195
stellung von Kopien in Bibliotheken oder die Werknutzung zu Unterrichts- und
Prüfungszwecken nur bei nicht-kommerzieller Absicht zulässig sein können.539
Die Einführung eines weiten Sendebegriffs blieb nicht ohne Auswirkung auf die
Schranken der Nutzung: Bildungseinrichtungen, die unter bestimmten Umständen
zur Aufzeichnung von Sendungen berechtigt waren, sehen ihre Befugnisse um das
Recht der öffentlichen Wiedergabe ergänzt.
Auch die „Time-shifting“-Regelung musste im Rahmen der Novellierungsarbeiten eine räumliche Einschränkung erfahren. Dem neuen Tatbestand dieser
Schranke zufolge bleibt es nicht nur bei der Aufzeichnung von Sendungen und Kabelprogrammen zum privaten oder häuslichen Gebrauch, sondern es wird verlangt,
dass sie auch in privaten und häuslichen Räumlichkeiten erfolgen. Die irische
Schranke zu Zwecken des zeitversetzten Konsums umfasst auch Aufzeichnungen,
die in sonstigen Einrichtungen z.B. Studentenwohnheimen vorgenommen werden.540
Ein Vergütungsanspruch für diese Art der Werknutzung kommt auch im digitalen
Kontext nicht in Betracht.
4. Abschnitt: Vergleichende Bewertung urheberrechtlicher Aspekte der digitalen
Werknutzung in Europa
A. Bestandsaufnahme
Die Anpassung des Regelungstatbestands an die technischen Neuerungen ist im
Verlaufe der Geschichte des Urheberrechts kein Novum. Die derzeitige Entwicklung
des Urheberrechts erfolgt allerdings in dem Umfeld unabsehbarer Entwicklungen,
wobei vor allem verhindert werden soll, dass die faktischen Vorgaben der technischen Wirklichkeit den rechtlichen Entscheidungsspielraum einengen und das Recht
des geistigen Eigentums darauf beschränken, nachträglich nur das zu bestätigen, was
in der technologischen Wirklichkeit bereits entstanden ist.541
Es ist nicht leicht, die Entwicklung des Urheberrechts zu beschreiben, denn sie
verläuft nicht geradlinig. Umfang und Reichtum der Lehre und Rechtsprechung in
den einzelnen europäischen Rechtsordnungen beweisen dies in auffälliger Weise.
Unter dem Vorzeichen der technologischen Entwicklung wird vor allem der Frage nachgegangen, „ob das, was unter analoger Technik zu einem im großen und
ganzen befriedigenden Interessenausgleich geführt hat, heute unter den Voraussetzungen digitaler Reproduktions-, Zugriffs-, Sende- und Wiedergabemöglichkeiten
539 Seville, RIDA 202 (octobre 2004), 185, 197 f.
540 Gemäß Sec. 101 (3) CRRA kann der zuständige Minister per Verordnung festlegen, welche
Einrichtungen unter der „time shifting“-Ausnahme fallen.
541 Wittgenstein, UFITA 2000/I, 39, 45; Dreier, GRUR Int. 1993, 742, 743.
196
noch im Sinne einer ausgewogenen Tragfähigkeit der vier Säulen [der modernen
Urheberrechtsordnung] liegt“542: dem materiellen Urheberrecht, den verwandten
Schutzrechten, dem Urhebervertragsrecht und, schließlich, dem Recht der Verwertungsgesellschaften. Anders als bei Computerprogrammen und Datenbanken, bei
denen es darum geht, technologisch neue Schutzgegenstände, die im Wege bekannter Formen genutzt werden, in das Urheberrecht zu integrieren, muss das Urheberrecht seine Leistungsfähigkeit bei den neuen Nutzungshandlungen erweisen.
Die in den einzelnen Rechtsordnungen der EU-Mitgliedstaaten geltenden Urheberrechtsinstrumentarien rühren von unterschiedlichen einzelstaatlichen Traditionen
und Besonderheiten historischer, juristischer, kultureller und wirtschaftlicher Art
her. Auch die Reaktion des Urheberrechts auf den technologischen Fortschritt, die
primär eine nominelle Ausweitung des subjektiven Rechts bewirkt, lässt die fundamentalen Unterschiede der Droit d’ auteur- als auch der Copyright-Systemstrukturen
soweit intakt.543 Vor allem in Bezug auf die Schrankenregelungen des Urheberrechts
führt die voranschreitende Harmonisierung zwar de lege ferenda zu einem Anpassungszwang mit der Zielrichtung interessengerechter Beteiligung der Urheber an
erzielbaren Nutzungserlösen; eine totale Rechtsgleichheit wird dennoch dabei nicht
beansprucht, da die Beseitigung historisch bedingter Traditionen in den einzelnen
Rechtssystemen weder möglich noch erwünscht ist.544
Im Mittelpunkt urheberrechtlicher Betrachtungen stehen die neu entstandenen
Werkvermittlungs- bzw. Werkverwertungsformen, u.a. Computergenerieren, Kopieren, Verändern, Kombinieren, Heraufladen, Abrufen, Herunterladen, Speichern,
Einscannen, Versenden, elektronisches Archivieren oder die Bildschirmwiedergabe.
