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B. Individuelle Lizenzierungsmodelle
Dargestellt werden hierbei ausgewählte alternative entgeltliche oder entgeltfreie
Lizenzierungsmodelle, die aktuelle Probleme der Wahrnehmung digitaler Rechte
mit differenzierten Vergütungsmodellen angehen. Im Gegensatz zu den angestrebten
Urheberrechtsreformen in den einzelnen Mitgliedstaaten gehen all diese Regulierungsansätze von einem grundsätzlichen Teilnahmeinteresse der Öffentlichkeit an
Eigentumsrechten aus und verzichten zumeist auf komplizierte juristische Instrumente, um stattdessen durch praktikable Konzepte den Interessen der beteiligten
Kreisen zu dienen.
1. Creative Commons (CC) als bewährtes Lizenzierungsmodell
Das von Larry Lessig, James Boyle und anderen im Jahr 2001 in den USA initiierte
Projekt „Creative Commons“ zielt darauf ab, vier unterschiedliche Lizenzbedingungen zur Verfügung zu stellen, unter denen der Nutzer auswählen und die er kombinieren kann: Nutzungseinräumung mit Verpflichtung zur Namensnennung („attribution“), ohne Erlaubnis zur kommerziellen Weiterverwendung („non commercial“),
ohne Erlaubnis zur Bearbeitung oder Umgestaltung („no derivative works“) oder
Nutzungseinräumung, bei der die Veröffentlichung von Bearbeitungen den gleichen
Bedingungen unterzogen wird („share-alike“; demnach müssen Bearbeitungen bei
Veröffentlichung immer unter eine CC-Lizenz mit den gleichen Elementen wie in
der Ursprungslizenz gestellt werden). Diese modulare Lizenzgestaltung gibt den
Urhebern die Möglichkeit, die gesetzlich formulierte Schutzhöhe bewusst zu unterbieten und durch großzügigere Nutzungsbestimmungen zu ersetzen und zwar so,
dass die vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten den gesamten Raum zwischen dem
Vorbehalt aller Rechte und der bedingungslosen Überlassung des Werks an die
Öffentlichkeit ausgelotet wird. Die Lizenzbedingungen sind zentral gespeichert, so
dass der Nutzer über einige Mausklicks und ohne Kontaktaufnahme zum Urheber
jene Lizenzen kostenlos erwerben kann, mit denen der Urheber seine Werke versehen hat.117 Durch die Annahme des Lizenzvertrags wird die Einräumung eines einfachen Nutzungsrechts vereinbart, das andere von der Nutzung desselben Werks
nicht ausschließt. Möglich sind dabei inhaltliche, zeitliche und räumliche Beschränkungen der Nutzungsrechte, die eine auflösend bedingte Einräumung und somit die
Fortgeltung der Lizenz sicherstellen sollen. Ausdrücklich verboten sind die Aufstellung eigener widersprechender Bedingungen seitens des Urhebers sowie der Einsatz
von technischen Schutzmaßnahmen und Zugangssperren, welche die CC-Lizenz
117 Nach Dreier weisen Creative Commons Berührungspunkte mit den Open-Source-Lizenzen
für Software auf, mit dem gemeinsamen Ansatz, auf vertragliche Wege den Bereich der Gemeinfreiheit und somit der „Offenheit“ und Kostenfreiheit zu vergrößern, in: FS Schricker,
2005, S. 283, 287.
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verändern bzw. die reibungslose Werkverwertung kontrollieren könnten.118 Im Falle
einer Lizenzverletzung verliert der Nutzer die erworbenen Rechte.
CC-Lizenzen sollen überwiegend Werke aus dem Bereich der Musik, des Films,
der Fotographie sowie auch akademische Werke schützen. Obwohl das Augenmerk
bei der Gründung von Creative Commons nicht auf dem Schutz von Textwerken
lag, eröffnet sich im Bereich der wissenschaftlichen Literatur eine neue Tätigkeitssparte. Diesen sich neu anbahnenden Möglichkeiten liegt, wie bereits dargestellt, die
Verlagerung wissenschaftlicher Werke von den Händen der Fachverlage zu den sog.
