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zugunsten einer stärkeren Stellung ihrer Mitglieder, denen nunmehr freisteht, bestimmte Rechte von der kollektiven Wahrnehmung auszunehmen und selbstständig
zu verwalten.
D. Sozialleistungen und kulturelle Förderungen
Das Urheberrecht erfährt einige Einschränkungen nicht nur in den gesetzlichen
Schrankenregelungen aufgrund einer vertikalen Sozialbindung im Verhältnis zu den
Werknutzern; Einschränkungen gibt es auch aufgrund einer horizontalen Sozialbindung des Urheberrechts im Verhältnis zwischen den Urhebern. Es geht dabei um
Abzüge von den individuellen Ausschüttungen, die für kulturelle und soziale Zwecke durch die Verwertungsgesellschaften vorgenommen werden.244 Denn es ist die
im verfassungsrechtlichen Sozialstaatsprinzip fußende Aufgabe des Urheberrechts in
sozial-personaler Hinsicht (Solidaritätsprinzip), Urhebern aller Sparten den Lebensunterhalt zu schaffen und zur Sicherung ihrer Existenz beizutragen.245 Der verfassungsrechtlich legitimierte Auftrag der Verwertungsgesellschaften, den Urheber zu
schützen und die Nutzungsrechte wahrzunehmen, ist auch ein sozialer und kultureller Auftrag, weil er die lebenswichtigen wirtschaftlichen Interessen der Urheber zum
Gegenstand hat.246 Die Tätigkeit der Verwertungsgesellschaften erschöpft sich daher
nicht in einer effizienten und kostengünstigen Rechteverwaltung; vielmehr wird sie
angereichert durch die Verpflichtung zur sozialen und kulturellen Aufgabenerfüllung, welche eine „identitätsbestimmende Grundkomponente“ darstellt247 und somit
einen ganz wesentlichen Unterschied zwischen kollektiver Wahrnehmung und individueller Rechteverwaltung deutlich macht. Die Verwertungsgesellschaften verstehen sich dabei nicht nur als Inkasso-, sondern vielmehr als Schutzorganisationen für
ihre Mitglieder, die auf ihre jeweils spezifische Weise auch einen staatlichen Auftrag zu erfüllen haben.
Dieser Auftrag wird in einer Reihe europäischer Rechtsordnungen, wie z.B. in
Deutschland und Spanien, vom Staat auferlegt, dem selbst die soziale Absicherung
des Individuums sowie die kulturelle Förderung obliegen. Die Einrichtung von Sozialfonds und den speziellen Fördersystemen der Sparten sind Ausdruck des sozialen
und kulturellen Auftrags der Verwertungsgesellschaften. Demzufolge sollen sie
Vorsorge und Unterstützungseinrichtungen für die Inhaber der von ihnen wahrge-
244 Melichar, in: Adrian/Nordemann/Wandtke (Hrsg.), Josef Kohler und der Schutz des geistigen
Eigentums in Europa, 1996, S. 101, 105 ff.
245 Schricker - Schricker, UrhR, 2006, Einl. Rn. 14; Die eminent soziale Natur des Autorgutes,
"welches, wenn auch nur von einem Einzelnen privatrechtlich genossen, sofort gewisse Reflexwirkungen in die ganze Kulturwelt sendet", hob Kohler, Das Autorrecht, 1880, S. 41 ff.
bereits vor.
246 Diese Sicht prägt vor allem die deutsche Lehre; siehe Mestmäcker, in: Schwarze/Becker
(Hrsg.), Geistiges Eigentum und Kultur im Spannungsfeld von nationaler Regelungskompetenz und europäischem Wirtschafts- und Wettbewerbsrecht, 1998, S. 53, 60.