Die neuen Nutzungsformen werden allerdings überwiegend nicht als eigenständige
Verwertungsrechte urheberrechtlich erfasst, sondern dem bisherigen Katalog der
Verwertungsrechte zugeordnet. Die Annahme unbenannter Verwertungsrechte würde sowohl eine entsprechende Anpassung der Schrankenbestimmungen als auch die
Gefahr der Entstehung von Schutzlücken in den internationalen Abkommen mit sich
bringen.545 Eine ausdehnende Auslegung oder Analogie nach Sinn und Zweck der
bestehenden Vorschriften auf einen vergleichbaren Sachverhalt im Rahmen der
542 So Däubler-Gmelin, ZUM 1999, 769, 770.
543 Vgl. Dreier, 48 Copyright World 36 (1995). Der Vormarsch der neuen Technologien berühre
nicht das Wesen der Grundbegriffe und –prinzipien des Urheberrechts, sondern eher ihre Auslegung; so die Kommission im Grünbuch über das Urheberrecht und die neuen Technologien,
S. 24 ff.
544 Nationale Unterschiede wurzeln nicht allein im Rechtlichen, sondern haben ihre spiegelbildliche Entsprechung zumeist auch in den wirtschaftlichen Besonderheiten der jeweiligen Staaten; so Dreier, in: Börsenverein des Deutschen Buchhandels/Bundesvereinigung Deutscher
Bibliotheksverbände/Deutsche Bibliothek (Hrsg.), Wissenschaftspublikation im digitalen Zeitalter, 2001, S. 74, 84.
545 Siehe dazu Schricker - von Ungern-Sternberg, UrhR, 2006, § 15 Rn. 23; vgl. auch Gaster,
ZUM 1995, 740, 749: „Es dürfte an sich nur ein eingeschränkter Bedarf an zusätzlichen Ausschließlichkeitsrechten bestehen“.
197
digitalen Werkverwertung wird somit für die Mehrheit der Fälle als die geeignete
Lösung bewertet, weil dadurch ein hohes Maß an Rechtssicherheit erreicht wird.
Bei der Einordnung der neuen Verwertungsformen wird der Regelung zum Vervielfältigungsrecht eine besondere Auffangfunktion zugewiesen, so dass in dieses
Recht durch quasi alle Formen der digitalen Nutzung eingegriffen wird.
Die Einordnungsdebatte um die Online-Werkvermittlung reduziert sich im Wesentlichen darauf, ob die Probleme der internetspezifischen Form der Werknutzung
dort zu lösen sind, wo sie nach der bisherigen Systematik des Urheberrechts angesiedelt werden, nämlich bei den unkörperlichen Verwertungsrechten. Eine technisch
bedingte Anpassung der körperlichen Verwertungsrechte (Verbreitungs- und Ausstellungsrecht) scheidet nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und
Schrifttum hierbei aus. Andererseits erscheint es nicht sachgerecht, die neuartigen
Nutzungshandlungen auf eine Form der öffentlichen Wiedergabe zu beschränken,
während der Vorgang der Werkübermittlung im Internet stets an die körperliche
Festlegung eines Vervielfältigungsstücks knüpft. Der Übergang zwischen Speicherung und weiteren Nutzungsvorgängen ist tatsächlich fließend. Denn jeder Verwertungshandlung wird die Erstellung eines Vervielfältigungsexemplars vorgeschaltet,
durch die die Einsicht in und der Erhalt von geschützten Inhalten bezweckt werden.
Diese Möglichkeit, dass ein und derselbe Tatbestand – die digitale Übermittlung zur
visuellen und akustischen Wahrnehmung – unter den Anwendungsbereich zweier
grundverschiedener Verwertungsrechte subsumiert werden kann, zeigt, wie die
Grenzen zwischen körperlicher und unkörperlicher Form der Verwertung im elektronischen Umfeld verwässern. Darüber hinaus würde es aus Sicht der Leistungsberechtigten (Tonträgerhersteller und ausübende Künstler), die über kein Ausschließlichkeitsrecht für die Sendung erschienener Tonträger verfügen, eine galoppierende
Entwertung ihrer Leistungen bedeuten, sollten die digitalen Übermittlungsformen in
den herkömmlichen urheberrechtlichen Sendebegriff eingezwängt werden.546
Während die Verwertungsrechte eher breit definiert sind und somit im digitalen
Umfeld eine gewisse Anpassungsfähigkeit aufweisen, verfügen die einzeln aufgezählten Schrankenregelungen über eine derartige Flexibilität nicht. Die durch die
Digitalisierung gefährdete Durchsetzbarkeit von Nutzungsbeschränkungen gibt allen
Anlass, über die herkömmlichen Schranken des Urheberrechts erneut nachzudenken.
