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IV. Dokumentation von Verrechnungspreisen
Der BFH hatte im sog. Armani-Urteil270 im 8. Leitsatz festgestellt, dass nach deutschem Steuerrecht außerhalb der §§ 140 ff. AO und der §§ 238 ff. HGB keine speziellen Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten bestehen. Der Gesetzgeber hat
daraufhin im Rahmen des StVergAbbG mit der Einführung des § 90 III AO reagiert
und erstmals Dokumentationspflichten für Verrechnungspreise eingeführt. In § 90
III 5 AO war die Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung enthalten. Dies
hat das BMF als Verordnungsgeber durch den Erlass der GAufzV271 genutzt. Da
auch durch die Rechtsverordnung viele Fragen nicht geklärt wurden, hat die Verwaltung ein BMF-Schreiben zu diesem Thema veröffentlicht.272
Durch das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 sind einige wenige, aber wichtige
Änderungen zur Dokumentationspflicht von Verrechnungspreisen vorgenommen
worden. Diese Änderungen vollzogen sich in § 90 III AO (sogleich unter 1.), in den
§§ 3 und 5 GAufzV (unten 2.) und in § 162 III AO (unten 3.). Außerdem stellt sich
die Frage, wie die Anforderungen des § 1 III 11 und 12 AStG bei Dokumentationen
umgesetzt werden sollen.
1. Verkürzung der Vorlagefrist bei außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen
In § 90 III AO wurde durch Artikel 6 des UntStRG ein neuer Satz 9 eingefügt.273
Während bisher bei den Vorlagefristen für gewöhnliche und außergewöhnliche Geschäftsvorfälle nicht differenziert wurde, wird nun durch die neue Vorschrift eine
Unterscheidung vorgenommen. Die Vorlagefrist für gewöhnliche Geschäftsvorfälle
bleibt unverändert, während diejenige für die außergewöhnlichen Geschäftsvorfälle
um die Hälfte von 60 auf 30 Tage verkürzt wird. Auch wenn in begründeten Einzelfällen gemäß § 90 III 10 AO die Vorlagefrist verlängert werden kann, bedeutet die
Fristreduzierung um 50 % eine erhebliche Belastung für die Unternehmen.
Der Gesetzgeber begründet die Verkürzung mit dem Argument, dass eine Vorlagefrist von 60 Tagen unnötig lang sei und zu Verzögerungen bei der Prüfung führe. 30
Tage Vorlagefrist seien ausreichend.274 Diese zeitliche Verkürzung der Vorlagefrist
270 BFH-Urteil vom 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171.
271 Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung (GAufzV) vom 28.10.2003, BStBl. I 2003,
739.
272 Sog. Verwaltungsgrundsätze-Verfahren (VWG-Verfahren) vom 12.04.2005, IV B 4 –
S. 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570.
273 Die Vorschrift lautet: „9Soweit Aufzeichnungen über außergewöhnliche Geschäftsvorfälle
vorzulegen sind, beträgt die Frist 30 Tage.“
274 Gesetzesbegründung, BR-Drs. 220/07, S. 137.
130
wird in der Literatur als „Gängelung“ kritisiert.275 Diese Verkürzung bringe letztendlich nichts, weil die Verrechnungsdokumentation insgesamt erst nach 60 Tagen vorliegen müsse und allein mit der Dokumentation der außergewöhnlichen Geschäftsvorfälle nach 30 Tagen nichts gewonnen sei. Deshalb sei darauf zu hoffen, dass die
Betriebsprüfer die Verrechnungspreisdokumentation einheitlich anforderten und
keine gesonderte Vorlage der außergewöhnlichen Geschäftsvorfälle verlangten.276
Diese Argumentation beruht allerdings auf der Annahme, dass die Funktions- und
Risikoanalyse sowie die Verrechnungspreisanalyse erst in der Gesamtverrechnungspreisdokumentation nach 60 Tagen vorgelegt werden müssten.277 Schließlich wird
darauf hingewiesen, dass es für die Betriebsprüfung unverzichtbar sei, erst die
Dokumentation der ordentlichen Geschäftsvorfälle zu beurteilen, bevor die außerordentlichen Geschäftsvorfälle im Gesamtzusammenhang bewertet werden könnten.278
Der Streit um diese Verkürzung wird insbesondere vor dem Hintergrund verständlich, dass Funktionsverlagerungen als außergewöhnliche Geschäftsvorfälle anzusehen sind. Die Aufzeichnungen über diese Vorgänge sind also auch innerhalb von 30
Tagen vorzulegen. Der Kritik seitens der Literatur ist jedoch entgegenzuhalten, dass
außergewöhnliche Geschäftsvorfälle gemäß § 90 III 3 AO grundsätzlich zeitnah anzufertigen sind. Gemäß § 3 I 2 GAufzV sind sie spätestens nach 6 Monaten zu
erstellen. Folglich liegen sie grundsätzlich schon in den Unternehmen vor, wenn die
Betriebsprüfung eine dementsprechende Anfrage stellt. Deshalb ist die Kritik schwer
verständlich. Denn entweder liegt die Aufzeichnung bereits vor oder aber, wenn der
entsprechende außergewöhnliche Geschäftsvorfall innerhalb der letzten 6 Monate
stattgefunden hat, ist er nun zeitnah zu erstellen. Außerdem ist der Annahme, dass
die Funktions- und Risikoanalyse sowie die Verrechnungspreisanalyse erst in der
Gesamtverrechnungspreisdokumentation nach 60 Tagen vorgelegt werden müssten,
nicht zuzustimmen. Eine Aufzeichnung über außergewöhnliche Geschäftsvorfälle ist
nicht vollständig, wenn sie keine Funktions- und Risikoanalyse sowie keine Verrechnungspreisanalyse enthält. Daher sind diese Dokumentationsschritte ebenfalls
im Rahmen der Aufzeichnungen zum außergewöhnlichen Geschäftsvorfall vorzunehmen, so dass die Betriebsprüfung in der Lage ist, diesen umfassend nach dreißig
Tagen zu beurteilen, bevor die Aufzeichnungen für die ordentlichen Geschäftsvorfälle nach sechzig Tagen vorliegen.
