327
ist bereits oben ausführlich dargestellt worden, dass eine Funktion nicht nur dann
vorliegt, wenn der Unternehmensteil den Status eines Teilbetriebs erreicht.886
3. Schlussfolgerung zur Frage der Gesamtbewertung
Damit ist festgestellt, dass
- die Geschäftschancenlehre für Funktionsverlagerungen überwunden ist,
- bei der verlagerten Funktion ihr Geschäftswert berücksichtigt wird,
- und die Frage nach dem „Ob“ eines Grundsatzes der Gesamtbewertung der
verlagerten Funktion positiv beantwortet ist.
Im folgenden Abschnitt ist zu untersuchen, ob die Umsetzung des Grundsatzes der
Gesamtbewertung durch den Ansatz des „Gewinnpotentials“ § 1 III 6, 2. HS AStG
und damit durch einen neuen unbestimmten Rechtsbegriff erfolgen musste.
IV. Gewinnpotential
Nachdem nun geklärt ist, dass das „Ob“ der Gesamtbewertung zu bejahen ist, stellt
sich nun die Frage nach dem „Wie“. Bei der folgenden Analyse soll anhand des Gesetzes und der Rechtsverordnung untersucht werden, wie der Gesetz- und der Verordnungsgeber sich die Gesamtbewertung vorstellen. Sodann wird das Konzept einer grundlegenden Kritik unterworfen.
1. Grundlagen der Regelungen zum Gewinnpotenzial
Das Gesetz sieht in § 1 III 9 AStG durch den Verweis auf § 1 III 5 AStG vor, dass
der Steuerpflichtige dann, wenn bei einer Funktionsverlagerung der Verrechnungspreis mittels eines hypothetischen Fremdvergleichspreis ermittelt wird, einen Einigungsbereich gem. § 1 III 6, 1. HS: AStG auf der Grundlage einer Gesamtbewertung
des Transferpakets887 bestimmen muss, wobei der Einigungsbereich gem. § 1 III 6,
2. HS AStG von den jeweiligen Gewinnerwartungen, die der Gesetzgeber Gewinnpotentiale nennt, beeinflusst wird.
886 Siehe oben 2. Teil B.II.1.
887 Im Gesetz heißt es: „... einer Verlagerung der Funktion als Ganzes (Transferpaket) ...“.
328
a) Einführung
Der Gesetzgeber stellt sich also vor, dass bei einer Funktionsverlagerung der Verrechnungspreis mittels eines hypothetischen Fremdvergleichs zu ermitteln ist, bei
dem der Maßstab des § 1 I 2 AStG zugrunde zu legen ist. Werden zwei sich gegen-
über stehende Geschäftsleiter hinzugedacht, die alle Umstände des Geschäftes kennen, führt dies dazu, dass diese unterschiedliche Gewinnerwartungen und damit
auch unterschiedliche Preisvorstellungen haben. Dadurch entsteht ein Einigungsbereich. Auf der Basis dieses Einigungsbereiches hat ein Wertansatz zu erfolgen. Gemäß § 1 III 7, 2. Hs. AStG wird im Zweifel der Mittelwert dieses Wertansatzes sein.
Es ist vom Gesetzgeber also gewollt, dass eine Simulation eines Verhandlungsprozesses stattzufinden hat.
Das Gesetz sagt allerdings nicht, wie im Einzelnen die Wertermittlung erfolgen soll.
Es spricht dabei nur von den jeweiligen Gewinnerwartungen der Vertragsparteien,
die mit dem Begriff Gewinnpotenzial bezeichnet werden. In der Funktionsverlagerungsverordnung wird sodann näher ausgeführt, wie dieses im Einzelnen umzusetzen ist. Es soll darauf hinauslaufen, dass der Wert der übertragenen Funktion mit
Hilfe der Ertragswertmethode zu bestimmen ist, weil dieses laut Gesetzesbegründung betriebswirtschaftlichen Gründen geboten sei, da der Preis der einzelnen übertragenen Wirtschaftsgüter den Wert der Funktion regelmäßig nicht adäquat widerspiegele.888. Bei dieser Ertragswertberechnung sollen die Situationen der beteiligten
Unternehmen berücksichtigt werden. Dazu stellt sich das Bundesfinanzministerium
als Verordnungsgeber vor, dass vier Unternehmensbewertungen vorzunehmen sind,
nämlich vom abgebenden und vom aufnehmenden Unternehmen jeweils eine Bewertung vor und nach der Verlagerung. Das bedeutet aber im Ergebnis, dass in die
Gewinnberechnungen auch die Vorteile einbezogen werden, die im Ausland zukünftig erzielt werden. Ob dieses hier im Überblick geschilderte Vorgehen insgesamt sachgerecht ist, wird im Folgenden untersucht.
b) Verwendung des § 1 I 2 AStG für die Bewertung
Bereits im ersten Teil der Arbeit wurde die Vorschrift des § 1 I 2 AStG untersucht.889 Es geht im Folgenden um die Frage, wie dieser neue gesetzliche Maßstab
auf Funktionsverlagerungen anzuwenden ist.
Durch die Kettenverweisung von § 1 III 9 AStG auf Satz 5 und von dort auf Abs. 1
Satz 2 macht der Gesetzgeber deutlich, dass die Bewertung einer Funktionsverlagerung unter der Prämisse geschehen soll, dass die gedachten fremden Dritten alle we-
888 BR-Drs. 220/07, S. 144.
889 1. Teil B.II.4
329
sentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung kennen und sodann nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter handeln würden. Das Verhalten der tatsächlich beteiligten Geschäftsführer oder Vorstände wird an diesem
Maßstab gemessen. Hier zeigt sich die Schwäche des hypothetischen Fremdvergleichs besonders deutlich. Bereits bei der Bestimmung des Verrechnungspreises für
ein singuläres Wirtschaftsgut dürfte es in der Praxis nicht immer einfach sein, sich
zwei voneinander unabhängige und gegenüberstehende Dritte vorzustellen, die einen
Preis aushandeln. Denn es handelt sich im Allgemeinen eben nicht immer um Wirtschaftsgüter, für die es so feststehende Preisfestlegungen gibt wie für gebrauchte
Automobile in Deutschland durch die sog. Schwacke-Liste. Die Schwacke-Liste gibt
einen sehr genauen Anhaltspunkt für den Wert der aufgeführten Fahrzeuge. Dort ist
sogar eine Bandbreite dadurch enthalten, dass der Händlereinkaufspreis und der
Marktpreis in Spannen ausgedrückt sind. Noch schwieriger stellt sich ein solch gedachter Einigungsbereich für ein derartig komplexes Gebilde wie eine Funktion dar.
Dieser hypothetische Fremdvergleich soll allerdings nur zur Anwendung kommen,
wenn keine tatsächlichen oder eingeschränkt verwertbaren Verrechnungspreise vorliegen. Dies ist bei Funktionsverlagerungen jedoch in bestimmten Fällen möglich.
Die Literatur nennt Beispiele zumindest für Nebenfunktionen, für die das üblich sei.
So werde zum Beispiel bei der Verlagerung eines Bündels an Aufgaben in den Bereichen EDV, Buchhaltung, Cash-Management sowie Transport und Logistik Funktionsverlagerungen vorgenommen.890 Als Beispiel wird unter anderem die Auslagerung der Buchhaltungsfunktion an Steuerberater genannt. Da sich für derartige Outsourcing-Prozesse Fremdvergleichspreise feststellen ließen, käme insoweit der
hypothetische Fremdvergleich nicht zum Ansatz. Jedoch dürfte es in den meisten
Fällen einer Funktionsverlagerung keinen auch nur eingeschränkt vergleichbaren
Wert geben. Das wird besonders daran deutlich, dass die Literatur auch nur auf die
Verlagerung von Nebenfunktionen verweist. Insbesondere bei Hauptfunktionen, die
sich letztendlich in den meisten Fällen als sehr unternehmensspezifisch darstellen
dürften, wird es schwer sein, entsprechend zumindest eingeschränkt vergleichbare
Werte zu finden, so dass im Zweifel bei Funktionsverlagerungen von Hauptfunktionen immer der hypothetische Fremdvergleichswert zum Ansatz kommt. Dann tritt
aber das Dilemma auf, dass der hypothetisch Vergleichende sich zwei fremde Dritte
vorstellen muss, die mit unterschiedlichen Sinnerwartungen an den Fall herangehen
würden. Er bewegt sich also immer im Konjunktiv.
Das Problem bei dem Zusammenspiel von § 1 I 2 AStG mit der Funktionsverlagerung besteht in dem Erfordernis der Übereinstimmung mit dem Fremdvergleichsgrundsatz. Wie oben bereits ausgeführt wurde, kennen voneinander unabhängige
Dritte gerade nicht die Verhandlungsposition ihres Gegenübers. Das ist schon bei
der Bestimmung des Verrechnungspreises für ein einzelnes Wirtschaftsgut proble-
890 Greinert, in: Schaumburg/Rödder, UntStReform, 540 (563).
330
matisch. Bei der Bewertung einer größeren Einheit wie einer Funktion ist dieser Ansatz noch schwieriger, weil die Simulation einer größeren Einheit oder eines größeren Prozesses zwangsläufig schwieriger ist als die eines einzelnen Gegenstandes.
Insbesondere sind die Auswirkungen auch größer. Den Erfindern einer solchen Herangehensweise ist jedoch zugute zu halten, dass ein anderer Ansatz auch kaum
denkbar ist. Würde man auf den hypothetischen Fremdvergleich verzichten, gäbe es
keine Möglichkeit, Transfervorgänge zu erfassen, für die es keine zumindest eingeschränkt vergleichbaren Werte gibt. Es kann jedoch nicht im Sinn des Steuergesetzgebers sein, dass die Besteuerung davon abhängt, ob es Vergleichswerte gibt oder
nicht. Deshalb ist das Hilfsmittel des hypothetischen Fremdvergleichs grundsätzlich
auch bei der Bewertung von verlagerten Funktionen zu Recht der anzuwendende
Maßstab.
Diskutierbar ist, ob für diesen hypothetischen Fremdvergleich wirklich beide Tatbestandsmerkmale notwendig sind, also dass erstens die gedachten fremden Dritten
alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung kennen und sodann zweitens
nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter handeln würden. Es könnte zumindest bei der Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs
auf Funktionsverlagerungen reichen, nur auf das zweite Tatbestandsmerkmal zurück
zu greifen und auf das erste zu verzichten. Es ist in der Literatur zu Recht darauf
hingewiesen worden, dass dies bisher nicht den internationalen Grundsätzen zum
Fremdvergleich entspricht.891 Die OECD-Richtlinien enthalten keinen derartigen
Ansatzpunkt. Es wird daher interessant zu beobachten sein, ob bei den weiteren Arbeiten an dem Projekt „Business Restructuring“ die OECD einen solchen Ansatz
insbesondere auch für Funktionsverlagerungen wählen wird. Diskutierbar sind
insbesondere die Fälle, bei denen bei einem Vorgehen nach diesem Maßstab ein
Verrechnungspreis angenommen werden würde, der höher als derjenige ist, den
fremde Dritte vereinbart hätten. Denkbar sind solche Konstellationen bei Fällen, in
denen innerhalb eines Konzerns ein Verrechnungspreis in Unkenntnis aller Marktentwicklungen vereinbart wurde.892. In diesen Fällen ist tatsächlich zu fragen, ob
dies dem Fremdvergleich entspricht. An dieser Stelle könnte eine teleologische Reduktion der Vorschrift helfen. Es ist in der Literatur bereits angeregt worden, dass
§ 1 I 2 AStG in solchen Konstellationen nicht zur Anwendung kommen dürfe.893 Begründet wird eine solche Reduktion damit, dass die Regelung eine Konkretisierung
des hypothetischen Fremdvergleiches darstelle, ein solcher Fremdvergleich aber tatsächlich nicht stattfände, weil es sich nur um einen hypothetischen handele.894 Das
wäre im Grunde ein gesetzlicher Zirkelschluss. Gegen eine solche Reduktion könnte
neben dem Wortlaut des Gesetzes die Absicht des Gesetzgebers sprechen, Miss-
891 Jahndorf, FR 2008, 101 (107).
892 Piltz, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen, S. 97, 98; Bödefeld/Kuntschik, in:
Blumenberg/Benz, UntStReform 2008, 240 (248), 2. Abwandlung zu Beispiel 2.
893 Bödefeld/Kuntschik, in: Blumenberg/Benz, UntStReform 2008, 240 (250).
894 Bödefeld/Kuntschik, in: Blumenberg/Benz, UntStReform 2008, 240 (250).
331
bräuche zu vermeiden. Durch die Vorschrift des § 1 I 2 AStG soll sichergestellt
werden, dass die ermittelten Fremdvergleichspreise insbesondere auch beim hypothetischen Fremdvergleich dem nahe kommen, was fremde Dritte tatsächlich vereinbart hätten. Jedoch ist der Wortlaut eines Gesetzes nicht entscheidend. Auch kann
die Gesetzesbegründung kann nur ein Hilfsmittel für die Auslegung sein. Entscheidend ist letztendlich der Sinn und Zweck einer Vorschrift. Relevant ist hier vor allem, dass das Zusammenspiel der Vorschriften in Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 S. 5 dazu
dienen soll, einen „fairen“ Verrechnungspreis in den Fällen zu finden, in denen
keine Vergleichswerte vorliegen und deshalb der Fremdvergleichsgrundsatz nur
durch „Nachdenken“ umgesetzt werden kann. Deshalb ist eine Reduktion für die
Fälle geboten, in dem eine wörtliche Anwendung des § 1 I 2 AStG zu Ergebnissen
führen würden, die gerade nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen. Es erscheint auch wenig wahrscheinlich, dass sich international ein Maßstab durchsetzen
wird, der diese Gesichtspunkte nicht berücksichtigt.
Es bleibt also im Ergebnis festzuhalten, dass, so unbefriedigend die Grundsätze des
hypothetischen Fremdvergleichs insbesondere für eine Funktionsverlagerung erscheinen mögen, ein anderer Ansatz kaum denkbar ist. Es wird deshalb auch kaum
möglich sein, auf den Maßstab des § 1 I 2 AStG zu verzichten. Jedoch sollte das Zusammenspiel der § 1 III 9 und 5 AStG mit § 1 I 2 AStG so ausgelegt werden, dass in
den Fällen, in denen das Ergebnis nicht dem Fremdvergleich entspricht, auf die Voraussetzung verzichten wird, dass die beteiligten Geschäftsführer alle wesentlichen
Umstände der Geschäftsbeziehung kennen und sie entsprechend teleologisch reduziert wird.
2. Definition des Gewinnpotenzials
a) Definition im Gesetz
Der Gesetzgeber hat auch hier die an den bereits geschilderten Stellen mit einer
Klammerdefinition gearbeitet. Die Definition lautet wie folgt:
§ 1 III 6, 2. Hs. AStG:
6…; der Einigungsbereich wird von den jeweiligen Gewinnerwartungen (Gewinnpotenzialen) bestimmt.
Diese Legaldefinition besagt also bei einer wörtlichen Auslegung, dass Gewinnpotenziale die jeweiligen Gewinnerwartungen sind. Auch in Bezug auf diese Klammerdefinition muss der Gesetzgeber sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie völlig untauglich ist. Denn es ist hier im Grunde nichts anderes passiert, als dass der
Begriff Gewinnerwartung durch den Begriff Gewinnpotenzial ersetzt wird. Darin
steckt aber überhaupt kein Gewinn. Der Gesetzgeber hätte genauso gut auf diesen
Begriff verzichten können. Die gesetzliche Regelung ist nur insoweit hilfreich, dass
332
sie zum einen festlegt, dass auch bei einer Funktionsverlagerung ein Einigungsbereich zu ermitteln ist. Das ist auch denklogisch richtig, denn wenn bei einem einzelnen Wirtschaftsgut bei der Ermittlung nach einem hypothetischen Fremdvergleich
ein Einigungsbereich festzulegen ist, dies erst recht für die Bewertung eines Gesamtpaketes gelten. Zur Anordnung eines Einigungsbereiches hätte es aber nur des
ersten und nicht auch des zweiten Halbsatzes des § 1 III 6 AStG bedurft. Außerdem
macht das Gesetz deutlich, dass es auf die Gewinnerwartungen beider Geschäftsleiter ankommt und nicht nur auf die des Geschäftsleiters des abgebenden oder die des
aufnehmenden Unternehmens. Insoweit macht der Gesetzgeber zumindest deutlich,
in welche Richtung er gehen will. Das geschieht jedoch bereits in § 1 I 2 AStG.
Auch dafür hätte es des § 1 III 6, 2. HS AStG nicht bedurft. Die einzige, allerdings
tatsächlich relevante Aussage des § 1 III 6, 2. HS AStG besteht durch den Verweis
auf die Gewinnerwartungen darin, dass der Gesetzgeber eine dynamische und keine
statische Gewinnberechnung erwartet. Das ist als abstrakte Aussage auch zu begrü-
ßen. Dafür hätte es aber der Einführung des Begriffs des Gewinnpotentials nicht bedurft. Der Begriff der Gewinnerwartungen hätte völlig ausgereicht. Deshalb ist die
Definition des Gewinnpotenzials als reiner Ersatzbegriff für den Begriff Gewinnerwartungen als völlig missglückt zu bezeichnen.