Eine umfassende Reform der urheberrechtlichen Schranken in Bezug auf die digitale
Werknutzung kommt auf europarechtlicher Ebene jedoch bisher nicht zum Tragen.547 Stattdessen werden den Mitgliedstaaten Umsetzungsspielräume gewährt, die
auch tatsächlich ausgenutzt werden sollten – langfristig darf auf eine Harmonisierung der Schranken nicht verzichtet werden, auch wenn die eingefahrenen nationalen Traditionen und Eigenheiten es im Wege eines sorgfältigen Abwägungsprozesses erschweren, einen für die angestrebte Rechtssicherheit erforderlichen Grad der
Detailliertheit zu erreichen. Andererseits vermag eine vorübergehende Schranken-
546 Vgl. Thurow, FS Kreile, 1994, S. 763, 769.
547 Vgl. Kritik von Hilty, in: Behrens (Hrsg.), Stand und Perspektiven des Schutzes geistigen
Eigentums in Europa, 2004, S. 139 ff., 151.
198
vielfalt angesichts des strittigen Umfangs der ausschließlichen Rechte im digitalen
Kontext durchaus im Sinne eines Wettbewerbs der Schrankensysteme und somit im
Einklang mit der Info-Richtlinie verstanden werden.548
Obgleich den kontinentaleuropäischen Rechtskreisen zum Teil unterschiedliche
theoretische und philosophische Denkansätze zugrunde liegen, werden die gesetzlichen Schrankenbestimmungen in den jeweiligen Rechtsordnungen tatbestandlich
relativ präzise definiert und stellen dabei ein grundsätzlich geschlossenes System in
dem Sinne dar, dass eine Berufung auf andere als in den Schrankenregelungen ausdrücklich normierte Gesichtspunkte regelmäßig ausscheidet.549 Anpassungen an
moderne Nutzungsformen und Technologien waren vor allem im Bereich der
Schranken notwendig. Die Inkompatibilität veralteter gesetzlicher Regelungen mit
den ständig voranschreitenden Neuerungen der Technik hat Lehre und Rechtsprechung schon immer beschäftigt. In diesem Zusammenhang kommt das in den nationalen Urheberrechtsordnungen Kontinentaleuropas anzutreffende Prinzip der restriktiven Auslegung der Schrankenbestimmungen zur Geltung; eine analoge Anwendung bleibt in der Regel außer Betracht, wobei das Dogma der engen
Schrankenauslegung mittlerweile durch die jüngere Rechtsprechung relativiert
wird.550 Demzufolge können technische Veränderungen nicht durch eine Auswei-
548 Dreier, ZUM 2002, 28, 34.
549 Vgl. Hohagen, Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch, 2004, S. 14, 15 m.w.H.
550 von Gamm, UrhG, 1968, § 45 Rn. 4; Schricker – Melichar, UrhR, 2006, Vor §§ 44a ff. Rn.
15; vgl. auch die Grundsatzentscheidungen BGHZ 17, 266 ff. – Grundig-Reporter sowie
BGHZ 18, 44 ff. – Fotokopieurteil, wo der BGH eine einschränkende Auslegung der Regelung über die Vervielfältigungsfreiheit für notwendig erhielt, da der zur Entscheidung stehende Interessenkonflikt bei Erlass der Norm nicht absehbar war. Spätere Beispiele dieser zurückhaltenden Rechtsprechungslinie: BGH v. 16.01.97, GRUR 1997, 459 ff. – CB-Infobank I
und BGH v. 16.01.97, GRUR 1997, 464 - CB-Infobank I; BGH v. 10.12.1998, GRUR 1999,
325 = K&R 1999, 225 ff. (mit Anm. Völker) – Elektronische Pressearchive. Die Abkehr von
einer engen Auslegung der Schrankenregelungen drückt die neuere BGH-Rechtsprechung aus:
BGH v. 25.02.1999, GRUR 1999, 707 = MMR 1999, 665 = NJW 1999, 1953 – Kopienversanddienst (mit zustimmender Anmerkung von Hoeren) = ZUM 1999, 566 ff.; BGH v.
11.07.2002, GRUR 2002, 963 – Elektronische Pressespiegel. Dass das Dogma von der Analogiefeindlichkeit aller Schrankenregelungen verworfen werden müsse, hat der BGH allerdings bis heute nicht judiziert, Rauer, FS Nordemann, 2004, S. 327, 331. Vgl. auch Hilty, FS
Schricker, 2005, S. 325, 327, der von einer dogmatischen Konzipierung der urheberrechtlichen Schranken als gesetzlicher Ausnahmebestimmungen ausgehend die gleiche Auslegungsmethodik wie bei den anderen Rechtsnormen für richtig hält.
Auch nach der jüngeren Rechtsprechung des österreichischen Obersten Gerichtshofs sind
Ausnahmeregelungen im Rahmen ihrer engeren ratio legis der ausdehnenden Auslegung und
somit der Analogie fähig, so OGH v. 19.11.2002, MR 2003, 38 – meischi.at. Für das franz.
Urheberrecht siehe Lucas/Lucas, Traité de la propriété littéraire et artistique, 2001, Rn. 292 ;
Gautier, Propriété littéraire et artistique, 2004, Rn. 192, die von einer engen Auslegung von
Schrankenregelungen ausgehen. Auch in Großbritannien ist es äußerst unwahrscheinlich, dass
die bestehenden Schrankenregelungen unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses
(„public interest“) über ihren tatbestandlichen Anwendungsbereich hinaus ausgedehnt werden
oder dass neue Schrankenvorschriften eingeführt werden; siehe in diesem Zusammenhang
Sec. 171 (3) CDPA. Dieser Ansatz wurde von Lord Phillips M.R. in Court of Appeal v.
