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In einer Zeit, in der das Recht der Verwertungsgesellschaften europaweit an Bedeutung gewinnt, verdient die Novelle des österreichischen Verwertungsgesellschaftengesetzes aus dem Jahre 1936, eines der ältesten Regelwerke Europas
im Bereich der kollektiven Wahrnehmung, an dieser Stelle gesonderter Erörterung.
Das Verwertungsgesellschaftengesetz 2006 (VerwGesG 2006) trat am 1. Juli 2006
in Kraft und dient der besseren Übersicht des bis dahin zersplitterten Wahrnehmungsrechts in einem einheitlichen und neu geordneten Gesetz. Letzteres zeichnet
sich durch eine gelungene überarbeitete Systematik, zahlreiche Klarstellungen und
inhaltliche Anpassungen aus und fällt dabei fortschrittlich aus, indem es bei einzelnen Aspekten der kollektiven Rechtewahrnehmung die gemeinschaftsrechtlichen
Entwicklungen berücksichtigt. Die grundlegende Neugestaltung der Gründungs- und
Tätigkeitsaufsicht, die Verbesserung der Transparenz und die Modernisierung im
Hinblick auf die Kommunikation sind einige der Schwerpunkte, die trotz eventueller
Kritik die Praxis der kollektiven Wahrnehmung auf eine sichere und differenzierte
Grundlage stellen und somit Maßstäbe für die rechtspolitische Diskussion in der
Europäischen Union und den Mitgliedstaaten setzen.160
B. Organisation und statutarische Binnenstrukturen
I. Rechtsform, Satzungsziele und Gründungskontrolle
Von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat werden unterschiedliche Anforderungen an die
Rechtsform einer Verwertungsgesellschaft gestellt. Was den Status angeht, so kann
es sich bei Verwertungsgesellschaften um einen rechtsfähigen wirtschaftlichen Verein kraft staatlicher Verleihung, um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, eine
Kapitalgesellschaft (in der Regel mit Gewinnerzielungsabsicht) oder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts handeln.161 Die nationalen Urheber- und Wahrnehmungsgesetze verzichten - bis auf wenige Ausnahmen - auf einen Rechtsformzwang
160 So Riesenhuber, Das österreichische VerwGesG 2006, S. 16 ff. mit ausführlicher Darstellung
der neuen Regelungen. Auf Einzelpunkte des österreichischen VerwGesG 2006 wird nachstehend an passenden Stellen der vorliegenden Arbeit eingegangen.
161 Die Rechtsform des Vereins bevorzugen die meisten deutschen sowie spanischen Verwertungsgesellschaften, mit Ausnahme der AISGE, bei der die Vorschriften für Handelsgesellschaften zur Anwendung kommen. Als Gesellschaft mit beschränkter Haftung haben sich die
GVL, die deutschen Filmverwertungsgesellschaften, die portugiesische SPA sowie die Mehrheit der britischen Verwertungsgesellschaften („companies limited by guarantee“) konstituiert; als Aktiengesellschaft wurde z. B. die britische MCPS sowie die griechische musikalische Verwertungsgesellschaft AEPI gegründet. Mit einigen weiteren Ausnahmen ist die
Mehrheit der Verwertungsgesellschaften Griechenlands als Genossenschaft mit beschränkter
Haftung organisiert. Nach französischem Rechtsverständnis sind die Verwertungsgesellschaften allein in der Rechtsform der „société civile“ rechtsfähig; siehe Art. 1 SACEM-Satzung.
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und überlassen es vielmehr den Urhebern, für ihre Verwertungsgesellschaft die ihren
Bedürfnissen am besten dienende Rechtsform und organisatorische Binnenstruktur
frei zu wählen, wobei es vorkommen kann, dass die bevorzugte Rechtsform in einem nationalen System die Gründungserfordernisse in einem anderen nicht erfüllt.162 Auch „Personengemeinschaften“ können Wahrnehmungsdienste anvertraut
werden – so das deutsche Recht. Hierzulande kann der Zusammenschluss mehrerer
Urheber oder Leistungsschutzberechtigte zu einer Verwertungsgesellschaft - ohne
Rücksicht auf die Rechtsform - von dem verfassungsrechtlich verankerten Schutz
der Vereinigungsfreiheit profitieren.163
Demgegenüber gehen andere Rechtsordnungen von einer eingeschränkten
Rechtsformauswahl aus. In Frankreich schreibt Art. L. 321-1 CPI die Rechtsform
der Gesellschaft des Zivilrechts („sociétés civiles“) als die für kollektive Wahrnehmung geeignete Rechtsform vor. Denn im Gegensatz zu handelsrechtlichen Formen
unterliegt eine „société civile“ keinen strengen Bestimmungen und bietet zudem den
Vorteil, dass die Verwertungsgesellschaften Trägerinnen eigenen Vermögens sein
können und als Rechtssubjekte automatisch aktiv und passiv parteifähig sind.164
Diesem Beispiel folgte auch der österreichische Gesetzgeber, als er sich im Rahmen
der Novelle 2006 für die Einführung der eingeschränkten Rechtsformauswahl entschieden hat. Künftig sollen sich nur Genossenschaften oder Kapitalgesellschaften
mit Sitz im Inland qualifizieren dürfen, obwohl es bislang auch Verwertungsgesellschaften in Vereinsform gab; drei Jahre ab Inkrafttreten des neuen Bundesgesetzes
haben bereits existierende Verwertungsgesellschaften mit vereinsrechtlichen Strukturen ihren Betrieb auf eine Genossenschaft oder Kapitalgesellschaft zu übertragen.165 Die Gegenposition nimmt der belgische Gesetzgeber ein, indem er die transnationale Tätigkeit einer in einem anderen EU-Mitgliedstaat bzw. EWR-
162 Den Verwertungsgesellschaften wird somit vom Gesetzgeber bewusst ein weiter Gestaltungsund Ermessensspielraum eingeräumt. Das auf die Tätigkeit einer Verwertungsgesellschaft abgestellte Angemessenheitsgebot darf nicht in eine Inhaltsbestimmung für Rechtsform und organisatorische Struktur der Verwertungsgesellschaften umgedeutet werden, so Dünnwald, FS
Kreile, 1994, S. 161, 166. Dabei entstehen Unterschiede zwischen den einzelnen Rechtssystemen, wie z. B. zwischen dem deutschen und dem griechischen System: Die vereinsrechtlichen Strukturen der deutschen Verwertungsgesellschaften gelten seit 1995 in Griechenland als
ungeeignet dafür, den Zwecken der kollektiven Wahrnehmung effizient zu dienen – Vereine
mit solchen Aspirationen sind somit vom Gesetz verboten.
163 Siehe Ridder, Verfassungsrechtliche Probleme der gesetzlichen Regelung von Verwertungsgesellschaften, 1962, S. 19.
164 Hierin liegt auch der Unterschied zum deutschen Begriff „Gesellschaft des bürgerlichen
Rechts“, Baucks, Die französische Urheberrechtsreform von 1985, 1992, S. 175. Siehe auch
Weichhaus, Das Recht der Verwertungsgesellschaften, 2001, S. 46.