275 Greinert, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmenssteuerreform 2008, 541 (577).
276 Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1467).
277 Greinert, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmenssteuerreform 2008, 541 (577) unter Berufung auf das IDW, IDW-FN 2007, 207.
278 Freytag, IWB 2007, 237 (243) (= F. 3, Gr. 1, 2193 (2199)).
131
2. Neuregelungen in der GAufzV
Durch Artikel 9 des UntStRG sind zwei Vorschriften in der GAufzV geändert bzw.
ergänzt worden, nämlich § 3 II GAufzV und § 5 S. 2 GAufzV.
a) Erweiterung der Definition der außergewöhnlichen Geschäftsvorfälle
Durch § 3 GAufzV wird der in § 90 III 3 AO genannte Begriff der sog. außergewöhnlichen Geschäftsvorfälle normativ ausgefüllt. Dabei definiert § 3 II GAufzV279
durch Nennung bestimmter Vorfälle, die auf jeden Fall als außergewöhnliche Geschäftsvorfälle anzusehen sind, den Begriff. Diese Definition ist nun durch Umformulierungen geändert und ergänzt worden.
Insgesamt hat es drei Änderungen gegeben. Während sich diejenigen zum Kriterium
des Abschlusses und der Änderung langfristiger Verträge sowie der wesentlichen
Funktions- und Risikoänderungen im Unternehmen als rein sprachliche Änderungen
darstellen und als solche auch gewollt waren,280 handelt es sich bei der dritten
Veränderung um eine echte Neuerung. Denn der Abschluss von Umlageverträgen ist
erstmalig in die Aufzählung der außergewöhnlichen Geschäftsvorfälle aufgenommen worden. Begründet wird dies damit, dass diese Verträge „in der Regel mehrere
Unternehmen und verschiedene Steuerverwaltungen betreffen und in diesen Fällen
zeitnahe Aufzeichnungen zur Vermeidung von Unklarheiten besonders wichtig
sind.“281
Diese Neuerung wird in der Literatur kritisiert. Denn erstens würden internationale
Verrechnungspreise stets verschiedene Steuerverwaltungen betreffen und es müssten
bei dieser Argumentation alle internationalen Verrechnungspreise zeitnah doku-
279 Die Vorschrift lautet: „(2) Als außergewöhnliche Geschäftsvorfälle sind insbesondere
anzusehen der Abschluss und die Änderung langfristiger Verträge, die sich erheblich auf die
Höhe der Einkünfte des Steuerpflichtigen aus seinen Geschäftsbeziehungen auswirken,
Vermögensübertragungen im Zuge von Umstrukturierungsmaßnahmen, die Übertragung und
Überlassung von Wirtschaftsgütern und Vorteilen im Zusammenhang mit wesentlichen
Funktions- und Risikoänderungen im Unternehmen, Geschäftsvorfälle im Zusammenhang
mit einer für die Verrechnungspreisbildung erheblichen Änderung der Geschäftsstrategie
sowie der Abschluss von Umlageverträgen.“ Vor der Änderung lautete die Vorschrift: „(2)
Als außergewöhnliche Geschäftsvorfälle sind insbesondere anzusehen Vermögensübertragungen im Zuge von Umstrukturierungsmaßnahmen, wesentliche Funktions- und Risiko-
änderungen im Unternehmen, Geschäftsvorfälle im Zusammenhang mit einer für die Verrechnungspreisbildung erheblichen Änderung der Geschäftsstrategie sowie der Abschluss
und die Änderung langfristiger Verträge von besonderem Gewicht, die sich erheblich auf die