Open Access-Archiven zugrunde, die als öffentlich zugängliche Datennetze die
elektronische Fassung der einschlägigen Werke zur Nutzung bereitstellen. Die Besonderheit bzw. der Vorteil der CC-Lizenz liegt in ihrer stets wachsenden internationalen Verbreitung. Dies wird dadurch erreicht, dass die bisher nach den Vorgaben
des amerikanischen Copyright ausgerichteten Lizenzen an das jeweilige Rechtssystem anderer Länder angepasst werden (iCommons). Durch die Abfassung der gleichen Lizenzbedingungen in den jeweiligen nationalen Sprachen und unter Berücksichtigung der jeweiligen rechtlichen Konstruktionen wird eine weltweit höhere
Akzeptanz der Lizenzierungsmodelle von Creative Commons beabsichtigt. Mit
etlichen Abweichungen hinsichtlich der rechtlichen Formulierung ist dies bereits der
Fall für Deutschland, Finnland, Griechenland, Brasilien und Japan.119 Jüngst hat die
niederländische und spanische Justiz zum ersten Mal die Wirksamkeit von CC-
Lizenzen anerkannt.120
Das CC-Projekt soll die vom Gründer Lessig propagierte Idee der „free culture“
in die Praxis umsetzen - „free culture“ als realitätsnahe Notwendigkeit aus der Sicht
der Öffentlichkeit aber auch als unterschwelliges Verlangen eines jeden Kreativen.121 Creative Commons liegt nämlich eine Zurückstellung der urheberrechtlichen
Belange zugunsten einer im Zeichen der Zeit gewichtigeren Informations- und Kulturfreiheit zugrunde, die mit einer „Materialisierung“ und somit einer Abkoppelung
des geistigen Eigentums von seinen urheberpersönlichkeitsrechtlichen Elementen
einhergeht. Im Großen und Ganzen ist das CC-Modell nichts anderes als ein weiterer Zweig des – vor allem im angloamerikanischen Rechtsraum - hochstilisierten
118 Eingehende Darstellung der einzelnen Lizenzbedingungen mit Fallgestaltungen Mantz, in:
Spindler (Hrsg.), Open Access-Publikationen, 2006, S. 55, 60 ff.
119 Überblick über den aktuellen Stand der Idee von iCommons unter ; siehe hierzu Hofmann, Das neue Urheberrecht, 2004, S. 25
ff.; über Einzelaspekte der Übertragung der einschlägigen Lizenzbedingungen ins deutsche
Recht Dreier, FS Schricker, 2005, S. 283, 289 ff. Mehr zur Kooperation von CC mit der griechischen Arbeitsgruppe I-3 „e-Businessforum“ unter (auf griechisch).
120 Zum niederländischen Urteil siehe Mantz, CR 2006, R55. Eine Erhebung von Tantiemen
durch die spanische musikalische Verwertungsgesellschaft SGAE für Musiktitel, die einer
CC-Lizenz unterliegen, verneinte Primera Instancia de Badajoz v. 17.02.2006, abrufbar unter
(Letzter Abruf: 23.03.2007).
121 Lessig, Freie Kultur, 2004, S. 276 ff.
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ideologischen Diskurses über die Rolle des Urhebers und die Verbindung zu seinem
Werk in der digitalen Postmoderne.122
2. Das Modell von William Fisher als theoretisches Lizenzierungsmodell
Das zentrale Anliegen des Professors der Harvard Law School, William Fisher, liegt
in der Gestaltung eines alternativen Vergütungsmodells in der Form einer Steuer, die
man auch als Flatrate für Online-Medieninhalte bezeichnen könnte.123 Das vorgeschlagene Vergütungsmodell ist darauf ausgerichtet, den freien Tausch von Kunstund Kulturgütern im Internet durch Zwangslizenzen zu legalisieren.
Das System funktioniert folgendermaßen124: Autoren melden ihre Aufnahmen bei
einer staatlichen Zentralbehörde, dem Urheberrechtsbüro, an und erhalten eine individuelle Dateibezeichnung, die als digitales Wasserzeichen in das Werk eingefügt
wird. Auf diese Weise lässt sich das Werk unmittelbar identifizieren und seine Nutzung und Weitergabe über das Internet leicht verfolgen. Zum Schutz ihrer Privatsphäre verwenden die Nutzer wiederum ein anonymisiertes Signaturzeichen („blind
signature token“), eine Art Zähler, der den individuellen Kulturkonsum registriert.
Diese Signatur wird in periodischen Abständen an den Provider in seiner Funktion
als Abrechnungsinstanz zurückgesandt, der dann die Verteilung der Einnahmen
unter den Bezugsberechtigten kalkuliert. Die Mittel hierfür sollen durch eine allgemeine Besteuerung der Zugangsmedien bzw. der jeweiligen Zugangsdienste aufgebracht werden. Die Vergütungshöhe richtet sich nicht nach Nutzungsvolumen oder –
intensität, sondern erfolgt pauschal nach dem Vorbild der Verwertungsgesellschaften.
