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ein rechnergestütztes Verzeichnis der Autoren und deren Bücher272 und zahlt aus
parlamentarisch genehmigten Mitteln (PLR „Central Fund“) die entsprechenden
Gelder direkt an Urheber und Herausgeber aus. Für die Berechnungsgrundlage werden jedes Jahr die verfügbaren Gelder durch die Gesamtzahl der Buchausleihungen
aus 375 öffentlichen Bibliotheken dividiert, um die Zahl der „rate per loan“ zu
bestimmen.273 Im Geschäftsjahr 2003 wurden auf der Basis einer Rate von 4,21
pence (ca. € 0,061) pro Ausleihvorgang £ 6,2 Mio. (ca. € 9 Mio.) an 19.064 Bezugsberechtigten ausgezahlt. Der Mindestbetrag, den man pro Jahresabrechnung erhalten
kann, beträgt £ 5 (ca. € 7,25); der Höchstbetrag darf £ 6000 (ca. € 8.704) nicht überschreiten.274
B. Schutzorganisationen und berufsständische Interessenvertretungen ohne kollektive Wahrnehmungsaufgaben: Vermittlungsagenturen, Gewerkschaften und
Künstlerverbände
Die historischen Ursprünge der kollektiven Wahrnehmung waren in mehreren Ländern mit der Gründung berufsständischer Interessenvertretungen verbunden. Dort
keimten Bestrebungen der Urheber und ausübenden Künstler nach gewerkschaftlichen Organisationsformen, denen die Verwertungsrechte treuhänderisch übertragen
werden sollten. Während die Zusammenschlüsse der Musikurheber im Laufe der
Zeit zu verhandlungsstarken Wahrnehmungsorganisationen heranwuchsen, die sogar
gegenüber Monopolisten im Rundfunk- und Fernsehmarkt in ihrem Zuständigkeitsbereich auf gleicher Augenhöhe auftreten konnten, waren Schriftsteller und Künstler
immer noch stark auf Einzelverträge und somit auf eine kollektive Interessenwahrung und spezialisierte Interessenvertretung angewiesen. Letztere wird durch die
Aktivitäten von straff organisierten, zentral geleiteten berufsständischen Organisationen gewährleistet, welche die jeweiligen Interessen wenigstens im politischen
Raum effizienter zur Geltung bringen. Solche Organisationen bieten ihren Mitgliedern oft besondere Dienstleistungen, u.a. Rechtsberatung und Vertragshilfe. Je nach
Struktur und Kompetenz sind sie außerdem imstande, eine Art Brücke zu ihren Partnern anderer Länder darzustellen, um den internationalen Kulturaustausch zu fördern und Schranken abzubauen, die dem freien Gedankenaustausch und der Gleichbehandlung in- und ausländischer Urheber und Künstler im Wege stehen.
Die Tätigkeit solcher Zusammenschlussformen seitens Urheber und Leistungsschutzberechtigter lässt sich freilich nicht als kollektive Wahrnehmung einordnen.
Sämtliche Agenturen, Gewerkschaften und sonstigen Berufsverbände mögen zwar
272 Ausgenommen sind Bücher, bei denen es sich im Ganzen oder im Wesentlichen um Notenblätter, Zeitungen, Zeitschriften handelt.
273 Über die Registrierungsvoraussetzungen sowie die Verteilungsrichtlinien informiert die PLR
unter .
274 DCMS, Public Lending Right Review 2002, S. 20, abrufbar unter
(Letzter Abruf: 8.08.2003).
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gegenüber den Verwertungsgesellschaften eine ergänzende Rolle zur Durchsetzung
der Interessen ihrer Mitglieder übernommen haben, erfüllen jedoch keinerlei Wahrnehmungsaufgaben und unterliegen daher keiner besonderen Reglementierung durch
den Staat. Ihre urheberfreundliche Funktion besteht bzw. erschöpft sich in der Aushandlung von Standardverträgen sowie in der aktiven politischen Einflussnahme
zugunsten der finanziellen Stärkung der Autoren durch entsprechende Beteiligung
an den administrativen Strukturen der Verwertungsgesellschaften. So treten die
verschiedenen Agenturen als zentrale Anlaufstellen und Vermittler für die Einräumung einzelner Urheberrechte auf, ohne jedoch über eigene Berechtigung oder gar
eigenes Repertoire zu verfügen. Die Einschaltung der Agenten liegt vor allem darin,
dass sie im Verhältnis zu Urhebern und Künstlern durchaus eigenständige Interessen
vertreten, darunter auch ein allgemeines „Platzierungsinteresse“ gegenüber dem
betreffenden Verhandlungspartner bzw. Verwerter. Im Einzelfall sind daher Interessenkonflikte in Kauf zu nehmen.275
C. Europäische und internationale Zusammenschlüsse
International haben sich die Verwertungsgesellschaften in Dachorganisationen zusammengeschlossen, in denen sie Probleme von gemeinsamem Interesse erörtern
und lösen, und die sie auch als Interessenvertretungen gegenüber Regierungen, internationalen Organisationen und gegenüber der Europäischen Gemeinschaft nutzen.
Diese Organisationen üben selbst keine Wahrnehmungstätigkeit aus, sondern sind
darauf getrimmt, die Zusammenarbeit unter den Verwertungsgesellschaften verstärkt
zu koordinieren sowie an der Entwicklung rechtlicher und wirtschaftlicher Aspekte
der kollektiven Wahrnehmung beizutragen:
- Die Verfolgung gemeinsamer Ziele auf dem Gebiet des Urheberrechts erfolgte
erstmalig im Rahmen des im Jahre 1926 mit Sitz in Paris gegründeten Dachverbandes CISAC (Confédération Internationale des Sociétés d’Auteurs et Compositeurs),
innerhalb deren die Verwertungsgesellschaften zur Wahrnehmung der kleinen Rechte sowie der Rechte für bildende Kunst und Fotografie (CIAGP – Conseil International des Auteurs des Arts Graphiques et Plastiques et des Photographes) eine besondere Gruppe bilden. Die wesentlichen Aufgaben der CISAC liegen vornehmlich
darin, die Wahrung, die Beachtung und den Schutz der immateriellen und beruflichen Interessen sicherzustellen, die aus jedem literarischen und künstlerischen
Schaffen entstehen; die Einführung gemeinsamer Arbeitsmittel („Tools“) zwischen
den Verwertungsgesellschaften, um ihre Zusammenarbeit auf dem technischen Gebiet zu gewährleisten; die Bildung eines internationalen Studien- und Informationszentrums; die Betätigung in Solidaritätsaktionen, die von den Mitgliedern mit eigens
dafür bereitgestellten Mitteln finanziert werden, um Mitgliedern oder künftigen
275 Dietz, Das primäre Urhebervertragsrecht, 1984, S. 153; Ficsor, Collective Management of
Copyright and Related Rights, 2002, S. 23.
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References
Zusammenfassung
Die Anpassung der kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten durch die Verwertungsgesellschaften an das digitale Zeitalter gewinnt zunehmend an Brisanz. Diese rechtsvergleichende Studie nimmt den Urheberrechtswandel in vielen Ländern Europas unter die Lupe, um anschließend die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Wahrnehmungspraxis ausgewählter Verwertungsgesellschaften zu untersuchen. Nachgezeichnet werden dabei die Konturen einer gemeinschaftsweiten Rechtewahrnehmung, vor allem im Bereich der Online-Lizenzierung. Dazu wird der Frage nach Handlungsoptionen für eine gestärkte Rolle der Verwertungsgesellschaften in einer stets wandelnden Medienlandschaft nachgegangen.