199
tung bestehender Schrankenbestimmungen berücksichtigt werden, da der von ihnen
verfolgte Zweck „nur aus der tatsächlichen und rechtlichen Lage, die der Gesetzgeber bei Erlass dieser Bestimmung vorfand“, entnommen werden kann. Geboten sei
eine verfassungskonforme Auslegung, die sich eng an deren jeweiligem Privilegierungszweck orientieren soll. Für die urheberrechtlichen Schranken bedeutet dies: Je
mehr sich das Normgefüge durch neue Normen entwickelt und je mehr sich der
technische, soziale, politische, kulturelle und moralische Hintergrund ändert, desto
mehr treten die subjektive Sicht des Gesetzgebers im Rahmen der historischen Auslegungsmethode in den Hintergrund.551 Bei der gesetzlichen Ausgestaltung und
Auslegung der Schranken sollen jedenfalls die staatsvertraglichen, europarechtlichen
und nicht zuletzt die einzelnen verfassungsrechtlichen Vorgaben in Betracht gezogen werden. Als entscheidendes Kriterium für die Auslegung soll jedenfalls der
Grundsatz des Urheberrechts dienen, nach dem der Urheber jede Art der Nutzung
seines Werks möglichst weitgehend kontrolliert, dass bei mehrfacher Werknutzung
jeder einzelne Nutzungsvorgang der erneuten Zustimmung des Urhebers bedarf. Der
Gesetzgeber darf also bei der Einführung von Schranken das Urheberrecht nicht so
stark beschneiden, um den Positionen der Verwerter zu genügen. Bei der Erzielung
optimaler Rahmenbedingungen für geistig-schöpferische Prozesse müssen allerdings
auch Freiräume durch Beschränkungen des Urheberrechts geschaffen werden, die
einen sachgerechten Interessenausgleich zwischen Schöpfern, Verwertern und Allgemeinheit sicherstellen.
Im Rahmen der aktuellen Diskussion über die Herstellung des einschlägigen Interessenausgleichs lassen sich gegenläufige Auffassungen beobachten. Einerseits wird
die Notwendigkeit einer weiten Auslegung der Schrankenregelungen hervorgehoben, welche die Adaptierbarkeit des Systems verfassungskonform gewährleisten
soll.552 Gegenüber einer solchen „zeitgemäßen“ Ausweitung der Schrankenregelung
18.07.2001, Ashdown v. Telegraph Group Ltd. [2002] RPC 5 folgendermaßen zum Ausdruck
gebracht: „It will be very rare for the public interest to justify the copying of the form of a
work to which copyright attaches“(Entscheidungsgrund Nr. 59); vgl. hierzu Goddard, ALAI
1998, S. 359, 366.
Die Rechtsprechung in den anderen europäischen Rechtsordnungen hat sich nicht besonders
mit der einschlägigen Auslegungsproblematik auseinandergesetzt, wobei die jüngere Lehre
z.B. in Griechenland bereits eine analoge Anwendung der Schrankenregelung auf neue Sachverhalte als notwendiges methodologisches Instrument zur Anpassung des Rechts an künftige
Entwicklungen akzeptiert, ohne jedoch ganz auf das Prinzip der engen Auslegung zu verzichten; siehe Marinos, in: Marinos (Hrsg.), Informationsgesellschaft und Urheberrecht. Rechtlicher Rahmen in Griechenland (auf Griechisch), 2003, S. 93, 100 ff.