247 Lerche, in: GEMA Jahrbuch 1997/1998, S. 80, 93 ff., 109 ff.
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nommenen Rechte einrichten und somit eine staatsentlastende Funktion übernehmen. Die Verwertungsgesellschaft kann die sozialen Einrichtungen nur durch Abzüge von ihr gegenüber bestehenden Geldforderungen der Treugeber bzw. Bezugsberechtigten finanzieren. Das Gesetz setzt allerdings weder die Höhe des Beitrages
noch die Art der Leistungen fest, die aus den sozialen Einrichtungen zu erbringen
sind; deren Bestimmung steht der Verwertungsgesellschaft zu.248
Besonders ausgeprägt sind die Sozialeinrichtungen bei den deutschen, französischen und skandinavischen Verwertungsgesellschaften, die bereits bei ihrer Gründung die Gemeinnützigkeit und das Prinzip der Solidarität hervorgehoben haben. So
sieht beispielsweise der Verteilungsplan der GEMA, VG WORT, VG Bild-Kunst
und VG Musikedition ein gesondertes Wertungs- und Schätzungsverfahren vor,
innerhalb dessen der überwiegende Teil des 10%igen Vorabzugs aller Erträge aus
dem Aufführungs- und Senderecht in die Förderung kulturell bedeutender Werke
und Leistungen fließt249 - bei der GVL sind dies auf 5% der jährlichen Ausschüttungssumme. Die vorwiegend von Autoren getragenen Verwertungsgesellschaften
unterhalten zudem Sozialeinrichtungen, welche einen wesentlichen Beitrag zur Alters- und Krankenvorsorge zugunsten langjähriger Mitglieder sowie in Notlage geratener Urheber leisten. Solche Zuwendungen an Pensions- und Unterstützungsfonds
erfolgen ebenso in Form des 10%igen Abzugs, den jeder Bezugsberechtigte bei der
Verteilung der Tantiemen hinnehmen muss. Sie sind im Statut verankert und somit
beim Abschluss des Wahrnehmungsvertrags vertraglich begründet. Von ähnlichen
Beihilfefonds profitieren auch die französischen Urheber, indem die Verwertungsgesellschaften 25% der zu verteilenden Summen, die aus der privaten Vervielfältigung stammen, und 50% der Vergütungen aus der Rundfunksendung und die unmittelbare Übertragung an einem öffentlichen Ort zwingend einem kollektiven Zweck
zuführt (Art. L. 321-9-1° Nr. 1 CPI).250 Die spanische Verwertungsgesellschaft
CEDRO und die schwedische STIM verwenden 20% der Einnahmen aus der Leerkassettenabgabe für kulturelle Zwecke; in Belgien kann der entsprechende Betrag
auf 30% steigen. Für soziale und kulturelle Zwecke, an denen ausländische Berechtigte nicht beteiligt werden, werden in Österreich 51% der Erträge aus der Vergütung für die private Überspielung abgeführt. Als Gegenpol sieht die britischen PRS
in ihrer Satzung einen maximalen Abzugssatz von 1% vor, der aber nicht ausgeschöpft wird.251
248 Über diese Unbestimmtheit des Gesetzes bestehen verfassungsrechtliche Bedenken, Juranek,
in: Dillenz, FS 50 Jahre UrhG, ÖSGRUM Bd. 4 (1986), S. 163, 171.
249 Eingehend hierzu Dietz, GRUR 1972, 11, 14 ff., der Hubmann zitiert: "Gerade bei den kulturell wertvollen Werken zeigt die Erfahrung, dass diese dem Urheber zu seinen Lebzeiten in
der Regel keinen angemessenen Lohn einbringen, sondern ihre Früchte erst viele Jahre nach
seinem Tod abwerfen. Will man diese Früchte dem Werkschöpfer - und nicht nur seinen oft
unsicheren oder unwürdigen Erben - sichern, so kann man sie ihm nur im Wege des Vorgriffs
aus einem Fonds gewähren, in den später einmal die Erträgnisse aus seinen eigenen Werken
fließen werden."
