisherigen von der öffentlichen Hand beherrschten Grundversorger die Einstellung seiner Geschäftstätigkeit
i.S.d. § 36 II 4 EnWG möglich.
bb) Ergebnis
Eine Grundversorgungspflicht, die solange andauert, bis ein Nachfolger die Grundversorgungsaufgaben übernehmen kann, findet keine Stütze im EnWG. Da diejenigen Grundversorger, die von der öffentlichen Hand beherrscht werden können, an
das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 I GG gebunden sind, ist ihnen die Einstellung der
Geschäftstätigkeit i.S.d. § 36 II 4 EnWG aufgrund einer autonomen Entscheidung
allerdings nur dann möglich, wenn die Energieversorgung der Hausheltskunden in
dem jeweiligen Netzgebiet der allgemeinen Versorgung durch ein anderes EVU
sichergestellt ist.
257 Ruge, Gewährleistungsverantwortung, S. 232; Rüfner, in: Isensee/Kirchhof, HStR III, § 80
Rn. 8; Buchmann, Kommunale EVU, Kapitel III, 1 d. cc. bbb. (3) (c).
258 Rüfner, in: Isensee/Kirchhof, HStR III, § 80 Rn. 46; Klein, Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 18.
259 So auch: Buchmann, Kommunale EVU, Kapitel V, 2. d. dd. fff.
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cc) Abschließende Bewertung der Regelung des § 36 EnWG im Hinblick auf die
Befähigung zur Gewährleistung der Verorgungssicherheit
Der Gesetzgeber des EnWG gewährt dem Grundversorger die unternehmerische
Freiheit zur Beendigung seiner Geschäftstätigkeit, ohne dass er die Einstellung der
Geschäftstätigkeit durch den Grundversorger an Bedingungen knüpft, welche für die
Gewährleistung der Versorgungssicherheit grundsätzlich notwendig wären. Im Unterschied zum TKG260 und PostG261, in welchen ein ausdifferenziertes System hinsichtlich der Auferlegung von Universaldienstleistungen bei Versorgungsdefiziten
normiert wurde, ist im heute geltenden EnWG – anders war dies noch unter Geltung
des § 8 EnWG (1935), welcher den Reichswirtschaftsminister ermächtigte, ein EVU
mit der Übernahme der Versorgungsaufgaben zu beauftragen – weder eine Norm
vorhanden, durch welche ein anderes EVU gezwungen werden könnte, die Strombelieferung in einem bestimmten Netzgebiet aufzunehmen, noch ein anderer Mechanismus zum Ausgleich von Versorgungsdefiziten zu finden.262 Insoweit lässt sich
feststellen, dass der Gesetzgeber des EnWG die Frage der Gewährleistung der Versorgungssicherheit der als schutzwürdig erachteten Kunden nicht im Detail geregelt
hat.263
Diese gesetzgeberische Entscheidung lässt sich damit erklären, dass ein Grundversorger nicht zu verlustbringenden Geschäften gezwungen wird.264 Ferner ist es
wenig wahrscheinlich, dass sich ein EVU aus einem Netzgebiet zurückziehen möchte, in welchem es eine Monopolstellung innehat. Für den gegenteiligen Fall ist auf
die in Art. 3 IV der Elt-RL ausdrücklich genannte Möglichkeit des Staates hinzuweisen, „für die Erfüllung der Verpflichtungen nach den Absätzen 2 und 3 [also
auch für die Erfüllung der Grundversorgungspflicht] einen finanziellen Ausgleich,
andere Arten von Gegenleistungen oder Alleinrechte“ zu gewähren. Der Staat hat
also auf diese Weise die Möglichkeit, dem Grundversorger, der seine Geschäftstätigkeit einstellen will, einen Anreiz zu verschaffen, ein bestimmtes Gebiet weiterzuversorgen. Kommt es dennoch zu einem Rückzug des Grundversorgers, ohne dass
ein anderer die Belieferung übernehmen kann, resultiert aus Art. 20 I GG eine
Rechtspflicht des Staates zur Eigenvornahme der Energieversorgung mit eigenen
Einrichtungen.265 Das Fehlen eines ausreichenden privaten Angebots muss den
Staat, der als Sozialstaat die Daseinsvorsorge gewährleisten soll, veranlassen, eigene
Einrichtungen zu schaffen.266 Dabei handelt es sich zwar nicht um eine judizierbare
260 Telekommunikationsgesetz vom 22.06.2004 (BGBl. I S. 1190).
261 Postgesetz vom 22.12.1997 (BGBl I S. 3294).
262 Vgl. Koenig/Kühling/Rasbach, ZNER 2003, 3, 9; Schweitzer, Daseinsvorsorge, S. 347.
263 So auch: Buchmann, Kommunale EVU, Kapitel V, 2 d. dd. aaa.
264 Hinsichtlich der Rechtslage nach EnWG (1998) vgl: Büdenbender, EnWG, § 11 Rn. 29;
Schweitzer, Daseinsvorsorge, S. 347; hinsichtlich der akuellen Rechtslage vgl. die Ausführungen auf S. 237.