Höhe der Einkünfte aus den Geschäftsbeziehungen mit Nahestehenden auswirken.“
280 Gesetzesbegründung, BR-Drs. 220/07, S. 150.
281 Gesetzesbegründung, BR-Drs. 220/07, S. 150.
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mentiert werden, was allerdings als unverhältnismäßig anzusehen wäre.282 Zweitens
würden durch diese Maßnahme der zeitlichen Restriktion die Anforderungen an den
Steuerpflichtigen „drastisch“ erhöht, weil der Gesetzgeber nun bei Umlageverträgen
Vorratsdokumentation fordern würde, obwohl durch Tz. 5 der Verwaltungsgrundsätze Umlage283 bereits strenge Dokumentationsanforderungen vorhanden seien.284
Dadurch würden den Unternehmen weitere unnötige Verwaltungskosten auferlegt.285
Des Weiteren wird moniert, dass die neue Definition teilweise unklar sei und
gleichzeitig zu weit gehe. So sei nicht weiter ausgeführt, was unter dem Merkmal
„erheblich“ zu verstehen sei.286 Daher sei zu befürchten, dass zeitnahe Dokumentationen künftig jeden Geschäftsvorfall beträfen, der nur geringfügig vom gewöhnlichen Geschäftsbetrieb abweiche.287 Da sowohl der Gesetzeswortlaut als auch die
Anwendung des § 3 II GAufzV auf den Einzelfall nicht eindeutig sei, müsse in
Zweifelsfällen bei einer fehlenden Dokumentation die Unsicherheit der Finanzverwaltung und nicht dem Steuerpflichtigen angelastet werden.288
Dieser Kritik ist entgegenzuhalten, dass es dem Gesetzgeber frei steht, welche Vorgänge er gesetzlich unter bestimmte Tatbestände fasst. Daher spricht aus rechtswissenschaftlicher Sicht nichts gegen die Aufnahme des Abschlusses von Umlageverträgen in die Aufzählung des § 3 II GAufzV. Auch das Argument, dass internationale Verrechnungspreise stets verschiedene Steuerverwaltungen betreffen würden,
ist irreführend. Denn normalerweise werden Verrechnungspreise zwischen zwei
Unternehmen und damit zwischen zwei Steuerverwaltungen geprüft. Umlageverträge betreffen aber häufig mehr als zwei Unternehmen in mehr als zwei Staaten.
Dadurch können eine Vielzahl von Unternehmen in einer Vielzahl von Staaten beteiligt sein. In solchen Fällen wird die Prüfung der Fälle sehr erschwert. Daher ist es
verständlich, dass der Gesetzgeber der Betriebsprüfungspraxis helfen und durch die
Anordnung einer Vorratsdokumentation sicherstellen wollte, dass diese Vorgänge
leichter nachprüfbar sind. Auch der Kritik an der angeblichen Unklarheit des Gesetzes kann nicht gefolgt werden. Das Merkmal „erheblich“ ist im Einzelfall auszulegen. Auch hier ist anzumerken, dass es dem Gesetz- und dem Verordnungsgeber frei
steht, unbestimmte Rechtsbegriffe einzuführen. Ebenso kann dem Argument nicht
gefolgt werden, dass eine fehlende Dokumentation nicht dem Steuerpflichtigen anzulasten sei. Der Gesetzeswortlaut des § 90 III 3 AO ist ebenso eindeutig wie grundsätzlich auch der des § 3 II GAufzV.
282 Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1466).
283 BMF-Schreiben v. 30.12.1999, - IV B 4 - S 1341 – 14/99, BStBl. I 1999, 1122.
284 Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, 301 (328 f.) (= F. 3, Gr. 1, 2201 (2228 f.)).
285 Greinert, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmenssteuerreform 2008, 541 (576).
286 Bödefeld/Kuntschik, in: Blumenberg/Benz, Unternehmenssteuerreform 2008, 240 (284).
287 Fischer/Looks/im Schlaa, BB 2007, 918 (919)
288 Fischer/Looks/im Schlaa, BB 2007, 918 (919)
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Dazu gibt es eine Ausnahme, die interessanterweise in der Literatur nicht angesprochen wird. In § 3 II GAufzV heißt es nur allgemein, dass der Abschluss von Umlageverträgen als außergewöhnlicher Geschäftsvorfall anzusehen sei. Es wird aber
nicht definiert, welche Verträge als „Umlageverträge“ anzusehen sind. Es gibt insbesondere keine vergleichbare Definition wie im BMF-Schreiben zu Umlageverträgen.289 Dieses BMF-Schreiben umfasst aber nicht alle Konstellationen von Umlageverträgen. Vielmehr werden durch das BMF-Schreiben nur noch die Fälle erfasst,
die dem Poolkonzept folgen. Kontakte nach dem Leistungsaustauschkonzept werden
nicht als Umlageverträge im Sinn des BMF-Schreibens anerkannt.290 Hätte der
Gesetzgeber den Begriff wie im BMF-Schreiben definiert, hätte daraus geschlossen
werden können, dass er dem Begriff in der GAufzV denselben beschränkten Anwendungsbereich wie dem der Verwaltungsanweisung zuweisen will. Da dies nicht geschehen ist, ist der Begriff des „Abschlusses von Umlageverträgen“ umfassender als
der im BMF-Schreiben zu verstehen, so dass alle Arten von Umlageverträgen darunter zu subsumieren sind.
b) Aufzeichnungspflichten bei Forschung und Entwicklung
Durch § 5 GAufzV wird die Aufzeichnungspflicht in besonderen Fällen erweitert.
Der bisherige Katalog von fünf Nummern ist nun durch einen sechsten Punkt als § 5
S. 2 Nr. 6 GAufzV291 ergänzt worden, der die Aufzeichnungspflichten von Forschungsvorhaben und Forschungstätigkeiten bei Funktionsänderungen betrifft.