Der Verordnungsgeber hat dies zumindest insoweit zu verbessern versucht, als er in
der Funktionsverlagerungsverordnung eine nähere Definition unternommen hat.
b) Definition in der FVerlV
Die FVerlV enthält die folgende Definition für Gewinnpotenziale:
§ 1 IV FVerlV
Gewinnpotenziale i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 6 des Außensteuergesetzes sind die aus
der verlagerten Funktion jeweils zu erwartenden Reingewinne nach Steuern
(Barwert), auf die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter i.S.d. § 1
Abs. 1 Satz 2 des Außensteuergesetzes aus der Sicht des verlagernden Unternehmens nicht unentgeltlich verzichten würde und für die ein solcher Geschäftsleiter aus der Sicht des übernehmenden Unternehmens bereit wäre, ein
Entgelt zu zahlen.
Auffallend ist zunächst, dass die Definition für alle Fälle des § 1 III 6 AStG i.V.m.
§ 1 III 5 AStG gelten soll. Die FVerlV regelt aber nur einen speziellen Anwendungsbereich. Deshalb sollte hier ein Terminus „… sind für Zwecke der Anwendung
des § 1 III 9 AStG die …“ aufgenommen werden. Auffallend ist auch, dass der Begriff des Gewinnpotentials noch einmal in § 3 I FVerlV in Form einer Klammernennung gebraucht wird, dort aber in einem ganz anderen Zusammenhang. Damit stellt
sich an sich die Frage, ob der Verordnungsgeber zwei unterschiedliche Definitionen
333
beabsichtigt hat. Das dürfte zu verneinen sein. Es ist daher davon auszugehen, dass
die Klammernennung in § 3 I FVerlV keine Definition sein soll.
Die Vorschrift des § 1 IV FVerlV lässt sich um einiges reduzieren. Der Kern der
Vorschrift besteht aus dem Satz „Gewinnpotenziale sind jeweils zu erwartende
Reingewinne nach Steuern (Barwert)“. Der Rest ist im Grunde schmückendes Beiwerk, der sich bereits aus dem Gesetz dadurch ergibt, dass dort von dem Einigungsbereich der jeweiligen Gewinnerwartungen gesprochen wird. Dadurch ist bereits
deutlich gemacht, dass die Sichtweisen des abgebenden und des aufnehmenden Geschäftsleiters in Form einer dynamischen Berechnung zu berücksichtigen sind. Das
bedeutet, dass eine Definition des Begriffs Gewinnpotenzials bereits vollständig im
Gesetz hätte vorgenommen werden können, wenn die Aussage des Verordnungsgebers richtig ist. Wäre die Aussage in § 1 IV FVerlV richtig, könnte § 1 III 6, 2. HS
lauten: „6... der Einigungsbereich wird von den jeweiligen Gewinnerwartungen bestimmt, die sich nach den jeweils zu erwartenden Reingewinnen nach Steuern (Barwert) bemessen.“
Es ist allerdings fraglich, ob diese Definition sachlich richtig wäre. Denn es stellt
sich die Frage, was der Verordnungsgeber mit seiner Definition gemeint hat. Er hat
einen weiteren Begriff eingeführt, nämlich den Barwert, den er mit Reingewinnen
nach Steuern definiert. Es ist zu untersuchen, ob diese Definition juristisch und betriebswirtschaftlich Sinn macht.
aa) Definition des Gewinnpotentials
Die Definition der Gewinnpotenziale gemäß § 1 VI FVerlV mit der Formulierung
„jeweils zu erwartenden Reingewinne nach Steuern (Barwert)“; enthält fünf Elemente. Dies sind
- „jeweils“: Damit kommt zum Ausdruck, dass die Sicht von beiden beteiligten
Geschäftsleitern zu berücksichtigen ist.
- „zu erwartenden“: Dieses Element dient dazu, die dynamische Wertermittlung
zu implementieren. Es soll nicht nur auf den Verlagerungszeitpunkt abgestellt
werden, sondern auf die Möglichkeiten, die mit der verlagerten Funktion in der
Zukunft machbar sind.
- „Reingewinne“: Dieses Element soll offensichtlich als Bewertungsmaßstab dienen.
- „Nach Steuern“: Dieses Element soll erstens dazu dienen, festzulegen, ob eine
Brutto- oder Nettoberechnung vorzunehmen ist, und zweitens, dass die
ausländischen Steuern nicht berücksichtigt werden sollen.
- „Barwert“: Der Sinn dieses Elementes ist auf den ersten Blick zumindest als
Klammerdefinition an dieser Stelle nicht verständlich und soll näher untersucht
werden.
334
Über den Sinn der Abstellung auf die beiden beteiligten Geschäftsleiter ist bereits
ausführlich eingegangen worden. Es sollen nun die einzelnen Begriffe untersucht
werden.
(1) Reingewinne
Zunächst soll untersucht werden, wo der Begriff in Rechtsquellen zu finden ist und
ob die dortigen Verwendungen für die Funktionsverlagerung brauchbar sind. Sodann
wird die Rechtssprechung und Literatur analysiert.
(a) Gesetzliche Verwendung
Der Begriff des Reingewinns ist in mehreren Rechtsquellen definiert.895 In den entscheidenden Gesetzen, also dem HGB und dem GmbHG sowie im EStG, sind entsprechende Erwähnungen des Begriffs jedoch nicht zu finden. Zu den Begriff verwendenden Gesetzen gehören insbesondere § 27 DBBG896 und § 64 AO. Der § 27
DBBG definiert jedoch nicht den Begriff, sondern legt nur die Verwendung desselben fest. Er setzt also eine Definition immanent voraus. Dasselbe gilt für § 64 V AO,
der für Überschüsse aus der Verwertung bestimmte Materialien eine Schätzung „in
Höhe des branchenüblichen Reingewinns“ vorsieht. Auch dort wird der Begriff nicht
näher definiert, sondern seine Definition vorausgesetzt. Auch das Gesetz über die
Kreditanstalt für Wiederaufbau enthält einen § 10, der sogar die Überschrift Reingewinn trägt. Aber auch dort wird die Definition des Reingewinns vorausgesetzt.
Ein Blick in diverse deutsche Gesetze hilft also nicht weiter.
(b) Verwendung in Verwaltungsanweisungen
Auch der nächste Schritt bei der Suche durch einen Blick in Verwaltungsvorschriften hilft nicht weiter. In H 37 EStH 1999 wird der Begriff unter dem Stichwort
„Haftungslose Darlehen“ erwähnt. Aber auch dort wird er nur als Bezugsgröße verwendet, aber nicht definiert. Auch der AEAO zu § 64 Abs. 5 Nr. 27 enthält nur den
Begriff, ohne ihn zu definieren. Die Richtsatzsammlung 2006897 erwähnt den Begriff
des Reingewinns an mehreren Stellen, ohne ihn zu erläutern.
Definiert ist der Begriff des Reingewinns in der Betriebsprüfungskartei.898 Dort ist
der wirtschaftliche Reingewinn als der wirtschaftliche Halbreingewinn abzüglich der
895 Eine Recherche in Haufe Steuer-Office Professional, Stand Januar 2008, ergab eine Trefferquote von 453 Dokumenten; davon waren 8 Rechtsquellen. Eine Recherche bei Juris Online
am 04.06.2008 ergab eine Trefferzahl von 64 Rechtsquellen.
896 Gesetz über die Deutsche Bundesbank vom 26. Juli 1957 (BGBl. I 1957, S. 745).
897 BMF-Schreiben vom 16.08.2007, IV A 7 – S. 1544/0, zu § 37 BpO (HaufeIndex 1799995).
898 Betriebsprüfungskartei, gegründet von den Oberfinanzdirektionen Köln, Düsseldorf und
Münster, 14. Auflage 2003, Stand: 252. Erg.-Lfg. April 2008.
335
in ihm noch nicht berücksichtigten Betriebsausgaben bestimmt.899 Der wirtschaftliche Halbreingewinn wiederum ist ebenfalls dort definiert.900 Außerdem ist der Reingewinnsatz als die Verhältniszahl des wirtschaftlichen Reingewinns zum wirtschaftlichen Umsatz festgelegt.901 Damit liegt ein erster konkreter Anhaltspunkt für eine
Definition vor.
(c) Verwendung in der Rechtssprechung
Der BFH unterscheidet zwischen den Begriffen Jahresüberschuss, Jahresgewinn,
Gewinn und Reingewinn,902 ohne die einzelnen Begriffe zu definieren. Sodann hat
der BFH den Begriff noch in einem Beschluss erwähnt,903 ohne ihn auch dort zu
erläutern. Soweit ersichtlich, hat der BFH den Begriff ansonsten nicht verwendet.
Auch in Entscheidungen der Finanzgerichte wird der Begriff gebraucht, ohne dass
dort allerdings eine Definition zu finden ist.904
899 BP-Kartei, Teil 2, Begriffe, BdF-Schreiben v. 11.11.1974, IV E 7 – S. 1401 – 25/74,
Zusammenstellung der in der steuerlichen Betriebsprüfung zu verwendenden Begriffe, unter
Nr. I 19.
900 In der Nr. 17 heißt es: Der wirtschaftliche Halbreingewinn ist a) bei Handelsbetrieben der
wirtschaftliche Rohgewinn abzüglich der in ihm noch nicht berücksichtigten, auf den Rechnungsabschnitt entfallenden Betriebsausgaben mit Ausnahme der Gehälter, Löhne, Aufwendungen für eigene oder gemietete gewerbliche Räume und der Gewerbesteuer, b) bei Fertigungsbetrieben der wirtschaftliche Rohgewinn abzüglich der in ihm noch nicht berücksichtigten, auf den Rechnungsabschnitt entfallenden Betriebsausgaben mit Ausnahme der Gehälter und Löhne, die nicht in der Fertigung anfallen, der Mieten und der Gewerbesteuer. Zu
den in a) und b) genannten Betriebsausgaben gehören nicht die darauf beruhenden
abziehbaren Vorsteuern.
901 In der Textziffer 20. Dort wird die folgende Formel genannt: (wirtschaftlicher Reingewinn
x 100) / wirtschaftlicher Umsatz = Reingewinnsatz in v.H.
902 BFH-Urteil vom 18.09.2007, I R 73/06, BStBl II 2008, 314; ebenso bereits als Vorinstanz
FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 09.08.2006, 1 K 296/03, DStRE 2007, 224,
welches in Rückgriff auf das BFH-Urteil v. 25.04.1990, I R 59/89, BFH/NV 1991, 269
bezogen auf eine Tantiemezahlung urteilte, dass, wenn sich die Tantiemenzahlung nach den
vertraglich nicht näher definierten Begriffen „Jahresgewinn”, „Gewinn” oder „Reingewinn”
bemesse, entsprechend § 86 Aktiengesetz - AktG - a. F. der handelsrechtliche
Jahresüberschuss vermindert um den Verlustvortrag aus dem Vorjahr und um die Beträge,
die nach dem Gesetz oder der Satzung aus den Jahresüberschüssen in offene Rücklagen
einzustellen sind, maßgebend sei.
903 BFH-Beschluss vom 22.05.2007, X B 143/06, BFH/MV 2007, 1692.
904 Vgl. FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 09.08.2006, 1 K 296/03, DStRE 2007, 224;
FG Köln, Urteil v. 09.11.2006, 10 K 1185/04, gefunden nur bei Haufe, Haufe-Index
1906748, Revision eingelegt, Aktenzeichen des BFH: III R 79/07; FG Baden-Württemberg,
Beschluss v. 26.10.2006, 3 V 32/05, FR 2007, 198; FG Hamburg, Urteil vom 13.09.2006, 6
K 374/03, EFG 2007, 613.
336
(d) Verwendung in der Literatur
In der Literatur findet man die folgenden Ansätze. Nähert man sich dem Begriff auf
einfache Weise durch eine Recherche bei Wikipedia.de,905 findet man die folgenden
Erklärungen: „Der Jahresüberschuss eines betreffenden Geschäftsjahres errechnet
sich ... als Erträge abzüglich der Aufwendungen.“906 „Der Jahresüberschuss ist Ausgangspunkt für die Verwendung des Gewinns und wird auch als Reingewinn bezeichnet.“907 Die Begriffe Jahresüberschuss und Reingewinn werden hier also synonym verwandt.
In betriebswirtschaftlichen Nachschlagewerken finden sich die folgenden Erläuterungen: „Reingewinn: das positive Ergebnis des Geschäftsjahres aus der Summe der
Erträge abzüglich der Summe der Aufwendungen. … Ausweis des Reingewinns: 1.
Bei Einzelfirmen und Personengesellschaften: a) in der GuV als Sollsaldo; b) in der
Bilanz auf den Kapitalkonten …. 2. Bei Kapitalgesellschaften: nach dem neuen Aktiengesetz der Jahresüberschuss in der GuV.“908 Zumindest in Bezug auf Kapitalgesellschaften stimmt diese Definition mit der bei Wikipedia veröffentlichen
Erläuterung überein. Zu finden ist auch die Definition: „Reingewinn: Das positive
Ergebnis … eines Geschäftsjahres einer Bank. Ergibt sich als Summe der Erträge
abzgl. der Summe der Aufwendungen bzw. bei Banken, die Kapitalgesellschaften …
sind, aus dem Jahresabschluss als positives Ergebnis der Summe Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag +/- Gewinnvortrag/Verlustvortrag aus dem Vorjahr.“909
Diese Definition stimmt wiederum nicht mit den vorherigen ein, da sie den Gewinn-
/Verlustvortrag mit einbezieht.
(e) Kritische Würdigung
Bei einem Zwischenfazit fällt auf, dass der Begriff des Reingewinns bisher nicht
einheitlich definiert ist. Des Weiteren ist festzustellen, dass er entweder dem Jahres-
überschuss gleichgesetzt ist oder diesem relativ nah beigeordnet ist. In der steuerrechtlichen Literatur ist auch vorgeschlagen worden, den Jahresüberschuss gem.
§ 275 HGB als Bezugsgröße zu verwenden.910
905 Es mag bedenklich erscheinen, für eine Dissertation bei www.wikipedia.de zu recherchieren
und dies dann auch zu zitieren. Jedoch gibt es kaum ein anderes Medium, in dem man so
schnell fündig wird wie dort, wenn man zu einem bisher nicht bekannten Begriff etwas recherchieren will. Daher erscheint es dem Verfasser auch gerechtfertigt, dieses mittlerweile in
einer Dissertation zu erwähnen.
906 Wikipedia, Stichwort Jahresüberschuss, 1. Berechnung,
http://de.wikipedia.org./wiki/jahres%C3%BCberschuss, recherchiert am 04.06.2008.
907 Wikipedia, Stichwort Jahresüberschuss, 2. Bedeutung, die Internetadresse lautet:
http://de.wikipedia.org./wiki/jahres%C3%BCberschuss, recherchiert am 04.06.2008.
908 Gablers Wirtschaftslexikon, S. 990.
909 Büschgen, Bank-Lexikon, S. 1078.
910 Kroppen/Rasch, IWB 2008, 547 (550) (= F. 3, Gr. 1, 2339 (2343).
337
Es stellt sich jedoch die Frage, ob eine solche Bedeutungsgebung sowohl den betriebswirtschaftlichen Zielen als auch der Begrifflichkeit der FVerlV gerecht wird.
Bezüglich der Verwirklichung der wirtschaftlichen Ziele der FVerlV bleibt es der
betrieblichen Steuerlehre überlassen zu untersuchen, ob eine Gleichsetzung des Begriffs „Reingewinne“ in der FVerlV mit dem des „Jahresüberschusses“ betriebwirtschaftlich sinnvoll ist. Es sollen hier nur einige Anmerkungen gemacht werden. Eine
Gleichsetzung würde bedeuten, dass der Reingewinn nur das Ergebnis der Handelsbilanz gemäß den handelsrechtlichen Vorschriften wäre. Steuerliche Korrekturen
gem. § 60 II EStBV blieben außen vor. Außerdem würden die außerbilanziellen Zuund Abrechnungen dort nicht enthalten sein. Dies hätte wiederum zur Folge, dass
z.B. verdeckte Gewinnausschüttungen nicht berücksichtigt werden würden. Das
hätte wiederum zur Konsequenz, dass die Größe der Reingewinne bei Funktionsverlagerungen durch eventuell anzunehmende oder dargelegte verdeckte Gewinnausschüttungen beeinflusst werden könnten. Das hätte wiederum zur Folge, dass der
Wert der Funktion nach unten gedrückt werden könnte. Es würden also Gestaltungsspielräume für die Bewertung der Funktion eröffnet. Dies ist aber sicher weder im
Sinne des Gesetz- noch im Sinne des Verordnungsgebers. Daher ist zumindest dar-
über nachzudenken, ob der Begriff der Reingewinne nicht dahingehend auszulegen
ist, dass er steuerlich mit dem Begriff der Einkunft gleichzusetzen ist. Das könnte
den Zielen der FVerlV eher entsprechen.
Aus rechtswissenschaftlicher Sicht ist jedenfalls anzumerken, dass der Verordnungsgeber dies nicht klargestellt hat. Wenn er den Begriff der Reingewinne verwendet, ohne dass es zu diesem Begriff eine eindeutige Meinung gibt, auf die sich
alle Rechtsanwender beziehen können, wäre es unbedingt notwendig, entweder diesen Begriff zu vermeiden oder ihn in der Verordnung näher zu definieren. Eine
Auslegung in einem BMF-Schreiben reicht dazu nicht aus. Die Rechtsprechung ist
an einen solchen Verwaltungserlass nicht gebunden. Deshalb könnte es dazu kommen, dass dieser Begriff im Nachhinein anders ausgelegt wird, als es der Verordnungsgeber beabsichtigt hat.