165 Siehe §§ 3 (1) und 42 (3) AT-VerwGesG 2006. Angesichts der geforderten Rechtsformabänderung kann die Einbringung des Betriebs in eine Genossenschaft oder Kapitalgesellschaft durch (partielle) Gesamtrechtsnachfolge bewirkt und abgabenbegünstigt durchgeführt
werden, Wallentin/Wallentin, in: Dittrich/Hüttner (Hrsg.), Das Recht der Verwertungsgesellschaften, 2006, S. 311, 314 ff.
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Vertragsstaat gegründeten Verwertungsgesellschaft für zulässig hält.166 Dies erklärt,
warum die französische SACD auch in Belgien ohne eigene Verwertungsgesellschaft problemlos tätig sein darf.
Einen besonderen Fall stellt die italienische SIAE dar, welche als „öffentlichrechtliche Körperschaft“ mit gemeinwohlorientierter Tätigkeit bezeichnet wird.167
Deckungsgleich werden die Bezeichnungen „società di gestione colletiva“ oder
„società di percezione“ verwendet.
Das Recht der Verwertungsgesellschaften setzt sich vornehmlich aus Organisationsregeln zusammen, welche Mitgliedschaftsrechte, Verwaltungstätigkeit, feste
Verteilungsregeln und kollektive Vertragsbeziehungen gestalten und durchnormieren. Das der Organisation der jeweiligen Verwertungsgesellschaft vorgegebene
Regelinstrumentarium wird in ihrer Satzung zusammengefasst, nämlich die Bezeichnung, die von der Verwaltung umfasste Kategorie der Rechteinhaber, die Voraussetzungen für den Erwerb und Verlust der Mitgliedschaft, die Rechte und Pflichten der Mitglieder, die Geschäftsführungs- und Vertretungsorgane, ihre Einberufung
und Kompetenzen sowie die Verteilungsregeln.168 Durch die Satzung werden aber
nicht nur die Organisation und die Willensbildung der Verwertungsgesellschaft
konkretisiert, sondern vor allem der Gegenstand oder die Ziele ihrer Tätigkeit unter
genauer Bestimmung der verwalteten Rechte. Dabei werden der Schutz der Urheber
bzw. der Leistungsschutzberechtigten sowie die treuhänderische Verwaltung und
Wahrnehmung der übertragenen Rechte als höchste Ziele der Tätigkeit der Verwertungsgesellschaft ausgeführt.169 Die Verwertungsgesellschaften der Mitgliedstaaten
166 Siehe Art. 65 BE-UrhG.
167 Der öffentlich-rechtliche Charakter der SIAE wurde durch das Gesetz Nr. 248 v. 18.08.2000
gestärkt. Demnach ist die SIAE zuständig, kommerzielle Ton- und Audioträger, Multimediaund Software-Programme mit einem Siegel zu versehen. Dieses Siegel soll als Hinweis auf
urheberrechtlich geschütztes Material dienen und zugleich als eine Art Attest seitens des Nutzers dafür, dass dieser seine Pflichten gegenüber den beteiligten Rechteinhaber zu erfüllen
hat; Fabiani, RIDA 191 (2002), 133, 159.
168 Eine detaillierte Aufstellung der Bestandteile einer Satzung sieht Art. 151 ES-UrhG vor.
Anfang der Achtziger wurden durch die WIPO und UNESCO zwei Mustersatzungen entworfen, eine für Verwertungsgesellschaften mit privatrechtlichem Charakter und eine für Verwertungsgesellschaften mit öffentlich-rechtlichem Charakter. Beide Mustersatzungen befassten
sich jedoch ausschließlich mit organisatorischen Aspekten sowie mit der Rechtsform der kollektiven Wahrnehmung ohne jegliche Konkretisierung substantiver Aufgabenbereiche, Fiscor,
Collective Management of Copyright and Related Rights, 2002, S. 27 f.
169 Die deutschen Verwertungsgesellschaften GEMA, VG WORT, GVL und VGF sehen Einbeziehungsklauseln vor, um bei künftigen Änderungen der Satzung nicht jedesmal einen neuen
Vertrag mit den Berechtigten abschließen zu müssen (§ 6 a) GEMA-BerV; § 5 VG WORT-
BerV; Ziff. VII GVL-WahrnV; § 5 (29) und (83) VGF-WahrnV). Demnach werden Änderungen der Satzung automatisch Vertragsbestandteil. Bei der VG WORT gilt dies nur dann, wenn
der Berechtigte auf die Mitteilung der Änderung innerhalb von sechs Wochen nicht widersprochen hat. Solche Einbeziehungsklauseln dienen nicht dazu, den Berechtigten gegen ihren
Willen neue Bestimmungen aufzuerlegen, sondern sie dienen einer effektiven Arbeit der Verwertungsgesellschaften. Einerseits wäre es den Verwertungsgesellschaften nicht zuzumuten,
bei jeder Satzungsänderung jeden Berechtigten um Zustimmung zu bitten. Andererseits sind
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nehmen für sich in Anspruch, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ideell Interessenvertreter der Urheber zu sein, indem sie im Rahmen von Lobbying starken Einfluss auf die Gesetzgebung üben. Das Tätigkeitsfeld der Verwertungsgesellschaften
ist so weitreichend, dass von reinen Inkassoinstituten nicht mehr die Rede sein kann;
der satzungsmäßige Zweck umfasst vielmehr die ökonomische Wahrnehmung der
ihnen übertragenen Rechte sowie den allgemeinen Schutz der materiellen und ideellen Interessen der Berechtigten.170 Als wenige Ausnahmen von Verwertungsgesellschaften, die ihren Betriebszweck auf den Rechtsschutz (Anti-Piraterie) beschränken
und somit die Rechtewahrnehmung der individuellen Initiative überlassen, sind die
IFPI-Landesgruppen sowie die griechische Verwertungsgesellschaft zum Schutz von
audiovisuellen Werken EPOE zu nennen. Nach französischem Vorbild sollen sich
die Verwertungsgesellschaften nicht allein einer kollektiven Rechtewahrnehmung
mit kulturellem Einschlag widmen, sondern vielmehr ihre Mitglieder nach Art der
berufsständischen Kammern vertreten.171
Unabhängig von der angenommenen Rechtsform stellen die Verwertungsgesellschaften bedeutende wirtschaftliche und rechtspolitische Interessenvertreter
der Urheber dar, die aufgrund ihrer mehrfachen Funktionen, öffentlichen Aufgaben
und komplexen Strukturen eine Institution eigener Art bilden und dabei zwischen
dem öffentlichen und privaten Recht anzusiedeln sind.172 Um ihre Tätigkeit ausüben
zu dürfen, müssen die Verwertungsgesellschaften in manchen Mitgliedstaaten eine
Reihe formeller und materieller Erfordernisse zur Erteilung einer Erlaubnis durch
die jeweilige nationale Aufsichtsbehörde erfüllen und sich somit einer Gründungskontrolle unterziehen. Diese präventive Aufsicht soll sicherstellen, dass bereits im
Gründungsstadium jene Missstände und finanziellen Nachteile für die Berechtigten
verhindert werden, die aus einer mangelhaften Tätigkeitsausübung durch die Verdie Mitglieder nicht willkürlichen Änderungen durch die Verwertungsgesellschaften ausgeliefert, soweit sie über ihr Stimmrecht in der Mitgliederversammlung Einfluss auf die Änderungen nehmen können. Insofern gilt es, die Einbeziehung künftiger Änderungen der Satzung als
angemessen zu beurteilen, auch wenn keine Mitteilung an die Berechtigten vorgesehen wird,
Mauhs, Der Wahrnehmungsvertrag, 1990, S. 157 ff., die Bedenken in Bezug auf die Einbeziehung künftiger Änderungen des Gesellschaftsvertrages von den als GmbH organisierten
Verwertungsgesellschaften GVL und VGF äußert, da solche Änderungen nur von den Gesellschaftern geschlossen werden.
