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Das herkömmlich für die Rechtevergabe geltende Territorialitätsprinzip sieht sich
stets zunehmenden elektronischen Übermittlungen urheberrechtlich geschützter
Inhalte und den damit zusammenhängenden Herausforderungen ausgesetzt.131 Eine
mögliche Durchbrechung des Territorialitätsprinzips, die im Kontext der digitalen
Werkverwertung als unausweichlich erscheint, ergibt sich vor allem aus den Erwägungen zu Gestaltungsmöglichkeiten einer multiterritorialen Lizenzierung von Online-Rechten. Aus der Sicht des europäischen Gemeinschaftsrechts wird zwar das auf
den Wirkungen des Territorialitätsprinzips gegründete System der Gegenseitigkeitsvereinbarungen in der Regel nicht in Frage gestellt; es wird jedoch betont, dass die
bisherige Praxis der territorial beschränkten Lizenzen und die bestehenden Gegenseitigkeitsvereinbarungen nicht die Möglichkeit vorsehen, dass eine Verwertungsgesellschaft eine Mehrgebietslizenz an einen Nutzer erteilt, die neben ihrem eigenen
auch das Repertoire einer vertretenen Schwestergesellschaft mit einbezieht.132 Aufgrund des länderübergreifenden Charakters der Internet-Nutzung sind dementsprechend Abweichungen vom Territorialitätsprinzip in Bezug auf Online-
Musiklizenzierung in Kauf zu nehmen. Nach einer auf die Online-Musikdienste
beschränkten Empfehlung der EU-Kommission sollen nämlich die Verwertungsgesellschaften sicherstellen, dass die Online-Rechte vom Geltungsbereich aller Gegenseitigkeitsvereinbarungen untereinander ausgenommen werden.133
3. Abschnitt: Tarifgestaltung und Verteilung des Aufkommens
A. Angemessenheitsgebot und Bemessungsgrundlage bei der Aufstellung tariflicher Vergütungen
Im Rahmen der für die Verwertungsgesellschaften geltenden Auflagen und Beschränkungen kommt zum Wahrnehmungs- und Abschlusszwang zumeist die ge-
131 Siehe hierzu Gaster, ZUM 2006, 8, 12 ff.
132 Entscheidung der Kommission 2003/300/EG, ABl. EU Nr. L 107 (30.04.2003), 58 – IFPI
„Simulcasting“. Das Augenmerk wird allerdings bislang nicht auf die Notwendigkeit einer
europarechtlichen Regelung und Kontrolle dieses Systems gelegt.
133 Empfehlung der Kommission v. 18.10.2005 für die länderübergreifende kollektive Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten, die für legale Online-Musikdienste
benötigt werden, ABl. 2005 L 276/54 (Berichtigung in ABl. 2005 L 284/10); darin geht es der
Kommission ersichtlich nur um bestimmte Aspekte der Territorialitätsklausel, nämlich die Er-
öffnung der gemeinschaftsweiten Lizenzierung und die Freiheit der Wahl der Verwertungsgesellschaft durch die Nutzer. Hingewiesen wird an dieser Stelle auf die Ausführungen im
Zweiten Teil, 4. Abschnitt, D I und II der vorliegenden Arbeit; eingehend zu der einschlägigen Empfehlung der Kommission, infra im Vierten Teil, 1. Abschnitt, B.II.
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setzliche Pflicht zur Aufstellung von Tarifen hinzu.134 Einerseits spricht man dabei
von einer gewissen Tarifhoheit der jeweiligen Verwertungsgesellschaft, welche in
Ausnutzung ihrer Monopolstellung die einzelnen Tarife autonom und ohne Genehmigungspflicht durch die Aufsichtsbehörde aufstellen kann.135 Die Verwertungsgesellschaften sind demnach gebunden, Tarife zu vereinbarten Bedingungen festzusetzen. Dies darf jedoch nicht als Pflicht zur Festsetzung gesonderter Tarife für die
einzelne Fallgestaltung ausgelegt werden. Denn die Verwertungshäufigkeit und
damit die Notwendigkeit einer tariflichen Sonderregelung für bestimmte, häufig
auch neu entstehende Verwertungsformen lassen sich nicht von vornherein zuverlässig einschätzen.136
Der Ermessensspielraum, der den Verwertungsgesellschaften bei der Tarifgestaltung eingeräumt wird, findet seine Grenzen im sog. Angemessenheitsgebot.