Nach Ansicht Fishers bietet sein Modell gegenüber der individuellen Abgeltung
durch kostenintensive DRM-Infrastrukturen rechtliche und finanzielle Vorteile an.
Es ermöglicht vor allem eine Feinabstimmung zwischen den Interessen der Verbraucher, die zum niedrigen Preis unbegrenzten Zugang zu den erwünschten Inhalten
erreichen, und den Rechteinhabern, die mit einer angemessenen Vergütung und
größeren Unabhängigkeit gegenüber Verlagen und Schallplattenfirmen entlohnt
werden. Dadurch werden sämtliche Rechtsunsicherheiten ausgemerzt, während sich
122 Damit zieht das CC-Konzept freilich Kritik nach sich; siehe beispielsweise Dusollier, Prop.
intell., 2006 / N° 18, 10, 17 ff. Die Geburt von Creative Commons beruht auf einem vor allem
im Softwarebereich herrschenden Trend zur Freigabe von urheberrechtlich geschützten Inhalten als public domain (Freie-Software-Bewegung und Open-Source-Bewegung). Zu diesem
Rahmen gehört auch „Copyleft“, dessen Logo ein vertikal gespiegeltes Copyright-Zeichen
darstellt. Bei Copyleft handelt es sich um das Verfahren, das Urheberrecht zu verwenden, um
eine unbeschränkte Verbreitung von Kopien und veränderten Versionen eines Werkes zu ermöglichen. Die Bedingung hierbei ist nur, dass man den Personen, an die man Kopien oder
veränderte Versionen weitergibt, dieselben Freiheiten gewähren muss, die man selbst dabei
hatte; mehr dazu unter .
123 Rösler, GRUR Int. 2005, 991, 995.
124 Für eine ausführliche Darstellung siehe Fisher, Promises to keep, 2004, S. 203 ff.
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die erzielte Kostensozialisierung in die Vergütungsstrukturen des Urheberrechts
problemlos einbinden lässt.125 Selbst die Gerätehersteller würden indirekt von diesem System profitieren, weil sie durch den freien Austausch von Musik und Videos
mit einer steigenden Nachfrage nach ihren Abspielgeräten rechnen könnten.126
Unter Berücksichtigung der in den kontinentaleuropäischen Urheberrechtssystemen vorherrschenden Tendenzen schwimmt das Vergütungsmodell Fishers
zweifach gegen den Strom, indem es statt auf eine Straffung des Schutzes urheberrechtlicher Interessen eher auf die Interessen der Verbraucherseite abstellt und indem es eher auf die Formel einer Pauschalvergütung als auf eine möglichst nutzungsgerechte Vergütungsgestaltung zurückgreift, um Preisdiskriminierungen und
hohe Transaktionskosten zugunsten der Verbraucher zu begegnen. Auch gegenüber
dem Anliegen der europäischen Kommission, einen freien Wettbewerb unter den
Verwertungsgesellschaften zu schaffen, glaubt Fisher eine „Öffnung“ des Urheberrechts durch ein staatlich gesteuertes Modell zu erreichen.
3. Digital Peer Publishing License (DPPL) als regionales Lizenzierungsmodell
Die zunehmende Internationalisierung von Wissenschaft und Forschung hat den
Bedarf an zeit- und ortsunabhängigem Zugriff auf wissenschaftliche Informationen
erhöht. Um die Ergebnisse der mit öffentlichen Mitteln finanzierten Forschung mit
öffentlichen Mitteln der wissenschaftlichen Fachöffentlichkeit – nach dem Motto
„Science back to the Scientists“ - bereitzustellen, ist 2003 in Deutschland das Lizenzierungsmodell von Digital Peer Publishing License entstanden, welches auf der
Basis des sog. Open-Access-Prinzips (Prinzip des offenen Zugangs, „self archiving“) die entgeltliche unkörperliche Nutzung von Werken aus dem wissenschaftlichen Publikationsbereich (insb. E-Publishing) zu festgelegten Bedingungen ermöglicht. Die Erteilung von Nutzungsrechten auf der Basis einer Open-Access-Lizenz
kann nur dann in Vereinbarung zwischen Urheber und Nutzer erfolgen, wenn der
Urheber seinem Verlag kein ausschließliches Nutzungsrecht eingeräumt hat; verfügt
der Fachverlag über die ausschließlichen Rechte an der Nutzung seiner Publikationen und gestattet der Urheber die Verwendung einer Open-Access-Lizenz, ist der
125 Siehe hierzu Rösler, GRUR Int. 2005, 991, 997: „Im Unterschied zu einer Großzahl von
gegenwärtigen Vorschlägen, die, wirtschaftspolitisch motiviert, eine weitere Stärkung von
Urheberrechten durch Zugangsausschluss und Verbote fordern, verfolgt Fisher den richtigen
Ansatz einer Rückführung der Nutzer von P2P-Netzwerken in die Legalität und damit zugleich
den Einschluss dieser bequemen, Freiräume schaffenden und nicht zuletzt Kosten verringernden Systeme in die Vergütungsstrukturen des Urheberrechts.“
126 Drei der vier Gruppen, die dieses Modell akzeptieren müssen, damit es realisiert werden kann,
profitieren unmittelbar davon. Der schwierigste Kandidat ist die Musik- und Filmindustrie, so
Hofmann, Das neue Urheberrecht, 2004, S. 26.