289 BMF-Schreiben vom 30.12.1999, IV B 4 – S 1341 – 14/99, BStBl. I 1999, 1122. Dort heißt
es in der Tz. 1.1: „Umlageverträge im Sinne dieses Schreibens sind Verträge, die
international verbundene Unternehmen untereinander abschließen, um im gemeinsamen
Interesse, in einem längeren Zeitraum, durch Zusammenwirken in einem Pool Leistungen zu
erlangen bzw. zu erbringen.“
290 Böcker, StBp 2008, 8.
291 Die Vorschrift lautet: „1Soweit besondere Umstände der in Satz 2 genannten Art für die vom
Steuerpflichtigen vereinbarten Geschäftsbeziehungen von Bedeutung sind oder er sich im
Hinblick auf von ihm vereinbarte Geschäftsbedingungen zur Begründung der Fremdüblichkeit auf besondere Umstände beruft, sind Aufzeichnungen über diese Umstände nach Maßgabe der §§ 1 bis 3 zu erstellen. 2Dazu können nach den Verhältnissen des Einzelfalles folgende Aufzeichnungen gehören: … 6. in Fällen von Funktions- und Risikoänderungen im
Sinne des § 3 Abs. 2 Aufzeichnungen über Forschungsvorhaben und laufende Forschungstätigkeiten, die im Zusammenhang mit einer Funktionsänderung stehen können und in den drei
Jahren vor Durchführung der Funktionsänderung stattfanden oder abgeschlossen worden
sind; die Aufzeichnungen müssen mindestens Angaben über den genauen Gegenstand der
Forschungen und die insgesamt jeweils zuzuordnenden Kosten enthalten. 2Dies gilt nur,
soweit ein Steuerpflichtiger regelmäßig Forschung und Entwicklung betreibt und aus
betriebsinternen Gründen Unterlagen über seine Forschungs- und Entwicklungsarbeiten
erstellt, aus denen die genannten Aufzeichnungen abgeleitet werden können.“
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Die Vorschrift betrifft gem. § 5 S. 2 Nr. 6 S. 2 GAufzV nur Steuerpflichtige, die regelmäßig Forschung und Entwicklung betreiben und deshalb bereits aus betriebsinternen Gründen Unterlagen über seine Forschungs- und Entwicklungsarbeiten erstellt. Dies soll zum Beispiel der Fall sein, wenn ein Forschungscontrolling betrieben wird.292 Es handelt sich hier also um einen eingeschränkten Adressatenkreis.
Darüber hinaus sind aufgrund des Bezuges zu Funktionsänderungen auch die subsumierbaren Fallkonstellationen begrenzt. Die Vorschrift betrifft ausschließlich
Funktionsverlagerungen. Kommt die Norm aber zur Anwendung, ist der genaue Gegenstand der Forschung und die jeweiligen Kosten aufzuzeichnen. Der Zeitraum
muss die letzten drei Jahre vor der Durchführung der Funktionsänderungen abdecken.
Ziel des Gesetzgebers ist auch hier eine Erleichterung für die Betriebsprüfung. Es
soll feststellbar sein, ob das übernehmende Unternehmen bei einer Funktionsverlagerung ein selbst hergestelltes immaterielles Wirtschaftsgut des abgebenden Unternehmens erhalten hat.293 Der Gesetzgeber will dabei ausdrücklich berücksichtigen,
dass nur gelegentlich forschenden Unternehmen es nicht zugemutet werden kann,
„nur für Zwecke der Besteuerung ggf. erheblichen Zusatzaufwand zu tragen, um die
notwendigen Grundlagen für die Erstellung entsprechender Aufzeichnungen zu
schaffen“. Selbst bei regelmäßig Forschung und Entwicklung betreibenden Unternehmen sollen die zusätzlichen Pflichten nur bestehen, wenn wie zum Beispiel ein
Forschungscontrolling betrieben wird.
Trotz dieser Einschränkungen werden die Neuregelungen in der Literatur kritisiert.
Die Steigerungen der bereits bestehenden Dokumentationspflicht würden in der Praxis nicht leistbar sein.294 Zumindest würde diese Vorschrift die Verwaltungskosten
der Unternehmen erhöhen und einen erheblichen organisatorischen Aufwand verursachen.295 Auch die Beschränkung auf Forschung betreibende Unternehmen sei nicht
überzeugend, weil der Steuerpflichtige den Nachweis erbringen müsse, ob solche
Unterlagen vorhanden seien. Dadurch bewirke § 5 S. 2 Nr. 6 S. 2 GAufzV wieder
eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast.296 Schließlich sei der Dreijahreszeitraum für die Erstellung der Aufzeichnungen bei Forschungstätigkeiten „bedenklich“,
weil der Gesetzgeber hier „hellseherische Fähigkeiten“ vom Steuerpflichtigen
verlange, obwohl dieser Funktionsänderungen nicht drei Jahre im Voraus plane.297
In der Literatur gibt es allerdings auch Stimmen, die die neue Vorschrift als
angemessen einschätzen.298 Denn entsprechende Aufzeichnungen seien schon für
292 Gesetzesbegründung, BR-Drs. 220/07, S. 150.
293 Gesetzesbegründung, BR-Drs. 220/07, S. 150.
294 Freytag, IWB 2007, 237 (244) (= F. 3, Gr. 1, 2193 (2200)).
295 Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1467).
296 Bödefeld/Kuntschik, in: Blumenberg/Benz, Unternehmenssteuerreform 2008, 240 (286);
Freytag, IWB 2007, 237 (244) (= F. 3, Gr. 1, 2193 (2200)).