170 Die Hervorhebung des Satzungszwecks ist für die Klageberechtigung insofern relevant, als die
Verwertungsgesellschaft als Verband zur Förderung gewerblicher Interessen auch bei Erhebung einer wettbewerbsrechtlichen Abwehrklage nur im Rahmen des von ihr selbst in der Satzung festgelegten Aufgabenbereiches handeln soll. Sie ist befugt, gegen alle unlauteren Wettbewerbshandlungen einzuschreiten, die unmittelbar oder mittelbar die wirtschaftlichen Interessen der Urheber gefährden oder schädigen, Hefermehl, in: Schulze/Meurer (Hrsg.), Im
Auftrag der GEMA, 1997, S. 25, 31 ff.
171 Dies geht auf die historische Anerkennung der Verwertungsgesellschaften als berufliche
Vereinigungen zurück, die damals ihren Niederschlag im Urheberrechtsgesetz vom 11. März
1957 fand, Schwab, Urheberverwertungsgesellschaften in Frankreich, 1989, S. 9, 40.
172 Die Ähnlichkeit zu anderen Organisationen ist gering, um Verwertungsgesellschaften eindeutig einordnen zu können, so Augenstein, Rechtliche Grundlagen des Verteilungsplans, 2004,
S. 40.
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wertungsgesellschaft resultieren.173 Zur Sicherstellung einer effektiven Rechtewahrnehmung können des Weiteren bestimmte Kriterien an die persönliche Integrität und
fachliche Qualifikation der Gründer sowie organisatorische und wirtschaftliche
Mindeststandards herangezogen werden, die einen Zusammenhang zu den Anforderungen an die Rechtsform aufweisen.174 Der Staat nimmt hier offenkundig eine besondere Fürsorgepflicht für die Urheber- und Leistungsschutzberechtigten wahr, die
trotz des Verfassungsrangs des Urheberrechts jedoch nicht als rechtspositive Verpflichtung des Staates zu einer effektiven Rechtewahrnehmung gedeutet werden
dürfte. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Verpflichtung des Staats, die kollektive Selbstorganisation der Urheber überhaupt zu ermöglichen.175
Bei der Ausgestaltung der Gründungskontrolle hat der deutsche Gesetzgeber eine
generelle Erlaubnispflicht zum Geschäftsbetrieb eingeführt. Hierzulande sind die
Verwertungsgesellschaften nämlich verpflichtet, einen schriftlichen Antrag zu stellen und eine Reihe von Unterlagen zur Prüfung vorzulegen, die den zuständigen
Behörden ausreichend Aufschluss über die Satzung, die vertretungsberechtigten
Personen und den Wahrnehmungsumfang geben. Die Erlaubniserteilung setzt somit
eine staatliche, weitgehende Überprüfung voraus, die sich auf die Rechtmäßigkeit
der Satzung bzw. des Gesellschaftsvertrags, die Zuverlässigkeit der vertretungsbefugten Personen und das Vorhandensein der für eine wirksame Wahrnehmung erforderlichen wirtschaftlichen Grundlage erstreckt. Zudem muss beurteilt werden, ob die
für die jeweilige Rechtsform erforderlichen Voraussetzungen entsprechend erfüllt
werden und die treuhänderische Verwaltung von Vergütungsansprüchen für die
Rechnung mehrerer Berechtigter erfolgt.176 Allein die gesetzlich angeordnete vorbeugende Prüfung subjektiver Voraussetzungen soll auch faktisch die angemessene
Teilhabe der Schöpfer geschützter Werke an den Früchten ihrer Arbeit und damit die
Existenzgrundlage eines überwiegenden Teils der geistig Schaffenden sicherstellen.177 Beim positiven Ergebnis wird schließlich die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb
vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) als zuständige Aufsichtsbehörde
im Einvernehmen mit dem Bundeskartellamt erteilt. Ab diesem Zeitpunkt unterliegt
die Verwertungsgesellschaft einer staatlichen Aufsicht durch das DPMA, dem eine
weitgehende Informationsbefugnis sowie einige Eingriffsmöglichkeiten zustehen:
Werden nachträglich Mängel beim Geschäftsbetrieb festgestellt, die eine Ablehnung
173 Inwieweit im Rahmen der Gründungskontrolle ein ausreichender staatlicher Einfluss auf die
Verwertungsgesellschaft im Vorfeld ihrer künftig wahrzunehmenden Tätigkeit garantiert werden kann, kann in Frage gestellt werden; vgl. hierzu Wirtz, Kontrolle von Verwertungsgesellschaften, 2002, S. 44 f.
174 Katzenberger, in: Hilty (Hrsg.), Die Verwertung von Urheberrechten in Europa, 1995, S. 1,
11.
175 Noll, in: Dittrich/Hüttner (Hrsg.), Das Recht der Verwertungsgesellschaften, 2006, S. 41, 45 f.
176 Agenten, die lediglich die Rechte eines einzelnen Berechtigten vertreten, bedürfen deshalb
keiner Erlaubnis; der Erlaubnispflicht unterliegen demgegenüber die sog. Clearingstellen, bei
denen eine Zentralisierung von Einzelrechtsvergaben erfolgt, Wandtke/Bullinger – Gerlach,
UrhR, 2006, § 1 WahrnG Rn. 3 und 4.
177 So Häußer, FS Roeber, 1982, S. 113, 125.
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der Erlaubnis begründen, und wird diesen nicht innerhalb einer angemessenen Frist
abgeholfen, ist die Erlaubnis zu widerrufen.178
Weniger straff gestaltet sich die Situation in Österreich. Das österreichische
VerwGeG 2006 übernimmt das Prinzip, dass Betriebsgenehmigungen ohne zeitliche
Begrenzung zu erteilen und von der Aufsichtsbehörde auf ihrer Website kundzumachen sind.179 Dieses Prinzip wird um eine periodische Überprüfungspflicht der Aufsichtsbehörde KommAustria ergänzt, was immerhin ein Minimum an präventiver
Staatskontrolle darstellt, die in vielen anderen europäischen Rechtssystemen entfällt.