250 Zu den gesetzlichen Grundlage Françon, RIDA 194 (octobre 2002), 149, 153 ff.
251 Bartels, UFITA Bd. 2006/II, 325, 335.
295
Die Erfüllung kultureller und sozialer Aufgaben durch Verwertungsgesellschaften
ist allerdings nur im kontinental-europäischen Rechtsraum stark verwurzelt. Eine
ähnliche Praxis freiwilliger Zahlungen für soziale und kulturelle Zwecke ist zwar
auch in Großbritannien anzutreffen und historisch auf den Gedanken zurückzuführen, dass Musiker und Künstler für den durch die Abspielung von Tonträgern entstandenen finanziellen Verlust entschädigt werden müssen. Diese Praxis wird jedoch
von einigen anglo-amerikanischen Verwertungsgesellschaften in Frage gestellt, die
nicht von einer Solidargemeinschaft der vertretenen Rechteinhaber mit Interesse an
einer kollektiven Existenzsicherung, sondern von Trägern wirtschaftlicher Interessen
ausgehen.252 Insbesondere von der Verwertungsgesellschaft PRS wird nachhaltige
Kritik an der Abgabepraxis der musikalischen Schwestergesellschaften geübt, bei
denen die kraft Gegenseitigkeitsvereinbarungen ausgeschütteten Beträge regelmäßig
um einen Abgabesatz für kulturelle und soziale Zwecke in Höhe von 10% bzw.
12,5% gekürzt werden. International hat sich ein derartiger, gemeinnützigen Zwecken dienender Abgabesatz von 10% im Rahmen der CISAC-Standardvereinbarung
für Aufführungs- und Senderechte herausgebildet, während außerhalb des musikalischen Bereichs mangels einheitlicher Regelung teilweise sehr hohe Richtsätze anzutreffen sind (bis zu 51% für Österreich).253 Es wäre vielleicht angebracht, besonders
hohe Abgabesätze auf ihre Angemessenheit zu prüfen unter Berücksichtigung der
ihnen zugrunde liegenden sozial- und kulturpolitischen Ziele.254
Der Zufluss von Erträgnissen in Sozial- und Berufsfonds steht prinzipiell im Widerspruch zum subjektiven Charakter des Urheberrechts und verträgt sich schwer
mit dem Grundsatz, wonach der Urheber an der wirtschaftlichen Nutzung seines
Werkes durch Dritte teilhaben soll. Die dogmatische Begründung für den Sozialabzug liegt insofern in der Abkopplung von der urheberrechtlichen Nutzung und der
Individualbezogenheit des Urheberrechts. Die auf dieser Grundlage geschaffenen
Sozialeinrichtungen sind insoweit institutionalisiert, als ihre Legitimation nicht mehr
hinterfragt wird. Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Sozialabzug zu den zwingenden Erfordernissen der kollektiven Wahrnehmung zählt; nach europäischem
Wettbewerbsrecht setzt sich grundsätzlich das individuelle Herrschaftsrecht des
Urhebers durch. Wo also der Abschluss eines Wahrnehmungsvertrags die Unterstützung von Sozialeinrichtungen verlangt, steht die Zulässigkeit solcher Klauseln unter
scharfer Kritik. Demnach wird den Verwertungsgesellschaften vorgeworfen, sie
252 In der anglo-amerikanischen Wahrnehmungspraxis wird eine besondere Förderung ernster
oder kulturell „wertvollerer“ Musik nur in geringem Umfang, wenn überhaupt, bezweckt; für
weitere Hinweise hierzu siehe Goldmann, Kollektive Wahrnehmung, 2001, S. 316.
253 Für die Richtsätze in den einzelnen Ländern siehe Winghardt, Gemeinschaftliches Diskriminierungsverbot und Inländerbehandlungsgrundsatz, 2001, S. 366; siehe auch Hauptmann, Die
Vergesellschaftung des Urheberrechts, 1994, S. 70. Der Erhöhung der Sozialabzüge liegt die
Abkoppelung der Bemessung des Umfangs der urheberrechtlichen Nutzung von dem individuellen Verwertungsrecht und der individuellen Zurechenbarkeit zugrunde.