551 Schack, FS Schricker, 2005, S. 511, 520: „Bedenkt man weiterhin, dass die Auslegung mancher Schranken weniger auf eine weise Interessenabwägung des Gesetzgebers als vielmehr
auf wirkungsmächtige Lobbys zurückzuführen ist, dann wird klar, dass die verfassungskonforme Auslegung der Schranken wie deren Neujustierung durch den Gesetzgeber eine permanente und zentrale Aufgabe für das Urheberrecht bleiben wird.“
552 Siehe Hugenholtz, in: Hugenholtz (Hrsg.), The Future of Copyright in a Digital Environment,
1996, S. 94, 95; Geiger, IIC 2004, 268, 278 ff.; vgl. Niggemann, Informationsfreiheit und Urheberrecht, 2003, S. 56 f. Eine schrankenfreundliche Tendenz lässt sich auch in der neuesten
200
wird andererseits eine de lege ferenda Lösung vorgezogen.553 Es wird nämlich vor
einer Ausdehnung des Privilegierungstatbestandes mit der Begründung zurückgeschreckt, dass eine vom Gesetzgeber konkret vorausgesetzte Verwertungsbefugnis
auf die von ihm nicht bedachte und in ihren Auswirkungen ganz anders gelagerte
Situation digitaler Phänomene nicht übertragbar sei.554 Nichtdestotrotz wird die
gängige Interpretation der Schrankenregelungen als statische Erzeugnisse älterer
gesellschaftlicher Vorgaben in Frage gestellt. Ob die enge Auslegung der statischen
Schrankenbestimmungen einer großzügigeren, der verfassungsrechtlich geschützten
Position des Verwerters Rechnung tragenden Interpretation doch weichen soll; ob es
im Einzelfall und im Hinblick auf die wachsende Bedeutung moderner Kommunikationsmittel für ein gesteigertes öffentliches Interesse an der Wiedergabe des geschützten Werks zu plädieren gilt, das anderweitig nicht befriedigt werden kann,
läuft letztendlich auf eine Interessenabwägung zwischen der Informations-, Meinungs- und Pressefreiheit einerseits und dem Eigentumsrecht des Urhebers andererseits hinaus. Im Grunde genommen geht es bei der rechtlichen Anpassung der
Schrankenregelungen im digitalen Kontext nicht mehr allein um den Schutz des
Urhebers und Leistungsschutzberechtigten, sondern um die Schaffung einer praktischen Konkordanz mit Blick auf die Interessen aller Beteiligten (Urheber, Nutzer,
Rechteinhaber und Technologieanbieter). Einzelne Beschränkungen des Urheberrechts würden zwar aus dem Blickwinkel des Kreativen der Schmälerung seiner
individuellen Verfügungsfreiheit (Verbotsrechte) gleichkommen. Betrachtet man
jedoch die Allgemeinheit als notwendiger Adressat des Werkes bzw. der Leistung,
lässt sich im mit der Zugänglichmachung unmittelbar eintretenden prägenden Einfluss der kreativen Inhalte die Grundlage der „inneren Rechtfertigung“ der einzelnen
Beschränkung erkennen.555 Sucht der nationale Gesetzgeber in „bestimmten Sonder-
BGH-Rechtsprechung feststellen, wo der Senat betont, dass urheberrechtliche Schrankenbestimmungen zwar grundsätzlich eng auszulegen sind, dabei aber zweierlei zu beachten sei:
Zum einen beruht das Gebot einer eher restriktiven Auslegung der Schrankenbestimmungen
auf dem Grundsatz, dass der Urheber an der wirtschaftlichen Nutzung seiner Werke tunlichst
angemessen zu beteiligen ist, weswegen die ihm hinsichtlich der Werkverwertung zustehenden Ausschließlichkeitsrechte nicht übermäßig beschränkt werden dürfen; zum anderen sei bei
der Auslegung zu beachten, welchen Zweck der Gesetzgeber mit der fraglichen Schrankenbestimmung verfolgt hat. Neben den Interessen des Urhebers seien auch die Interessen der Allgemeinheit zu beachten und ihrem Gewicht entsprechend für die Auslegung der gesetzlichen
Regelung heranzuziehen; siehe BGH v. 11.07.2002, GRUR 2002, 963, 966 und BGH v.
27.01.2005, GRUR 2005, 670, 671 - WirtschaftsWoche.
553 Vgl. z.B. Schricker – Melichar, UrhR, 2006, Vor §§ 44a ff. Rn. 5 a.: Eine „gründliche Anpassung“ der allgemeinen Schrankenregelungen, wobei es um eine Reduzierung der bisherigen,
allzu freizügigen Nutzungsmöglichkeiten geht, aber auch um maß- und sinnvolle Erweiterungen“.
554 Neue technische Möglichkeiten und Entwicklungen können grundsätzlich nicht zu einer
Ausweitung der Schrankenbestimmungen führen, Schricker – Melichar, UrhR, 2006, Vor §§
44a ff. Rn. 15.
555 Zu dieser Feststellung gelangt Findeisen, Die Auslegung urheberrechtlicher Schrankenbestimmungen, 2005, S. 100. Vgl. hierzu Bornkamm, FS Piper, 1996, S. 641, 649 ff., 653. Am
Beispiel der Schranke für die Privatkopie führte Brügger, in: FS 100 Jahre Eid. UrhG, 1983,
201
fällen“ durch eine Reihe starrer Schranken oder im Wege einer generalklauselartigen
Regelung, z.B. durch das Konzept „fair use“ (USA) bzw. „fair dealing“ (UK),
einen Interessenausgleich zwischen Schöpfern, Verwertern und Allgemeinheit herzustellen, dürfen dadurch weder die „normale Auswertung“ der betroffenen Werke
beeinträchtigt noch die „berechtigten Interessen“ der am Urheberrecht beteiligten
Akteure „ungebührlich verletzt“ werden. Den Prüfungsvorgang des Dreistufentests
müssen die Schrankenbestimmungen letztlich überwinden, damit sie in der Praxis
ihre Wirksamkeit entfalten können.556 In diesem Rahmen soll eine ersatzlose Aufhebung der urheberrechtlichen Befugnisse jedenfalls den Ausnahmefall bilden.