In Frankreich wird die Gründung einer Verwertungsgesellschaft lediglich einem
formellen Verfahren unterstellt, im dessen Rahmen Satzung und Geschäftsordnung
dem Kulturminister vorzulegen sind. Sollten der Gründung triftige Gründe entgegenstehen, wird das Tribunal de Grande Instance zur Entscheidung berufen.180 Diesem obliegt auf Antrag des Kulturministers auch die Entscheidung über die Auflösung einer Verwertungsgesellschaft bzw. über die Beschränkung ihrer Wahrnehmungstätigkeit.
Während den portugiesischen Verwertungsgesellschaften eine bloße Pflicht zur
Registrierung auferlegt wurde, die vorwiegend Informationsinteressen der Öffentlichkeit dienen soll, bedarf es in Belgien181, den Niederlanden und Spanien für die
Errichtung einer Verwertungsgesellschaft einer ministeriellen Genehmigung. In
Griechenland verfügen zwar etwa 20 Verwertungsgesellschaften bereits über eine
ministerielle Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb, nur wenige davon haben aber eine
Inkassotätigkeit aufgenommen. Hier kommt zur Gründungskontrolle eine fortlaufende Kontrolle.
In den anderen untersuchten Rechtssystemen fehlt es gänzlich an der Statuierung
einer staatlichen Erlaubnis oder Genehmigung. Dies ist auch in Großbritannien der
Fall. Dort knüpft die staatliche Kontrolle allein an die kollektive Verwertung von
Urheberrechten und beschränkt sich mithin auf die Lizenzierungspraxis. Dem
zugrunde liegt der Charakter des Copyrights als individuelles Herrschaftsrecht sowie
der daraus fließende Respekt des staatlichen Apparats vor der Privatautonomie der
Verwertungsgesellschaften. So steht es den britischen Wahrnehmungsorganisationen
mangels relevanter Spezialvorschriften frei, über die einzelnen Bedingungen ihrer
178 Siehe § 4 DE-WahrnG.
179 § 4 AT-VerwGesG. Durch die jüngst erfolgte Novelle des österreichischen Verwertungsgesellschaftengesetzes sollte ein sog. „aggressiver“ Antrag auf Betriebsgenehmigung eingeführt werden, nach dem der Antragsteller sich für den Tätigkeitsbereich einer bereits bestehenden Verwertungsgesellschaft bewerben und somit diese verdrängen könnte. Mit der Regelung, die nachträglich aufgegeben wurde, bezweckte der Gesetzesgeber die Schaffung eines
potentiellen Wettbewerbs unter den Verwertungsgesellschaften. Er sah darin ein geeignetes
Instrument zur Entziehung bei ineffizienter Wahrnehmungstätigkeit; kritisch dazu Riesenhuber, Das österreichische VerwGesG 2006, S. 28 ff.
180 Art. L. 321-3-2° CPI.
181 Das Genehmigungsverfahren wird in Belgien eingehend durch den Königliche Dekret v.
6.04.1995 (abgedruckt in: Moniteur belge v. 29.04.1995) geregelt.
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Gründung zu bestimmen sowie Organisation und Innenstruktur beliebig und frei von
staatlicher Intervention zu gestalten.
II. Mitgliedschaftsstrukturen und sonstige Repräsentationsformen für die Wahrnehmungsberechtigten
Durch die Satzung einer Verwertungsgesellschaft bzw. den Gesellschaftsvertrag,
welche zugleich Bestandteile des Wahrnehmungsvertrages darstellen, wird die Stellung der Urheber bzw. Leistungsschutzberechtigten gegenüber ihrer Verwertungsgesellschaft und somit der Umfang ihres Einflusses im Entscheidungsprozess über
Geschäftsführung und die Politik der Gesellschaft klar definiert. Die Satzung bildet
die Grundlage für die Mitwirkung der Berechtigten an den Entscheidungsprozessen
innerhalb der Verwertungsgesellschaft. Dabei werden verschiedene Abstufungen
dieser Einflussmöglichkeit in Betracht gezogen, die nicht unbedingt eine Mitgliedschaft voraussetzen. Die gesetzlich vorgesehene Verwertungsgesellschaftspflicht
erzwingt nämlich nicht die Erlangung des Mitgliedstatus; letztere wird in der Regel
nicht an den Abschluss des Wahrnehmungsvertrages selber angeknüpft, sondern an
bestimmte Kriterien.182 Aber auch seitens der Verwertungsgesellschaft besteht kein
Aufnahmezwang. Das Recht, den Kreis der eigenen Mitglieder selbst zu bestimmen,
ergibt sich auch aus dem autonomen Charakter des Vereins – er ist daher eine bevorzugte Rechtsform für viele europäische Verwertungsgesellschaften.183
Die bei der kollektiven Wahrnehmung dominierenden vereinsrechtlichen Strukturen der deutschen Verwertungsgesellschaften berücksichtigen in ausreichendem
Umfang die erwünschten Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte der zahlreichen
Mitglieder und bieten den Vorteil, dass die Aufnahme eines neuen Mitglieds keine
Abänderung des Gesellschaftsvertrags erfordert. Im Sinne der "abgestuften" Mitgliedschaft sind in der Mitgliederversammlung der GEMA nur die ordentlichen und
außerordentlichen Mitglieder stimm- bzw. mitwirkungsberechtigt. Angeschlossene
Berechtigte erwerben mangels erfüllter Kriterien keinen vereinsrechtlichen Mitgliedschaftsstatus im engeren Sinne, sondern sind an die Verwertungsgesellschaft
182 Die Voraussetzungen zur Erlangung einer Mitgliedschaft werden in der Satzung der jeweiligen Verwertungsgesellschaft näher ausgeführt. Durch den Abschluss des GEMA-
Berechtigungsvertrags wird der Berechtigte allein zum „angeschlossenen Mitglied“ und kein
Mitglied im vereinsrechtlichen Sinne mit entsprechenden Rechten und Pflichten. Er ist lediglich der Verwertungsgesellschaft schuldrechtlich durch Individualvertrag verbunden.
183 Die Organisationsstruktur der Verwertungsgesellschaften mit GmbH-Rechtsform, wie z. B.
die GVL, erlaubt hingegen nur eine Assoziierung der Berechtigten. Beiträge, die eine Mitgliedschaft rechtfertigen, werden dabei nicht erhoben; die Verwertungsgesellschaft bildet
zwar eine gemeinsame Vertretung für die Berechtigten, sie nimmt aber die angeschlossenen
Berechtigten nicht als Mitglieder auf. In diesen Fällen erwerben die Berechtigten allerdings
aufgrund ihrer wahrnehmungsvertraglichen Verbindung gewisse mitgliedschaftsähnliche
Rechte; siehe hierzu Dördelmann, FS Hertin, 2000, S. 31, 39 ff.