Die Tarifgestaltung soll anhand bestimmter Kriterien die vom Gesetz angeordnete
Angemessenheit der Tarife für die jeweilige Nutzung für alle Berechtigten gewährleisten, so dass der Berechtigte möglichst angemessen am wirtschaftlichen Nutzen
seines Werkes beteiligt ist und den Anteil der Einnahmen erhält, der auf die Nutzung
seines Werkes entfällt137 - im Idealfall soll der Verwertungserlös nach Maßgabe des
Ertrags der einzelnen Werke und Darbietungen verteilt werden. Das Angemessenheitsgebot stößt wiederum in dem „allgemein verkehrsüblichen“ Maßstab für die
Urhebervergütung an seine Grenzen. Die Angemessenheit der Vergütung darf folglich nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang mit den Auswirkungen der Zweitverwertung auf die Primärverwertung und folglich mit etlichen Marktparametern,
wie etwa Kosten, Preise, Handelsspannen und Unternehmergewinn, betrachtet werden. Die in einer Branche lang praktizierte, als durchschnittliche Richtgröße seitens
der Rechteinhaber anerkannte Vergütungsbemessung wird somit prima facie vermutet.138
Die Frage nach der Angemessenheit anwendbarer Tarife impliziert eine auf dem
Gerechtigkeitsempfinden fußende Wertung und fordert somit ein nachvollziehbares
Berechnungsschema. Wann die Wahrnehmungsbedingungen als angemessen anzusehen sind, unterliegt dem Beurteilungsspielraum der zuständigen gerichtlichen bzw.
verwaltungsrechtlichen Organe, die mit der Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften im jeweiligen nationalen Rechtssystem betraut sind. Die Frage nach der
angemessenen Vergütung beinhaltet jedenfalls die Frage nach dem Wert der urheberrechtlichen Leistung.139 Mit betriebswirtschaftlichen Kalkulationen für gewerbliche bzw. industrielle Produkte lässt sich allerdings der Wert oder Nutzen geschaffe-
134 Anders die französische und britische Rechtslage, die eine solche Verpflichtung nicht vorsieht.
135 Vgl. BGH v. 19.05.1983, GRUR 1984, 52 – Tarifüberprüfung I.
136 Vgl. BGH v. 1.06.1983, GRUR 1983, 565 – Tarifüberprüfung II.
137 Melichar, Die Wahrnehmung von Urheberrechten, 1983, S. 43; vgl. Reinbothe, Schlichtung
im Urheberrecht, 1978, S. 49. Das Angemessenheitsgebot findet seinen Niederschlag in § 6
(1) DE-WahrnG.
138 Schricker, in: Poll (Hrsg.), Videorecht Videowirtschaft, 1986, S. 76, 82.
139 Becker, FS Kreile, 1994, S. 27, 47.
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ner Immaterialgüter nicht bestimmen; der Gesamtwert des Rechtepakets als Orientierungsgröße für die Verhandlungen der Verwertungsgesellschaft gegenüber den
Nutzerkreisen fällt somit aus.140 Bei der rechtlichen Wertung der Angemessenheit
von Tarifsätzen sind indessen die sog. „geldwerten Vorteile“ sowie eine Reihe faktischer Umstände zu berücksichtigen.141 Die Figur des geldwerten Vorteils als Berechnungsgrundlage der Tarife ist nichts weiter als die Konkretisierung des von der
Rechtsprechung aus der verfassungsrechtlichen Garantie des geistigen Eigentums
hergeleiteten Beteiligungsgrundsatzes, dass der Urheber tunlichst angemessen an
dem wirtschaftlichen Nutzen seines Werks zu beteiligen ist. Nach herrschender
Meinung ist deshalb vom wirtschaftlichen Erfolg des Verwerters auszugehen, wobei
der Urheber hinzunehmen hat, dass sich auf Grund unterschiedlicher Erfolge auch
unterschiedliche Vergütungen ergeben. Maßgebend ist in diesem Zusammenhang
der mit der Verwertung getätigte Umsatz, genau genommen die Bruttoeinnahmen
und nicht der oft nur schwer überschaubare Gewinn des Verwerters.142 So werden
beispielsweise die Eintrittspreise und die Besucherzahl einer Konzertveranstaltung,
Rundfunkgebühren und Werbeeinnahmen, Sponsorengeld, höchster Abgabepreis pro
Ton-/Datenträger an den Einzelhandel, die Umsätze einer Gastwirtschaft oder –
mangels unmittelbarer Einnahmequellen – pauschalierte Tarife je nach Raumkapazität, Zweck und Dauer der Veranstaltung als Berechnungsgrundlage für die Beteiligung des Berechtigten an der wirtschaftlichen Werknutzung anerkannt. Soweit sich
solche faktischen Angaben nicht leicht bzw. genau ermitteln lassen, werden andere
Anhaltspunkte als Hilfestellung für die Angemessenheit von Tarifen herangezogen.