Die „klassischen“ Paradigmen des Urheberrechts haben also an Bedeutung und
Aktualität im digitalen Kontext nicht verloren. An der Bindung und Übereinstimmung hinsichtlich der angemessenen Sicherung der Urheberinteressen sowie der
erforderlichen Berücksichtigung des Interesses am öffentlichen Zugang zu Kulturgütern, auf denen das bisherige Denkgebäude aufgebaut war, hat sich nicht viel geändert – dies liegt u.a. daran, das die Info-Richtlinie die Informationsgesellschaft de
lege lata immer noch stark an das analoge Zeitalter anknüpft. Die Richtlinie, welche
aufgrund der Einräumung eines weiten Ermessensspielraums den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich umgesetzt wurde, hat allerdings eine fragmentarische
Annäherung der urheberrechtlichen Schutzvoraussetzungen zur Folge gehabt. Eine
Angleichung materieller Schutzbestimmungen als Reaktion auf die erhöhte Gefahr
von Urheberrechtsverletzungen im digitalen Kontext ist zwar bis zu einem gewissen
Grad erreicht worden; die Dichotomie von Copyright und Urheberrecht bleibt jedoch weiterhin bestehen. Unterschiede zwischen den beiden Systemen in Bezug auf
die Gewährung von Vergütungsansprüchen bei der Einführung neuer Schranken
lassen sich offenbar nur schwer überbrücken.557 Ziel einer Richtlinie ist lediglich die
Rechtsangleichung zum Abbau von Handelshemmnissen, welche allerdings bestehende Handlungsmöglichkeiten ausloten sollten, um weitere Entwicklungsstufen der
Harmonisierung voranzutreiben und somit dem reibungslosen Funktionieren des
Binnenmarktes zu dienen. Eine systematische Annäherung des kontinentaleuropäischen und des angelsächsischen Modells gelingt der Info-Richtlinie jedoch schon
deswegen nicht, weil sie in wesentlichen Bereichen eine Hinwendung zum kontinen-
S. 325, 336, vorausdenkend aus, je länger sich das erlaubnis- und vergütungsfreie Kopieren
zum Eigengebrauch eingelebt habe, umso schwieriger werde es, bewusst zu machen, dass dies
eine schleichende Urheberenteignung bedeute, und umso kleiner werden die Chancen, um für
einen korrigierenden Gesetzeserlass eine tragfähige politische Basis zu finden.
556 Da der Prüfungsvorgang des Dreistufentests durch die abstrakte Formulierung seiner drei
Kriterien die Gefahr einer zu weit gehenden Einengung des Schrankensystems verbirgt, kann
die Flexibilisierung des Dreistufentests vor allem dadurch erreicht werden, dass der Schwerpunkt auf die letzte Teststufe („ungebührliche Verletzung berechtigter Interessen“) verlagert
wird, so Senftleben, in: Hilty/Peukert (Hrsg.), Interessenausgleich im Urheberrecht, 2004, S.
159, 173 ff.
557 Die Annäherung beider Systeme soll erst dann erreicht werden, wenn das Urheberpersönlichkeitsrecht in die Harmonisierung mit einbezogen wird; vgl. Wandtke, FS Rehbinder,
2002, S. 389, 403.
202
taleuropäischen Modell aufweist.558 Gleichzeitig geht sie so weit, dass sie aus Achtung der Besonderheiten der Copyright- und der Droit d’auteur-Tradition fast nur
aus fakultativen Regelungen besteht, ohne verbindliche Lösungsmodelle anzubieten.
Dem nationalen Gesetzgeber steht anhand des fakultativen Charakters der Schrankenregelungen zur Entscheidung frei, welche digitalen Nutzungsvorgänge unter
welchen Umständen freizustellen sind.559
Im Hinblick auf die stetig zunehmende Kopiertätigkeit im Privatbereich wird insbesondere die Rechtslage hinsichtlich der privaten Vervielfältigung neu überdacht
mit dem Ziel, die Vergütungspflicht möglichst eng an die tatsächliche Vervielfältigungstätigkeit anzubinden und eine angemessene wirtschaftliche Beteiligung der
Rechteinhaber an der Nutzung ihrer Werke sicherzustellen. Der in der historischen
Entwicklung des deutschen Urheberrechts eingebettete Gedanke, der Privatgebrauch
müsse frei sein, stößt im Vorfeld der Massennutzungen im internen Rahmen auf
wenig Konsens.560 Das angelsächsische Postulat „free flow of information“ und das
immer wieder betonte Interesse der Allgemeinheit an einem möglichst leichten Zugang zu einem veröffentlichen Werk können in der digitalen Ära keine Rechtfertigung dafür liefern, dass der Urheber und Leistungsschutzberechtigte um die ihnen
zustehende Beteiligung beraubt werden. Insbesondere dort, wo es sich bei der Vervielfältigung nicht bloß um eine Anhangserscheinung einer anderen Verwertung
handelt, sondern um eine zusätzliche Verwertung, die geeignet ist, dem von dem
Urheber autorisierten, gewerblich hergestellten Vervielfältigungsexemplar Konkurrenz zu machen, ist erneut ein Interessenausgleich zu finden. Dort brauchen die
Interessen der Kreativen und der Verwerterindustrie nicht notwendigerweise in
Gegensatz zu treten: Eine unangemessene „Idealisierung“ des vom Droit d`auteur
gebotenen Individualschutzes geht nicht immer Hand in Hand mit dem Schutz der
Urheber, die ebenso an das Wohlergehen der Verwerter- bzw. Kulturindustrie interessiert sein sollten.561 Eine angemessene Berücksichtigung der Wechselwirkung
unter Individualinteressen der Werkschöpfer an einer angemessenen Vergütung
einerseits und der wirtschaftlichen Interessen der modernen Informationsgesellschaft
andererseits kann allerdings nur dann gewährleistet werden, wenn die Erweiterung
urheberrechtlicher Privilegierungstatbestände zugunsten der Allgemeinheit mit der
Schaffung von Vergütungsregelungen einhergeht. Richtigerweise wendet sich also
der nationale Gesetzgeber in nahezu allen untersuchten EU-Mitgliedstaaten von
558 Vgl. Ellins, Copyright Law, Urheberrecht und ihre Harmonisierung in der Europäischen
Gemeinschaft, 1997, S. 234: „Eine Harmonisierung zweier Rechtstraditionen mit so unterschiedlicher Grundausrichtung kann nicht so ablaufen, dass einem der beiden Systeme die Ideologie des anderen gleichsam übergestülpt wird.“
559 Dass die nationalen Normen über die Ausnahmen und Schranken des Urheberrechts bestehen
bleiben, lässt sich teilweise auf eine bewusste Respektierung gewisser Rechtstraditionen und
politischer Vorgaben im Kulturbereich, teilweise aber auch auf mangelnden Konsens zurückführen; vgl. Ginsburg, GRUR Int. 2000, 97, 110.