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nur auf der Basis des unterzeichneten Wahrnehmungsvertrags gebunden.184 Diese
Abstufung hat nur Auswirkungen im Innenverhältnis des Vereins, ohne dass es bei
der Wahrnehmung der Rechte nach Außen und der Verteilung des Aufkommens zu
einer unterschiedlichen Behandlung kommt. So soll verhindert werden, dass die
überwiegende Zahl der Gelegenheitsurheber einen unangemessenen Einfluss auf die
Geschäftsführung erhält und dabei diejenigen Berechtigten überstimmt, die aufgrund
der wirtschaftlichen Bedeutung ihrer Rechte und Ansprüche das Fundament der
Gesellschaft bilden.185 Dementsprechend ist die Aufnahme in die außerordentliche
oder ordentliche Mitgliedschaft nur durch die Erfüllung bestimmter Kriterien möglich. Minimalkriterium für den Urheber ist die Vorlage eines aufgeführten bzw.
publizierten Werkes, für den Verleger die Vorlage einer bestimmten Anzahl von
Vervielfältigungen und der Nachweis von Verlagsverträgen. Höhere Anforderungen
setzt der Antrag auf eine volle Mitgliedschaft voraus, die den Berechtigten ein
Stimmrecht in der Mitgliederversammlung verleiht. Zum Erwerb einer ordentlichen
Mitgliedschaft muss sich der Berechtigte bereits fünf Jahre lang als außerordentliches Mitglied qualifiziert sowie bestimmte finanzielle Auflagen (z.B. Mindestaufkommen) erfüllt haben.186 Auf der anderen Seite müssen die finanziellen Bedingungen nicht erfüllt sein, wenn kulturelle Erwägungen eine ordentliche Mitgliedschaft
wünschenswert erscheinen lassen. Ein ordentliches oder außerordentliches Mitglied
kann ausgeschlossen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, insbesondere eine
184 § 6 (2) GEMA-Satzung. Die Tatsache, dass bei einer derartigen Unterscheidung zwischen
stimmberechtigten und nicht stimmberechtigten Mitglieder Letztere die ausgeschlossene
Mehrheit darstellen, hat den Nachteil, dass es jeder Ergänzung oder Änderung der Verteilungssystematik an einer höheren demokratischen Legitimation mangelt; so Schulze-
Rossbach, Das neue Musikerrecht, 2001, S. 68, der für ein allen zu gewährendes Stimmrecht
mit Übertragungsmöglichkeit nach dem Vorbild der kanadischen Verwertungsgesellschaft
SOCAN plädiert.
185 Vgl. Begründung zum "Entwurf eines Gesetzes über Verwertungsgesellschaften auf dem
Gebiet des Urheberrechts (Verwertungsgesellschaftengesetz)", BT-Drucksache IV/271, S. 15,
16 = UFITA Bd. 46 (1966), 279 ff.
186 §§ 6-9 GEMA-Satzung. Die Festsetzung von Mindestaufkommen wird als notwendig erachtet,
sonst könnte eine zahlenmäßige Übermacht von Mitgliedern mit Rechten geringer Bedeutung
die Leitung der Geschäfte bestimmen. Am Beispiel der deutschen GEMA sind die Mindestbeträge für den Erwerb der ordentlichen GEMA-Mitgliedschaft bei Komponisten, Textdichtern
und Musikverlegern auf dem Gebiet der U-Musik (Unterhaltungsmusik) jeweils um 50% höher als die Mindestbeträge, die von Komponisten, Textdichtern und Musikverlegern aus dem
Bereich der sog. E-Musik (ernste oder klassische Musik) gefordert werden. In dieser Ungleichbehandlung von E- und U-Musik kommt die Vorzugsbehandlung zum Ausdruck, welche die E-Musik bei der GEMA auch in anderen Bereichen, namentlich bei der Verteilung des
Vergütungsaufkommens, genießt. Dies ist ein Solidarbeitrag, den die Vertreter der U-Musik
gegenüber ihren Kollegen der E-Musik in der Erkenntnis erbringen, dass E-Musik kulturell
allgemein als etwas Besonderes, dennoch aus Marktsicht als weniger lukrativ angesehen wird.
Trotz Erfüllung der finanziellen Kriterien kann laut § 8 (3) GEMA-Satzung der volle Mitgliedschaftsstatus noch verweigert werden, wenn unwahrscheinlich ist, dass der Betreffende
seinen Verpflichtungen aus der Beitrittserklärung nachgehen kann; auch umgekehrt können
kulturelle Gründe im Einzelfall die volle Mitgliedschaft rechtfertigen, obwohl der Berechtigte
die finanziellen Bedingungen nicht genügt (§ 7 (3) GEMA-Satzung).
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missbräuchliche Ausnutzung seiner Rechtsstellung gegenüber anderen Mitgliedern
oder ein vorsätzlicher bzw. grob fahrlässiger Verstoß gegen die Satzung, die Verteilungspläne, den Berechtigungsvertrag, die Interessen der Verwertungsgesellschaft
oder das Urheberrecht. Der geschlossene Berechtigungsvertrag bleibt allerdings
während seiner Dauer vom Ausschluss unberührt. Was das Wertungsverfahren für
die Zuweisung kultureller und sozialer Förderung angeht, werden im Übrigen daran
sowohl ordentliche und außerordentliche als auch angeschlossene Mitglieder beteiligt. Eine ähnliche Abstufung zwischen ordentlichen, außerordentlichen und angeschlossenen, durch einfache Mandate vertretene Urheber sieht der organisatorische
Aufbau bei der SIAE auch vor, wobei nur die ordentlichen Mitglieder stimmungsberechtigt sind und somit Einfluss auf die Verwaltung ausüben können.187
Besonders typisch für musikalische Verwertungsgesellschaften, wie die GEMA,
die AKM und die SGAE, aber auch für andere Verwertungsgesellschaften wie die
VG WORT, ist die Untergliederung ihrer Mitglieder in verschiedene Berufsgruppen
in Form eines Kuriensystems.188 Anhand dieses auf langer Tradition beruhenden
Systems wird zwischen den Berechtigten nicht nur horizontal, sondern auch vertikal
nach verschiedenen Berufsgruppen differenziert. Bei Abstimmungen über Änderungen der Satzung, des Berechtigungsvertrages, des Verteilungsplans und Beschlüssen
über die Auflösung der Verwertungsgesellschaft wird in der Mitgliederversammlung
getrennt nach Berufsgruppen abgestimmt, wobei jede Berufsgruppe eine Stimme
hat. Abstimmungen über die genannten Gegenstände sind nur bei Einstimmigkeit
aller Berufsgruppen wirksam. Diese enge Verzahnung von Berufsorganisationen
und Verwertungsgesellschaft weist einen doppelten Vorteil auf. Einerseits gewährleistet sie den ständigen Kontakt zu den Entwicklungen in den jeweiligen Berufsfeldern und ermöglicht somit der Gesellschaft, flexibel auf berufspolitische Anforderungen zu reagieren; andererseits sorgt sie für stärkere demokratische Strukturen der
kollektiven Rechtewahrnehmung, indem sie die Majorisierung zahlenmäßig unterlegener Berufsgruppen sicherstellt.189 Verhindern lässt sich dadurch insbesondere ein
unverhältnismäßiger Einfluss der Verleger, deren Mitgliedschaft zwar historisch
bedingt, jedoch teilweise als unangemessen kritisiert wird.190 Die einschlägige Ge-
187 Kritisch gegenüber diesem „demokratischen“ Defizit Kuhn, Urheberrechtsverwertungsgesellschaften in Italien, 1998, S. 95 f.