So wird ein Beteiligungssatz von 10% der Bruttoeinnahmen des Nutzers sowohl in
der nationalen143 als auch in der internationalen Praxis144 als eine Art Messlatte ein-
140 Dittrich/Krejci, Zur Entgeltfestsetzung durch Schiedskommissionen, ÖSGRUM Bd. 27
(2002), S. 23.
141 Siehe § 13 (3) DE-WahrnG; aus der deutschen Rechtsprechung: BGH v. 22.01.1986, GRUR
1986, 376 – Filmmusik; BGH v. 3.07.86, GRUR 1987, 36 – Liedtextwiedergabe II; BGH v.
25.02.1999, MMR 1999, 665 = ZUM 1999, 572 – Kopienversanddienst. Der im deutschen
Recht anerkannte Beteiligungsgrundsatz ist auch anderen Systemen bekannt, die eine entsprechende Beteiligung der Kreativen vorschreiben, insbesondere im Bereich der Privatkopie,
z. B. Art. L. 311-4 CPI, Art. 25 ES-UrhG, Art. 82 PT-UrhG.
142 Kritisch Albach, GRUR 1988, 432, 437 ff., der die Auffassung vertritt, der tatsächliche Umsatz eigne sich nicht als Bemessungsgrundlage für die Tarifgestaltung urheberrechtlich geschützter Darbietungen, da eine variable Vergütung dem Veranstalter einen Anreiz zum opportunistischen Verhalten gibt. Diese Gefahr schließe eine Knüpfung der Vergütungen an den
hypothetischen Umsatz hingegen aus. Fixe Vergütungen geben nämlich dem Veranstalter den
Anreiz, sich wirtschaftlich zu verhalten: Kapazität mal Preis pro Kapazitätseinheit sei eine
wirtschaftlich sinnvolle Formel für die Bemessung des wirtschaftlichen Vorteils.
143 Aus der deutschen Praxis siehe Sch-Urh 1/86, ZUM 1987, 183, 186 und Sch-Urh
14/15/41/42/88, ZUM 1988, 471, 478.
144 Zur Herausbildung der 10%-Regel, die angeblich auf eine CISAC-Resolution zurückzuführen
ist siehe Strittmatter, Tarife, 1994, S. 146 ff.; Marbach/Riva, in: Hilty (Hrsg.), Die Verwertung von Urheberrechten in Europa, 1995, S. 59, 61 ff.