265 Vgl. S. 67.
266 Rüfner, in: Isensee/Kirchhof, HStR III, § 80 Rn. 29.
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Verpflichtung, auf deren Erfüllung die Betroffenen einen Anspruch haben267, allerdings ist davon auszugehen, dass der Staat seiner Verpflichtung zur Gewährleistung
einer sicheren Energieversorgung seiner Bürger nachkommen wird.
Um jegliche Unsicherheiten in Bezug auf die Versorgungssicherheit von Haushaltskunden zu beseitigen, müsste allerdings eine Novellierung des EnWG erfolgen,
in welcher der Aufsichtsbehörde eine Möglichkeit gegeben wird, in bestimmten
Fällen die Einstellung der Geschäftstätigkeit durch den Grundversorger zu unterbinden und dabei die Zulässigkeit der Einstellung der Geschäftstätigkeit an klar formulierte und durch das EVU ohne weiteres zu prüfende Bedingungen zu knüpfen.
VII. Zusammenfassung
Die Regelung des § 36 EnWG verfolgt den Zweck der Gewährleistung der Versorgungssicherheit von Haushaltskunden. Bei der in § 36 I 1 EnWG normierten Grundversorgungspflicht handelt es sich um einen Kontrahierungszwang, durch welchen
der Grundversorger dazu verpflichtet wird, mit jedem Haushaltskunden, der den
Abschluss eines Grundversorgungsvertrages begehrt, einen entsprechenden Vertrag
abzuschließen und diesen Kunden zu den für Grundversorgungsverträge geltenden
Allgemeinen Bedingungen und Allgemeinen Preisen zu beliefern. Da der Grundversorger verpflichtet ist, auch die kurzfristigen und unvorhersehbaren Kontrahierungsbzw. Belieferungsansprüche zu erfüllen, folgt aus der Grundversorgungspflicht
zugleich eine mittelbare Investitionspflicht des Grundversorgers.
Die Allgemeinen Bedingungen der Grundversorgungsverträge sind im Wesentlichen durch die StromGVV vorgegeben. Dabei führen die darin normierten Verpflichtungen des Grundversorgers zur Klassifizierung der Grundversorgungsverträge
als offene Stromlieferungsverträge, die als Vollversorgungsverträge in Form von allinclusive-Verträgen ausgestaltet sind. Hinsichtlich der Gestaltung der Allgemeinen
Preise für Grundversorgungsverträge finden sich hingegen keine näheren Vorgaben.
Die Grundversorgungspflicht besteht gem. § 36 I 2 EnWG ausnahmsweise nicht,
wenn die Versorgung für das EVU aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist.
Die Gründe hierfür können sowohl auf der Kundenseite liegen, so zum Beispiel,
wenn der Kunde seine Zahlungsverpflichtungen mißachtet, als auch auf der Seite
des Grundversorgers. Letzteres ist der Fall, wenn ein Versorgungsverhältnis strukturelle Besonderheiten aufweist und deshalb außerhalb der Bandbreite liegt, die das
EVU für seine Kalkulation der Allgemeinen Preise zugrunde gelegt hat. Die gesamtwirtschaftliche Lage des Grundversorgers ist im Rahmen des § 36 I 2 EnWG
unbeachtlich.
Eine weitere Ausnahme von der Grundversorgungspflicht nach § 36 I 1 EnWG
bildet die Regelung des § 37 I 1 EnWG, die jedoch durch die §§ 37 I 2 und 3 EnWG
modifiziert wird.
267 Sachs-Sachs, GG, Art. 20 Rn. 50; Münch/Kunig-Schnapp, GG, Art. 20 Rn. 19.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Nach der Liberalisierung des Energiemarktes müssen sich die auf der Vertriebsebene tätigen Energieversorgungsunternehmen dem Wettbewerb mit anderen Lieferanten stellen, womit die Wahrscheinlichkeit der Insolvenz dieser Unternehmen steigt.
Die Autorin widmet sich der Untersuchung der mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen eines Grundversorgers zusammenhängenden rechtlichen Fragen. Ausgehend von den veränderten Rahmenbedingungen wird zunächst die Reichweite der den Grundversorger gem. §§ 36, 38 EnWG treffenden Grund- und Ersatzversorgungspflichten erörtert. Einen Kernpunkt der Untersuchung bildet die Frage des Fortbestandes dieser Pflichten auch nach der Insolvenzeröffnung.
Abschließend wird die Vereinbarkeit von Versorgungssicherheit und Gläubigerbefriedigung im Insolvenzverfahren anhand der Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf die Befriedigung der aus §§ 36 (i.V.m. StromGVV), 38 EnWG resultierenden Ansprüche einerseits und der §§ 36, 38 EnWG auf das Ziel der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung andererseits analysiert.