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4. Abschnitt: Kooperationsformen, Zusammenschlüsse und Erfahrungsaustausch
A. Inkassostellen
I. Tätigkeitsbereich
Zur Zeit- und Kostenersparnis wird die Einnahme der Tantiemen für die einzelnen
Sparten nicht allzu selten zentralen Einrichtungen anvertraut. Auf der Basis einer
gemeinsamen Initiative der Verwertungsgesellschaften wird nämlich eine dritte
Gesellschaft zur zentralen Abrechnung und Verteilung von Tantiemen errichtet, die
ein sog. Inkassomandat ohne jegliche Wahrnehmungsaufgaben auszuführen hat.263
Derartige „Zentralstellen“ stellen insbesondere in Deutschland eine gängige Form
institutionalisierter Zusammenarbeit der Verwertungsgesellschaften dar. Die Vergütungsansprüche werden seitens der Zentralstelle nicht auf treuhänderischer Basis,
sondern auf der Grundlage eines Inkassomandats geltend gemacht. Über die Gesamtverträge, die zwischen der Inkassostelle und den jeweiligen Verbänden der
Vergütungspflichtigen abgeschlossen werden, wird detailliert geregelt, welche Nutzungsvorgänge der Vergütungspflicht unterliegen, welche Auskünfte zu erteilen und
wie und wann Zahlungen zu leisten sind. Das eingegangene Vergütungsaufkommen
wird nach Abzug einer Kostenpauschale auf die zusammengeschlossenen Verwertungsgesellschaften nach einem bestimmten Schlüssel verteilt. Für die Ausschüttung
an die einzelnen Berechtigten ist jede Verwertungsgesellschaft selbst verantwortlich.
Diese Zentralisierung erspart den einzelnen Verwertungsgesellschaften einen aufwendigen und kostenintensiven Außendienst.
Eine mit der Rechtsnatur derartiger Kooperationsformen und Zusammenschlüsse
zusammenhängende Frage ist, ob und inwieweit diese unter das für die Verwertungsgesellschaften geltende aufsichtsrechtliche Regime fallen. Der Auffassung,
263 Solche Inkassostellen sind von einzelnen Verwertungsgesellschaften mit gemeinsamem Inkassomandat zu unterscheiden. In diesem Fall kassiert eine Verwertungsgesellschaft kommissarisch für die Mitglieder einer anderen Verwertungsgesellschaft die Tantieme für eine bestimmte Nutzung, sofern Letztere ihrem Wahrnehmungsbereich zuzuordnen sind. Anschlie-
ßend werden die Erlöse zur Verteilung an die Auftragsgesellschaft überwiesen. Dies kann laut
eines Inkassovertrags zwischen zwei oder mehreren Verwertungsgesellschaften im Inland erfolgen; aus geographischen Hindernissen erhält eine Verwertungsgesellschaft im Rahmen von
Gegenseitigkeitsvereinbarungen mit ausländischen Schwestergesellschaften ebenso das Inkassomandat für die sog. „Auslandstantiemen“. Diesem Modell entsprechend erhält die GEMA
Vergütungen für die Wiedergabe von Tonträgern und Videoclips sowie von Radio- und Fernsehsendungen nicht nur für ihre Mitglieder, sondern auch für Musikinterpreten als Stellvertreterin der GVL. Ähnlich hat die britische Verwertungsgesellschaft CLA das Inkassomandat für
die reprographischen Rechte zugunsten der Mitglieder der PLS, ALCS und DACS inne usw.