Bei der Auslegung des Begriffes ist außerdem die Konnexität zu dem vorangestellten Begriff der „zu erwartenden“ Reingewinne zu berücksichtigen. Denn der
Begriff des Reingewinns ist statisch. Er bezieht sich, wie immer man ihn auch
auslegen will, auf ein Ergebnis eines Wirtschaftsjahres. Durch den davor gestellten Begriff der „zu erwartenden“ Reingewinne verdeutlicht der Verordnungsgeber, dass es ihm nicht nur auf das Ergebnis eines Jahres, sondern auf das
Ergebnis mehrerer Jahre ankommt. Damit sollte wohl ausgedrückt werden, dass
die Gewinnpotenziale im Wege eines Ertragswertverfahrens berechnet werden
sollen. Dies steht jedoch dort nicht. Bei einer wörtlichen Auslegung bedeuten
die „zu erwartenden Reingewinne“ eine Addition der einzelnen Jahresergebnisse. Das wollte der Verordnungsgeber aber gerade nicht. Wie noch zu zeigen
sein wird, kommt ein Ertragswertverfahren zu einem ganz anderen Ergebnis,
weil es sich nicht um eine reine Addition einzelner Werte handelt, sondern weil
338
dort auch noch eine Diskontierung vorgenommen wird. Gerade auch aus diesem
Grund ist die Begrifflichkeit in der FVerlV zu kritisieren.
Festzuhalten bleibt, dass sowohl die Art der Verwendung des Begriffs des „Reingewinns“ als auch die Zusammensetzung zum Begriff „zu erwartenden Reingewinne“
für die Betriebsprüfungspraxis nicht sehr hilfreich ist, insbesondere weil sich das
Ziel des Verordnungsgebers nicht in der Verordnung ausdrückt.. Um das beabsichtigte Ergebnis des Verordnungsgebers zu erreichen, bedarf es einer Interpretation,
die über den Wortlaut der Verordnung hinausgeht und den Sinn und Zweck einschließt. Nach hier vertretener Auffassung gelangt allerdings eine entsprechende
Auslegung dahin, dass der Verordnungsgeber mit dem zusammengesetzten Begriff
„der zu erwartenden Reingewinne“ deutlich machen wollte, dass er die Gewinnpotenziale (= Gewinnerwartung) der verlagerten Funktion im Wege eines Ertragswertverfahrens berechnet haben will, wobei die Bezugsgröße undeutlich bleibt. Zu befürchten ist aber, dass der BFH eine Bezugsgröße an- und eine Auslegung der Begriffe vornimmt, die dem Willen des Bundesfinanzministeriums als Verordnungsgeber nicht entspricht.
(2) Nach Steuern
In der FVerlV heißt es nur, dass die Gewinnpotenziale die zu erwartenden Reingewinne nach Steuern sein sollen. Es wird nicht gesagt, welche Steuern damit gemeint
sind. Dies wird in der Literatur kritisiert.911 In Betracht kommen zwei Problemfelder, die Einbeziehung der Umsatzsteuer und die Berücksichtigung ausländischer
Steuern.
(a) Umsatzsteuer
Der Kritik ist insbesondere im Hinblick auf die Umsatzsteuer zuzustimmen. Denn
während nach hier vertretener Auffassung davon auszugehen ist, dass der Terminus
„nach Steuern“ im Sinn der in Betracht kommenden Ertragsteuern auszulegen ist,
die sich in den betriebswirtschaftlichen Größen EBITDA, EBIT und EBT wieder
finden,912 wird die Umsatzsteuer anscheinend gar nicht Betracht gezogen worden. Es
wäre sinnvoll gewesen, wie in der Betriebsprüfungs-Kartei bei der Definition des
911 Oestreicher/Hundeshagen, DB 2008, 1693 (1700) merken dazu abschließend an, „dass es im
Sinne der Rechtsklarheit und des Rechtsfriedens schön wäre, wenn auch gesagt wird, welche
Steuern in das Kalkül eingehen und auch im Kapitalisierungsgrundsatz ihren Niederschlag
finden sollen“.
912 Diese Größen beziehen sich allerdings auf Werte, die vor dem Steuerabzug ermittelt werden,
also Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Solidaritätszuschlag.
339
wirtschaftlichen Reingewinns eine entsprechende Regelung aufzunehmen.913 Die
FVerlV ist dahin zu verstehen, dass hier eine Nettogröße gemeint ist, dass also die
Vorsteuern bereits abgezogen sind. Ein fremder Dritter würde auch auf die Belastung schauen, die er tatsächlich zu tragen hat. Da er mit der Umsatzsteuer nicht belastet ist, würde er dort auch eine Nettogröße ansetzen.
(b) Ausländische Steuern
Es werden bei der Ermittlung des Einigungsbereichs auch die Gewinnerwartungen
des ausländischen beteiligten Unternehmens miteinbezogen. Im Ausland können
ganz andere Steuern relevant sein als im Inland. Wenn im Ausland auf einbehaltene
Gewinne andere Steuersätze als auf ausgeschüttete Gewinne angesetzt werden, stellt
sich zum Beispiel die Frage, ob bei der Berechnung der Gewinnerwartung im Ausland von einer Vollthesaurierung, einer Vollausschüttung oder einem anderen Wert,
z.B. dem Mittelwert, ausgegangen werden soll. Daher wäre auch dahingehend eine
Präzisierung in der FVerV wünschenswert, welche ausländischen Steuern in die Berechnung einbezogen bzw. außen vor gelassen werden sollen.
(c) Art der Steuern
Es wird in der FVerlV des Weiteren nicht deutlich, welche Arten von Steuern gemeint sind. Es ist dabei danach zu differenzieren, ob es sich bei den betroffenen
Unternehmen um Kapitalgesellschaften oder Personenunternehmen handelt.
(aa) Kapitalgesellschaften
Bei Kapitalgesellschaften ist festzulegen, ob nur die Steuern auf Unternehmensebene oder auch die Steuern auf Anteilseignerebene erfasst werden sollen. In der
Literatur wird kritisiert, dass dies unklar geblieben ist.914 Die Verwaltung würde
einerseits auf den IDW-S 1 rekurrieren. Dies sei aber problematisch, da dieser auf
die Anteilseignersicht abstelle. Das erfordere eine Annahme über den Wohnsitz des
Anteilseigners und damit eine Entscheidung darüber, ob in- oder ausländische persönliche Einkommensteuern zu berücksichtigen seien. Außerdem stelle sich die
Frage nach der Typisierung der Steuern. Außerdem sei es international „sehr ungewöhnlich“, dass persönliche Einkommensteuern berücksichtigt würden. Dadurch
würde weiteres Potenzial geschaffen.915 Gleichwohl würde die Berücksichtigung der
Anteilseignerebene nicht nur dem IDW-S 1, sondern auch dem IDW-ES 5 entspre-
913 In der BP-Kartei heißt es in Teil 2 I Ziffer 17 zum wirtschaftlichen Halbreingewinn: „Zu den
in a) und b) genannten Betriebsausgaben gehören nicht die darauf ruhenden abziehbaren
Vorsteuern.“
914 Looks/Scholz, BB 2007, 2541 (2544, 2545).
915 Looks/Scholz, BB 2007, 2541 (2545).
340
chen. Ein solcher Schritt stände aber in Widerspruch zu den Rechnungslegungshinweisen IDW HFA RS 10 und IDW HFA RS 16, was dadurch begründet wäre, dass
keine Entscheidungswerte ermittelt würden, sondern Bilanzansätze und Werthaltigkeitsprüfungen zu bilanziellen Zwecken erfolgen sollten.916
Die Darstellung in der Literatur verdeutlicht, welche Schwierigkeiten es bei einem
Ansatz der Steuern aus Anteilseignerebenesicht geben würde. Es ist in der weiteren
Diskussion herauszufinden, ob dies sinnvoll ist. Jedenfalls ist es misslich und bedarf
der Klärung, ob die Steuern auf der Anteilseignerebene berücksichtigt werden sollen. Dies kann nicht allein durch ein BMF-Schreiben erfolgen. Es wäre daher sinnvoll, die FVerlV in diesem Punkt anzupassen.
(bb) Personengesellschaften
In der FVerlV finden sich auch keine Hinweise, wie mit den Steuern auf Anteilseignerebene bei Personengesellschaften umzugehen ist.
Beispiel:
Die AB-OHG mit Sitz in Münster, die jeweils zu 50 % A und B gehört, alleinige
Kommanditistin einer Kft. & Co. In Ungarn. Die Kft. sei mit 0 % beteiligt. Die AB-
OHG verlagert ihre Produktion (es soll sich um eine Funktion gem. § 1 I 1 FVerlV
handeln) auf die Kft. & Co. A habe einen konstanten Steuersatz von 34 %, B einen
konstanten Steuersatz von 28 %.
Die Voraussetzungen der § 1 II Nr. 1 und V AStG liegen vor. Es ist nicht zu ersehen, wie die unterschiedlichen Steuersätze in die Nachsteuerbetrachtungen bei der
Wertermittlung der „Reingewinne nach Steuern“ einfließen sollen.
(3) Zwischenergebnis
Damit sind die ersten vier Elemente der Definition der FVerV zu den Gewinnpotentialen als „jeweils zu erwartende Reingewinne nach Steuern (Barwert)“ erläutert,
ohne dass dies zu umfassend befriedigenden Ergebnissen geführt hätte. Immerhin
kann bis hierhin festgehalten werden, dass der Verordnungsgeber eine Ertragswertberechnung erreichen wollte, die sich auf eine feste Größe (Reingewinne) bezieht.
Zur Bestimmung dieser Größe trägt die FVerV nichts bei. Zu klären bleibt, wie das
bisher fehlende fünfte Element des Barwerts mit den anderen vier Elementen in Einklang zu bringen ist.
916 Looks/Scholz, BB 2007, 2541 (2545).
341
bb) Definition des Barwerts
Der Begriff des Barwerts ist in der FVerlV in Klammern gefasst. Wie zu den Begriffen Verrechnungspreis und Funktionsverlagerung bereits erläutert wurde, bedeutet
dies bei einem Gesetz eine Legaldefinition. Da eine Rechtsverordnung zwar keinen
formellen Gesetzesstatus aufweist, sie in der Wirkung einem Gesetz aber gleichkommt, weil sie eine abstrakt-generelle Regelung ist, auf die sich jeder berufen
kann, ist der Effekt einer Klammerdefinition dort dieselbe. Der Verordnungsgeber
hat sich damit darauf festgelegt, dass er den Barwert so definiert sehen will, wie er
in der Rechtsverordnung ausgewiesen ist. Dies bedeutet aber, dass die FVerlV Folgendes im Grunde aussagt:
Statt
„Gewinnpotenziale aus der Funktion sind die jeweils zu erwartenden Reingewinne
nach Steuern (Barwert)“
müsste es bei der Auflösung der Klammer heißen:
„Der Barwert einer Funktion sind die jeweils zu erwartenden Reingewinne nach
Steuern.
„Der Barwert ist die auf den Übertragungsstichtag abgezinste Summe der künftigen
„Reingewinne“.“
Dies entspricht aber genau der Definition der Gewinnpotenziale in § 1 VI FVerlV,
denn die Gewinnpotenziale sind die jeweils zu erwartenden Reingewinne nach Steuern. Damit liegt aber ein Zirkelschluss vor, bei dem die Gewinnpotenziale durch die
Reingewinne definiert sind, die aber gleichzeitig auch den Barwert definieren, der
wiederum zur Definition der Gewinnpotenziale beitragen soll. Das ergibt keinen
Sinn.
Da der Begriff des Barwertes mit einer wörtlichen Auslegung nicht zu fassen ist, bedarf es wie bei der Erfassung des Begriffs des Reingewinns einer Auslegung nach
Sinn und Zweck der Vorschrift. Zunächst soll dazu eine Definition gefunden werden, bevor diese so auf die FVerlV angewendet werden kann, dass deren Auslegung
zu diesem Begriff einen Sinn ergibt.
(1) Definition des Barwerts
Auch hier ist es sinnvoll, zunächst zu recherchieren, ob und wie der Begriff bisher
anderweitig erfasst und definiert ist.
342
(a) Gesetzliche Verwendung
Anders als beim Begriff des Reingewinns führt eine Suche in Rechtsnormen zu
einer außergewöhnlich hohen Trefferzahl.917 Anders als beim Begriff des Reingewinns findet sich auch in fast jedem bedeutenden Gesetz eine Erwähnung des Begriffs. Im BGB kommt er in § 1587 a III Nr. 2 vor,918 ohne dass der Begriff definiert wird. Immerhin enthält § 1587 a III Nr. 2 Satz 2 eine Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung.919 Die Barwert-VO selbst enthält jedoch auch keine
Definition des Barwerts, sondern setzt diese immanent voraus, wenn sie die Ermittlung des Barwerts festlegt, § 1 III i.V.m. § 2 - 5 Barwert-VO. Für die Ermittlung des Barwerts ist vereinfacht festzustellen, dass die Barwert-VO bestimmt,
dass ein Jahresbetrag mit einem Kapitalisierungsfaktor zu vervielfachen ist, der
sich aus Tabellen ergibt.
Im HGB findet sich der Begriff in zwei Vorschriften, nämlich in § 253920 und in
§ 341 f921 (Deckungsrückstellung). In § 253 I HGB ist der Barwert jedoch nur als
Bezugsgröße für Rentenverpflichtungen erwähnt, ohne dass er näher definiert
wird. In § 341 f. I HGB ist für Deckungsrückstellungen geregelt, dass sie vereinfacht in Höhe ihres versicherungsmathematisch errechneten Wertes nach Abzug
des versicherungsmathematisch ermittelten Barwerts der künftigen Beiträge zu
bilden sind (prospektive Methode). Auch hier wird der Barwert also nicht definiert, sondern nur zugrunde gelegt. Auch andere gesetzliche Vorschriften wie die
§§ 4, 10 und 30 i Betriebsrentengesetz, oder § 20 Lebenspartnerschaftsgesetz helfen nicht weiter.
Im EStG findet sich der Begriff nur in § 6 a III 2 Nr. 1 S. 1 und 2. Aber auch
dort wird der Begriff nicht näher definiert.922 Der Begriff ist auch noch mal in
§ 6 a IV 4 EStG erwähnt, ohne dass er auch dort erläutert wird. Das ErbStG erwähnt den Begriff in § 25 I 3, ohne ihn zu definieren. Das BewG erwähnt den
Begriff gar nicht.
917 Beim Stichwort Barwert und einer Recherche in den Rechtsquellen kommt bei Haufe Steuer-
Office Professional, Stand Januar 2008, ein Ergebnis von 203 Treffern zustande.
918 § 1587 a (Ausgleichsanspruch) regelt zusammen mit den anderen Vorschriften des Kapitel 2
(Wertausgleich von Anwartschaften oder Aussichten auf eine Versorgung) Ansprüche der
Ehegatten beim Versorgungsausgleich).
919 Verordnung zur Ermittlung des Barwerts einer auszugleichenden Versorgung nach § 1587 a
Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 4 des BGB (Barwert-VO) vom 24.06.1977 (BGBl. I 1977, 1014).
920 § 253 HGB bestimmt die Wertansätze der Vermögensgegenstände und Schulden.
921 § 341 f HGB behandelt Deckungsrückstellungen.
922 In § 6 a III 2 Nr. 1, S. 2 EStG heißt es nur: „Die Jahresbeiträge sind so zu bemessen, dass am
Beginn des Wirtschaftsjahres, in dem das Dienstverhältnis begonnen hat, ihr Barwert gleich
dem Barwert der künftigen Pensionsleistungen ist; ...“.
343
(b) Verwendung in Verwaltungserlassen
In den EStR 2005 findet sich der Begriff in vier Vorschriften.923 Dabei wird der
Begriff in R 4.5 IV zum Thema Leibrenten mehrmals gebraucht. Aber auch hier ist
er wieder nur eine Bezugsgröße für die Ermittlung bestimmter Werte. In R 6 a XI
12, XII 1 und 2, XIII und XXII EStR 2005 wird der Barwert nur erwähnt. Auch die
Hinweise in den Einkommensteuerrichtlinien helfen nicht weiter, obwohl dort der
Begriff an fünf Stellen erwähnt ist.924 Das gilt auch für die Wertermittlungsrichtlinien 2006, die zwar in Anlage 13 für den Verkehrswert des Erbbaugrundstücks eine
Berechnungsmethode zur Ermittlung des Barwerts des vertraglich und gesetzlich erzielbaren Erbbauzinses bereithalten, aber diesen nicht allgemein definieren. Auch
die internationalen Bilanzstandards enthalten keine Definition. Zwar erwähnt unter
anderem die IAS 26 1994 (versicherungsmathematischer Barwert der zugesagten
Versorgungsleistung) und IAS 37 1998 (Barwert) den Begriff, definieren ihn aber
auch nicht.
Es kann also zusammenfassend festgestellt werden, dass der Begriff an sehr vielen
Stellen in Gesetzen und in Richtlinien erwähnt wird. An keiner dieser Stellen ist er
jedoch in irgendeiner Form definiert. Er dient allein immer als Bezugsgröße für die
Ermittlung bestimmter Werte. Daher stellt sich die Frage, ob eine Definition in der
Rechtssprechung oder der Literatur zu finden ist.