297 Greinert, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmenssteuerreform 2008, 541 (577).
298 Bödefeld/Kuntschik, in: Blumenberg/Benz, Unternehmenssteuerreform 2008, 240 (286).
135
betriebswirtschaftliche Zwecke erstellt worden. Es bedürfe auch keines großen
Aufwandes, um den Nachweis gemäß § 5 S. 2 Nr. 6 S. 2 GAufzV zu führen, dass
Forschungs- und Entwicklungsarbeiten nicht regelmäßig geleistet werden würden.
Der letzten Ansicht ist vollumfänglich zuzustimmen. Bezüglich der dort vorgetragenen Argumente ist nichts hinzuzufügen. Damit ist auch gleichzeitig das Argument
entkräftet, dass die Forderung des § 5 S. 2 Nr. 6 GAufzV unangemessen sei, weil
Unternehmen Funktionsverlagerungen nicht drei Jahre im Voraus planen würden.
Dies dürfte zwar in den meisten Fällen zutreffen, aber da die Unterlagen nur vorzulegen sind, wenn es bereits für andere Zwecke Aufzeichnungen in Unternehmen
gibt, läuft dieses Argument ins Leere.
3. Mitwirkungspflicht ausländischer Unternehmen
In § 162 III AO sind die Rechtsfolgen normiert, wenn ein Steuerpflichtiger Aufzeichnungen entweder gar nicht oder nicht verwertbare oder bei außergewöhnlichen
Geschäftsvorfällen nicht zeitnah erstellte Aufzeichnungen vorlegt. Es erfolgt laut
Satz 1 eine Beweislastumkehr zu Lasten des Steuerpflichtigen, und gem. Satz 2 darf
die Finanzverwaltung eine vorliegende Bandbreite vollumfänglich zu Lasten des
Steuerpflichtigen ausschöpfen. Nun ist der Absatz um einen Satz 3 erweitert worden,299 der Satz 2 ergänzt.
Die Rechtsfolge des Satzes 2 soll nun auch gelten, wenn eine ausländische, nahe
stehende Person ihre Mitwirkungspflichten gemäß § 90 II oder ihre Auskunftspflichten gemäß § 93 I AO nicht erfüllt. Dies soll selbst dann gelten, wenn grundsätzlich verwertbare Aufzeichnungen vorliegen. Dies bedeutet eine erhebliche Erweiterung der Vorschrift. Bisher können Dokumentationspflichten nur von den inländischen Beteiligten in Bezug auf seine Verrechnungspreisansetzung gefordert
werden. Der neue § 162 III 3 AO erweitert nun diese Pflicht auf das ausländische
beteiligte Konzernunternehmen.
Begründet wird auch diese Vorschrift mit der Notwendigkeit, die Finanzverwaltung
zu unterstützen, da diese häufig rechtlich und praktisch kaum Möglichkeiten habe,
die Mitwirkungs- und Auskunftspflichten u.a. in Bezug auf die Vorlage von Unterlagen und Erteilung von Auskünften gegenüber der ausländischen nahe stehenden
Person durchzusetzen. Dies führe dazu, dass Sachverhalte aufgrund der Weigerung
299 § 162 III 3 AO lautet: „3Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den
Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte,
und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.“
136
der ausländischen nahe stehenden Person bezüglich der Mitwirkung und der Auskunftserteilung nicht ausreichend aufgeklärt werden könnten. Die neue Vorschrift
würde eine Gleichbehandlung von inländischen und ausländischen Beteiligten bewirken, weil gegenüber inländischen Unternehmen entsprechende Durchsetzungsschwierigkeiten nicht bestünden.300 Besonders relevant seien diese Aufzeichnungspflichten für Funktionsverlagerungen, da in diesen Fällen alle Unterlagen vorzulegen seien, die Entscheidungsgrundlage für diese Verlagerung waren, die das beteiligte ausländische Unternehmen betreffen und die sich ggf. im Ausland befänden.301
Die Vorschrift wird aufgrund fundamentaler Bedenken von der Literatur kritisiert.
Eine ausländische Gesellschaft habe keine Mitwirkungspflichten im Inland.302 Einschlägig seien die Vorschriften der §§ 90 II, 78 und 93 I AO. Laut § 90 II AO hätten
die „Beteiligten“ den steuerlichen Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen
Beweismittel zu beschaffen, die sich auf ausländische Vorgänge bezögen. Die Definition des Beteiligten stände in § 78 AO. Eine ausländische nahe stehende Person
ließe sich aber unter dieser Vorschrift nicht subsumieren. Auch § 93 I AO sei trotz
seiner Erweiterung über den Beteiligten hinaus auf andere Personen nicht einschlägig, weil unter „anderen Personen“ nur inländische Steuerpflichtige fielen.303 Dagegen seien Exterritoriale nicht auskunftspflichtig.304 Da die ausländische nahe stehende Person demnach keine Auskunftspflicht nach §§ 90 II und 93 I AO träfe,
seien die Tatbestandsmerkmale des § 162 III 3 AO nicht erfüllbar, so dass auch die
Rechtsfolgen nicht eintreten könnten und deshalb die Sanktionsandrohungen nicht
anwendbar seien.305
Darüber hinaus wird diskutiert, ob dem § 162 III 3 AO eine entsprechende konstitutive Wirkung zugesprochen werden könne, so dass diese Vorschrift die Mitwirkungspflicht der ausländischen Beteiligten begründe.306 Die Problemstellung wird
nicht ausdrücklich beantwortet. Es wird aber darauf hingewiesen, dass der inländische Steuerpflichtige für die Nichteinhaltung einer gesetzlichen Anordnung durch
einen ausländischen Steuerpflichtigen „bestraft“ werden würde. Er habe oft keine
rechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten auf die nahe stehende ausländische Person.307
Außerdem träfen ihn nach bisherigem Recht nicht die Pflicht, den Sachverhalt selbst
300 Gesetzesbegründung, BR-Drs. 220/07, S. 140 f.
301 Gesetzesbegründung, BR-Drs. 220/07, S. 141.
302 Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1467); Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007,
301 (328) (F.3, Gr. 1, 2201 (2228)); Bödefeld/Kuntschik, in: Blumenberg/Benz, Unternehmenssteuerreform 2008, 240 (287).