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institutionalisierte Zusammenarbeitsformen bestehender Verwertungsgesellschaften
zum Zwecke des Inkassos gelten mangels Treuhandfunktion nicht mehr als Verwertungsgesellschaften, wird entgegengesetzt, Inkassostellen seien faktisch wie Verwertungsgesellschaften zu behandeln und somit der staatlichen Aufsicht zu unterstellen
- was sowohl in der Fachwelt,264 als auch unter den Verwertungsgesellschaften
selbst Resonanz findet. Als Indiz dafür wird die Tatsache gewertet, dass die Inkassostellen gegenüber den Vergütungsschuldnern Freistellungserklärungen abgeben und
in Gesellschaftsbeschlüssen gewissermaßen Verteilungspläne aufstellen. Hinzu wird
das deutsche Patent- und Markenamt regelmäßig in den Gesellschafterversammlungen vertreten und erhält sämtliche Unterlagen wie Jahresabschlüsse,
Bilanzen und Berichte der Gesellschafter. Eng damit zusammen hängt auch die auf
wettbewerbsrechtlichen Überlegungen beruhende Aufforderung der deutschen Inkassostelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ) durch die Kommission, Auskünfte über die von ihr geschlossenen Vereinbarungen preis zu geben.265
II. Darstellung der bestehenden Inkassostellen
1. Deutschland: ZPÜ
Seit 1963 führt die Zentralstelle für Private Überspielungsrechte (ZPÜ) vertretungsweise das Inkasso für die private Vervielfältigung aus. Die als Gesellschaft
bürgerlichen Rechts eingetragene ZPÜ wird von der VG WORT, der VG Bild-
Kunst, der GVL, der GÜFA, der GWFF, der VFF und der VGF mit dem Tantiemeninkasso beauftragt. Die Geschäftsführung liegt in den Händen der GEMA. Die Gesellschafter bringen die ihnen zur Wahrnehmung abgetretenen Vergütungsansprüche
in die ZPÜ ein, die sie im eigenen Namen wahrnimmt – soweit sie am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet, ist sie auch im Zivilprozess aktiv und
passiv parteifähig. Das eingegangene Vergütungsaufkommen wird nach einem zwischen den Gesellschaftern vereinbarten Schlüssel entsprechend dem Umfang der
Rechteeinbringung durch die einzelnen Gesellschafter auf diese aufgeteilt. Anschließend schütten die einzelnen Verwertungsgesellschaften die jeweils anfallende
Quote nach ihren internen Satzungen und Verteilungsplänen an ihre Berechtigten
aus.266
Die ZPÜ, welche die Vergütungsansprüche gegenüber den Geräteherstellern/importeuren und (ab 1985) den Leermedienherstellern/-importeuren geltend macht,
zieht inzwischen die Leerkassetten- und Geräteabgabe für CD-R, Readerprinter und
264 Vgl. Vogel, GRUR 1993, 513, 517.
265 Entscheidung der Kommission v. 1.02.1971, Rs. IV/26792 - C.I.C.G. - ZVEI/ZPÜ.
266 Eingehend hierzu infra Dritter Teil, 3. Abschnitt, C.II.
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Scanner ein. Im Juni 2002 kam es zwischen den in der ZPÜ zusammengeschlossenen Verwertungsgesellschaften und dem Bundesverband Informationswirtschaft,
Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM) zu einer vertraglichen Regelung über die Zahlung von Urhebervergütungen für CD-Brenner. Die einschlägige
Vereinbarung war bis zum 31.12.2003 befristet und verlängert sich jeweils um ein
Jahr, wenn er nicht von einer der Parteien drei Monate vor Ablauf gekündigt wird.
Zur Abgeltung der gesetzlichen Vergütung für die Aufzeichnungsgeräte und die
Leerspeichermedien hat die ZPÜ Gesamtverträge mit den Verbänden der Importeure
und Hersteller abgeschlossen, wobei Zahlungsweise, Auskunfterteilung sowie Prüfungsmöglichkeiten durch die ZPÜ in den einzelnen Vereinbarungen unterschiedlich
geregelt sind.267
Weitere Formen institutionalierter Zusammenarbeit der deutschen Verwertungsgesellschaften sind bei der VG WORT bzw. bei der GEMA angesiedelt und sind
ebenso mit einem Inkassomandat betraut: die ZBT (Zentralstelle Bibliothekstantieme), ZFS (Zentralstelle Fotokopieren an Schulen), ZVV (Zentralstelle für Videovermietung), ZWF (Zentralstelle für die Wiedergabe von Fernsehsendungen) und Inkassostelle Kabelweitersendung. Die Geschäftsführung der ZBT obliegt der VG
Bild-Kunst, die etwa 91% des Gesamtaufkommens aus den Bibliothekstantiemen
erhält.268
2. Frankreich: SORECOP, COPIE FRANCE, SPRE
Getrennt nach den Verwertungsbereichen Audio- und audiovisuelle Privatkopie
wurden Mitte der Achtziger jeweils die Gesellschaften Société pour la rémunération
de la copie privée sonore (SORECOP) - bestehend aus Autoren der SDRM, Interpreten der SCPA und Tonträgerhersteller von SPEDIDAM und ADAMI - und Société pour la rémunération de la copie privée audiovisuelle (COPIE FRANCE) bestehend aus denselben Verwertungsgesellschaften einschließlich der PROCIREP gegründet, die in erster Linie ausschließlich mit dem Inkasso der Vergütung aus der
privaten Kopiertätigkeit beauftragt sind.269 Im digitalen Umfeld erstreckt sich die
Inkassotätigkeit der SORECOP auf Tonleermedien, wie CD-R/RW Audio und integrierte Speichermedien in MP3-Player, während die COPIE FRANCE den Anspruch
hinsichtlich DVD-R/RW, also für die audiovisuelle Vervielfältigung wahrnimmt. Je
nachdem, ob der Schwerpunkt der Aufnahmetätigkeit von Leermedien, wie Data-
R/RW, in der Musikaufnahme oder in der Filmaufnahme liegt, nimmt die zuständige
Inkassostelle die Vergütungsansprüche wahr und kehrt den auf die Überspielung von