188 Die Berufsgruppen der GEMA sind Komponisten, Textdichter und Musikverleger; die Berufsgruppen der VG WORT sind Autoren und Übersetzer schöngeistiger und dramatischer Literatur (1), Journalisten, Autoren und Übersetzer von Sachliteratur (2), Autoren und Übersetzer von Fachliteratur (3), Verleger von schöngeistigen Werken und Sachliteratur (4), Bühnenverleger (5), Verleger von Fachliteratur (6).
189 Siehe hierzu Melichar, UFITA Bd. 117 (1991), 5, 10 ff.; Kreile/Becker, in: Moser/Scheuermann (Hrsg.), Handbuch der Musikwirtschaft, 2003, S. 687, 691.
190 Darüber hinaus sieht die GEMA für die Urheber die Möglichkeit vor, die Verleger im Aufsichtsrat zu überstimmen: Aus einem Verlag oder einer Verlagsgruppe kann nur eine Person
dem Aufsichtsrat angehören, so dass die in einer Aufsichtsratssitzung anwesenden Komponisten von den übrigen anwesenden Aufsichtsratsmitgliedern nicht überstimmt werden können,
wenn sie einstimmig eine Meinung vertreten; § 13 (6) GEMA-Satzung.
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fahr kommt vor allem von den Musikverlegern, nämlich Tonträgerproduzenten mit
stetig wachsender Machtposition. Die Kritik äußert sich dahingehend, dass die
“Funktionalität“ der Verwertungsgesellschaften im Wege einer Unterwanderung
durch Fremdinteressen ausgehöhlt werde, wenn Verleger Mitwirkungsrechte erhielten, ohne eigene Rechte in der Verwertungsgesellschaft einzubringen.191 Die Frage
wird von der Aufsichtsbehörde und der heute überwiegenden Meinung zugunsten
einer Mitgliedschaft der Verleger beantwortet, da die gegenseitige Abhängigkeit
bzw. Korrelation von Urhebern und Verlegern im Rahmen ihres Zusammenwirkens
außerhalb und innerhalb der Verwertungsgesellschaft so groß sein kann, dass jede
Berufsgruppe existentiellen Schaden nehmen würde, wenn in einem der Bereiche
eine Trennung erfolgen würde.192 Einen Ausschluss der Verleger von der Pauschalvergütung verwarf auch die jüngste Urheberrechtsreform (Zweiter Korb).193
Im französischen Urheberrecht beschränkt sich die Ausgestaltung des Verhältnisses der Verwertungsgesellschaften zu den Wahrnehmungsberechtigten auf wenige
Vorschriften (Art. L. 321-1 ff. CPI). Demnach genießen die Mitglieder insbesondere
ein Recht auf Teilnahme an der Mitgliederversammlung, sowie Informationsrechte,
wobei die Gewährung eines Antragsrechts auf Auflösung bzw. Beschränkung der
Wahrnehmungstätigkeit ihrer Verwertungsgesellschaft bislang ungeklärt bleibt.194 In
der Praxis müssen die Urheber und Berechtigten beim Abschluss des Wahrnehmungsvertrags einen weiteren „acte d’adhésion aux statuts“ unterzeichnen, wodurch
sie den Status eines regelmäßigen Mitglieds und Gesellschafters erlangen. Unter den
Mitgliedern wird es wiederum anhand bestimmter Kriterien, die an die Dauer der
Mitgliedschaft und das finanzielle Aufkommen knüpfen, hierarchisch differenziert.
Die Satzung der SACEM sieht beispielsweise eine dreifache Abstufung der beigetretenen Berechtigten vor, etwa die einfachen Mitglieder (adhérents), die beruflichen
Anwärter (stagiaires profesionelles) und die vollberechtigten Gesellschafter (sociétaires définitifs), wobei jedes potenzielle Mitglied gewisse berufliche Erfolge nachweisen muss.195 Im Gegensatz zum deutschen Vorbild wird bei den Verwertungsgesellschaften auf starre Mitgliedschaftsstufen verzichtet. Stattdessen kommt das Prinzip der Stimmgewichtung zur Anwendung, wonach einem älteren Mitglied eine
191 Ruzicka, FuR 1979, 507, 509. Für eine reine Urheberlösung plädiert Dietz, Das Urheberrecht
in der europäischen Gemeinschaft, 1978, S. 276; skeptisch Mauhs, Der Wahrnehmungsvertrag, 1991, S. 128 ff., welche auf die Probleme hinweist, die die Mitgliedschaft der Verleger
mit sich bringt. Demgegenüber wird argumentiert, die Verleger seien als „Mitanbieter“ und
somit als Wahrnehmungsberechtigten einzustufen; Lerche, in: GEMA-Nachrichten Nr. 108
(1978), S. 41, 44.
192 Siehe DPMA, UFITA Bd. 81 (1978), 348, 350 - Musikverleger in der GEMA; Holeschofsky,
ÖBl. 1979, 145, 148; auch der BGH hielt die ordentliche Mitgliedschaft der Verleger für
grundsätzlich zulässig, wobei er in der Herabstufung des betroffenen Verlags zu einem außerordentlichen Mitglied mit minderen Rechten keine willkürliche Ungleichbehandlung sah, da
dieser Verlag in einer Abhängigkeit von der Schallplattenindustrie geraten war; BGHZ 55,
381, 388 - UFA-Musikverlage.