254 Siehe Winghardt, GRUR Int. 2001, 993, 1007, der die Auffassung vertritt, ein abzugsfähiger
Sozial- und Kulturanteil von maximal 20% bewege sich noch innerhalb des von Art. 12 EGV
(Diskriminierungsverbot) gesteckten Rahmen und sei somit angemessen.
296
überschritten mit den sozialen Einrichtungen ihren eigentlichen treuhänderischen
Aufgabenbereich. Dass unter dem Imperativ der Solidarität auch Sozialbindungen
zwischen den Urherbern bestehen, stelle einen neuen Sachverhalt dar, der nicht unter
den Mindestschutz der Konventionen falle, sondern eher außerhalb des Urheberrechts geregelt werden sollte.255 Der Automatismus des Sozialabzugs und dessen
prozentuale Grenzziehung stellten Eingriffe in die individuelle Rechtsposition der
Urheber bzw. zahlungspflichtigen Mitglieder dar, die willkürlich und rechtlich nicht
zu begründen seien.256
Demgegenüber wird das Argument vorgebracht, die Forderung nach Abschaffung
des sozialen Auftrags der Verwertungsgesellschaften bzw. deren Einschränkung
durch die Einführung eines Wahlrechts der Mitglieder würde eine Schwächung des
Schutzes der Künstler bedeuten.257 Dies darf allerdings nicht dahingehend gedeutet
werden, dass den Verwertungsgesellschaften auch zu Recht diese soziale Aufgabe
aufgebürdet wird, damit der Staat seine eigenen Aufgaben auf die Mitglieder zur
Einsparung von Sozialhilfeleistungen abwälzen kann.258 Offene Fragen bestehen des
Weiteren in Bezug auf die Finanzierungsart der Vorsorge- und Unterstützungseinrichtungen. Mangels gesetzlicher Konkretisierung wird als verfassungskonform
angesehen, dass die Verteilung von der individuellen Zustimmung des einzelnen
Berechtigten abhängig gemacht wird. Wird diese nicht erteilt, so können von den
dem Urheber zustehenden Entgelten keine sozialen Abzüge gemacht werden259 -
Abzüge für kulturelle Zwecke sind dagegen bis zur Grenze der Unverhältnismäßigkeit aufgrund von Art. 151 Abs. 4 EG möglich.
Darüber hinaus erscheint es aus internationaler Sicht bedenklich, dass viele Verwertungsgesellschaften das Aufkommen für Sozialleistungen auch aus dem Auslandsanteil der über Gegenseitigkeitsverträge angeschlossenen Schwestergesellschaften zu schöpfen pflegen, wobei zumeist nur die inländischen Urheber
profitieren und nicht die betroffenen Urheber der ausländischen Schwestergesellschaft. In dieser weitverbreiteten Praxis stellt sich die Frage, ob die ungleiche
Behandlung einen Verstoß gegen den konventionsrechtlichen Inländerbehandlungs-
255 Vgl. Melichar, in Becker (Hrsg.), Verwertungsgesellschaften im Europäischen Binnenmarkt,
1990, S. 47, 56. Die gegenwärtige Praxis von Sozialeinrichtungen in den Verwertungsgesellschaften wird im deutschen Schrifttum als eine unzulässige Vergesellschaftung des Urheberrechts angesehen, Hauptmann, Die Vergesellschaftung des Urheberrechts, 1994, S. 145
ff., 154; vgl. dazu Leinemann, Die Sozialbindung, 1998, S. 82, 84 ff.
256 Siehe Hartmann, UFITA 126 (1994), 149, 164, 172, der die soziale und kulturelle Einrichtungen der GEMA insoweit kritisiert, als dass ein Teil der aus dem Aufkommen der außerordentlichen und angeschlossenen Mitglieder einbehaltenen Mittel zugunsten der ordentlichen Mitglieder umverteilt wird; Sozialeinrichtungen für ordentliche Mitglieder sollten aber nur von
ordentlichen Mitglieder finanziert werden. Anlass zur Kritik geben dem Autor zufolge auch
die Sozialeinrichtungen der VG WORT, für deren Betrieb die Verantwortung auf rechtlich
selbständige, von den Zahlungspflichtigen nicht unmittelbar zu kontrollierende Gesellschaften
übertragen wird (z.B. Stiftung "Autorenversorgungswerk" und Sozialfonds GmbH).