560 Vgl. Reinhart, UFITA Bd. 106 (1987), 219, 227 ff.
561 Vgl. Schricker, GRUR 1992, 242, 244.
203
einem Kopierverbot im digitalen Umfeld ab.562 Die einzelnen Vergütungssysteme
weisen allerdings gewichtige Unterschiede in Systemaufbau, Tarifen und Verteilung
auf. Um die negativen Auswirkungen der divergierenden Vergütungssysteme ins
Auge zu fassen, hat die Europäische Kommission im Juni 2006 eine Konsultation
über eine Reform der Urheberrechtsvergütung in Gang gesetzt.
Als Zwischenbilanz hinsichtlich der Umsetzung der Info-Richtlinie in die nationalen Urheberrechtsordnungen lässt sich Folgendes beobachten:
Durch die Einführung eines zweifachen Schutzmechanismus von neuen ausschließlichen Rechten und Vergütungsansprüchen für Urheber und Leistungsschutzberechtigten, die zur besseren wirtschaftlichen Kontrolle der Werknutzung im digitalen Umfeld dienen sollen, hat die Info-Richtlinie dem nationalen Gesetzgeber eine
neue Struktur auferlegt. Dieser sah sich daher gezwungen, nicht nur die ausschließlichen Rechte an technologische Entwicklungen anzupassen, sondern auch bei neuen
Tatbeständen auf den Vergütungsanspruch auszuweichen und somit den finanziellen
Ausgleich des Urhebers im digitalen Kontext sicherzustellen.563 So sind in den einzelnen Systemen gemeinsame Grundansätze anzutreffen: Abschwächung ausschließlicher Rechte durch Einführung bzw. Anpassung der Schrankenregelung mit oder
ohne Vergütungspflicht sowie Übergang von einem stark persönlichkeitsrechtlichen
Urheberrecht zur Anerkennung seines steigenden wirtschaftlichen Werts, der durch
durchsetzbare Ansprüche auf angemessene Vergütung besonders den Kreativen
zugute kommen soll.
Bei den besonderen Aspekten gehen die nationalen Auffassungen allerdings weit
auseinander. Viele der in der Info-Richtlinie vorgesehenen fakultativen Schranken
wurden im Rahmen der Novellierungsarbeiten in manchen Mitgliedstaaten als systemfremd angesehen, während gleichzeitig die Befürchtung geäußert wurde, die
Einführung einer Überzahl an Schranken könne das Urheberrechtssystem zugrunde
richten.564 Die Rede ist von als „nationale Kuriositäten“ bezeichneten Schranken, die
nur unter Druck der jeweiligen nationalen Delegationen ihren Niederschlag in der
Info-Richtlinie gefunden haben und daher in ihrer Besonderheit nur dem Schrankenmodell einzelner Rechtssysteme entsprechen.565 Die einschlägigen Schrankenregelungen wurden schließlich entweder außer Acht gelassen oder nach langwierigen
parlamentarischen Debatten, z.B. in Deutschland, Belgien und Schweden, zumeist in
abgeändertem Wortlaut eingeführt. Aber auch dort (z.B. in Portugal), wo die in der
562 Vgl. Hohagen, Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch, 2004, S. 620: „Mag die Vervielfältigungsfreiheit unter einem gesetzestechnischen Blickwinkel als urheberrechtliche Schrankenbestimmung auch weitgehend unverändert fortbestehen, so kommt ihr im digitalen Kontext
doch die zusätzliche Funktion zu, den im analogen Umfeld urheberrechtsfreien rezeptiven
Werkgenuss, der im digitalen Umfeld regelmäßig eine (technische) Vervielfältigungshandlung
voraussetzt, überhaupt erst zu ermöglichen.“
563 Vgl. Romano, GRUR Int. 2006, 552, 559 f. mit Bezug auf die Auswirkungen der Umsetzung
der Info-Richtlinie ins italienische Recht.