193 Siehe § 63a DE-UrhG.
194 Möhring/Schulze/Ulmer/Zweigert – Dreier, Quellen des Urheberrechts, Frankreich/I, S. 31.
195 Mehr Details bei Schwab, Urheberverwertungsgesellschaften in Frankreich, 1989, S. 54 f.
280
Anzahl von Stimmen zugewiesen wird, die seinem kommerziellen Erfolg bzw. seinem finanziellen Aufkommen entspricht. Die SACD teilt ihre Mitglieder nach ihrer
Eigenschaft ein; Autoren und Komponisten formen die wichtigste Mitgliederkategorie („sociétaires“), Erben und Vermächtnisnehmer kommen an zweiter Stelle, gefolgt von sonstigen Rechtsnachfolgern, die als „adhérents“ eingestuft werden.196
Eine Zwei- oder Dreiteilung der Mitglieder wird auch bei den spanischen Verwertungsgesellschaften betätigt. Interne Regelwerke sehen außerdem eine großzügige Stimmvergabe zugunsten ordentlicher Mitglieder vor. Am Beispiel der SGAE
können ordentliche Mitglieder je nach Höhe der verteilten Bruttoeinnahmen bis zu
20 Dauerstimmen (“votos permanentes“) pro Werkkategorie haben, die unter Umständen durch die sog. Zusatzstimmen („votos adicionales“) ergänzt werden. Letztere dürfen eine Anzahl von fünf Stimmen nicht übersteigen.197
Bei den britischen Verwertungsgesellschaften finden sich unter den Mitgliedern
verschiedene Abstufungen, die mit unterschiedlichen Teilnahmerechten in der Mitgliederversammlung versehen sind. So können den sog. „full members“ zehn bis
zwanzig Stimmen und den „associated members“ eine Stimme zustehen, während
die „provisional members“ meist gar kein Stimmrecht haben.
Andere Verwertungsgesellschaften verzichten ganz auf eine vergleichbare Abstufung ihrer Mitglieder. Aber auch ohne Mitgliedschaft kann es zu einer Vertretung
der Berechtigten kommen. Einer großen Zahl der Urheber und Leistungsschutzberechtigten, die die Voraussetzungen der Mitgliedschaft nicht erfüllen und
somit außerhalb der formalen Strukturen der jeweiligen Wahrnehmungsorganisation
bleiben, kann nämlich eine angemessene Möglichkeit gewährt werden, Einfluss auf
Geschicke der Verwertungsgesellschaft sowie eine gewisse Kontrolle über die Verteilungsregeln auszuüben.198
III. Organe und Geschäftsführung
Verwertungsgesellschaften mit Verbandsstruktur sind selbstverwaltet und werden
von dem Willen ihrer Mitglieder auch dort getragen, wo sie einer staatlichen Aufsicht unterzogen sind.199 Der Einfluss der ordentlichen Mitglieder wird insbesondere
über die Mitgliederversammlung in jährlichen Abständen ausgeübt. Dabei stehen
196 Art. 9 SACD-Statut; zu dieser Abstufung siehe Rouart, Juris-Classeur „Propriété littéraire et
artistique“, 1er juillet 1999, Fasc. 1570, S. 4.
197 Bercovitz, Comentarios, 1997, S. 2012 ff.
198 Eine solche Regelung enthält bereits § 6 (2) DE-WahrnG; eingehend hierzu Wirtz, Kontrolle
von Verwertungsgesellschaften, 2002, S. 66 ff. Vergütungen an Nicht-Mitglieder entrichten
die nordischen Verwertungsgesellschaften im Rahmen der erweiterten kollektiven Lizenzen
sowie die griechische Verwertungsgesellschaft der Bühnenautoren SADH.
199 Ausnahme bildete die ostdeutsche AWA; Vorstand und Kuratorium dieser gemeinnützigen
Anstalt öffentlichen Rechts wurden durch staatliche (Minister für Volksbildung), sozial- oder
kulturpolitische Instanzen der damaligen DDR berufen, siehe dazu Ulmer/Bußmann/Weber,
Das Recht der Verwertungsgesellschaften, 1955, S. 8.
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ihnen das aktive und passive Wahlrecht sowie eine gewisse Antragskompetenz zu.
Die Mitgliederversammlung findet üblicherweise nach Ablauf des Geschäftsjahres
statt. Ihre umfassende Zuständigkeit für die Regelung der Vereinsangelegenheiten
kann unterschiedlich ausgestaltet sein. Insbesondere fallen hierunter die Entgegennahme des Geschäftsberichts und die Genehmigung des Jahresabschlusses, die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats, die Wahl und die Abberufung der Mitglieder des Aufsichtsrats; außerdem die Beschlussfassung über Satzungsänderungen,
Änderungen des Berechtigungsvertrages, Änderungen des Verteilungsplanes und
natürlich die Auflösung des Vereins.200
Demgegenüber hat über die Lizenzierungspraxis und die Tarifaufstellung der Aufsichts- oder Verwaltungsrat als das befugte Kontrollorgan zu entscheiden. Dieses
wird für eine im Regelfall dreijährige Amtszeit von den Mitgliedern gewählt; die
Zahl der ernannten Mitglieder kann bei der jeweiligen Verwertungsgesellschaft von
15 bis 21 variieren. Der Aufsichtsrat bestellt den Vorstand und bestimmt im Rahmen
einer Geschäftsordnung, welche Geschäftsgänge zustimmungsbedürftig sind. Der
Aufsichtsrat bestimmt die Zusammensetzung von Ausschüssen und Kommissionen
und kann deren Beschlüsse als letzte Beschwerdeinstanz aufheben. Von den diversen Ausschüssen sind der Werk- sowie der Wertungsausschuss von besonderer Bedeutung. Diese entscheiden jeweils über die Einstufung der Werke in bestimmte
Sparten und Wertungsgruppen, was mit erheblichen wirtschaftlichen Konsequenzen
für die Autoren verbunden ist.
Der Vorstand bildet die Spitze der Verwaltung und vertritt die Belange der Mitglieder sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich gegenüber den politischen Entscheidungsträgern und der breiten Öffentlichkeit. Er wird vom Aufsichtsrat bestellt
und ist ihm über Geschäftsführung und Geschäftsergebnis berichtspflichtig, nach
dem Vorbild der für Kapitalgesellschaften bestehenden Vorschriften durch Vorlage
einer Jahresbilanz, einer Gewinn- und Verlustrechnung sowie eines Lageberichts.
Der Vorstand erledigt als geschäftsführendes Organ der Verwertungsgesellschaft die
täglich anfallenden Angelegenheiten und hat dem Aufsichtsrat Geschäftsberichte
sowie einen Voranschlag für das folgende Jahr vorzulegen. Gerade in Zeiten, in
denen die Verwertungsgesellschaften unter sich wandelnden rechtlichen und marktwirtschaftlichen Gegebenheiten die Erfüllung ihrer Mission erkämpfen müssen,
kommen den Führungsorganen der Organisationen wichtige Funktionen und Aufgaben zu – von der Gestaltung, Lenkung und kontinuierlichen Entwicklung der Unternehmensstruktur bis hin zur strategischen und zukunftsorientierten Planung.201 Dies
bedarf freilich des Einsatzes eines engagierten und entsprechend qualifizierten Managements. Eine Professionalisierung der Geschäftsführung wird sogar ausdrücklich
im neuen österreichischen Verwertungsgesellschaftengesetz vorgesehen; die Ver-
200 Siehe z. B. § 10 (6) GEMA-Satzung; § 6 (II) VG WORT-Satzung.
201 Vgl. Grünanger, in: Dittrich/Hüttner (Hrsg.), Das Recht der Verwertungsgesellschaften,
2006, S. 125, 138 f.