303 Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, 301 (328) (F.3, Gr. 1, 2201 (2228)); Bödefeld/
Kuntschik, in: Blumenberg/Benz, Unternehmenssteuerreform 2008, 240 (287).
304 Tipke/Kruse/Tipke, § 93 AO, Rz. 10
305 Greinert, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmenssteuerreform 2008, 541 (577, 578); Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, 301 (328) (F.3, Gr. 1, 2201 (2228)).
306 Bödefeld/Kuntschik, in: Blumenberg/Benz, Unternehmenssteuerreform 2008, 240 (287).
307 Bödefeld/Kuntschik, in: Blumenberg/Benz, Unternehmenssteuerreform 2008, 240 (287).
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bei der ausländischen nahe stehenden Person aufzuklären.308 Des Weiteren wird mit
Hilfe der Systematik der Sätze 1 und 3 darzulegen versucht, dass die neue Regelung
unangemessen sei. Der Begriff „im Wesentlichen unverwertbar“ in § 162 III 1 AO
sei restriktiv auszulegen.309 Da hier aber dem Steuerpflichtigen Sanktionen auferlegt
werden würden, obwohl er verwertbare Unterlagen vorgelegt habe, und da die Regelung eine Umkehr der Beweislast enthalte, verlange sie etwas rechtlich Unmögliches.310 Schließlich wird darauf hingewiesen, dass der Finanzverwaltung auch die
Möglichkeiten des internationalen Informationsaustausches zur Verfügung stünden,
wenn sie Informationen über die ausländische Gesellschaft benötige.311 Damit wird
implizit die Notwendigkeit einer solchen konstitutiven Wirkung bestritten.
Der Literatur ist zunächst dahingehend zuzustimmen, dass es bisher keine Rechtsgrundlage für die Mitwirkungspflichten ausländischer nahe stehender Personen gegeben hat. Deshalb ist der Aussage zuzustimmen, dass die §§ 90 II und 93 I AO eine
entsprechende Anordnung nicht enthalten. Folglich können die Rechtsfolgen in
§ 162 III 2 AO tatsächlich nur dann eintreten, wenn der Norm eine konstitutive Wirkung zukommt.
Gegen eine solche Auslegung könnte die Stellung der Norm im Gesetz sprechen.
§ 162 steht im vierten Teil des Gesetzes, der die Durchführung des Steuerverfahrens
regelt, während die vorher genannten Vorschriften der §§ 78, 90 und 93 AO zu den
allgemeinen Verwaltungsvorschriften des dritten Teils gehören. Wenn der Gesetzgeber nun die Mitwirkungs- und Auskunftspflichten von ausländischen nahe stehenden Personen erweitern wollte, wäre es aus rechtswissenschaftlicher Sicht richtig
gewesen, dies im dritten Teil des Gesetzes vorzunehmen. Das allein kann jedoch
kein Argument sein, dem § 162 III 3 AO die konstitutive Wirkung abzusprechen.
Eine Auslegung nach Wortlaut sowie nach Sinn und Zweck des Gesetzes führen zu
einem anderen Ergebnis. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ordnet sie, wenn auch
indirekt, an, dass ausländische nahe stehende Personen dazu beizutragen haben, das
Zweifel in Bezug auf die Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes ausgeräumt
werden. Wenn die ausländische nahe stehende Person dazu nichts beiträgt, sollen die
Rechtsfolgen des § 162 III 2 AO eintreten. Darüber hinaus ist erklärter Sinn und
Zweck des Gesetzes, der Finanzverwaltung in einer äußerst schwierigen Situation
beizustehen. Bisher konnten viele Verrechnungspreisfälle in der Praxis nicht zufrieden stellend gelöst werden, weil die ausländische nahe stehende Person Informationen zurückgehalten und aus Sicht der Betriebsprüfung „gemauert“ hat. Dadurch sind
ganze Betriebsprüfungen zumindest in Bezug auf Verrechnungspreisprüfungen ins
Leere gelaufen. Das ist unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Besteue-
308 F/W/B-Wassermeyer, AStR, § 1 AStG, Anm. 821.
309 Schreiber, in: B/B/L/S/W, WPg-Sonderheft 2006, 131 (142).
310 Bödefeld/Kuntschik, in: Blumenberg/Benz, Unternehmenssteuerreform 2008, 240 (287).
311 Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1467); zur internationalen Informationshilfe
siehe Hendricks, Internationale Informationshilfe in Steuerverfahren, 2004
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rungspraxis ein unhaltbarer Zustand. Dies war schon nach bisheriger Rechtslage bei
der Prüfung von Verrechnungspreisen misslich. Für Funktionsverlagerungen ist das
Problem jedoch besonders virulent, weil es dort zur Ermittlung des angemessenen
Verrechnungspreises notwendig ist, die Ermittlungsgrundlagen des ausländischen
beteiligten Konzernunternehmens zu kennen.312 Ohne eine solche Norm würden zukünftig viele Prüfungen von Funktionsverlagerungen nicht durchführbar sein.