(c) Verwendung in der Rechtssprechung
Der BFH hat den Begriff des Barwerts für die Wertermittlung von Leibrenten definiert. Danach ist der Barwert die auf den Bilanzstichtag abgezinste Summe der
künftigen Erfüllungsbeiträge.925 Deren Ermittlung richtet sich nach versicherungsmathematischen Grundsätzen.926 Das ist schon einmal ein Ansatz, mit dem etwas für
die Bestimmung des Barwerts einer verlagerten Funktion etwas gewonnen werden
könnte. Übertragen auf eine Funktion müsste die Definition lauten:
„Der Barwert ist die auf den Übertragungsstichtag abgezinste Summe der künftigen
„Reingewinne“.“927
923 R 4.5 (Einnahmen-Überschuss-Rechnung), R 6.2 (Anschaffungskosten), R 6 a (Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen) und in R 16 (Veräußerung des gewerblichen Betriebs).
924 H 6.10 (Rentenverpflichtungen) EStR 2005, H 21.2 (Werbungskosten), EStR EStH 2005, H
4.5 (4) (Fortfall der Rentenverpflichtung) EStH 2005, H 6.2 (Rentenverpflichtung), EStH
2005 und H 16 (11) (Ratenzahlung).
925 BFH-Urteil vom 27.01.1998, VIII R 64/96, BStBl II 1998, 537 unter Verweis auf Karrenbauer, in: Küting/Weber, Rechnungslegung, § 253 HGB Rz. 5.
926 BFH-Urteil vom 02.05.2001, VIII R 64/93, BFH/NV 2002, 10; BFH-Urteil vom 05.06.2002,
X R 1/00, BFH/NV 2002, 1438.
927 Der Begriff der „Reingewinne“ wird im Folgenden immer in Klammern gesetzt, weil aus
Sicht der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre noch zu erforschen ist, welcher Wert dafür an-
344
(d) Definition in der Literatur
In der Literatur sind die folgenden Definitionen zu finden. In der Kommentierung
zum BGB heißt es: „Der Barwert entspricht versicherungsmathematisch dem indirekt zu ermittelnden Deckungskapital und verkörpert den aktuellen Wert aller künftigen zu erwartenden Leistungen aus einem Anrecht.“.928 Übertragen auf eine Funktion käme dasselbe Ergebnis wie bei der soeben angesprochen BFH-Rechtssprechung heraus.
Als Definition sind in betriebswirtschaftlichen Nachschlagewerken die folgenden
Definitionen zu finden. In Gablers Wirtschaftslexikon heißt es: 929 „Barwert. 1.
Allgemein: Ablösungsbetrag für einen bestimmten Stichtag. Höhe des Barwerts
hängt entscheidend von Berechnungsgrundlagen ab. Je höher der Zinsfuß, desto
niedriger der Barwert. ...930. 3. In der Investitionsrechnung: Wert einer Zahlungsreihe im Bezugszeitpunkt (Wert nach Diskontierung).“931 Im Banklexikon lautet die
Erklärung: „Barwert: Heutiger Wert (Gegenwartswert, Kapitalwert) einer oder mehrerer künftiger anfallender Zahlungen; der Barwert dieser Zahlungen ergibt sich als
abgezinster Betrag, d.h. nicht Abzinsung (Diskontierung) auf dem in Frage kommenden Zeitpunkt. Das zugrunde liegende finanzmathematische Rechenverfahren,
die Zinseszinsrechnung.“932
Karrenbauer, auf den der BFH sich in einem seiner Urteile933 berufen hat, bezieht
sich seinerseits auf vorhergehende Literaturäußerungen934 und bezeichnet den Barwert für Rentenverpflichtungen als „die auf den Bilanzstichtag abgezinste Summe
der künftigen Erfüllungsbeiträge“.935 Der BFH hat diese Definition also wörtlich
übernommen.
zusetzen ist. Aus rechtswissenschaftlicher Sicht ist allein die Wahl einer feststehenden, gesetzlich definierten Größe entscheidend. Welche die richtige ist, sollte die Betriebswirtschaft
entscheiden.
928 Palandt/Brudermüller, § 1587 a, Rz. 87.
929 Gablers Wirtschaftslexikon, S. 106.
930 Unter 2. heißt es: „In der Zinseszinsrechnung wird das Anfangskapital (= abgezinstes
Endkapital) das, auf Zinseszins angelegt, nach einer bestimmten Zahl von Jahren einen bestimmten Betrag ergibt. Bei Multiplikation des Endkapitals mit dem Abzinsungsfaktor ergibt
sich der Barwert als das erforderliche Anfangskapital.“
931 Unter 4. heißt es: „In der Versicherung der Gegenwartswert einer Anwartschaft auf noch
nicht fällig gewordene Leistung, ergibt sich in der Lebensversicherung nicht nur aus der
Diskontierung der Versicherungsleistung, sondern auch unter Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts.“
932 Büschken, Banklexikon, S. 176.
933 BFH-Urteil vom 27.01.1998, VIII R 64/96, BStBl II 1998, 537.
934 Kropf, § 156 AktG, Rn. 31; HdR-E, HGB, 253 HGB, Rn. 102 ff.
935 Karrenbauer, in: Küting/Weber, Rechnungslegung, § 253 HGB Rz. 5.
345
Bei einer Zusammenfassung dieser Literaturbeiträge wird deutlich, dass es sich bei
dem Barwert um einen Ablösungsbetrag an einem bestimmten Stichtag handelt, der
den Wert einer Zahlungsreihe unter Zuhilfenahme einer Diskontierung auf den heutigen Stichtag abzinst. Führt man diese Gesichtspunkte mit der Definition des BFH
für den Barwert einer Rentenverpflichtung zusammen und überträgt diese auf den
Barwert einer Funktion, so lässt sich festhalten, dass das oben bereits angesprochene
Ergebnis zur Rechtsprechung richtig ist. Der Barwert einer Funktion zum Zeitpunkt
der Funktionsverlagerung ist die auf den Übertragungsstichtag abgezinste Summe
der künftigen „Reingewinne“.
(2) Kritische Würdigung
Das soeben gefundene Ergebnis erscheint grundsätzlich als sehr befriedigend.
Das Problem besteht allein darin, dass die FVerlV dies leider nicht so aussagt.
Denn es ist ein Unterschied, ob es heißt: „Der Barwert einer Funktion sind die
jeweils zu erwartenden Reingewinne nach Steuern“, oder ob es korrekt heißen
müsste: „Der Barwert einer Funktion bemisst sich nach der auf den Übertragungsstichtag abgezinsten Summe der künftigen „Reingewinne“.“ Denn während die Aussage in der Funktionsverlagerung eine Addition enthält, nämlich die
der jeweils zu erwartenden Reingewinne nach Steuern, enthält die Definition in
der Rechtsprechung und der Literatur eine Zinseszinsrechnung. Das ist aber ein
ganz wesentlicher Unterschied. Denn während eine Addition einfach eine Zusammenzählung statischer Werte ist, enthält die Zinseszinsberechnung das dynamische Element der Abzinsung.
Es ist allerdings davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber genau dies ausdrücken wollte. Allein eine solche Auslegung erscheint auch gerechtfertigt. Deshalb
sollte gegen den Wortlaut der Verordnung die Definition des Barwerts in § 1 IV
FVerlV so verstanden werden, wie sie hier dargestellt worden ist.
cc) Ergebnis
Der § 1 IV FVerlV müsste lauten:
§ 1 IV FVerlV
Die Gewinnpotenziale i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 6 des Außensteuergesetzes ergeben
sich für Zwecke der Anwendung des § 1 III 9 AStG aus dem Barwert der verlagerten Funktion. Der Barwert bemisst sich nach den jeweils zu erwartenden Jahresüberschüssen aus der Sicht des verlagernden und aus der des übernehmenden
Unternehmens.
346
3. Ermittlung des Gewinnpotentials
Nachdem nun geklärt ist, wie das Gewinnpotenzial zu definieren ist, ist als nächstes
festzustellen, wie das Gewinnpotenzial ermittelt wird. Da das Gewinnpotenzial wiederum als Barwert der Funktion zum Zeitpunkt der Verlagerung aus Sicht der beiden
beteiligten Unternehmen definiert ist, stellt sich nun die Frage, wie der Barwert zu
ermitteln ist. Dazu soll zunächst erläutert werden, wie der Verordnungsgeber sich
dies vorstellt (sogleich unter a)). Sodann soll dieser Ansatz einer kritischen Würdigung unterzogen werden (unter b)).
a) Wertermittlung laut der FVerlV
Die Ermittlung des Werts des Transferpaketes auf Grundlage der Gewinnpotenziale
und damit auf der Grundlage des Barwertes der Funktion, ist in Abschnitt 2 der
FVerlV geregelt. Es wird zunächst ein Überblick über die Regelungen gegeben, bevor sie im Detail untersucht werden.
aa) Überblick
Der Verordnungsgeber stellt sich die Berechnung des Barwertes bei einer Funktionsverlagerung, deren Verrechnungspreisbestimmung auf Basis eines hypothetischen Fremdvergleichs erfolgt, die Simulation eines Verhandlungsprozesses vor.
Denn der Barwert der Funktion soll aus der Sicht der beteiligten Unternehmen in
Übereinstimmung mit den Gewinnen stehen, die sie für die Zukunft aus der Funktion erwarten, § 3 I FVerlV. Es soll dabei darauf abgestellt werden, wie sich die beiden beteiligten Unternehmen jeweils die zukünftige Entwicklung der verlagerten
Funktion vorstellen. Dazu sollen sie jeweils eine Bilanz vor und nach der Funktionsverlagerung ausstellen. Es sollen also tatsächlich vier Bilanzen betrachtet werden. Außerdem ordnet der Verordnungsgeber ausdrücklich an, dass Standortvorteile
und –nachteile sowie auch die Synergieeffekte berücksichtigt werden, die das abgebende Unternehmen erwarten würde, wenn es die Funktion behält, sowie diejenigen,
die das aufnehmende Unternehmen erwartet. Das bedeutet aber bei einer Outbound-
Situation, dass ausdrücklich die ausländischen Standortvorteile und Synergieeffekte
in die Betrachtung der Gewinnpotenziale einbezogen werden sollen, § 3 II FVerlV.
Bei dieser Berechnung soll außerdem der Maßstab des § 1 I 2 AStG gelten, so dass
auch hier ausdrücklich angeordnet ist, dass die beteiligten Geschäftsleiter alle Umstände der Transaktion und der Funktion kennen. Neben den Gewinnerwartungen
sollen außerdem angemessene Kapitalisierungszinssätze und ein angemessener Kapitalisierungszeitraum zugrunde gelegt werden, § 3 II 3 FVerlV. Der Kapitalisierungszeitraum soll grundsätzlich unbegrenzt sein, wenn das Unternehmen keine anderen Umstände darlegt, § 6 FVerlV. Der Kapitalisierungszinssatz soll auf der Basis
eines Zinses für eine risikolose Investition erfolgen. Auf ihn soll dann ein Zuschlag
vorgenommen werden, der funktions- und risikoadäquat sein soll. Während jedoch
der Kapitalisierungszeitraum grundsätzlich unbegrenzt ist, soll der Kapitalisierungs-
347
zinssatz die Laufzeit der vergleichbaren risikolosen Investition mit derjenigen vergleichen, mit der die übernommene Funktion voraussichtlich ausgeübt wird, § 5 S. 2
FVerlV. Der Einigungsbereich bei diesem Simulationsprozess soll durch den Mindestpreis des abgebenden Unternehmens und dem Höchstpreis des aufnehmenden
Unternehmens bestimmt werden, § 7 FVerlV. Der Mindestpreis bestimmt sich dabei
nach der Minderung oder dem Wegfall des Gewinnpotenzials beim abgebenden
Unternehmen, wozu noch jedenfalls anfallende Schließungskosten addiert werden.
Umgekehrt ergibt sich der Höchstpreis des aufnehmenden Unternehmens dem von
ihm erwarteten Gewinnpotenzial in der Zukunft.
Außerdem enthält dieser Abschnitt etliche Sondervorschriften. So enthält § 4 in seinen drei Absätzen unterschiedliche Regelungen für verschiedene Konstellationen
der Funktionsverlagerung. § 7 FVerlV regelt außerdem bestimmte Sonderfälle, die
zum Beispiel Konstellationen betreffen, bei denen das abgebende Unternehmen aus
wirtschaftlichen oder sonstigen Gründen nicht mehr in der Lage ist, die Funktion
weiter auszuüben. Dazu gehören zum Beispiel auch die so genannten Verlustfälle.
Schließlich regelt § 8 noch die Anwendung von Schadenersatz- und Ausgleichsansprüchen auf die Berechnung des Transferpaketes.
bb) Aspekte bei der Wertermittlung der Gewinnpotenziale
Bei der Wertermittlung gemäß § 3 I und II, 5, 6 und 7 FVerlV sind die Aspekte der
geforderten doppelten Funktionsanalyse, die Einbeziehung der ausländischen Standortvorteile, die Bestimmung des Gewinnanteils der Funktion, der Kapitalisierungszinssatz und der -zeitraum zu analysieren.
(1) Doppelte Funktionsanalysen
Der Verordnungsgeber ordnet in § 3 II 1 FVerlV ausdrücklich eine doppelte Funktionsanalyse sowohl bei dem abgebenden als auch dem aufnehmenden Unternehmen
an. Es handelt sich hier also insgesamt um eine vierfache Funktionsanalyse, die vorzunehmen ist. Dieser Ansatz wird von der Literatur stark kritisiert. Als Argumente
werden angeführt, dass aus Sicht der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien und Art. 9
OECD-MA nur ein Ansatz ergebe, der allein die Sicht des Veräußerers berücksichtige.936 Des Weiteren wird kritisiert, dass diese Vorgehensweise einen kaum
vertretbaren Verwaltungsaufwand verursache.937 Außerdem werde nicht berücksichtigt, dass dem abgebenden Unternehmen aufgrund des Verlustes der Funktion auch
ein niedrigerer Gewinn zustehe als dem aufnehmenden Unternehmen.938 So sei es in
anderen Konstellationen auch üblich, dass das abgebende Unternehmen sogar ein
936 Kroppen/Rasch, IWB 2007, 547 (557) (= F. 3, Gr. 1, 2339 (2349)).
937 Greinert, in: Schaumburg/Rödder, UntStReform 2008, 541 (565).
938 Freytag, IWB 2007, 237 (241) (= F. 3, Gr. 1, 2193 (2197); Greinert, in: Schaumburg/Rödder,
UntStReform 2008, 541 (565).
348
Entgelt entrichten müsse, wenn es Risiken zum Beispiel an einen Versicherer abgebe. Es sei gerade nicht der Versicherer, der ein Entgelt für die Übernahme der Risiken zahlen müsse.939 Dieser Aspekt solle aber bei der Funktionsanalyse gemäß § 3
II 1 FVerlV berücksichtigt werden. Des Weiteren müsse die Funktionsanalyse berücksichtigen, dass nur derjenige Gewinn im Rahmen einer Funktionsverlagerung
besteuert werden könne, der den Funktionsgewinn der übertragenen Funktion übersteige.940 Dieser Kritik ist zuzugeben, dass eine doppelte Funktionsanalyse tatsächlich einen hohen Aufwand für die beteiligten Unternehmen erfordert.
Fraglich ist nur, ob die vorgeschlagene Alternative der Abstellung allein auf das abgebende Unternehmen gerechtfertigt wäre. Stimmte man diesem Ansatz zu, so
würde man die Grundfeste der Besteuerung der Funktionsverlagerung einreißen. Das
gesamte Besteuerungskonzept, nicht nur gemäß des neuen § 1 III 9 AStG, sondern
auch bereits das nach der alten Rechtslage, das allein auf § 1 AStG a.F. beruhte, berücksichtigt bei Funktionsverlagerungen immer die Sicht beider Geschäftsleiter.
Diese Geschäftsleiter können nur dann handeln, wenn sie eine doppelte Funktionsanalyse jeweils für sich vornehmen. Dadurch entsteht denklogisch eine vierfache
Funktionsanalyse. Das Grundkonzept beruht aber auf dem Fremdvergleichsgrundsatz. Fremde Dritte würden jedoch genau so vorgehen. Der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter eines abgebenden Unternehmens würde sich fragen, wie er
vor bzw. nach einer Veräußerung eines Unternehmensteils dastehen würde. Das kaufende Unternehmen würde genau dieselben Überlegungen anstellen. Deshalb entspricht der Ansatz der doppelten Funktionsanalyse dem Fremdvergleich. Daher ist
der Verweis auf die OECD-Richtlinien auch so nicht richtig. Denn diese stehen auch
unter der obersten Maxime des Dealing-arms-length’-principal. Nichts anderes
dürfte auch innerhalb von konzernverbundenen Unternehmen geschehen. Sei es nun
der Vorstand eines Mutterkonzerns, der eine Verlagerung eines Unternehmensteils
von einer Tochtergesellschaft auf die andere Tochtergesellschaft anordnet, oder
seien es zwei Geschäftsleiter, die innerhalb eines Konzerns einen Handel ausmachen, so werden in beiden Fällen alle Beteiligten sich überlegen, wie die beteiligten
Unternehmen vor und nach der Verlagerung wirtschaftlich dastehen. Deshalb ist der
Ansatz der doppelten Funktionsanalyse richtig.