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Verlag kraft einer Vertretungsvollmacht befugt, selbst solche Lizenzverträge abzuschließen.127
Die DPPLizenz lässt sich in vier verschiedenen Formen gestalten: Eine freie Variante (F-DPPL), zwei die elektronische Übermittlung umfassende Grundformen
(DPPLv1 und DPPLv2) sowie die modulare Lizenz (M-DPPL). Insbesondere letztere Lizenzierungsoption umfasst – im Gegensatz zu Creative Commons - die Bearbeitung von veränderbaren, also ausdrücklich vom Urheber markierten Werkteilen.
Jedenfalls setzt die Erteilung einer F-DPPLizenz eine vorherige Absprache des Urhebers mit seinem Fachverlag voraus, um sicherzustellen, dass kein ausschließliches
Nutzungsrecht für die elektronische Übermittlung bereits eingeräumt wurde. Außerdem erlaubt die DPPLizenz das Einstellen des Werkes in eine kostenpflichtige Datenbank, sofern ein Entgelt für den Zugang zum Werk und nicht für das Werk an
sich verlangt wird. Aufgrund des bislang starken regionalen Charakters des DPPL-
Modells ist die Erstellung weiterer Lizenzversionen allein dem Ministerium des
Landes Nordrhein-Westfalen vorbehalten, wobei die geänderten Versionen unmittelbar durch Kenntnisnahme der Veröffentlichung ohne erneute Einigung zwischen
den Parteien rechtsverbindlich werden.128
4. European Union Public License (EUPL) als europäisches Lizenzierungsmodell
Obwohl die Nutzung von Software fast ausschließlich Gegenstand individualrechtlicher Vereinbarungen und somit der kollektiven Wahrnehmung entzogen ist, stellt
das EUPL-Projekt einen interessanten Anhaltspunkt für die Entwicklung und Ausreifung europaweit einheitlicher Lizenzen in der Praxis dar.
Der Open-Source-Ansatz bietet mehreren Nutzern eine frei verfügbare und direkte Anwendungsmöglichkeit von Produkten und Dienstleistungen an und wird vor
allem im Bereich von Software mit großem Erfolg implementiert.129 Eine komplett
neue Entwicklung einer Softwarelizenz für freie Software erfolgt seit Anfang 2005
auf Initiative der Europäischen Kommission und beruht auf die in Europa geltenden
127 Open Access-Lizenzmodelle und Verlagsverträge stehen sich somit nicht unversöhnlich
gegenüber, so Mantz, in: Spindler (Hrsg.), Open Access-Publikationen, 2006, S. 55, 96 ff. Die
Open-Access-Publikationen sind qualitätsgeprüfte Zeitschriftenartikel, die über Internetzeitschriften entgeltfrei angeboten werden; elektronische „Postprints“ im Sinne konventioneller
Publikationen, die nachträglich im Internet als Public-Domain-Produkte freigestellt wurden;
und elektronische „Preprints“, die als frei zugängliche Vorveröffentlichung wissenschaftlicher
Arbeiten ins Internet gestellt wurden; eingehend hierzu Deutsche Forschungsgemeinschaft
(Hrsg.), Publikationsstrategien im Wandel?, 2005, S. 40 ff.