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wertungsgesellschaften sind nunmehr daran gebunden, über eine hauptberufliche
und fachlich qualifizierte Geschäftsführung zu verfügen.202
Verwertungsgesellschaften in der Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung kennen in der Regel neben der Geschäftsführung und der Gesellschafterversammlung einen Beirat als gemeinsame Vertretung der Berechtigten. Am Beispiel
der deutschen Verwertungsgesellschaften GVL, VGF und GWFF werden die Beiratsmitglieder teils von den Gesellschaftern berufen, teils von den Berechtigten
gewählt. Diese Regelung birgt allerdings die Gefahr einer doppelten Vertretung
derselben Berufsgruppe, was zu einem Überwicht der Gesellschafter-Mitglieder
führen kann.203 Problematisch ist auch, dass die Geschäftsführung nicht durch den
Beirat, sondern durch die Gesellschafterversammlung überwacht wird.204
Bei manchen Verwertungsgesellschaften, z. B den französischen, werden die
Verwaltungsorgane ebenso durch die Hauptversammlung (Assemblée générale)
bestimmt, der durch eine Reihe spezialisierter Kommissionen assistiert wird. Zu
Ihnen zählt der mit der Geschäftsführung betraute Verwaltungsrat („Conseil
d’administration“) oder die Kommission, in der sämtliche Gruppen von Berechtigten
gleichmäßig vertreten sind. Hinzu kommt der Rechnungsausschuss, dem die laufende Kontrolle der Einnahmen und Ausgaben obliegt.
Das wichtigste Entscheidungsgremium der unitarischen SIAE besteht aus der
Versammlung der Sektionen („assemblea dei commissione di sezione“), in denen die
italienische Verwertungsgesellschaft organisatorisch je nach Werkgattung gegliedert
ist. Die fünf Sektionen der SIAE sind mit der Rechteverwaltung befasst und werden
dabei von kleineren Abteilungen unterstützt. Zu den repräsentativen Organen der
SIAE gehören der Präsident und der Verwaltungsrat.
Auch bei den spanischen Verwertungsgesellschaften fungiert die Generalversammlung („asamblea general“) der Mitglieder, die u.a. über die Fassung der
Verteilungssysteme zu beschließen hat. Mit Verwaltungsaufgaben ist der Aufsichtsoder Verwaltungsrat betraut, der – unterstützt von Einzelkommissionen – den
Wahrnehmungsvertrag erstellt. Der Verwaltungsrat bestellt außerdem die Geschäftsführung und wählt den Präsidenten oder sonstige repräsentative Organe. Bei der
SGAE wird der Vorstand („junta directiva“) mit der Geschäftsführung, dem Abschluss von Gesamtverträgen sowie mit Verteilung und Inkasso betraut.
202 § 3 (1) AT-VerwGesG 2006.
203 Eingehend Nordemann, GRUR 1992, 584, 588 f.
204 So Vogel, GRUR 1993, 513, 521, der die VGF und GWFF als Beispiel nennt.
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C. Monopolstellung und staatliche Aufsicht
I. Einführung
Durch die Einordnung des Rechts am geistigen Eigentum in den Schutzbereich der
verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie handelt es sich beim Recht des Werkschöpfers um ein Ausschließlichkeitsrecht. Da Einschränkungen nur dann hingenommen werden, wenn gleichzeitig eine angemessene Vergütung, z.B. in Form von
Tantiemen, vorgesehen ist, ist die Eigentumsgarantie eine Legitimation der Verwertungsgesellschaften, unter den gegebenen technischen Voraussetzungen eine geeignete Form der Rechtewahrnehmung für die Inhaber geistiger Eigentumsrechte zu
ermöglichen.205 Die durch die kollektive Wahrnehmung erreichte Verbesserung der
Verwertungschancen in dem Urheber schwer erschlossenen Nutzungssparten geht
nicht auf staatliche Intervention, sondern auf private Interessengemeinschaften zurück. Doch die Zusammenfassung aller Rechte in der Hand einer Verwertungsgesellschaft wird auch aus der Sicht des nationalen Gesetzgebers für zweckmässig und
wünschenswert gehalten, weil sie gleichermaßen den Interessen der Kreativen und
der Verwerter diene.206 Der Missbrauchsgefahr, die sich aus dieser Machtkonzentration ergeben könnte, kann effizient durch entsprechende staatliche Regulierung
begegnet werden. Dabei setzt die rechtliche Regulierung der Bedingungen, denen
sich die Verwertungsgesellschaften in ihrer Funktion zu unterwerfen haben, an die
Struktur, die Organisation und die Stellung der Verwertungsgesellschaften im
Rechtsverkehr an und bedient sich aufsichtsrechtlicher Mittel, welche die Aufgabenerfüllung durch ihre Verwaltungsorgane sicherstellen sollen.207
Die rechtliche Organisation und Tätigkeitsausübung der Verwertungsgesellschaften variiert zwar erheblich unter den europäischen Urheberrechtsordnungen; dennoch weisen die Verwertungsgesellschaften aufgrund der Marktstruktur für die Erteilung von Lizenzen für Urheberrechte und verwandte Rechte in
jedem nationalen Gebiet eine gleichartige Monopolstellung auf. In Portugal und
Italien liegt die gesamte kollektive Wahrnehmung von Urheberrechten bei ein und
derselben Organisation, nämlich der SPA und der SIAE. Die Kompetenz der Mehrzweckverwertungsgesellschaft SIAE erstreckt sich sogar auf weitere Bereiche, von
der Führung von Werkregistern bis hin zur Steuererhebung für den Staat. Der als
Institution des öffentlichen Rechts fungierenden SIAE wird sogar ein staatliches
Monopol gesetzlich zugebilligt, wobei die Verleihung eines gesetzlichen Monopols
nicht der Ausschaltung der Konkurrenz – die SIAE agiert unitarisch für das gesamte
205 So Fechner, Geistiges Eigentum und Verfassung, 1999, S. 235.
206 Siehe z.B. die amtliche Begründung zu dem deutschen Regierungsentwurf für das Urheberrechtswahrnehmungsgesetz, BT-Drucks. IV/271, S. 9 f.
207 Vgl. Brinkmann, Urheberschutz und wirtschaftliche Verwertung, 1989, S. 67 ff. m.w.H.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Anpassung der kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten durch die Verwertungsgesellschaften an das digitale Zeitalter gewinnt zunehmend an Brisanz. Diese rechtsvergleichende Studie nimmt den Urheberrechtswandel in vielen Ländern Europas unter die Lupe, um anschließend die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Wahrnehmungspraxis ausgewählter Verwertungsgesellschaften zu untersuchen. Nachgezeichnet werden dabei die Konturen einer gemeinschaftsweiten Rechtewahrnehmung, vor allem im Bereich der Online-Lizenzierung. Dazu wird der Frage nach Handlungsoptionen für eine gestärkte Rolle der Verwertungsgesellschaften in einer stets wandelnden Medienlandschaft nachgegangen.