(2) Einbeziehung der ausländischen Standortvorteile und Synergieeffekte
Es wird des Weiteren kritisiert, dass die ausländischen Synergieeffekte einbezogen
werden. Dies sei eine „Besitzstandabsicherung für alle jemals in Deutschland getä-
939 Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, 301 (308) (= F. 3, Gr. 1, 2201 (2208)); Greinert, in:
Schaumburg/Rödder, UntStReform 2008, 541 (565).
940 Baumhoff, in: Piltz/Schaumburg, Internationale Einkünfteabgrenzung, S. 73 (86 f.); Baumhoff/Bodenmüller, in: Grotherr, Internationale Steuerplanung, 345 (354); Ditz, DStR 2006,
1625 (1627).
349
tigten Investitionen und die daraus resultierenden Materialpositionen“.941 Zu kritisieren sei, dass es „nicht allein um die Realisierung entstandener stiller Reserven „im
Innern gehe, sondern dass dadurch auch zukünftige, im Ausland erst entstehende
Gewinne der deutschen Besteuerung unterworfen werden würden“.942 Die Bundesrepublik wolle damit einen Gewinn besteuern, der im Inland gar nicht entstanden sei
und auch gar nicht zu erzielen gewesen wäre.943 Deshalb habe Deutschland allein ein
Recht auf den kapitalisierten Gewinn, den das abgebende Unternehmen aus der Fortführung der Funktion erzielen könne.944 Akzeptabel sei allenfalls eine Art
„Gewinnaufschlag“, weil dadurch das abgebende Unternehmen einen Anreiz zur
Verlagerung hätte. Sodann würde ein fremder Dritter auch den Unternehmensteil,
der die Funktion darstellt, veräußern, wenn er dafür mehr erhielte, als er selbst im
Inland erzielen könne.945 Die Einbeziehung ausländischer Standortvorteile und
Synergieeffekte werde zu erheblichen Doppelbesteuerungsproblemen und Diskussion mit anderen Finanzverwaltungen führen, weil nach deren Argumentation die
Standortvorteile ihrer Staaten seien und deshalb dort die Besteuerungsgrundlage einschließen müssten.946 Daher handele es sich bei einem entsprechenden Ansatz nicht
um den Geschäftswert des inländischen Unternehmensteils, sondern um den Barwert
der ausländischen Funktionsausübung.947 Es gibt aber auch Stimmen in der Literatur, die das zumindest differenziert betrachten, indem zugestimmt wird, dass die
Beiträge der aufnehmenden Gesellschaft in die Preisbereitschaft eines potenziellen
Erwerbers eingehen können, allerdings gleichzeitig Zweifel angemeldet werden, ob
diese der Besteuerung im Inland unterliegen dürfen.948
Diese Kritikpunkte in der Literatur sind einerseits richtig und treffen andererseits
doch nicht den Kern des Problems. Dieser scheinbare Widerspruch löst sich auf,
wenn die Grundlagen der Besteuerung einer Funktionsverlagerung für den Fall betrachtet werden, dass die Verrechnungspreisbestimmung auf den hypothetischen
Fremdvergleich beruht. Bei einem hypothetischen Fremdvergleich ist zwangsläufig
auf die Sichtweise beider beteiligten Verhandlungspartner zurückzugreifen. Soll ein
Verkaufsprozess simuliert werden, sind die Erwartungen beider Geschäftsleiter einzubeziehen. Folglich sind insbesondere auch die Erwartungen des Geschäftsleiters
des aufnehmenden Unternehmens zu berücksichtigen. Das gilt unabhängig davon,
ob dieser sich zufällig im Inland oder im Ausland aufhält. Daher lässt es sich gar
nicht vermeiden, bei der Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs auch
dann auf die Sichtweise des aufnehmenden Unternehmens zurückzugreifen, wenn
sich dieses im Ausland befindet.
941 Rödder, ZHR 2007, 380 (402).
942 Hey, BB 2007, 1303 (1308).
943 Frotscher, FR 2008, 49 (53).
944 Frotscher, FR 2008, 49 (53).
945 Frotscher, FR 2008, 49 (54).
946 Kroppen/Rasch, IWB 2008, 547 (558) (= F. 3, Gr. 1, 2339 (2350)).
947 Kroppen/Rasch, IWB 2008, 547 (558) (= F. 3, Gr. 1, 2339 (2350)).
948 Oestreicher/Hundeshagen, DB 2008, 1637.
350
Deshalb ist der seitens des Gesetz- und des Verordnungsgebers gewählten Ansatzes
richtig, und diesem ist zuzustimmen. Dabei ist als Konsequenz in Kauf zu nehmen, dass
ausländische Standortvorteile in eine Ertragswertberechnung miteinbezogen werden. Es
ist auch zuzugeben, dass dies wahrscheinlich vermehrt Verständigungsverfahren auslösen wird. Darüber hinaus ist auch anzunehmen, dass etliche dieser Verständigungsverfahren erfolglos bleiben, so dass der Steuerpflichtige eine Doppelbesteuerung riskiert.
Die aufnehmenden Staaten werden voraussichtlich nicht alle bereit sein, die neue Regelung in Deutschland zu akzeptieren. Dies ist allerdings ein Risiko, was der Gesetzgeber
bewusst in Kauf genommen hat. Während die Bundesrepublik bei der Einführung von
Dokumentationspflichten die letzte der Industriestaaten war, die eine solche Regelung
eingeführt hat, so ist Deutschland nun bei der Einführung von Regelungen zur Besteuerung von Funktionsverlagerung die erste Industrienation, die entsprechende Regelungen
einführt. Das erscheint als fairer Ausgleich. Dieses Argument muss sich die Wirtschaft
und deren Berater entgegenhalten lassen. Der Verwaltungsaufwand für Dokumentationspflichten bei Verrechnungspreisen dürfte dabei wesentlich größer sein als der für die
Bestimmung von Verrechnungspreisen bei Funktionsverlagerungen. Daher erscheint das
Klagen der Betroffenen zwar verständlich, ist aber vor dem Hintergrund der Entwicklungen der letzten Jahrzehnte zu relativieren.
(3) Bestimmung des Gewinnanteils der Funktion
In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass es im Einzelfall Schwierigkeiten bei
der Bestimmung des Gewinnanteils der Funktion geben könne. Es sei nicht einfach,
Prognosen für einen isolierten Unternehmensteil abzugeben, der bisher Teil eines
größeren Ganzen war. Dieses Problem trete insbesondere bei der Verlagerung von
Teilfunktionen, die bisher integrierter Bestandteil einer Hauptfunktion waren, auf.949
Außerdem missachte der Ansatz der vierfachen Unternehmensbewertung, dass mit
der Abgabe einer Funktion einem Unternehmen auch ein niedrigerer Gewinn zustehe.950 Es könne nur derjenige Gewinn im Rahmen einer Funktionsverlagerung bezüglich des Transferpakets besteuert werden, der den Funktionsgewinn der übertragenen Funktion übersteige.951 Voraussetzung für die Besteuerung sei also, dass das
funktionsaufnehmende Unternehmen mit der ausgeübten Funktion einen Gewinn erreichen könne, der dem branchenüblichen Funktionsgewinn übersteige.952 Der branchenübliche Funktionsgewinn könne dabei u.a. mit Hilfe einer Datenbankanalyse
ermittelt werden.953 Begründet wird dies damit, dass aufgrund der Funktionsverlage-
949 Greinert, in: Schaumburg/Rödder, UntStReform 2008, 541 (564).
950 Freytag, IWB 2007, 237 (241) (= F. 3, Gr. 1, 2193 (2197)); Greinert, in: Schaumburg/
Rödder, UntStReform 2008, 541 (565).
951 Baumhoff, in: Piltz/Schaumburg, Internationale Einkünfteabgrenzung, S. 73 (86 f.); Ditz,
DStR 2006, 1625 (1627); Baumhoff/Bodenmüller, in: Grotherr, Internationale Steuerfahndung, 345 (354); Greinert, in: Schaumburg/Rödder, UntStReform 2008, 541 (566).
952 Baumhoff, in: Piltz/Schaumburg, Internationale Einkünfteabgrenzung, S. 73 (86 f.); Ditz,
DStR 2006, 1625 (1627).
953 Baumhoff, in: Piltz/Schaumburg, Internationale Einkünfteabgrenzung, S. 73 (86 f.).
351
rung eine Funktion im Inland nicht mehr ausgeübt werde und daher keinen Funktionsgewinn mehr erwirtschaften könne. Da der Funktionsgewinn idealerweise nur
eine Normalverzinsung des für die jeweilige Funktion investierten Kapitals widerspiegele, falle ein entsprechender Gewinn aus dem Kapitaleinsatz nach dem Wegfall
der Funktion entsprechend weg.954
Diesem Literaturansatz ist entgegen zu halten, dass eine solche Auslegung des Gesetzes contra legem wäre. Das Gesetz enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass es als
„Funktionsgewinn“ nur den Gewinn meine, der über einen branchenüblichen Funktionsgewinn hinausgehe. Eine solche Zweiteilung in einen „und einen zusätzlichen
Gewinn, der bei einer Funktionsverlagerung zu besteuern sei, ist nicht ersichtlich.
Im Übrigen entspricht dieser Ansatz auch nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz. Ein
fremder Dritter würde eine solche Unterscheidung auch nicht treffen. Der Geschäftsleiter des aufnehmenden Unternehmens stellt allein die Überlegung an, welche Gewinne er aus der Funktion in der Zukunft erzielen kann. Diesen Betrag diskontiert er und ermittelt damit seinen Höchstbetrag, bis zu dem er die Funktion erwerben könnte, ohne anschließend in eine Verlustzone zu gelangen. Es ist dabei zuzugeben, dass das dieser von ihm gedanklich anzusetzende Höchstpreis bei Null
liegt. Zu diesem Preis wäre er sicher nicht bereit, die Funktion zu übernehmen, weil
er dann tatsächlich keine Gegenleistung für die übernommenen Risiken erhalten
würde und gewinnlos wirtschaften müsste.955 Er würde von diesem Höchstpreis wiederum einen Abschlag vornehmen, weil er eine Funktion nur übernehmen würde,
wenn er daraus auch einen Gewinn erzielen würde. Das ist aber ein Problem des anzusetzenden Höchstpreises des Einigungsbereichs, der im Zusammenhang mit § 7
IV FVerlV zu diskutieren ist. Im Rahmen der Einigungsbereichermittlung würde der
Käufer daher zu einem Wert gelangen wollen, der nicht allzu weit vom Mittelwert
entfernt ist, weil er sonst kein gutes Geschäft machen würde. Für die Bestimmung
des Funktionsgewinns, der der Funktion inne wohnt, spielt das jedoch zunächst
keine Rolle. Daher ist eine Zweiteilung des Funktionsgewinns abzulehnen.
(4) Kapitalisierungszinssatz
Die Bestimmung des Kapitalisierungszinssatzes bereitet in der Praxis die größten
Schwierigkeiten und führt in der Betriebsprüfung zum größten Streitpunkt, denn der
Kapitalisierungszinssatz bestimmt den Faktor, der letztendlich den Wert der verlagerten Funktion ausmacht. § 5 I FVerlV sieht für die Bestimmung des Kapitalisierungszinssatzes einen Ansatz vor, bei dem der Zins für eine risikolose Investition die
Basis bildet, auf den ein funktions- und risikoadäquater Zuschlag auf zu addieren
ist.956 Aus der Formulierung soll hervorgehen, dass der Verordnungsgeber für die
954 Greinert, in: Schaumburg/Rödder, UntStReform 2008, 541 (566).
955 Darauf verweist Greinert, in: Schaumburg/Rödder, UntStReform 2008, 541 (566) zu Recht.
956 § 5 FVerlV lautet: „1Zur Bestimmung des jeweils angemessenen Kapitalisierungszinssatzes
ist unter Berücksichtigung der Steuerbelastung vom Zins für eine risikolose Investition aus-
352
Ermittlung des Zinssatzes Methoden vorsehen würde, die durch die Finanzwirtschaftslehre im Allgemeinen und der Unternehmensbewertungslehre im Besonderen
angewandt werden.957 Die Literatur geht dabei davon aus, dass der Zinssatz die beiden Komponenten in Basiszinssatz und Risikoaufschlag aufzuteilen sei und im Übrigen auf die Grundsätze der Unternehmensbewertung, insbesondere auf den IDW-
Standard,958 zurückgegriffen werden könne.959 Außerdem müsse wegen der Regelung des § 5 S. 3 FVerlV aufgrund der verschiedenartigen Risikoverteilung für das
verlagernde und das übernehmende Unternehmen ein unterschiedlicher Kapitalisierungszinssatz akzeptiert werden.960
Kritisiert wird, dass die Art und die Prämissen, aus denen die Bestandteile des Kalkulationszinssatzes abzuleiten sind, vom Verordnungsgeber nicht geregelt sind.961
Es stellt sich allerdings die Frage, ob es wirklich sinnvoll wäre, wenn der Verordnungsgeber einen Zinssatz vorgeben würde. Im Rahmen der Erbschaftsteuerreform
wird genau dies vorgeschlagen. Der neue § 11 II 3 BewG soll die Ermächtigung zum
Erlass einer Rechtsverordnung enthalten, die den bei Ertragswertermittlungen
anzuwendenden Kapitalisierungszinssatz und Einzelheiten für ein Ertragswertverfahren regeln. Dies soll die Anteilsbewertungsverordnung sein. Ob dieser Ansatz auf
Funktionsverlagerungen übertragen werden kann, ist noch zu diskutieren.962
(5) Kapitalisierungszeitraum
Laut § 6 FVerlV963 ist ein unbegrenzter Kapitalisierungszeitraum anzusetzen.964 Dazu
ist zunächst einmal festzuhalten, dass sich in der Praxis die Frage nach dem Kapitalisierungszeitraum nicht stellen wird, da sich dieser bereits aus dem Lebenszyklus der in
Frage stehenden Funktionen ergibt, wenn diese für bestimmte Produkte oder bezugehen, auf den ein funktions- und risikoadäquater Zuschlag vorzunehmen ist. 2Die
Laufzeit der vergleichbaren risikolosen Investition richtet sich danach, wie lange die
übernommene Funktion voraussichtlich ausgeübt wird. 3Der Zuschlag ist so zu bemessen,
dass er sowohl für das übernehmende als auch das verlagernde Unternehmen, die in
vergleichbaren Fällen jeweils unternehmensübliche Risikobeurteilungen berücksichtigen.“
957 Naumann, Status: Recht 2007, 203 (204).
958 IDW Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S. 1)
vom 18.10.2005, FN-IDW 2005, 690 ff.
959 Greinert, in: Schaumburg/Rödder, UntStReform 2008, 541 (567).
960 Kroppen/Rasch, IWB 2007, 547 (558) (= F. 3, Gr. 1, 2339 (2350)).
961 Looks/Scholz, BB 2007, 2541 (2543); Oestreicher/Hundeshagen, DB 2008, 1693.
962 Siehe unten 2. Teil C.IV.4.b)
963 § 6 FVerlV lautet: „Werden keine Gründe für einen bestimmten, von den Umständen der
Funktionsausübung abhängigen Kapitalisierungszeitraum glaubhaft gemacht oder sind
solche Gründe nicht ersichtlich, ist ein unbegrenzter Kapitalisierungszeitraum zugrunde zu
legen.“
964 Für die allgemeinen betriebswirtschaftlichen Grundsätze siehe: Oestreicher/Hundeshagen,
DB 2008, 1693.
353
stimmte Produktlinien zuständig ist.965 Im Übrigen wird der Ansatz eines unbegrenzten Kapitalisierungszeitraumes in der Literatur kritisiert.966 Bei der Bewertung sei es
typischerweise geboten, nur einen begrenzten Zeitraum zugrunde zu legen.967 Vorgeschlagen wird deshalb ein Kapitalisierungszeitraum von 3 bis 5 Jahren.968
Dieser Kritik ist entgegen zu halten, dass nach allgemeinen betriebswirtschaftlichen
Grundsätzen bei der Unternehmensbewertung ein unbegrenzter Kapitalisierungszeitraum zugrunde gelegt wird. Deshalb hat auch das IdW einen solchen Ansatz in seinen IdW S. 1-Standard aufgenommen. Die Finanzverwaltung hat diesen Ansatz lediglich übernommen. In der Literatur wird nicht begründet, aus welchen Gründen
die Finanzverwaltung von diesen Grundsätzen, die die Wirtschaftsprüfer in ihre eigenen Standards übernommen haben, abweichen sollte. Solche Gründe sind auch
nicht ersichtlich. Der § 6 FVerlV in seiner jetzigen Form legt einerseits zu recht diesen allgemeinen Maßstab zugrunde und kommt andererseits dem Steuerpflichtigen
dadurch entgegen, dass er ihnen durch die Glaubhaftmachung anderer Sachverhaltskonstellationen ermöglicht, einen anderen Zeitraum anzusetzen. Die Vorschrift ist
daher als ausgewogen zu bezeichnen.
cc) Keine Methodenvorgabe für die Wertermittlung
Die FVerlV äußert sich bezüglich des Vorgehens bei der Wertermittlung zwar dahingehend, welche Aspekte zu berücksichtigen sind (Gewinnerwartungen beider
Unternehmen unter Berücksichtung der ausländischen Standortvorteile unter Einschließung der Kapitalisierungssätze und des Kapitalisierungszeitraums). Es wird
aber nicht gesagt, wie im Einzelnen vorzugehen ist. Es ist auch kein Hinweis auf
eine bestimmte Methode vorhanden, wie er im Entwurf zu § 11 II BEwG im Rahmen der Erbschaftssteuerreform vorgesehen ist, wo auf anerkannte Ertragswertverfahren verwiesen wird.969 Dies ist also der Rechtsauslegung überlassen.