257 Wandtke, GRUR 1995, 385, 392.
258 Fechner, Geistiges Eigentum und Verfassung, 1999, S. 496.
259 Fechner, Geistiges Eigentum und Verfassung, 1999, S. 497.
297
grundsatz (Art. 5 RBÜ / Art. 3 TRIPs) darstellt, welcher die materiell- und kollisionsrechtliche Gleichstellung von In- und Ausländern sowie die Garantie von Mindestrechten gewährleisten soll.
Bei dieser Frage spalten sich die Meinungslager in der Lehre. Aus einer Sicht wäre ein Verstoß gegen den Inländerbehandlungsgrundsatz, dessen Anwendungsbereich nur die individuelle Auskehrung bestimmter Beträge und nicht den Kulturund Sozialanteil erfasst, theoretisch nur dann vorstellbar, wenn sowohl für die inländischen als auch für die ausländischen Berechtigten Abgabesätze zur Zuführung an
soziale und kulturelle Einrichtungen gelten würden, die jedoch unterschiedlich hoch
wären.260 Denn die Pflege und Förderung des innerstaatlichen Kulturbetriebes, die
sich eine Verwertungsgesellschaft mit Monopolstellung für das von ihr vertretene
nationale Verwertungsgebiet zur Aufgabe mache, stelle die Erfüllung einer Mitverantwortung bei der staatlichen Kulturfürsorge dar. Außerdem würde eine Ausweitung der Sozialabgabe auf die ausländischen Rechteinhaber der Schwestergesellschaften die Gefahr einer unverhältnismäßigen Verteilung und Verwässerung der
unterhaltenen Förderungsprogramme begründen.261 Nach gegenläufiger Meinung
mutet es allerdings sonderbar an, dass der Zugang zu den meisten sozialen und kulturellen Einrichtungen der Verwertungsgesellschaften nur Mitgliedern offensteht,
während alle Wahrnehmungsberechtigten, einschließlich Ausländer, zu deren Finanzierung beitragen.262
Die derzeitige Praxis lässt sich nach Auffassung der Verfasserin nicht als Diskriminierung einstufen, die vom Inländerbehandlungsgrundsatz zu umfassen wäre.
Letzterer ist zwar für das geistige Eigentum konventionsrechtlich festgeschrieben,
um ausländische Urheber den inländischen im Hinblick auf die Gewährung der
zwischenstaatlich vereinbarten Mindestrechte gleichzustellen; aus dem einschlägigen Prinzip lässt sich aber nicht das Gebot ableiten, ausländische Mitglieder einer
Verwertungsgesellschaft im Hinblick auf staatliche Aufwendungen bzw. Förderungen wie Inländer zu behandeln.
260 Winghardt, GRUR Int. 2001, 993, 1001. Ebenso wenig könne der Ausschluss ausländischer
Berechtigte von der Kultur- und Sozialabgabe eine Verletzung des gemeinschaftsrechtlichen
Diskriminierungsverbots (Art. 12 EGV) begründen. Die Einführung einer Sozialfondslösung
verstoße nicht gegen die Inländerbehandlungsklausel des Art. 5 (1) RBÜ, so Drexl, Entwicklungsmöglichkeiten des Urheberrechts im Rahmen des GATT, 1990, S. 77.