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geführt, die eine Verschiebung nach oben, aber auch nach unten zulässt.145 Die 10%-
Regel besagt, dass 10% der Bruttoeinnahmen des Nutzers eine angemessene, auf
objektiven Kriterien basierende Vergütungshöhe für die Beteiligung des Schöpfers
an den geldwerten Vorteilen bietet, und stellt lediglich eine Richtgröße für die Berechnung der Gesamtlizenzgebühr dar, die der Erwerber für sämtliche benötigten
Verwertungsrechte zu entrichten hat.146 Die 10%-Größe ist bereits in mehrere Tarife
aus dem Offline-Bereich eingeflossen (und hat sich dabei bewährt), wobei in der
Praxis häufig Schwankungen zu finden sind. Angesichts der Besonderheiten der
Online-Werknutzung wird allerdings eine Anpassung der herkömmlichen Richtgrö-
ße in Erwägung gezogen, welche die tatsächlichen Nutzungsmöglichkeiten möglichst umfassend abzudecken vermag.147
Eine Aufstellung und Berechnung der Tarife nach individuellen Kriterien ist
meistens mit einem unzumutbaren Aufwand verbunden, so dass Pauschalierungen
stets unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebots und des Diskriminierungsverbots148 unausweichlich, wenn nicht gesetzlich zulässig (siehe z.B. Art. L. 311-3
CPI) sind. Die Berechnung der Tarife kann daher alternativ zu der Berechnungsmethode der prozentualen Beteiligung am Bruttoeinsatz auf der Grundlage von Pau-
145 Die einschlägige Richtgröße darf nicht als feste obere Grenze betrachtet werden, so Becker,
FS Kreile, 1994, S. 27, 47. Die Einführung der 10%-Regel ist nicht ganz ohne Kritik geblieben, siehe Schricker, GRUR 2002, 737, 743. Vgl. auch Strittmatter, Tarife vor der urheberrechtlichen Schiedsstelle, 1994, S. 148 f.: „So sehr ein Anhaltspunkt für die Angemessenheit
von Tarifen die Entscheidungsfindung erleichtern mag und echte Alternativen nicht erkennbar
sind, darf die 10% -Regel nur als Hilfestellung aufgefaßt werden, als eine Art Meßlatte, die
eine Verschiebung nach unten aber auch nach oben zuläßt. Jedenfalls darf sie nicht als feste
obere Grenze betrachtet werden. Eine Richtgröße darf nicht dazu führen, sie wie eine gesetzliche Vorgabe zu behandeln. Dies würde zu einer Verletzung der Eigentumsgarantie führen
und die Tarifautonomie der Verwertungsgesellschaften verletzen.“
146 Vgl. Zapf, Kollektive Wahrnehmung von Urheberrechten im Online-Bereich, 2002, S. 83 ff.
147 Zu einer solchen Beurteilung fehlen bisher die nötigen Erfahrungswerte; die Entwicklung der
Preisgestaltung z. B. beim Musikverlauf im Internet wird in den nächsten Jahren in dieser
Hinsicht aufschlussreich sein, während auch andere Parameter, u. a. dem dank moderner
Technologie eher abnehmenden Verwaltungsaufwand seitens der Verwertungsgesellschaften
zur Erfassung elektronischer Nutzungsvorgänge oder der Vielzahl der Berechtigten im Falle
multimedialer Produkte, gewichtigen Einfluss auf die Angemessenheit des Beteiligungssatzes
im Einzelfall haben werden. In Erwägung gezogen wird, ob sich die Festlegung einer Mindestvergütung anstelle einer Veränderung der 10%-Richtgröße als die geeignete Pauschallösung bei vereinzelten Tarifmodellen im Online-Bereich erweisen könnte, um zu geringe Lizenzvergütungen zu vermeiden. Vgl. Zapf, Kollektive Wahrnehmung von Urheberrechten im
Online-Bereich, 2002, S. 96 ff. (mit Hinweisen auf die Rechtsprechung der Schiedsstelle zur
Mindestvergütung, die sich nicht vom Beteiligungsgrundsatz ableiten lässt, sondern als ergänzendes, ebenso verfassungsrechtlich abgesichertes Prinzip hinzutritt) und 193 ff.
148 Aus der Verpflichtung einer Verwertungsgesellschaft, die zu ihrem Tätigkeitsbereich gehörenden Rechte und Ansprüche zu angemessenen Bedingungen wahrzunehmen, wird das
Gleichbehandlungsgebot abgeleitet, wonach alle gleich gelagerten Fälle gleich zu behandeln
sind. Für typische Nutzungshandlungen werden nämlich tarifliche Vergütungen vorgesehen,
deren Systematik eine innere Logik sowie ein „nachvollziehbares Berechnungsschema“ aufweisen müssen; siehe Sch-Urh 2/86, ZUM 1987, 187.