Daher kann der Gesetzgeber zwar dafür kritisiert werden, dass er diese Norm nicht
zweigeteilt hat. Die Anordnung der Mitwirkung der ausländischen nahe stehenden
Person hätte zum Beispiel im Rahmen des § 90 AO vorgenommen werden können,
während in § 162 III AO nur die Sanktionen gestanden hätten. Am Ergebnis ändert
diese Kritik aber nichts. Der Verpflichtung von ausländischen beteiligten Konzernunternehmen zur Mitwirkung und der Zuweisung der Konsequenzen an den inländischen Steuerpflichtigen für die Nichteinhaltung dieser Pflichten ist vollumfänglich
zuzustimmen.313
4. Dokumentationspflichten zu § 1 III 11 und 12 AStG
Zum Kontext des vorherigen Abschnitts gehört auch die Frage, wie die Anforderungen des § 1 III 11 und 12 AStG in Bezug auf die Dokumentationspflichten umgesetzt werden sollen. Diese Vorschriften greifen ja gerade nur dann ein, wenn der
Steuerpflichtige keine Preisanpassungsklausel vereinbart hat. Es stellt sich hier bereits die Frage, ob dieser Aspekt in die Sachverhaltsdokumentation ausdrücklich
aufgenommen werden muss. Umgekehrt lässt sich feststellen, dass eine vereinbarte
Anpassungsregelung in die Sachverhaltsdokumentation als Teil der Vertragsdokumentation gehört.
Da der Steuerpflichtigen aber vor der Situation stehen kann, eine von der prognostizierten Gewinnentwicklung abweichende Performance zu erfahren, stellt
sich die Frage, ob er während und für den gesamten 10-Jahreszeitraum verpflichtet ist, die Entwicklungen beider beteiligten Unternehmen zu dokumentieren. Zwar ist entsprechend dem Vorhergesagten das ausländische Unternehmen
verpflichtet, bei Dokumentationen mitzuwirken. Jedoch stellen sich in Bezug auf
die Entwicklung beim aufnehmenden Unternehmen weitere Fragen. In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass das Gesetz anscheinend davon ausgeht, dass
sich der Gewinn allein aus der übernommenen Funktion beim aufnehmenden
Unternehmen fortentwickelt. Dies sei allerdings eine statische Betrachtungs-
312 Ausführlich dazu im 2. Teil.
313 Die Ergebnisse des Abschnitts IV „Dokumentation von Funktionsverlagerungen“ sowie des
gesamten Kapitels D „Dokumentation von Verrechnungspreisen und weitere Sonderregelungen“ wird im 3. Teil vorgenommen.
139
weise.314 Es werde vollständig ignoriert, dass die Gewinnentwicklung sich auch
aufgrund der Synergieeffekte und aufgrund eigener Leistungen des aufnehmenden Unternehmens abweichend entwickeln könnte.315
Daher stellt sich die berechtigte Frage, inwieweit bei der Dokumentation der Gewinnentwicklung des aufnehmenden Unternehmens auseinander zu dividieren sein
soll, inwieweit die Gewinnentwicklung noch auf der aufgenommenen Funktion und
inwieweit sie auf eigene Leistungen des aufnehmenden Unternehmens beruht. Eine
Lösung kann im Grunde nur darin bestehen, dass die Regelungen des § 90 III AO
und der GAufzV dahingehend ausgelegt werden, dass sie Dokumentationspflichten
nur für den Zeitpunkt der Verrechnungspreisfestlegung vorsehen. Das bedeutet also,
dass die Dokumentationspflichten an sich auch nur statisch anzusehen sind. Tatsächlich lässt sich weder aus § 90 III AO noch aus § 4 GAufzV eine entsprechende
Forderung ableiten.
Rechtsgrundlage für eine dynamische Dokumentation könnte allein § 2 IV GAufzV
sein.316 Dann müsste aber jeder Sachverhalt, bei dem keine Anpassungsklausel
vereinbart worden ist, ein Dauersachverhalt i.S.d. § 2 IV GAufzV sein. Solche Auslegung wäre aber zu weitgehend. Außerdem stellt § 2 IV 1 GAufZV darauf ab, dass
nachträglich Anpassungsregelungen vereinbart werden sollen. Bei § 1 III 11 und 12
AStG geht es jedoch um eine Anpassungsregelung, die bereits bei Vertragsschluss
vereinbart werden soll. Auch wenn es das ausdrückliche Ziel des Gesetzgebers gewesen ist, die Steuerpflichtigen zur Vereinbarung von angemessenen Anpassungsregelungen zu veranlassen,317 kann dies nicht soweit verstanden werden, dass im Falle
einer Nichtvereinbarung eine Dauerdokumentationspflicht entsteht. Daher führt das
Unterlassen der Vereinbarung einer Preisanpassungsklausel nach hier vertretener
Auffassung nicht dazu, dass eine Dauerdokumentationspflicht gemäß § 2 IV
GAufzV beim Steuerpflichtigen entsteht.