267 Eingehend hierzu Kreile, GRUR Int. 1992, 24, 33 f.
268 Eingehend Kreile, GEMA-Jahrbuch 1999/2000, S. 80, 86 f.
269 Die SORECOP stellt einen Zusammenschluss aus der SACEM, SACD, SCAM und ADAGP
für die Urheber, SCPA für die Tonträgerhersteller, SPEDIDAM und ADAMI für die ausübenden Künstler dar. Gesellschafter der COPIE FRANCE sind die SDRM, SPEDIDAM, ADAMI
für Urheber und Interpreten sowie die PROCIREP für die Filmhersteller.
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Filmen bzw. Musik entfallenden Anteil an die anderen aus. SORECOP verteilt die
Einnahmen zur Hälfte zwischen Autoren einerseits und Leistungsschutzberechtigten
- mit 25% für die Interpreten und 25% für die Hersteller - andererseits. Davon
weicht COPIE FRANCE mit einer gleichmäßigen Verteilung unter Autoren, Tonträgerherstellern und ausübenden Künstlern ab.
Mit dem Inkasso und der Ausschüttung der Einnahmen aus der gesetzlichen Lizenz für die Tonträgernutzung ist schließlich die Société civile pour la rémunération
équitable de la communication au public des phonogrammes du commerce (SPRE)
beauftragt, die 1985 von den Verwertungsgesellschaften der Interpreten SPEDI-
DAM und ADAMI errichtet wurde. Der SPRE haben sich auch die Tonträgerhersteller der SCPA (SPPF und SCPP) angeschlossen. Die Aufgabe der einschlägigen
Inkassostelle erfasst somit die gesetzesmäßige Verteilung der Einnahmen aus der
Verwertung von Tonträgern zwischen ausübenden Künstlern und Herstellern.270 Die
Einnahmen werden dabei zu 50% an die Tonträgerhersteller der SCPA und zu 50%
an die ausübenden Künstler der ADAMI und der SPEDIDAM ausgeschüttet.
3. Niederlande: CEDAR
Als Verteilerstelle der wichtigsten niederländischen Verwertungsgesellschaften
fungiert das Centrum voor Dienstverlening Auteurs- en Aanverwante Rechten (CE-
DAR). In die CEDAR haben sich Musi©opy, Lira, Stichting Leenrecht, Stichting De
Thuiskopie, PRO, Reprorecht und Nieuwswaarde mit der Hauptmotivation zusammengeschlossen, die Verteilung ihrer Einnahmen aus den verschiedenen Bereichen
der Werkreproduktion zu zentralisieren und den Verwaltungsaufwand entsprechend
zu minimieren.
4. Vereinigtes Königreich: The Registrar of Public Lending Right
Als Nächstes wird eine körperschaftsähnliche Institution dargestellt, die seit 1982
unter dem Namen „The Registrar of Public Lending Right“ als Verwaltungs- und
Verteilerstelle für Bibliothekstantiemen fungiert. Obwohl staatlich finanziert, genießt der Registrar bzw. das PLR-Büro eine gewisse Autonomie bei der Erfüllung
seiner Aufgaben und steht im Gegenzug zu den Verwertungsgesellschaften unter
geringer ministerieller Kontrolle durch das Department for Culture, Media and
Sport (DCMS).271 Im Rahmen seiner Tätigkeitsgestaltung verwaltet das PLR-Büro
270 Eingehend zur Funktion der SPRE Chesnais, Juris-Classeur „Propriété littéraire et artistique“,
10 janvier 2000, Fasc. 1586, S. 6 ff.