965 Kroppen/Rasch, IWB 2008, 547 (558) (= F. 3, Gr. 1, 2339 (2350)).
966 Kroppen/Rasch, IWB 2008, 547 (558) (= F. 3, Gr. 1, 2239 (2350)).
967 Greinert, in: Schaumburg/Rödder, UntStReform 2008, 541 (566) unter Verweis auf Ditz,
DStR 2006, 1625 (1628), der dies noch für die Geschäftschance vorgeschlagen hat; Finsterwalder, IStR 2004, 763 (767) verweist zu diesem Thema auf die Flüchtigkeit von Kundenbeziehungen im Vertrieb.
968 F/W/B-Baumhoff, AStR, § 1 AStG, Anm. 593; Greinert, in: Schaumburg/Rödder, UntStReform 2008, 541 (567).
969 Der § 11 II BewG soll laut dem Regierungsentwurf folgendermaßen lauten: „(2) Anteile an
Kapitalgesellschaften, die nicht unter Absatz 1 fallen, sind mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Lässt sich der gemeine Wert nicht aus Verkäufen unter fremden Dritten ableiten, die
weniger als ein Jahr zurückliegen, so ist er unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der
Kapitalgesellschaft oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr
für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode zu ermitteln; dabei ist die Methode anzuwenden, die ein Erwerber der Bemessung des Kaufpreises zugrunde legen würde. Die
Summe der gemeinen Werte der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter und
sonstigen aktiven Ansätze abzüglich der zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden und
354
Grundsätzlich stehen verschiedene Verfahren zur Unternehmensbewertung zur Verfügung. Für Funktionsverlagerungen soll laut der Intention des Gesetzgebers das
Ertragswertverfahren zur Anwendung kommen.970 Das Substanzwertverfahren wird
allerdings auch zur Bestimmung der Preisuntergrenze in betracht kommen.
(1) Verfahren zur Unternehmensbewertung
Die Verfahren zur Unternehmensbewertung sind in der betriebswirtschaftlichen Literatur
ausführlich dargestellt.971 Die Bewertungsverfahren lassen sich in vier Kategorien
unterteilen, in Gesamtbewertungsverfahren, Einzelbewertungsverfahren, Mischverfahren
und Überschlagsrechnungen.972 Die Gesamtbewertungsverfahren lassen sich aufteilen in
das Ertragswertverfahren und das Discounted-cash-flow-Verfahren, während die Einzelbewertungsverfahren in den Liquidationswert und in den Substanzwert zu differenzieren
sind.973 Die Gesamtbewertungsverfahren lassen sich weiter differenzieren. Für die
Anwendung der Discounted-cash-flow-Methode gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen (Entity-Ansätze genannt). Diese sind der so genannte WACC-Ansatz974, der APV-
Ansatz975 und der Capital Cash-flow-Ansatz, während die Ertragswert-Methode mit dem
Equity-Ansatz gleichzusetzen ist.976 Für die Funktionsverlagerung sind das Substanzwertverfahren und das Ertragswertverfahren relevant.
(2) Substanzwertverfahren
Das Substanzwertverfahren als eine Methode, die auf der Einzelbewertung von
Vermögensgegenständen beruht, also ein Einzelbewertungsverfahren ist, wird weder
im Gesetz noch in der Funktionsverlagerungsverordnung und auch nicht in den Besonstigen Abzüge (Substanzwert) der Gesellschaft darf nicht unterschritten werden; die
§§ 99 und 103 sind anzuwenden. Zur Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsanwendung
bei gleichen Sachverhalten und zur Erleichterung der Bewertung wird die Bundesregierung
ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung den bei Ertragswertermittlungen anzuwendenden Kapitalisierungszinssatz und Einzelheiten für ein Ertragswertverfahren zu regeln.“, Regierungsentwurf zum Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und
Bewertungsgesetz, BR-Drs 4/08, S. 21.
970 Laut Gesetzesbegründung, BR-Drs. 220/07, S. 142.
971 Siehe dazu im Allgemeinen Ballwieser, Unternehmensbewertung; Drukarczyk/Schüler,
Unternehmensbewertung; Kruschwitz/Löffler, Discounted-Cash-Flow; Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung.
972 Siehe dazu die Übersicht bei Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 8, insb. Abb. 1.
973 Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 8, insb. Abb. 1.
974 WACC: Weighted-Average-Cost-of-capital; der Ansatz wird bei Oestreicher/Hundeshagen,
DB 2008, 1637 (1638 f.), erläutert.
975 APV: Adjusted Present Value; siehe dazu Widmann, in Hölters, Unternehmens- u. Beteiligungskauf, S. 163 f.
976 Drukarczyk/Schüler, Unternehmensbewertung, S. 103, Tabelle 5-3, und S. 234, wo die Ertragswertmethode ausdrücklich als deutsche Variante des Equity-Ansatzes angenommen
wird.
355
gründungen dazu erwähnt. Es wird gleichwohl noch seitens der Finanzverwaltung
verwendet. Im Leitfaden der Oberfinanzdirektion Münster und Düsseldorf zur „Bewertung von (Anteilen an) Kapitalgesellschaften für ertragsteuerliche Zwecke“977 ist
in der Tz. 2.2.8 (Substanz-Unternehmenswert) der Substanz-Unternehmenswert
(= 2.2.1 bis 2.2.7) als der Wert definiert, der den Verkehrswerten der Summe der
zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter des zu bewertenden Unternehmens entspricht. Er stellt in der Regel die absolute Wertuntergrenze für die Bewertung eines lebenden Unternehmens (vgl. 2.1) dar. Unter Tz. 2.2 heißt es zur Substanzwertermittlung: „Der Substanzwert ergibt sich grundsätzlich aus dem Eigenkapital laut Handelsbilanz/Steuerbilanz, erhöht um die stillen Reserven.“, wobei zur
Ermittlung ein gesondertes Berechnungsschema als Anlage 4 beigefügt ist. Auch
wenn sich das Gesetz und die Funktionsverlagerungsverordnung zur Anwendung
des Substanzwertes nicht äußern, so kann davon ausgegangen werden, dass die Betriebsprüfung den Substanzwert als Hilfsmittel zur Bewertung auch einer Funktion
heranziehen wird. Auf diese Weise kann sie die absolute Wertuntergrenze ermitteln.
(3) Ertragswertverfahren
Der Ertragswert bzw. der Zukunftserfolgswert soll die wichtigste Wertgröße zur
Ermittlung des Unternehmenswertes darstellen.978 Er ist definiert als der Barwert aller zukünftigen Erfolge der Unternehmung979 und stellt finanzmathematisch einen
Bruttokapitalwert dar.980 Er wird durch die Ermittlung der Zukunftserfolge und des
Kapitalisierungszinsfußes berechnet.981 Es werden die erwarteten Zahlungsmittelzuschüsse beim Eigentümer eines Unternehmens diskontiert, wobei die persönlichen
Steuern noch zu subtrahieren sind.982 Das IDW präferiert die Ertragswertmethode
und hat dafür Standards erarbeitet. Die kaufmännische Bewertungspraxis in
Deutschland wird durch diese Standards geprägt.983 Es handelt sich dabei um die
IDW-Standards IDW S 1984, IDW ES 5985 sowie die Stellungnahmen zur Rech-
977 OFD Düsseldorf v. 12.08.2004, S. 2177 – 16 – St 13 – KS – 2242 A – St 13, BB 2004, 2184.
978 Peemöller/Peemöller-Kunowski, Unternehmensbewertung, Kap. 3, Rn. 1.
979 Peemöller/Peemöller-Kunowski, Unternehmensbewertung, Kap. 3, Rn. 1.
980 Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 12.
981 Peemöller/Peemöller-Kunowski, Unternehmensbewertung, Kap. 3, Rn. 1.
982 Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 12.
983 Looks/Scholz, BB 2007, 2541 (2544).
984 IDW-Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S 1),
Stand 2000, WPg 2000, 825. Der Hauptfachausschuss (HFA) des IDW hat am 18.102005
eine Überarbeitung verabschiedet (veröffentlicht in WPg 2005, 1303 f. Es wird beim IDW
derzeit über eine Neufassung diskutiert. Dafür liegt der Entwurf einer Neufassung des IDW
Standards (IDW ES 1 i.d.F. 2007) vor (WPg Supplement 3/2007, 9). Der HFA des IDW hat
laut einer Veröffentlichung auf der Internetseite des IDW, www.idw.de/idw/portal/d582654,
abgerufen am 20.06.2008, am 29./30.5. den vom Fachausschuss für Unternehmensbewertung
und Betriebswirtschaft (FAUB) verabschiedeten IDW-Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S 1 i.d.F. 2008) billigend zur Kenntnis genommen. Die Verlautbarung soll in WPg Supplement 3/08 veröffentlicht werden.
356
nungslegung IDW HFA RS 10986 und IDW HFA RS 16987. Die Finanzverwaltung
orientiert sich im angesprochenen Leitfaden der Oberfinanzdirektionen in Düsseldorf und Münster am IDW-Standard IDW S 1.988 Die Ertragswertmethode ist dabei
einer der beiden Differenzmethoden, bei der die Gewinnpotenziale indirekt aus der
Differenz abzuleiten sind, die sich für das aufnehmende und das abgebende Unternehmen aus dem jeweiligen Vergleich der Unternehmenswerte vor und nach der
Funktionsverlagerung ergeben.989 Die andere Differenzmethode ist das Discountedcash-flow-Verfahren.990 Dagegen handelt es sich bei dem IdW-Standard S 5 um eine
Methode der direkten Bewertung der Funktion.991 In ihrer Untersuchung zur Bewertung von Transferpaketen bei Funktionsverlagerungen kommen Oestreicher/
Hundeshagen zu dem Ergebnis, dass aus betriebswirtschaftlicher Sicht die wertrelevanten Faktoren nur dann vollständig erfasst werden, wenn die Bewertung der
Funktion nach einer der Differenzmethoden vollzogen wird.992 Die verschiedenen
Differenzmethoden sollten dabei zu demselben Ergebnis kommen.
In § 1 III AStG ist die Anwendung des Ertragswertverfahrens nicht ausdrücklich angeordnet, auch wenn der Gesetzgebers den Gebrauch das Ertragswertverfahren intendiert.993 In der Literatur wird aus der Verwendung der Begriffe Kapitalisierungszinssätze in § 1 III 9 AStG sowie Planrechnungen und Gewinnerwartungen in § 1 III
6 AStG jedoch die Geltung des Ertragswertverfahrens abgeleitet. 994 Zu klären ist,
wie die Ertragswertmethode auf Funktionsverlagerungen anzuwenden ist. In der Literatur wird vorgeschlagen, den Barwert aller zukünftigen Umsätze aus der Funktion
zu ermitteln, sodann den Barwert verschiedener Kostenfaktoren einschließlich der
Steuern zu ermitteln, die Ergebnisse von den Umsätzen zu subtrahieren und auf
diese Weise den Barwert der zukünftigen der Funktion zuzuordnenden Ergebnisse
nach Ertragsteuern und damit das Gewinnpotential zu erhalten.995 Ohne eine be-
985 IDW-Standard: Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte (IDW S 5), WPg
Supplement 4/2007, 64.
986 IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Anwendung der Grundsätze des IDW S 1 bei der
Bewertung von Beteiligungen und sonstigen Unternehmensanteilen für die Zwecke eines
handelsrechtlichen Einzelabschlusses (IDW RS HFA 10), WPg 2005, S. 1322 f.; ausführlich
dazu Dörschell/Franken/Schulte, WPg 2006, 1060 f.
987 IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Bewertungen bei der Abbildung von Unternehmenserwerben und bei Werthaltigkeitsprüfungen nach IFRS (IDW RS HFA 16), WPg 2005,
S. 1415 f.; ausführlich dazu Castedo/Klingbeil/Schröder, WPg 2006, 1028 f; Mackenstedt/
Fladung/Himmel, WPg 2006, 1037 f. sowie Schmusch/Laas, WPg. 2006, 1048 f.
988 OFD Düsseldorf v. 12.08.2004, S. 2177 – 16 – St 13 – KS – 2242 A – St 13, BB 2004, 2184
in der Einleitung.
989 Oestreicher/Hundeshagen, DB 2008, 1637 (1638 f.).
990 Oestreicher/Hundeshagen, DB 2008, 1637 (1638 f.).
991 Oestreicher/Hundeshagen, DB 2008, 1637 (1639 f.).
992 Oestreicher/Hundeshagen, DB 2008, 1693 (1697).
993 Gesetzesbegründung, BR-Drs. 220/07, S. 142.
994 Greinert, in: Schaumburg/Rödder, UntStReform 2008, 541 (567); Looks/Scholz, BB 2007,
2541 (2543, 2544).
995 Bohr, IWB 2008, 171 (173) (= F. 3, Gr. 1, 2285 (2287)).
357
triebswirtschaftliche Stellungnahme abgeben zu wollen erscheint dieser Ansatz aus
rechtswissenschaftlicher Sicht plausibel.
Das auf diese Weise ermittelte Gewinnpotential ist der Wert des Transferpakets. In
der Literatur wird allerdings vertreten, dass der Wert des Transferpakets sich nur aus
diesem Wert zusammensetze, sondern auf diesen Wert der Verrechnungspreis für
die materiellen Wirtschaftsgüter und der Wert der immateriellen Wirtschaftsgüter
auf zu addieren sei, um den Verrechnungspreis des Transferpakets zu erhalten.996
Dieser Ansatz stellt jedoch eine Verkennung des Ertragswertverfahrens dar. Durch
die Ermittlung des Barwerts der zukünftigen der Funktion zuzuordnenden Ergebnisse nach Ertragsteuern ist die Wertermittlung abgeschlossen. Das Ertragswertverfahren berücksichtigt gerade nicht den Wert der einzelnen Wirtschaftsgüter. Die Gesamtbewertungsverfahren haben diesen Namen erhalten, weil sie den Wert des Unternehmens nicht als Saldo aus den Werten der im Unternehmen vorhandenen einzelnen Aktiva und Passiva ermitteln, sondern der Wertermittlung die gesamten finanziellen Vorteile für den Eigentümer zugrunde legen, die dieser aus der Nutzung
der Aktiva und Passiva erzielt.997 Die Einzelbewertung stellt den Gegensatz der Gesamtbewertung dar.998 Würde dem Ansatz von Bohr folgen, käme es nicht nur zu einer Vermischung der Methoden, sondern auch zu höheren Funktionswerten.
dd) Bestimmung des Einigungsbereichs
Durch § 1 III 6, 2. Hs. AStG wird die Ermittlung eines Einigungsbereichs in Abhängigkeit von den jeweiligen Gewinnerwartungen der beteiligten Unternehmen angeordnet. Durch den Verweis in Satz 9 auf Satz 5 und die weitere Verweisung von dort
auf Satz 6 gilt dies auch für Funktionsverlagerungen, bei denen der Verrechnungspreis aufgrund eines hypothetischen Fremdvergleichs bestimmt wird. Zusätzlich
ordnet § 1 III 6, 1. Hs. AStG an, dass dafür der Mindestpreis des abgebenden und
der Höchstpreis des aufnehmenden Unternehmens bei Funktionsverlagerung zu ermitteln ist. Schließlich ordnet § 1 III 7, 2. Hs. AStG an, dass der Mittelwert
zugrunde zu legen ist, wenn kein anderer als dieser Wert glaubhaft gemacht wird.
Die Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgaben erfolgt in der Rechtsverordnung durch
§ 7 FVerlV. Den Rahmen geben dabei § 7 I 1 und § 7 IV 1 FVerlV vor.999 Es ist für
beide beteiligte Unternehmen jeweils mit Hilfe eines Ertragswertverfahrens der
996 Bohr, IWB 2008, 171 (174) (= F. 3, Gr. 1, 2285 (2288)).
997 Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 9.
998 Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 9.
999 § 7 I 1 lautet: „Für ein verlagerndes Unternehmen, dass aus der Funktion Gewinne zu erwarten hat, ergibt sich die Untergrenze des Verhandlungsrahmens (Mindestpreis des Einigungsbereiches) im Sinne des § 1 III S. 6 des AStG aus dem Ausgleich für den Wegfall oder die
Minderung des Gewinnpotenzials zuzüglich der ggf. anfallenden Schließungskosten.“ Der
§ 7 IV I lautet: „Das Gewinnpotenzial des übernehmenden Unternehmens aus der übernommenen Funktion ist regelmäßig die Obergrenze des Verhandlungsrahmens (Höchstpreis des
Einigungsbereichs)“.
358
Grenzpreis zu ermitteln, zu dem der eine Unternehmer bereit wäre, die Funktion minimal abzugeben und zu der der andere Unternehmer maximal bereit wäre, die
Funktion zu übernehmen. Dies bedeutet für das abgebende Unternehmen, dass sein
Mindestentgelt, welches die Untergrenze des Einigungsbereichs darstellt, der kapitalisierte Gewinn ist, den das Unternehmen in Zukunft erzielen würde, wenn es die
Funktion selbst in Zukunft weiter betreiben würde.1000 Dadurch kann die Minderung
des Ertragswerts durch die Funktionsverlagerung ermittelt werden. Auf der anderen
Seite soll das aufnehmende Unternehmen mit Hilfe von Planrechnungen der maximale Preis aus Sicht des Käufers für die übernommene Funktion errechnet werden.1001 Es gibt innerhalb der Vorschriften mehrere denkbare und in der Praxis
vorkommende Konstellationen.