314 Jahndorf, FR 2008, 101 (109).
315 Jahndorf, FR 2008, 101 (109).
316 Die Vorschriftet lautet: „1Ergibt sich bei Dauersachverhalten eine Änderung der Umstände,
die für die Angemessenheit vereinbarter Preise von wesentlicher Bedeutung ist, hat der Steuerpflichtige auch nach dem Geschäftsabschluss Informationen zusammen- und aufzuzeichnen, die der Finanzbehörde die Prüfung ermöglichen, ob und ab welchem Zeitpunkt
fremde Dritte eine Anpassung der Geschäftsbedingungen vereinbart hätten. 2Dies gilt
insbesondere, wenn in einem Geschäftsbereich steuerliche Verluste erkennbar werden, die
ein fremder Dritter nicht hingenommen hätte, oder wenn Preisanpassungen zu Lasten des
Steuerpflichtigen vorgenommen werden.“
317 Gesetzesbegründung BR-Drs. 22/07, S. 146.
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E. Konformität der steuerlichen Behandlung mit Verfassungsrecht
In der Literatur wird angezweifelt, dass die Neuregelungen zur steuerlichen Behandlung von Verrechnungspreisen und insbesondere diejenigen von Funktionsverlagerungen verfassungskonform sind.318 Es fällt allerdings auf, dass die Kritik sich
nicht eingehend mit dem Verfassungsrecht auseinandersetzt, sondern eher an der
Oberfläche bleibt und allgemein kritisiert, dass die Vorschriften zu unbestimm54
t und willkürlich seien. Der § 1 AStG insgesamt sowie die kritisierten einzelnen
Vorschriften sollen daher im Folgenden auf ihre Verfassungskonformität untersucht
werden.
I. Verstoß des § 1 AStG gegen das Bestimmtheitsgebot
Die Verwendung vieler unbestimmter Rechtsbegriffe wird kritisiert. Sie verstießen
gegen das Bestimmtheitsgebot.319 Es ist zu hinterfragen, ob die Verwendung der
aufgezeigten unbestimmten Rechtsbegriffe in § 1 I und III 1 bis 8 AStG verfassungskonform ist.
Das Bundesverfassungsgericht leitet das Bestimmtheitsgebot aus unterschiedlichen
Normen ab. Bei der Beurteilung des § 370 I Nr. 1 AO hat es das Gebot auf Art. 103
II GG und des Art. 104 II GG gestützt.320 In einem anderen Verfahren hat es vom
rechtstaatlichen Bestimmtheitsgebot gesprochen und es damit aus Art. 20 III GG abgeleitet. Im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung321 findet
das Bestimmtheitsgebot nach Ansicht des Gerichts seine Grundlage in Art. 2
Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG selbst.322 Es solle sicherstellen, dass die
gesetzesausführende Verwaltung für ihr Verhalten steuernde und begrenzende
Handlungsmaßstäbe vorfindet und dass die Gerichte die Rechtskontrolle durchführen können. Außerdem erlaubten die Bestimmtheit und Klarheit der Norm, dass der
318 Wassermeyer, DB 2007, 535 (539); Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, 301 (326)
(= F. 3, Gr. 1, 2201 (2226)); Bödefeld/Kuntschik, in: Blumenberg/Benz, Unternehmenssteuerreform 2008, 240 (288 f.).
319 Bödefeld/Kuntschik, in: Blumenberg/Benz, Unternehmenssteuerreform 2008, 240 (288 f.),
hier allerdings zu § 1 III 9 AStG.
320 BVerfG-Beschluss v. 26.02.2003, 2 BvR 150/03, Haufe SteuerOfficeProfessional Haufe-Index 920324.
321 BVerfG Urteil v. 22.11.2000, 1 BvR 2307/94, 1 BvR 1120/95, 1 BvR 1408/95, 1 BvR
2460/95, 1 BvR 2471/95, VIZ 2001, 16.
322 BVerfG-Beschluss v. 13.06.2007, 1 BvR 1550/03, 1 BvR 2357/04, 1 BvR 603/05, BVerfGE
118, 168.
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References
Zusammenfassung
Das Thema Funktionsverlagerung ist das Thema des Jahres im Internationalen Steuerrecht. Der deutsche Gesetzgeber hat als erstes Gesetzgebungsorgan weltweit ausdrückliche Regelungen in § 1 Abs. 3 AStG zu diesem umstrittenen Thema erlassen. Die deutsche Finanzverwaltung hat mit Zustimmung des Bundesrats außerdem das Gesetz durch die Funktionsverlagerungsverordnung (FVerlVO) ergänzt. Damit stehen umfassende legislative Regelungen zur Besteuerung dieses umstrittenen Themenbereichs zur Verfügung.
Das Werk analysiert die neuen Regelungen und bezieht zu den einzelnen Themenbereichen ausführlich Stellung. Im ersten Teil werden zunächst die Neuregelungen zur steuerlichen Behandlung von Verrechnungspreisen durch die Unternehmensteuerreform 2008 dargestellt. Dabei wird auch die Vereinbarkeit des § 1 AStG mit dem Europarecht untersucht. Darauf aufbauend werden die Regelungen zur Funktionsverlagerung im zweiten Teil kritisch untersucht und ebenfalls auf ihre Europarechtstauglichkeit analysiert.