271 Mehr zu der besonderen Rechtsform des PLR-Büros, von Lewinski, Verleihen und Vermieten,
1990, S. 175.
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ein rechnergestütztes Verzeichnis der Autoren und deren Bücher272 und zahlt aus
parlamentarisch genehmigten Mitteln (PLR „Central Fund“) die entsprechenden
Gelder direkt an Urheber und Herausgeber aus. Für die Berechnungsgrundlage werden jedes Jahr die verfügbaren Gelder durch die Gesamtzahl der Buchausleihungen
aus 375 öffentlichen Bibliotheken dividiert, um die Zahl der „rate per loan“ zu
bestimmen.273 Im Geschäftsjahr 2003 wurden auf der Basis einer Rate von 4,21
pence (ca. € 0,061) pro Ausleihvorgang £ 6,2 Mio. (ca. € 9 Mio.) an 19.064 Bezugsberechtigten ausgezahlt. Der Mindestbetrag, den man pro Jahresabrechnung erhalten
kann, beträgt £ 5 (ca. € 7,25); der Höchstbetrag darf £ 6000 (ca. € 8.704) nicht überschreiten.274
B. Schutzorganisationen und berufsständische Interessenvertretungen ohne kollektive Wahrnehmungsaufgaben: Vermittlungsagenturen, Gewerkschaften und
Künstlerverbände
Die historischen Ursprünge der kollektiven Wahrnehmung waren in mehreren Ländern mit der Gründung berufsständischer Interessenvertretungen verbunden. Dort
keimten Bestrebungen der Urheber und ausübenden Künstler nach gewerkschaftlichen Organisationsformen, denen die Verwertungsrechte treuhänderisch übertragen
werden sollten. Während die Zusammenschlüsse der Musikurheber im Laufe der
Zeit zu verhandlungsstarken Wahrnehmungsorganisationen heranwuchsen, die sogar
gegenüber Monopolisten im Rundfunk- und Fernsehmarkt in ihrem Zuständigkeitsbereich auf gleicher Augenhöhe auftreten konnten, waren Schriftsteller und Künstler
immer noch stark auf Einzelverträge und somit auf eine kollektive Interessenwahrung und spezialisierte Interessenvertretung angewiesen. Letztere wird durch die
Aktivitäten von straff organisierten, zentral geleiteten berufsständischen Organisationen gewährleistet, welche die jeweiligen Interessen wenigstens im politischen
Raum effizienter zur Geltung bringen. Solche Organisationen bieten ihren Mitgliedern oft besondere Dienstleistungen, u.a. Rechtsberatung und Vertragshilfe. Je nach
Struktur und Kompetenz sind sie außerdem imstande, eine Art Brücke zu ihren Partnern anderer Länder darzustellen, um den internationalen Kulturaustausch zu fördern und Schranken abzubauen, die dem freien Gedankenaustausch und der Gleichbehandlung in- und ausländischer Urheber und Künstler im Wege stehen.
Die Tätigkeit solcher Zusammenschlussformen seitens Urheber und Leistungsschutzberechtigter lässt sich freilich nicht als kollektive Wahrnehmung einordnen.
Sämtliche Agenturen, Gewerkschaften und sonstigen Berufsverbände mögen zwar
272 Ausgenommen sind Bücher, bei denen es sich im Ganzen oder im Wesentlichen um Notenblätter, Zeitungen, Zeitschriften handelt.
273 Über die Registrierungsvoraussetzungen sowie die Verteilungsrichtlinien informiert die PLR
unter .
274 DCMS, Public Lending Right Review 2002, S. 20, abrufbar unter
(Letzter Abruf: 8.08.2003).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Anpassung der kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten durch die Verwertungsgesellschaften an das digitale Zeitalter gewinnt zunehmend an Brisanz. Diese rechtsvergleichende Studie nimmt den Urheberrechtswandel in vielen Ländern Europas unter die Lupe, um anschließend die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Wahrnehmungspraxis ausgewählter Verwertungsgesellschaften zu untersuchen. Nachgezeichnet werden dabei die Konturen einer gemeinschaftsweiten Rechtewahrnehmung, vor allem im Bereich der Online-Lizenzierung. Dazu wird der Frage nach Handlungsoptionen für eine gestärkte Rolle der Verwertungsgesellschaften in einer stets wandelnden Medienlandschaft nachgegangen.