(1) Grundfall des § 7 I 1 FVerlV
Durch § 7 I 1 FVerlV sollen die Fälle geregelt werden, in denen beim verlagernden
Unternehmen eine Gewinnsituation besteht und bei der es auch in Zukunft Gewinne
aus der Funktion erwarten kann.1002 Der Verordnungsgeber geht davon aus, dass
voneinander unabhängige Dritte in solchen Konstellationen mindestens einen Ausgleich für das ganz oder teilweise wegfallende Gewinnpotenzial sowie außerdem
auch die ggf. anfallenden Schließungskosten als Mindestpreis ansetzen würden, weil
sonst eine Funktionsverlagerung aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht sinnvoll
sei.1003 Bei der Höchstpreisberechnung des aufnehmenden Unternehmens geht der
Verordnungsgeber davon aus, dass das ermittelte Gewinnpotenzial aus dessen Sicht
bereits einen Mindestgewinn aus dieser Funktion berücksichtige. Ein solcher Mindestgewinn sei aus Sicht des aufnehmenden Unternehmens auch unverzichtbar und
flösse deshalb in den Höchstpreis ein. Daher solle dies in die Grenzpreisberechnung,
die das aufnehmende Unternehmen wie das abgebende Unternehmen zu machen
habe, einfließen.1004
Es ist richtig, dass das aufnehmende Unternehmen einen solchen Mindestgewinn
beanspruchen kann. Dies ist aus seiner Sicht zwingend. Denn die Gewinne sind ein
Äquivalent für die von ihm übernommenen Funktionen und die dadurch übernommenen Risiken. Ohne ein Mindestentgelt würde der übernehmende Geschäftsleiter
gewinnlos wirtschaften, was für ihn nicht akzeptabel ist.1005 Es kann daher nicht
sein, dass der Höchstpreis bei der Null-Grenze anzusetzen ist. Das zeigt das folgende Beispiel. Der Mindestpreis eines abgebenden Unternehmens sei eine Millio-
1000 Frotscher, FR 2008, 49 (53).
1001 Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, 301 (315) (= F. 3, Gr. 1, 2201 (2215)).
1002 Verordnungsbegründung zu § 7 I 1 FVerlV, BR-Drs. 352/08, S. 21.
1003 Verordnungsbegründung zu § 7 I 1 FVerlV, BR-Drs. 352/08, S. 21.
1004 Begründung zu § 7 IV 1 FVerlV, BR-Drs. 352/08, S. 23.
1005 Greinert, in: Schaumburg/Rödder, UntStReform 2008, 541 (546); Schreiber, in: Oestreicher,
Internationale Verrechnungspreise, 285 (307).
359
nen Euro. Der Höchstpreis des aufnehmenden Unternehmens sei zwei Millionen
Euro. Wenn in die Höchstpreisberechnung kein Mindestgewinn einflösse, würde der
Höchstpreis bei einer Summe liegen, aus der der aufnehmende Unternehmer keinen
Gewinn mehr erwirtschaften könnte. Das kann nicht Sinn und Zweck der Regelung
sein und wäre auch ein Widerspruch zum Fremdvergleichsgrundsatz.
Dieses Ergebnis ergibt sich allerdings nur aus der Verordnungsbegründung, nicht
aber aus § 7 IV 1 FVerlV hervorgeht. Legt man diesen wörtlich aus, so ist der
Höchstpreis des Einigungsbereiches tatsächlich die angesprochene Null-Grenze.
Deshalb sollte aufgrund einer Auslegung nach Sinn und Zweck der Vorschrift anzunehmen sein, dass der Höchstpreis einen Mindestgewinn enthält. Es wäre daher
sinnvoll, bei einer Überarbeitung der Funktionsverlagerungsverordnung eine Ergänzung dahingehend vorzunehmen, dass ein Mindestgewinn erforderlich ist. Dann
stellt sich allerdings als nächstes die Frage, wie hoch dieser Mindestgewinn sein
kann. Eine abstrakte Regelung in der Rechtsverordnung kann es für diese weitere
Frage allerdings nicht geben. Dies bedarf dann der Interpretation im Einzelfall.
Im Übrigen sehe § 7 I 2 und § 7 IV 2 FVerlV vor, dass jeweils tatsächlich bestehende Handlungsmöglichkeiten des verlagernden Unternehmens zu berücksichtigen
seien.1006 Der Verordnungsgeber will diese Handlungsalternativen anerkennen, weil
sonst die unternehmerische Dispositionsfreiheit tangiert sei.1007 Es wird kritisiert,
dass weder in der Verordnung noch in deren Begründung dargestellt werde, welche
Handlungsalternativen tatsächlich bestünden und wie diese berücksichtigt werden
könnten.1008 Es ist allerdings richtig, dass aus der Verordnung und der Begründung
nicht hervorgeht, welche Fälle konkret angesprochen sind. Es ist auch fraglich, ob
diese Vorschrift tatsächlich eine große Praxisrelevanz entfalten. Für den Fall, dass
aber doch in der Praxis entsprechende Konstellationen auftreten, ist es sinnvoll, dass
der Verordnungsgeber diese Fälle abstrakt geregelt hat und entsprechend festlegt,
dass diese tatsächlich bestehenden Handlungsmöglichkeiten einerseits bei der
Grenzpreisbestimmung zu berücksichtigen sind, andererseits aber die unternehmerische Dispositionsfreiheit zu beachten ist.
(2) Sonderregelungen in § 7 II, III und V FVerlV
Der § 7 FVerlV enthält für zwei weitere Fallgruppen spezielle Regelungen. Dies
sind die Beendigung der inländischen Tätigkeit aufgrund von Perspektivlosigkeit
sowie aufgrund einer Verlustsituation.
1006 Der Wortlaut der beiden Vorschriften ist identisch und lautet: „Tatsächlich bestehende Handlungsmöglichkeiten, die das verlagernde Unternehmen als vom übernehmenden
Unternehmen unabhängiges Unternehmen hätte, sind zu berücksichtigen, ohne die
unternehmerische Dispositionsbefugnis des verlagernden Unternehmens in Frage zu stellen.“
1007 Begründung zu § 7 I 2 FVerlV, BR-Drs. 352/08, S. 22
1008 Kroppen/Rasch, IWB 2008, 547 (559) (= F. 3, Gr. 1, 2339 (2351)).
360
(a) Beendigung in Deutschland aufgrund Perspektivlosigkeit
In § 7 II FVerlV sind Konstellationen angesprochen, bei denen das verlagernde Unternehmen die Funktion in Zukunft nicht mehr betriebswirtschaftlich sinnvoll ausführen kann. Diese Fallgruppe ist bereits ausführlich besprochen worden.1009 Bezüglich der Wertermittlung in den angesprochenen Fällen ist hinzuzufügen, dass der
Mindestpreis der Liquidationswert sein soll. Laut der Begründung der FVerlV kann
der Liquidationswert auch die Schließungskosten umfassen und deshalb geringer als
Null sein.1010 Es wird seitens der Literatur kritisiert, dass dieser Ansatz dem
Fremdvergleich nicht entspricht. Unter fremden Dritten sei davon auszugehen, dass
derjenige nicht Inhaber einer Funktion und des darin liegenden Geschäftswerts sein
könne, der eine Funktion betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll ausüben könne. Deshalb könne er die Funktion auch nicht übertragen.1011 Das Ziel des Verordnungsgebers bestehe allein darin, über die Mittelwertregelung des § 1 III 7 AStG die Hälfte
des Firmenwerts der Funktionsausübung im Ausland der inländischen Besteuerung
zugrunde legen zu können.1012 Diese Kritik ist jedoch verfehlt. Wie oben bereits
angesprochen, kann es sehr wohl Unternehmen geben, die aus rechtlichen, tatsächlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht mehr in Deutschland ihr Unternehmen
fortführen können. Als Beispiele seien hier Unternehmen genannt, die zum Beispiel
Gewaltspiele produzieren oder Embryonenforschung betreiben und denen das durch
ein Gesetz verboten werden könnte. Gleichwohl bleiben diese Inhaber der Funktion
und wären auch in der Lage, am Weltmarkt ihr Know-how in Form ihrer Mitarbeiter, ihrer Patente und ihrer sonstigen Kenntnisse als eine gesamte Unternehmenseinheit anzubieten und dafür Geld zu verlangen. Wenn so ein Unternehmen seinen
Hauptbetrieb in das Ausland verlagert, stellt dies eine Funktionsverlagerung i.S.d.
§ 1 III 9 AStG dar. Deshalb ist es folgerichtig, dass der Verordnungsgeber hier nur
den Mindestpreis geregelt hat. In solchen Fällen ist es nämlich möglich, dass das
Gewinnpotenzial einen sehr hohen Betrag umfassen kann.
(b) Verlustfälle, § 7 III FVerlV
Die FVerlV behandelt auch die so genannten Verlustfälle. Das sind Konstellationen,
wie im folgenden
Beispiel:
Im „Pelota“-Fall findet die Funktionsausgliederung nach Polen statt, weil die M-AG
aufgrund der hohen Produktionskosten in Deutschland hier Dauerverluste erzielt.
Grund sind hierfür insbesondere die hohen Lohnkosten. Bei der Berechnung der
Gewinnerwartungen der polnischen Schwestergesellschaft ist herausgekommen,
1009 Siehe oben 2. Teil B.IV. 1bis 4..
1010 Verordnungsbegründung, BR-Drs. ?? 08, F. ??
1011 Kroppen/Rasch, IWB 2008, 547 (559) (= F. 3, Gr. 1, 2339 (2351)).
1012 Kroppen/Rasch, IWB 2008, 547 (559) (= F. 3, Gr. 1, 2339 (2351)).
361
dass dort die Produktion äußerst profitabel sein wird, weil die Lohnkosten in Ungarn
deutlich niedriger sind. Deshalb wird die Produktionstätigkeit in Deutschland eingestellt und nach Ungarn verlagert. Dazu werden die Produktionsstraßen abgebaut und
nach Ungarn verbracht.1013
Dies ist ein klassischer Fall einer Funktionsausgliederung,1014 wie sie oben beschrieben worden ist.1015 Es stellt sich allerdings die Frage, wie der Einigungsbereich zu
ermitteln ist. Die FVerlV sieht in § 7 III 1 FVerlV1016 vor, dass der Mindestpreis des
abgebenden Unternehmens durch die zu erwartenden Verluste und die ggf. anfallenden Schließungskosten bestimmt wird. Maßgebend soll damit der niedrigere der absoluten Beträge sein. In § 7 III 2 FVerlV1017 werden zwei Beispielsfälle für einen
Verlustbringer genannt, nämlich erstens eine nur teilweise Deckung der Schlie-
ßungskosten durch die Funktionsverlagerung und zweitens die Zahlung eines Entgeltes durch das abgebende an das aufnehmende Unternehmen, weil das abgebende
Unternehmen ein derartiges Interesse an der Übertragung der Funktion hat, dass es
zu dieser Zahlung bereit ist. Schließlich ist im Rahmen dieser Vorschriften noch § 7
V FVerlV zu beachten, nach dem auch in Verlustfällen wie auch in den Fällen des
§ 7 II FVerlV zu prüfen ist, ob ein fremder Dritter für die übernommene Funktion
nicht auch ein Entgelt bezahlt hätte.1018
In der Literatur wird argumentiert, dass in Verlustfällen nur die einzelnen Wirtschaftsgüter nach dem Grundsatz der Einzelbewertung steuerlich zu erfassen seien.
Dies wäre im vorliegenden Fall also nur die Produktionsstraße. Begründet wird dies
damit, dass aus Sicht des deutschen Unternehmens der Ertragswert höchstens Null
betrage.1019 Kritisiert wird außerdem die Regelung des § 7 V FVerlV. Diese Bestimmung sei „untauglich“, weil die Vorschrift keine zusätzliche Wirkung zu der allge-
1013 Ähnliches Beispiel bei Bödefeld/Kuntschik, in: Blumenberg/Benz, UntStReform 2008, 240
(269).
1014 Bödefeld/Kuntschik, in: Blumenberg/Benz, UntStReform 2008, 240 (270).
1015 Siehe oben 2. Teil B.III.1.
1016 Die Vorschrift lautet: „(3) 1Verlagert ein Unternehmen eine Funktion, aus der es dauerhaft
Verluste zu erwarten hat, wird der Verhandlungsrahmen für das verlagernde Unternehmen
durch die zu erwartenden Verluste oder die gegebenenfalls anfallenden Schließungskosten
begrenzt; maßgeblich ist der niedrigere absolute Betrag.“
1017 § 7 III 2 FVerlV lautet: „2In solchen Fällen kann es dem Verhalten eines ordentlichen und
gewissenhaften Geschäftsleiters entsprechen, zur Begrenzung von Verlusten ein Entgelt für
die Funktionsverlagerung zu vereinbaren, das die anfallenden Schließungskosten nur teilweise deckt, oder eine Ausgleichszahlung an das übernehmende Unternehmen für die Übernahme der Verlustquelle zu leisten.“
1018 § 7 V lautet: „Auch in den Fällen der Absätze 2 und 3, in denen der Mindestpreis des verlagernden Unternehmens bei Null oder darunter liegt, ist nach dem Fremdvergleichsgrundsatz
zu prüfen, ob ein unabhängiger Dritter nach § 1 III 9 i.V.m. S. 7 des AStG bereit wäre, einen
Preis für die Übernahme der Funktion zu zahlen.
1019 Bödefeld/Kuntschik, in: Blumenberg/Benz, UntStReform 2008, 240 (270).
362
meinen Regelung des Fremdvergleichsgrundsatzes entfalte.1020 Der Literatur ist zuzugeben, dass § 7 V FVerlV tatsächlich nur eine Klarstellungsfunktion hat, über deren praktischen Nutzen sich wie bei allen Normen mit lediglich klarstellender Wirkung streiten lässt. Der entscheidende Maßstab ist immer der Fremdvergleichsgrundsatz. Legt man diesen zugrunde, ist jedenfalls der Regelung des § 7 III FVerlV
zuzustimmen. Es kann nicht allein darauf abgestellt werden, ob eine Funktion in Zukunft in Deutschland noch werthaltig ist. Entscheidend ist ihr Wert am gesamten
Markt. Wenn im Ausland für eine im Inland Verlust bringende Gesellschaft ein höherer Wert erzielt werden kann, weil dort die Standortfaktoren günstiger sind, wird
das abgebende Unternehmen immer probieren, einen Käufer zu finden, der bereit ist,
einen Preis zu bezahlen, der diese positiven Standortfaktoren berücksichtigt. Dar-
über hinaus gewährt § 7 III 2 FVerlV den Unternehmen einen deutlichen Beurteilungsspielraum, in dem es ihnen zugesteht, die Verluste eben nur teilweise oder sogar gar nicht vom aufnehmenden Unternehmen ersetzt zu bekommen.
ee) Ausnahmen des § 4 FVerlV
Bei der Wertermittlung des Gewinnpotenzials sind die Sonderregelungen des § 4
FVerlV zu beachten. Die Regelung des § 4 II FVerlV ist bereits besprochen worden.
Bezüglich der Wertermittlung für Nutzungsüberlassungen ist anzumerken, dass der
Steuerpflichtige diese auch auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes vornehmen
muss. Dabei gelten die allgemeinen Regelungen zum Ansatz von fremdüblichen Lizenzsätzen. Sodann sind Konstellationen denkbar, bei denen die Geschäftsleiter der
beteiligten Unternehmen unterschiedliche Vereinbarungen für einzelne Teile des
Transferpakets vereinbaren. Für solche Fälle sieht § 4 I FVerlV vor, dass die Summe
der Einzelverrechnungspreise für die einzelnen Teile des Transferpakets insgesamt
den Wert des Transferpakets gemäß § 3 FVerlV entsprechen muss.1021 Der Verordnungsgeber legt dieser Vorschrift Konstellationen zugrunde, in denen jeweils gesonderte Verträge für die Übertragung von Wirtschaftsgütern (Verkauf) die Nutzungs-
überlassung von Wirtschaftsgütern wie zum Beispiel eine Miete oder eine Lizenzierung und für die Erbringung von Dienstleistungen vorliegen.1022 Diese Vorschrift
soll letztendlich Umgehungen der Regelungen zur Wertermittlung des Transferpakets verhindern. Damit die Steuerpflichtigen das Transferpaket nicht durch individuelle Vertragsabsprachen derartig aufteilen, dass eine Wertermittlung als Ganzes
nicht erfolgen kann, ist der Ansatz des Gesamttransferpaketpreises berechtigt.
1020 Kroppen/Rasch, IWB 2008, 547 (559, 560) (= F. 3, Gr. 1, 2339 (2351, 2352).
1021 § 4 I FVerlV lautet: Werden für einzelne Teile des Transferpaketes unterschiedliche Vereinbarungen getroffen oder sind solche Vereinbarungen dem Fremdvergleichsgrundsatz
entsprechend anzunehmen, sind für alle Teile des Transferpakets Verrechnungspreise anzusetzen, die insgesamt dem nach § 3 Abs. 1 bestimmten Wert des Transferpaketes als Ganzes
entsprechen.