128 Dies stößt auf Bedenken bei Mantz, in: Spindler (Hrsg.), Open Access-Publikationen, 2006, S.
55, 87 mit ausführlicher Darstellung zur rechtstechnischen Ausgestaltung der DDPLizenz (S.
80 ff.).
129 Ein modifizierter Open Source-Ansatz findet sich auch in der Musikbranche in Form von
Open-Source-orientierten Filesharingsystemen; mehr Details bei Riedel, Open Source-Prinzip,
2006, S. 56 ff.
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urheber- und vertragsrechtlichen Rahmenbedingungen.130 Ziel ist dabei, die gemeinsame Nutzung von Software aus dem öffentlichen Bereich zentralisiert zu unterstützen und somit die Paralleleinführung unterschiedlicher Lizenzen in den einzelnen
Ländern Europas zuumgehen. Der einschlägigen Lizenzeinräumung liegt eine sog.
„Copyleft“-Klausel zugrunde, welche die Weitergabe von Vervielfältigungen und
Bearbeitungen von Software nur unter den aufgestellten EUPL-Lizenzbedingungen
zulässt. Dazu gehören die Bereitstellung des Quellcodes, die Anbringung des Urheberrechtshinweises sowie die Unentgeltlichkeit der Nutzungseinräumung. Weitergehende Bedingungen dürfen nicht auferlegt werden, wobei für den eigentlichen Kopiervorgang oder für die Supportleistungen eine Gebühr erhoben werden kann. Der
Lizenzvertrag wird mit dem jeweiligen Vormann in einer Lizenzkette abgeschlossen; auf einen direkten Vertragsabschluss zwischen Nutzer und Urheber wird dabei
verzichtet. Die Pflichten greifen nur dann, sobald der Lizenznehmer sich entschließt,
die Software öffentlich, auch zu betriebsinternen Zwecken zu verbreiten. In diesem
Fall muss er die gesamte Software der EUPL unterstellen, um dann das Recht zu
erhalten, den Source Code weiterzugeben. Liegt ein Verstoß der Lizenzbedingungen
vor, tritt ein Rechterückfall ein.131
4. Abschnitt: Zusammenfassung und Zukunftsperspektiven
A. Koexistenz der individuellen und kollektiven Rechtewahrnehmung im digitalen
Umfeld
Die Entwicklungen im Bereich der digitalen Technologie zeigen, dass sich die Nutzung von Kulturgütern in immer größer werdendem Umfang von den Eingriffs- und
Kontrollmöglichkeiten des einzelnen Urhebers wegentwickelt. Die daraus resultierende Anpassung der nationalen Urheberrechtssysteme fordert gleichzeitig eine
Modernisierung des Systems der kollektiven Wahrnehmung, das sich bereits im
Wandel befindet. Vor allem im Bereich der privaten Kopie sind die europäischen
Verwertungsgesellschaften mit der marktweiten Durchsetzung von DRM-Systemen
konfrontiert. Letztere befinden sich zwar mehrere Schritte von der vollständigen
Entfaltung und Verwirklichung der Idee der „individuellen Rechtewahrnehmung“
entfernt; sie stellen jedoch im Online-Bereich ein individuelles Verwertungsmodell
als attraktive Alternative zum pauschalen Vergütungssystem dar, das als solches
ausreicht, um die Existenzberechtigung traditioneller Formen der kollektiven Rech-
130 Die Initiative soll eine Alternative zum US-amerikanischen Lizenzmodell der GPL darstellen;
eingehend Wiebe/Heidinger, MR 2006, 258 ff. Allgemein zu den Open-Source-Konzepts-
Lizenztypen, Spindler-Spindler, Rechtsfragen bei Open-Source, 2004, S. 9 ff.
131 Weitere Aspekte zum EUPL-Projekt, Wiebe/Heidinger, MR 2006, 258, 261 ff.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Anpassung der kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten durch die Verwertungsgesellschaften an das digitale Zeitalter gewinnt zunehmend an Brisanz. Diese rechtsvergleichende Studie nimmt den Urheberrechtswandel in vielen Ländern Europas unter die Lupe, um anschließend die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Wahrnehmungspraxis ausgewählter Verwertungsgesellschaften zu untersuchen. Nachgezeichnet werden dabei die Konturen einer gemeinschaftsweiten Rechtewahrnehmung, vor allem im Bereich der Online-Lizenzierung. Dazu wird der Frage nach Handlungsoptionen für eine gestärkte Rolle der Verwertungsgesellschaften in einer stets wandelnden Medienlandschaft nachgegangen.