100
II. Ermächtigungsnorm zur Rechtsverordnung
Der § 1 III AStG enthält in S. 13 eine Ermächtigung für das Bundesfinanzministerium als Verordnungsgeber, eine Rechtsverordnung zu erlassen.209 Die Norm ist unter drei Gesichtspunkten interessant. Zunächst fällt auf, dass sie in den § 1 III eingefügt worden ist und nicht separat für sich einen Absatz bildet. Aus hiesiger Sicht
wäre es wünschenswerter gewesen, wenn die Ermächtigungsnorm in einem eigenen
Absatz gestanden hätte. Sodann wird bezweifelt, dass sie verfassungskonform ist.210
Die Verfassungswidrigkeit wird im Kapitel E. gesondert untersucht. Schließlich ist
die Regelung durch den Ausdruck „durch Rechtsverordnung“ offen formuliert. Der
Verordnungsgeber hat diese Ermächtigung bereits durch die Funktionsverlagerungsverordnung (FVerlV) genutzt. Jedoch erlaubt die Ermächtigungsnorm auch den Erlass weiterer Rechtsverordnungen, z.B. die bereits mehrfach angesprochene Verordnung zur näheren Erläuterung der § 1 III 1 bis 8 AStG. Es ist zu erwarten, dass die
Finanzverwaltung noch eine dementsprechende weitere Rechtsverordnung erlassen
wird.
III. Konkurrenzen
Die Konkurrenz zwischen § 1 AStG und den anderen Korrekturvorschriften war
zumindest bis einschließlich zum Veranlagungszeitraum 2007 umstritten. Um diesen
Streit zu verstehen, sollen die dahinter stehenden Probleme kurz dargestellt werden
(sogleich unter 1.). Sodann wird die Beurteilung der Konkurrenzen bis 2007 diskutiert (2.). Die Situation hat sich durch das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008
durch die Einfügung des neuen § 1 I 3 AStG211 grundlegend geändert. Es ist zu
analysieren, ob dieser Schritt des Gesetzgebers in die richtige Richtung geführt hat
(3). Diese Diskussion ist vor allem vor dem Hintergrund zu führen, dass § 1 AStG
für potenziell europarechtswidrig gehalten und die Gefahr gesehen wird, dass der
EuGH sie dementsprechend einstuft. Es werden Denkmodelle vorgestellt, die in
Abweichung zum § 1 I 3 AStG angewandt werden könnten, um eine entsprechende
Beurteilung des EuGH zu umgehen. (4.)
209 Die Vorschrift lautet: „13Um eine einheitliche Rechtsanwendung und die Übereinstimmung
mit den internationalen Grundsätzen zur Einkunftsabgrenzung sicherzustellen, wird das Bundesministerium der Finanzen ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Einzelheiten zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes i.S.d. Absatzes 1 und
der Sätze 1-12 zu bestimmen.“
210 Pohl, Steuerschädliche Funktionsverlagerung, S. 148; Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB
2007, 301 (= F. 3, Gr. 1, 2201 (2222)); Bödefeld/Kuntschik, in: Blumenberg/Benz, Unternehmenssteuerreform 2008, 240 (283).
211 Der Text der Vorschrift lautet: „(1) 3Führt die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes
zu weitergehenden Berichtigungen als die anderen Vorschriften, sind die weitergehenden
Berichtigungen neben den Rechtsfolgen der anderen Vorschriften durchzuführen.“
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Das Thema Funktionsverlagerung ist das Thema des Jahres im Internationalen Steuerrecht. Der deutsche Gesetzgeber hat als erstes Gesetzgebungsorgan weltweit ausdrückliche Regelungen in § 1 Abs. 3 AStG zu diesem umstrittenen Thema erlassen. Die deutsche Finanzverwaltung hat mit Zustimmung des Bundesrats außerdem das Gesetz durch die Funktionsverlagerungsverordnung (FVerlVO) ergänzt. Damit stehen umfassende legislative Regelungen zur Besteuerung dieses umstrittenen Themenbereichs zur Verfügung.
Das Werk analysiert die neuen Regelungen und bezieht zu den einzelnen Themenbereichen ausführlich Stellung. Im ersten Teil werden zunächst die Neuregelungen zur steuerlichen Behandlung von Verrechnungspreisen durch die Unternehmensteuerreform 2008 dargestellt. Dabei wird auch die Vereinbarkeit des § 1 AStG mit dem Europarecht untersucht. Darauf aufbauend werden die Regelungen zur Funktionsverlagerung im zweiten Teil kritisch untersucht und ebenfalls auf ihre Europarechtstauglichkeit analysiert.