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schalsätzen erfolgen, die mittlerweile in mehreren europäischen Systemen Fuß gefasst haben. Feste Pauschalforderungen sind unabhängig vom Erfolg der Verwertung.149 Sie erfassen typische Verwertungshandlungen schematisch und werden dort
eingesetzt, wo Einzelabrechnungen angesichts der Massennutzung in der Praxis
kaum denkbar sind. Den Pauschaltarifen ist somit immanent, dass die Rechte für
nicht individualisierte Werke des Repertoires eingeräumt werden. Dies heißt allerdings nicht, dass Pauschalvergütungen willkürlich gestaffelt sind. Im Gegenteil, die
Vergütungssätze steigen innerhalb eines Tarifs linear in Relation zu dem Nutzungsumfang an; unsachgemäße Tarifsprünge, welche einzelne Nutzungsvorgänge durch
eine differierende Vergütung benachteiligen, sind nicht zulässig.150 Denn die Pauschalierung der Tarife schließt untypische oder neuartige Sachverhalte, die sich
schwer der üblichen Werknutzung zuordnen lassen, nicht aus. Für die fragliche
Werkverwertung muss lediglich überprüft werden, ob bereits ein Tarif besteht, der
angesichts der besonderen Umstände zu einer angemessenen Vergütung führen
kann. Sollte dies nicht der Fall sein, müssen im Hinblick auf die konkrete Nutzungsart neue Tarife aufgesetzt werden, und zwar ohne abzuwarten, bis die Tarife Verkehrsgeltung erlangen.151 Dennoch wird eine vom Staat auferlegte, allgemein ausgerichtete Tarifpflicht, die nur ausschließlich als pauschal und nicht als „kollektivindividuell“ zu deuten ist, unter Umständen als eine „unnötige verbandsinterne Kollektivierung und Tarifierung der Verwertung“ und somit als umstritten angesehen.152
Umso systemwidriger wäre aus dieser Sicht eine betragsmäßige Festsetzung von
Tarifen durch den Staat zu bewerten. Außerdem würde das hierfür erforderliche
förmliche Gesetzgebungsverfahren die zeitgemäße Anpassung der Sätze nur schleppend vorantreiben; alternativ sollte die Höhe der angemessenen Vergütung nach
dem heutigen Stand der Technik und der absehbaren Entwicklung entweder mittels
einer entsprechenden Verordnungsermächtigung sichergestellt153 oder – sinnvoller
noch - zwischen den Beteiligten im Rahmen des Wahrnehmungsvertrags ausgehandelt werden.154
149 Feste Pauschbeträge stehen nicht unbedingt im Widerspruch zum Beteiligungsgrundsatz;
eingehend dazu Strittmatter, Tarife vor der urheberrechtlichen Schiedsstelle, 1994, S. 142.
Vgl. die Praxis der deutschen Schiedsstellen u.a. in Sch-Urh 1/86, ZUM 1987, 183 und Sch-
Urh 14/15/41/42/88, ZUM 1988, 471, wonach die Pauschalforderung des Tarifs, wenn auch
nach Eintrittspreisen gestaffelt, den Beteiligungsgrundsatz jedenfalls bei Veranstaltungen verletze, bei denen die Einnahmen ohne großen Aufwand festzustellen seien.
150 So können die Vergütungspauschalen für das Vermieten und Verleihen von Videokassetten
nach dem jeweiligen Bestand an angebotenen Kassetten pro Ladengeschäft gestaffelt werden;
ähnlich kann der Kopiertarif nach Leistungsfähigkeit des Geräts sowie nach dem jeweiligen
Standort gestaffelt werden.