261 Winghardt, GRUR Int. 2001, 993, 1006 f.
262 Bartels, UFITA Bd. 2006/II, 325, 352 ff.
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4. Abschnitt: Kooperationsformen, Zusammenschlüsse und Erfahrungsaustausch
A. Inkassostellen
I. Tätigkeitsbereich
Zur Zeit- und Kostenersparnis wird die Einnahme der Tantiemen für die einzelnen
Sparten nicht allzu selten zentralen Einrichtungen anvertraut. Auf der Basis einer
gemeinsamen Initiative der Verwertungsgesellschaften wird nämlich eine dritte
Gesellschaft zur zentralen Abrechnung und Verteilung von Tantiemen errichtet, die
ein sog. Inkassomandat ohne jegliche Wahrnehmungsaufgaben auszuführen hat.263
Derartige „Zentralstellen“ stellen insbesondere in Deutschland eine gängige Form
institutionalisierter Zusammenarbeit der Verwertungsgesellschaften dar. Die Vergütungsansprüche werden seitens der Zentralstelle nicht auf treuhänderischer Basis,
sondern auf der Grundlage eines Inkassomandats geltend gemacht. Über die Gesamtverträge, die zwischen der Inkassostelle und den jeweiligen Verbänden der
Vergütungspflichtigen abgeschlossen werden, wird detailliert geregelt, welche Nutzungsvorgänge der Vergütungspflicht unterliegen, welche Auskünfte zu erteilen und
wie und wann Zahlungen zu leisten sind. Das eingegangene Vergütungsaufkommen
wird nach Abzug einer Kostenpauschale auf die zusammengeschlossenen Verwertungsgesellschaften nach einem bestimmten Schlüssel verteilt. Für die Ausschüttung
an die einzelnen Berechtigten ist jede Verwertungsgesellschaft selbst verantwortlich.
Diese Zentralisierung erspart den einzelnen Verwertungsgesellschaften einen aufwendigen und kostenintensiven Außendienst.
Eine mit der Rechtsnatur derartiger Kooperationsformen und Zusammenschlüsse
zusammenhängende Frage ist, ob und inwieweit diese unter das für die Verwertungsgesellschaften geltende aufsichtsrechtliche Regime fallen. Der Auffassung,
263 Solche Inkassostellen sind von einzelnen Verwertungsgesellschaften mit gemeinsamem Inkassomandat zu unterscheiden. In diesem Fall kassiert eine Verwertungsgesellschaft kommissarisch für die Mitglieder einer anderen Verwertungsgesellschaft die Tantieme für eine bestimmte Nutzung, sofern Letztere ihrem Wahrnehmungsbereich zuzuordnen sind. Anschlie-
ßend werden die Erlöse zur Verteilung an die Auftragsgesellschaft überwiesen. Dies kann laut
eines Inkassovertrags zwischen zwei oder mehreren Verwertungsgesellschaften im Inland erfolgen; aus geographischen Hindernissen erhält eine Verwertungsgesellschaft im Rahmen von
Gegenseitigkeitsvereinbarungen mit ausländischen Schwestergesellschaften ebenso das Inkassomandat für die sog. „Auslandstantiemen“. Diesem Modell entsprechend erhält die GEMA
Vergütungen für die Wiedergabe von Tonträgern und Videoclips sowie von Radio- und Fernsehsendungen nicht nur für ihre Mitglieder, sondern auch für Musikinterpreten als Stellvertreterin der GVL. Ähnlich hat die britische Verwertungsgesellschaft CLA das Inkassomandat für
die reprographischen Rechte zugunsten der Mitglieder der PLS, ALCS und DACS inne usw.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Anpassung der kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten durch die Verwertungsgesellschaften an das digitale Zeitalter gewinnt zunehmend an Brisanz. Diese rechtsvergleichende Studie nimmt den Urheberrechtswandel in vielen Ländern Europas unter die Lupe, um anschließend die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Wahrnehmungspraxis ausgewählter Verwertungsgesellschaften zu untersuchen. Nachgezeichnet werden dabei die Konturen einer gemeinschaftsweiten Rechtewahrnehmung, vor allem im Bereich der Online-Lizenzierung. Dazu wird der Frage nach Handlungsoptionen für eine gestärkte Rolle der Verwertungsgesellschaften in einer stets wandelnden Medienlandschaft nachgegangen.