564 Corbet, RIDA 206 (octobre 2005), 5, 19.
565 Dusollier, Droit d’auteur, 2005, Rn. 555. Vgl. auch Lucas/Sirinelli, Propr. intell., juillet 2006 /
N° 20, 297, 299 f.
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Info-Richtlinie enthaltenen Schrankenregelungen weitgehend übernommen wurden,
ist dies auf Widerstand und mehrfache Kritik gestoßen.566 Ein hoher Harmonisierungsgrad konnte daher im Wege der Info-Richtlinie nicht erreicht werden. Die
Richtlinie lässt die erhaltenen Begriffe und Gleichgewichte in den einzelnen Systemen unberührt und geht in die Geschichte als rechtspolitisch zurückhaltend ein.567 In
den Augen der Richtlinienkritiker ist die technische Vielfalt der Werkverwertung in
eine „wissensverknappende“ Urheberrechtsreform gemündet, die vor allem die Interessen der Musik- und Filmindustrie reflektiert.568 Und genau darin liegt auch ein
Paradox, wenn man den proklamierenden Charakter der Richtlinie als Aufbruch in
die Wissensgesellschaft bedenkt.
B. Auswirkungen der neuen Urheberrechtsordnung auf die kollektive Rechtewahrnehmung
Die entsprechende Anpassung des jeweiligen nationalen Rechts an die Bedürfnisse
der digitalen Nutzung und darüber hinaus die Harmonisierung auf europäischer
Ebene sind die Voraussetzungen für eine effiziente Gestaltung der Wahrnehmungsund Lizenzierungspraxis durch die Verwertungsgesellschaften. Die Verankerung des
Urheberschutzes in der digitalen Welt bringt für die Verwertungsgesellschaften neue
Herausforderungen. Diese sehen sich nun einerseits mit der inhaltlichen Erweiterung
und Komplexität der Urheberrechtsgesetzgebung und andererseits mit einer Zunahme und grenzübergreifenden Breitspanne der Vergütungsansprüche konfrontiert. Da
die Kontrolle über die unerlaubte private Nutzung schwer durchsetzbar ist und der
Schwerpunkt sich mithin noch weiter als schon bisher von der Geltendmachung des
Verbotsrechts hin zur Erzielung einer angemessenen Vergütung für die mehrfache
Werknutzung verschiebt569, wird einer grundlegenden Reform der bestehenden Ver-
566 Rebello, RIDA 206 (octobre 2005), 149, 151; ders., RIDA 211 (janvier 2007), 141, 145.
567 Vivant, Propr. intell., avril 2005 / N° 15, 146, 148 ff.
568 Hofmann, Das neue Urheberrecht, 2004, S. 23, 24: „Es geht bei der Reformierung des Urheberrechts nicht um die Verteidigung eines althergebrachten gesetzlichen Schutzsystems, und
auch nicht um den Erhalt von Geschäftsmodellen einer veränderungswilligen Branche, die
ausschließlich von und zum Teil gar zulasten der Kreativität Dritter lebt. Es sollte bei der Reformierung des Urheberrechts vielmehr um die Schaffung einer nachhaltigen Wissensgesellschaft gehen, die gleichermaßen die Entstehung neuen Wissens und die Bildungschancen der nachfolgenden Generationen unterstützt wie auch die Wahrung der vorhandenen gesellschaftlichen Wissensbestände fördert.“
569 Da die digitale private Nutzung so weitgehend an die Stelle der analogen tritt, wird über die
Einführung eines ausschließlichen Rechts an die digitale Privatnutzung spekuliert, siehe hierzu Reinbothe, ALAI 1998, S. 63, 67. Vgl. dazu Däubler-Gmelin, ZUM 1999, 769, 772:
„Denn die gebotene Interessenbewertung verlangt, für jede Fallkonstellation und jede Technik der privaten Vervielfältigung gesondert zu prüfen, ob einer der beiden Rechtfertigungsgründe [Schutz der Privatsphäre und Gemeinwohl] überwiegt, ob beide in gleicher Weise die
Schrankenregelung stützen oder ob gar veränderte technische und soziale Umstände die Aufhebung der Schranke der §§ 53, 54 ff. DE-UrhG und die Wiederherstellung des Ausschließ-
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References
Zusammenfassung
Die Anpassung der kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten durch die Verwertungsgesellschaften an das digitale Zeitalter gewinnt zunehmend an Brisanz. Diese rechtsvergleichende Studie nimmt den Urheberrechtswandel in vielen Ländern Europas unter die Lupe, um anschließend die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Wahrnehmungspraxis ausgewählter Verwertungsgesellschaften zu untersuchen. Nachgezeichnet werden dabei die Konturen einer gemeinschaftsweiten Rechtewahrnehmung, vor allem im Bereich der Online-Lizenzierung. Dazu wird der Frage nach Handlungsoptionen für eine gestärkte Rolle der Verwertungsgesellschaften in einer stets wandelnden Medienlandschaft nachgegangen.