151 Schulze, ZUM 1999, 827, 831 f. m.w.H.
152 Vgl. Riklin, Das Urheberrecht als individuelles Herrschaftsrecht, 1978, S. 201.
153 Freiwald, Filesharing, 2004, S. 194 m.w.H.
154 Schricker - Dreier, Informationsgesellschaft, 1997, S. 139, 167. Zudem haben die deutschen
Gerichte in mehreren Fällen die von der VG WORT aufgestellten Tarife, die gegenüber der
gesetzlich festgelegten Betreibervergütung auf dem Standort und der Leistungsfähigkeit des
einschlägigen Geräts beruhen, als angemessen bestätigt bzw. eine reduzierte Bezahlung der
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Während das Verhältnis zwischen Verwertungsgesellschaft und Berechtigten von
besonderen Regeln geprägt ist, ist die Angemessenheit der tariflichen Vergütung im
Rahmen des Rechtsverhältnisses zwischen Verwertungsgesellschaft und Verwertern
einer Auslegung durch die nationalen Gerichtsinstanzen bzw. unabhängige Schlichtungsorgane zugänglich, welche auf Antrag die Gesamtverträge zu prüfen haben.155
Laut dieser Entscheidungspraxis kann ein Tarif nur dann angemessen sein, wenn er
auf eine bestimmte Nutzung zugeschnitten ist oder wenn er nach seinen Merkmalen
der im Einzelfall vorliegenden Art und dem Gesamtumfang des Nutzungsvorgangs
möglichst nahe kommt.156 Dadurch soll im Interesse der Allgemeinheit eine gleichmäßige Behandlung aller gleich gelagerten Fälle durch die Verwertungsgesellschaften sichergestellt werden. Im gesetzlichen Angemessenheitsprinzip drückt sich also
die gleichberechtigte Stellung von Urheber- und Verbraucherinteressen aus, die nur
dann vorliegt, wenn die Leistungen der Verwertungsgesellschaft und die Gegenleistungen des Nutzers ausgewogen sind.157 Im Sinne dieser Grundsätze stellt das Tarifsystem einer Verwertungsgesellschaft kein starres Regelwerk dar, sondern berücksichtigt laufend (wirtschaftlich etablierte) neue Nutzungsarten und unterliegt dabei
entsprechenden Anpassungen. Letzteres impliziert die Entwicklung neuer (statistischer) Tarifbemessungsverfahren, die eine wesentlich wirklichkeitsgetreuere Ermittlung der Werknutzung ermöglichen.158
gesetzlichen Tarife für Telefaxgeräte angeordnet; eingehende Rechtsprechungsnachweise bei
Dreier/Schulze, UrhG, 2004, § 13 UrhWG Rn. 7 ff.
155 Die Bedingungen der Rechtewahrnehmung gelten als angemessen, wenn sie Art und Umfang
der übertragenen Rechte und Ansprüche entsprechen, so Nordemann, GRUR Int. 1973, 306,
307; kritisch Mauhs, Der Wahrnehmungsvertrag, 1990, S. 52 f.
156 BGH v. 1.06.1983, GRUR 1983, 565 – Tarifüberprüfung II.
157 Kröber, in: Moser/Scheuermann (Hrsg.), Handbuch der Musikwirtschaft, 2003, S. 746, 747 ff.
158 Bis 1997 bediente sich die GEMA einer einfachen linearen Hochrechnung zur Ermittlung der
Aufführungszahlen, bei der die eingehenden Programme als repräsentative Stichprobe für alle
Veranstaltungen angesehen wurden. Dieses Verfahren hat eine beträchtliche Zahl von Berechtigten, die ihre Werke ausschließlich selbst aufführen, gegenüber den Restlichen in unangemessener Weise begünstigt; um diesen Umstand zu beseitigen, führte die GEMA das sog.
PRO-Verfahren ein, welches präzisere Ergebnisse bei der Ermittlung der einschlägigen Zahlen liefert; eingehend hierzu in GEMA-Jahrbuch 1998/1999, S. 86 ff. Das PRO-Verfahren
wurde im Rahmen eines Zivilrechtsstreits der gerichtlichen Überprüfung des BGH unterzogen
und als zulässig angesehen, BGH v. 19.05.2005, GRUR 2005, 757 – PRO-Verfahren.