1022 Verordnungsbegründung, BR-Drs. 352/08, S. 19.
363
Die Regelung des § 4 III FVerlV betrifft Fälle, die zunächst nicht als Funktionsverlagerungen erkannt wurden. Bei ihnen besteht die Gefahr, dass eine nachträgliche
Änderung der Verrechnungspreise zu Doppelbesteuerungsproblemen führt, weil die
zugrunde liegenden Geschäftsvorfälle schon Gegenstand der Ertragsbesteuerung im
anderen Staat gewesen sein können. Deshalb enthält § 4 III FVerlV die Regelung,
dass die Verrechnungspreise für die Geschäftsvorfälle, die die Funktionsverlagerung
ausgelöst haben, zusammen mit dem ursprünglichen Verrechnungspreis so anzusetzen sind, dass sie dem Wertansatz gem. § 3 I FVerlV entsprechen.1023 Der Verordnungsgeber denkt dabei ausdrücklich an Veranlagungszeitraum übergreifende
Fälle.1024 Bei dieser Vorschrift geht es ausdrücklich um Fälle der Funktionsverdoppelung (!! diesen Satz nach vorne schieben !!). Durch diese Regelung kann in
den Fällen der Funktionsverdoppelung verhindert werden, den in Deutschland für
die Funktionsverlagerung angesetzten Verrechnungspreis in der Bilanz des aufnehmenden Unternehmens im Ausland als Anschaffungskosten zu aktivieren.
ff) Sonderfälle des § 8 FVerlV
Schließlich sind für die Ermittlung des Gewinnpotenzials die Sonderfälle des § 8
FVerlV1025 zu berücksichtigen.
Die Vorschrift betrifft die Rechtsfolgen von Fällen der Funktionsabschmelzung.1026
Sie regelt, dass gesetzliche oder vertragliche Schadenersatz- und Ausgleichsansprüche ausreichen und dazu führen können, dass bei einer Funktionsabschmelzung die
Regelungen zur steuerlichen Behandlung von Funktionsverlagerungen gemäß § 1 III
9 AStG nicht zur Anwendung kommen. Damit sind die oben beschriebenen Fälle
gemeint, bei denen eine inländische Vertriebstochtergesellschaft bisher als Eigenhänder tätig war und nun zum Kommissionär abgeschmolzen worden ist. Alternativ
kann sie dann auch als sog. Stripped Distributor tätig sein. Voraussetzung ist jeden-
1023 § 4 III lautet: In den Fällen des Abs. 3, in denen sich nachträglich herausstellt, dass eine
Funktionsverlagerung vorliegt, sind die Verrechnungspreise für die Geschäftsvorfälle, die
dazu geführt haben, dass eine Funktionsverlagerung vorliegt, dem Fremdvergleichsgrundsatz
entsprechend so anzusetzen, dass sie zusammen mit den ursprünglich bestimmten Verrechnungspreisen dem nach § 3 Abs. 1 bestimmten Wert des Transferpakets als Ganzes entsprechen.
1024 Verordnungsbegründung, BR-Drs. 352/08, S. 20.
1025 Die Vorschrift lautet: „1Gesetzliche oder vertragliche Schadenersatz- und Ausgleichsansprüche sowie Ansprüche aus dem vertraglichen oder tatsächlichen Ausschluss von für voneinander unabhängige Dritte bestehenden Handlungsmöglichkeiten können der Besteuerung einer
Funktionsverlagerung zu Grunde gelegt werden, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht,
dass solche Dritte unter ähnlichen Umständen in vergleichbarer Art und Weise verfahren wären. 2Der Steuerpflichtige muss zusätzlich glaubhaft machen, dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteileübertragen oder zur Nutzung überlassen worden sind,
es sei denn, die Übertragung oder Überlassung ist zwingende Folge von Ansprüchen im
Sinne des Satzes 1.“
1026 Zu dieser Fallkonstellation siehe oben 2. Teil B.III.3.
364
falls wie oben dargestellt, dass eine fristgerechte Änderungskündigung erfolgt ist.
Damit betrifft § 8 FVerlV für die Praxis wichtige Fälle.1027 Die Regelung entscheidet
damit zwar nicht ausdrücklich den oben dargestellten Streit, ob Funktionsabschmelzungen immer nach den allgemeinen Regelungen zu behandeln sind, oder ob eine
Änderung der Risikostruktur nicht dazu führt, dass eine Funktionsverlagerung vorliegt.1028 Allerdings scheint es aufgrund des Vorranges der gesetzlichen oder vertraglichen Schadenersatz- und Ausgleichsansprüche laut Satz 1 so zu sein, dass die
Verwaltung davon ausgeht, dass zumindest dann, wenn eine ordentliche Änderungskündigungsmöglichkeit vorliegt, keine Funktionsverlagerung vorliegt.1029 Als
zusätzliche Anforderung ist allerdings eine Glaubhaftmachung des Steuerpflichtigen
gemäß Satz 2 vonnöten, dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter
übertragen oder überlassen worden sind. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn die
Übertragung oder Überlassung in Zusammenhang mit den Ausgleichsansprüchen
gemäß Satz 1 stehen.
Diese Regelung wird von der Literatur kritisiert, weil sie „schwierig bis unmöglich
durchzuführen sei“.1030 Der Nachweis sei deshalb nicht zu erbringen, weil es der allgemeinen Lebenserfahrung entspräche, dass fremde Dritte nicht mehr als den Betrag
zahlen würden, zu dem sie verpflichtet seien.
Der Kritik ist entgegen zu halten, dass die Glaubhaftmachung nur in den Fällen notwendig ist, in denen die Übertragung und Überlassung nicht zwingende Folge von
Ansprüchen im Sinne des Satzes 1 sind. Letztere sind aber die Fälle, die für die Praxis besonders relevant sind. Bei der Glaubhaftmachung handelt es sich nicht nur um
Ausnahmen. In diesen Konstellationen macht es jedoch Sinn, darauf zu bestehen,
dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter übergegangen sind, weil in
diesen Quellen eher von Vorgängen auszugehen ist, die als Funktionsverlagerung zu
qualifizieren sind.
Abschließend ist noch auf die Absicht des Verordnungsgebers hinzuweisen, der den
§ 8 FVerlV im Zusammenhang mit § 1 VII 2 FVerlV sieht.1031 Die Verbindung besteht darin, dass beide Vorschriften Fallkonstellationen ansprechen, die nach Ansicht
der Finanzverwaltung von fremden Dritten nicht als Funktionsverlagerung angesehen werden. Das sind bei § 8 FverlV die angesprochenen Fälle der Funktionsabschmelzung, bei denen ein vertragliches oder gesetzliches Änderungskündigungsrecht besteht.
1027 Kroppen/Rasch, IWB 2008, 547 (560) (= F. 3, Gr. 1, 2339 [2352]).
1028 Siehe oben bei der Funktionsabschmelzung, 2. Teil B.III.2.
1029 Kroppen/Rasch, IWB 2008, 547 (560) (= F. 3, Gr. 1, 2339 [2352]).
1030 Kroppen/Rasch, IWB 2008, 547 (561) (= F. 3, Gr. 1, 2339 [2353]).
1031 Verordnungsbegründung, BR-Drs. 352/08, S. 14.
365
b) Kritische Würdigung
Die soeben dargestellte Vorgehensweise zur Ermittlung des Werts des Gewinnpotenzials soll einer kritischen Würdigung unterzogen werden. Danach soll ein Reformvorschlag folgen.
aa) Methode zur Wertermittlung
Die rechnerische Ermittlung des Barwerts einer Funktion und damit ihres Gewinnpotentials ist der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre überlassen. Hier sollen nur einige Anmerkungen aus rechtlicher Sicht vorgenommen werden. Es wurde herausgearbeitet, dass der § 1 IV FVerlV überarbeitungsbedürftig ist. Die zu beschreitende
Richtung haben Oestreicher/Hundeshagen in ihrem Beitrag aufgezeigt. Die Vorgabe
des Verordnungsgebers lässt sich in eine Formel umsetzen,1032 aber die genannten
Autoren haben dargestellt, dass alternative Verfahren zur Ermittlung des Wertes einer Funktion sinnvoller wären.1033 Daher könnte es sinnvoll sein, den Grundgedanken der §§ 1 IV und 3 FVerlV fortzuentwickeln.
Zu begrüßen ist, dass die FVerlV durch den § 6 beim Kapitalisierungszeitraum an
das IDW angelehnt hat. Dadurch wird die Regelung seitens der Industrie und der Beraterschaft unangreifbar. Auch der Ansatz des § 5 FVerlV zum Kapitalisierungszinssatz ist nachvollziehbar. Die Vorgaben zur Berechnung des Einigungsbereichs in § 7
FVerlV sind jedenfalls stimmig. Ebenso ist den Sondervorschriften der § 4 und 8
FVerlV zuzustimmen.
Damit verbleibt allein der Kritikpunkt zu §§ 1 IV und 3 FVerlV, nämlich dass dieser
nicht betriebswirtschaftlichen Standards zur Unternehmensbewertung zu entsprechen scheint. Dies führt zur nahe liegenden Fragestellung, ob es überhaupt sinnvoll ist, dass das internationale Steuerrecht einen eigenen Vorschlag zur Unternehmensbewertung vornimmt, der speziell für Funktionsverlagerungen gemacht ist. Um
Alternativen aufzuzeigen, sollen die aktuellen Entwicklungen bei der Erbschaftsteuerreform betrachtet werden.
bb) Entwicklungen bei der Erbschaftsteuerreform
Die Bundesregierung hat einen Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts (Erbschaftsteuerreformgesetz – ErbStRG) auf den Weg
gebracht.1034 Er enthält neben dem Art. 1 zur Änderung des Erbschaftsteuer- und
Schenkungssteuergesetzes einen Artikel 2 zur Änderung des Bewertungsgesetzes. Es
1032 Oestreicher/Hundeshagen, DB 2008, 1637 (1638).
1033 Oestreicher/Hundeshagen, DB 2008, 1637 (1638 f.).
1034 BR-Drs. 4/08 vom 4.1.2008.
366
wird vorgeschlagen, § 11 II BewG zu ändern und neu zu fassen.1035 In § 11 II 3 BewG
soll eine Ermächtigungsnorm eingefügt werden, die den bei Ertragswerteermittlungen
anzuwendenden Kapitalisierungszinssatz und Einzelheiten für ein Ertragswertverfahren
regeln soll. Diese Verordnung zur Durchführung des § 11 II des BewG soll eine sog.
Anteils- und Betriebsvermögensbewertungsverordnung (AntBVBewV) sein. Für diese
Verordnung existiert bisher nur ein Diskussionsentwurf.
Die Einzelheiten dieses Diskussionsentwurfes sollen an dieser Stelle nicht dargestellt werden. Es geht vielmehr um etwas anderes. Der Gesetzgeber und der
Verordnungsgeber machen sich offensichtlich Gedanken darüber, wie ein Ertragswertverfahren zur Unternehmensbewertung gestaltet sein soll. Dann stellt
sich allerdings naheliegenderweise die Frage, ob diese Anteilsbewertungsverordnung nicht für alle Arten des Steuerrechts gelten soll. Soweit Änderungen
notwendig sind, können die dann in den jeweiligen Einzelgesetzen oder Verordnungen geregelt sein.
cc) Schlussfolgerungen für FVerlV
Das würde aber bedeuten, dass die FVerlV, besonders die §§ 1 IV und 3, so umgeschrieben werden müssten, dass nur solche Regelungen enthalten wären, die Abweichungen zur AntBVBewV regeln würden. Dazu könnte vertreten werden, dass Funktionsverlagerungen etwas sehr Spezielles gegenüber allgemeinen Unternehmensbewertungsfragen sein könnten, weil es hier um die Unternehmensbewertung aus der Sicht von
zwei Geschäftsleitern geht. Ein solcher Ansatz würde jedoch nicht berücksichtigen, dass
bei der Unternehmensbewertung die jeweilige Sichtweise der beiden beteiligten Geschäftsleiter in Bezug auf das bewertete Unternehmens einfließen. Deshalb könnte auch
bei der Unternehmensbewertung anlässlich einer Funktionsverlagerung eine Regelung in
der AntBBewV ausreichen. Bei der Bewertung aus Sicht des abgebenden Unternehmens
wie auch bei der Bewertung aus der Sicht des aufnehmenden Unternehmens würden die
1035 Die neue Vorschrift soll lauten: „„(2) Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht unter
Absatz 1 fallen, sind mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Lässt sich der gemeine Wert nicht
aus Verkäufen unter fremden Dritten ableiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, so ist er
unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft oder einer anderen
anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen
Methode zu ermitteln; dabei ist die Methode anzuwenden, die ein Erwerber der Bemessung
des Kaufpreises zugrunde legen würde. Die Summe der gemeinen Werte der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze abzüglich der zum
Betriebsvermögen gehörenden Schulden und sonstigen Abzüge (Substanzwert) der Gesellschaft darf nicht unterschritten werden; die §§ 99 und 103 sind anzuwenden. Zur Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsanwendung bei gleichen Sachverhalten und zur Erleichterung der Bewertung wird die Bundesregierung ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates
durch Rechtsverordnung den bei Ertragswertermittlungen anzuwendenden Kapitalisierungszinssatz und Einzelheiten für ein Ertragswertverfahren zu regeln.“
367
Regelungen entsprechend eingesetzt werden. Das ist also kein Gegenargument gegen die
Forderung, die Unternehmensbewertung in der AntBBewV einheitlich zu regeln.
Wenn das Internationale Steuerrecht sich an der Diskussion zur Unternehmensbewertung
beteiligen würde, könnte es insbesondere auch Einfluss auf § 5 der geplanten AntB-
BewV nehmen. Dort soll in § 5 I AntBBewV festgelegt werden, dass der Kapitalisierungszinssatz sich aus einem Basiszinssatz und einem Zuschlag von 4,5 % zusammensetzt. Der Basiszinssatz ist dabei gemäß § 5 II aus der langfristigen erzielbaren Rendite
öffentlicher Anleihen abzuleiten. Der Kapitalisierungsfaktor soll sich gemäß § 5 III
AntBBewV aus der Berechnung eins durch Kapitalisierungszinssatz ergeben.
c) Reformvorschlag
Es wird deshalb dafür plädiert, dass unabhängig von der Frage, ob die Erbschaftsteuerreform tatsächlich verabschiedet wird, eine einheitliche Regelung zur Unternehmensbewertung im deutschen Steuerrecht geschaffen wird. Diese könnte tatsächlich in einer entsprechenden Änderung des Bewertungsgesetzes mit einer Ermächtigungsnorm für eine Rechtsverordnung umgesetzt werden. Die Rechtsverordnung könnte entsprechend dem Diskussionsentwurf zur AntBBewV die entscheidende Norm sein, die die Berechnung des Unternehmenswertes regelt. Ein solcher
Vorschlag würde vor allem dazu führen, dass sich die Fachleute der einzelnen Steuerarten nicht mit Regelungen befassen müssen, die nicht zu ihrem Rechtsgebiet gehören. Stattdessen können sie es den Fachleuten für Unternehmensbewertung überlassen, sachgerechte Regelungen zu entwickeln.
V. Ausnahme: Einzelbewertung (Escape-Klausel)
1. Einführung
a) Überblick
Der Gesetzgeber hat in § 1 III 10 AStG1036 eine Vorschrift aufgenommen, die eine
Ausnahme zum Grundsatz der Gesamtbewertung in § 1 III 9 AStG zulässt. Die Vorschrift beinhaltet zwei Fallvarianten, nämlich dass erstens keine wesentlichen im-
1036 Die Vorschrift lautet: „In den Fällen des Satzes 9 ist die Bestimmung von Verrechnungspreisen für alle betroffenen einzelnen Wirtschaftsgüter und Dienstleistungen nach Vornahme
sachgerechter Anpassungen anzuerkennen, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass
keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile mit der Funktion übergegangen sind oder zur Nutzung überlassen wurden oder dass das Gesamtergebnis der Einzelpreisbestimmungen, gemessen an der Preisbestimmung für das Transferpaket als Ganzes, dem
Fremdvergleichsgrundsatz entspricht.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Das Thema Funktionsverlagerung ist das Thema des Jahres im Internationalen Steuerrecht. Der deutsche Gesetzgeber hat als erstes Gesetzgebungsorgan weltweit ausdrückliche Regelungen in § 1 Abs. 3 AStG zu diesem umstrittenen Thema erlassen. Die deutsche Finanzverwaltung hat mit Zustimmung des Bundesrats außerdem das Gesetz durch die Funktionsverlagerungsverordnung (FVerlVO) ergänzt. Damit stehen umfassende legislative Regelungen zur Besteuerung dieses umstrittenen Themenbereichs zur Verfügung.
Das Werk analysiert die neuen Regelungen und bezieht zu den einzelnen Themenbereichen ausführlich Stellung. Im ersten Teil werden zunächst die Neuregelungen zur steuerlichen Behandlung von Verrechnungspreisen durch die Unternehmensteuerreform 2008 dargestellt. Dabei wird auch die Vereinbarkeit des § 1 AStG mit dem Europarecht untersucht. Darauf aufbauend werden die Regelungen zur Funktionsverlagerung im zweiten Teil kritisch untersucht und ebenfalls auf ihre Europarechtstauglichkeit analysiert.