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B. Tarifüberprüfung und Streitschlichtung durch unabhängige Instanzen
I. Allgemeine Grundsätze zur gerichtlichen und administrativen Kontrolle über
die Tarifgestaltung
Soweit die Vergütungssätze für die urheberrechtliche Nutzung nicht gesetzlich festgelegt werden, werden die jeweiligen Tarife selbstständig durch die zuständige
Verwertungsgesellschaft gestaltet. Diese autonome Tariffestlegung trägt einerseits
der Verhandlungsfreiheit und andererseits der von den beteiligten Institutionen erwünschten Flexibilität der Vergütungssätze gebührend Rechnung. Im Fall eines
Konflikts findet sie allerdings ihre Grenze in einer als erforderlich erachteten Überprüfung durch eine unabhängige Schlichtungsinstanz, ein Gericht oder einer Verwaltungsbehörde mit rechtlichem Einschlag (Schiedsstelle). Einer Tarifüberprüfung im
Rahmen eines der ordentlichen Justiz vorgeschalteten Schiedsstellenverfahrens mag
zwar teilweise mangelnde Angemessenheit und missbräuchliche Prozessverschleppung unterstellt werden;159 es darf jedoch hierbei nicht übersehen werden, dass sich
eine sachkundige Streitbereinigungs- und Tariffestsetzungsinstanz mit konziliatorischem Element am besten dafür eignet, sowohl die erforderliche Transparenz in
Tarifgefüge und Tarifdurchsetzung der Verwertungsgesellschaften als auch eine
zusätzliche Kontrolle missbräuchlichen Verhaltens von Verwertungsgesellschaften
gegenüber den Nutzern in einem Verfahren zu gewährleisten - eine notwendige
Ergänzung zum System der Gesamtverträge und Tarife.160
Die im vorigen Abschnitt dargelegten Bemessungskriterien der Angemessenheit
der Tarife finden nur bedingt Anwendung auf die Entgeltfestlegung durch das jeweilige nationale Schlichtungsorgan. Im Allgemeinen und je nach Art der Leistung
orientiert sich die Angemessenheit eines Entgelts daran, was üblicherweise für die
zu entgeltende Leistung am Markt bezahlt wird, oder an den Herstellungskosten plus
der üblichen Gewinnmarge.161 Die Strukturverwandschaft zwischen manchen euro-
159 Vgl. Troller, Eingriffe des Staates, 1960, S. 129. Vor allem der Sinn eines obligatorischen
Schiedsstellenverfahrens erscheint dort zweifelhaft, wo man ohnehin von einer Sachkunde des
zuständigen Gerichts ausgehen kann, und in Fällen, bei denen offensichtlich ist, dass es zu einer Einigung im Rahmen des Schiedsstellenverfahrens nicht kommen wird; siehe Seifert, FS
Kreile, 1994, S. 627, 30ff., 641, der u. a. Ansprüche aus Verträgen, nicht tarifgestützte Ansprüche und einstweilige Verfügungen als jene Fallgruppen nennt, in denen ein vorheriges
Schiedsstellenverfahren als Prozessvoraussetzung nicht nötig ist. Darüber hinaus erweckt die
Einrichtung einer außerhalb der staatlichen Verwaltungs- und Gerichtsorganisation stehenden
Schlichtungsinstanz keine verfassungsrechtlichen Bedenken; siehe Schmidinger, in: Dittrich/Hüttner (Hrsg.), Das Recht der Verwertungsgesellschaften, 2006, S. 73, 103.
160 Dillenz, GRUR Int. 1997, 315, 327.
161 Vgl. BGH v. 29.01.2004, I ZR 135/00 – Mehrkanaldienst; österr. VfGH v. 15.12.1983,
GRUR Int. 1984, 534 – Kabelfernsehvergütung. Interessant in dieser Hinsicht die Erkenntnis
der österreichischen Schiedskommission, die den Auslandsvergleich für zulässig und sinnvoll
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Anpassung der kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten durch die Verwertungsgesellschaften an das digitale Zeitalter gewinnt zunehmend an Brisanz. Diese rechtsvergleichende Studie nimmt den Urheberrechtswandel in vielen Ländern Europas unter die Lupe, um anschließend die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Wahrnehmungspraxis ausgewählter Verwertungsgesellschaften zu untersuchen. Nachgezeichnet werden dabei die Konturen einer gemeinschaftsweiten Rechtewahrnehmung, vor allem im Bereich der Online-Lizenzierung. Dazu wird der Frage nach Handlungsoptionen für eine gestärkte Rolle der Verwertungsgesellschaften in einer stets wandelnden Medienlandschaft nachgegangen.