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Vorab ist festzuhalten, dass dem Hersteller der Digitalisierung vorbestehender
Werke kein Leistungsschutz zuteil wird. Sein Aufwand besteht nicht in einer erstmaligen Herstellung wie beim Tonträgerhersteller, sondern erschöpft sich in einer blo-
ßen Vervielfältigung. Kommt hingegen ein neues Werk auf digitalem Wege zustande, wird der Hersteller der eigenständigen Schöpfung als Urheber geschützt.512 Anders sieht die Rechtslage für den Multimediahersteller aus, dem bereits ein
Leistungsschutz zuerkannt wird - ungeachtet der Leistungsschutzrechte der am Multimediawerk mitwirkenden Interpreten. Maßgeblich für die Reichweite seiner Rechte
ist die Qualifizierung des CD-ROM-Herstellers als Tonträger-, Film- oder Datenbankhersteller; die jeweilige Einordnung knüpft an unterschiedliche Sondervorschriften an, was zu Unschärfen hinsichtlich der Konkretisierung des Schutzumfangs
führen kann.513
3. Abschnitt: Die Anpassung des britischen Copyright-Systems an die Herausforderungen der digitalen Werkverwertung im Vergleich zu Kontinentaleuropa
A. Copyright als dogmatischer Ausgangspunkt
Gegenüber der Droit d’auteur-Tradition, nach der die Person des Urhebers, sei es als
schöpferisches Individuum oder eingebunden in sein soziales Umfeld514, als zentrale
Figur gilt, ist unter Copyright das Recht an der Copy, dem Werk, zu verstehen. Das
Copyright ist nicht darauf bedacht, die kreative Tätigkeit, sondern das Können und
die am Arbeitsergebnis investierten Bemühungen ("skill and labour") zu belohnen.515 Grundstein des Copyright ist das Ergebnis der Leistung, so dass der Schutz
weniger auf die Wahrung der Rechte des Urhebers und mehr auf die sog. soziale
„utility“ und die wirtschaftlichen Aspekte der Werknutzung ausgerichtet ist. Insoder Informationsgesellschaft, S. 65 ff., abrufbar unter (Letzter Abruf: 26.03.2005).
512 Schack, JZ 1998, 753, 754; hinsichtlich der multimedialen Bearbeitung von Filmwerken siehe
Kreile/Westphal, GRUR 1996, 254, 255.
513 Dreier, 48 Copyright World 36, 37 (1995); vgl. Hoeren, CR 1994, 390, 391 ff. Sollte der
Multimediahersteller beispielsweise den Schutz für Tonträgerhersteller beanspruchen, muss er
daher die Erstaufnahme einer Darbietung oder Tonfolge (Masterband) vorgenommen haben;
Schricker – Vogel, UrhR, 2006, § 85 Rn. 21; vgl. Möhring/Nicolini - Kroitzsch, UrhG, 2000, §
85 Rn. 10 f.; Fromm/Nordemann - Hertin, UrhR, 1998, §§ 85/86 Rn. 3.
514 Der humanistischen, individualistischen Konzeption des Urheberrechts ist man vor allem in
der französischen Rechtsprechung verhaftet, während das deutsche Urheberrecht sozialer geprägt ist. Im deutschen Schrifttum wird nämlich betont, dass der Urheber seine schöpferische
Tätigkeit nicht losgelöst von seiner Umwelt entfaltet.
515 Sterling, World Copyright Law, 2003, Rn. 16.06.
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weit kann an dem Copyright-Ansatz bemängelt werden, dass er dem Schutz von
kaufmännischen Interessen Vorrang gibt und dabei eine wesentlich niedrigere urheberrechtliche Schutzschwelle herbeiführt. Das Copyright lässt sich aber nicht als
Selbstzweck, sondern als Mittel zur Erreichung gesellschaftlicher Ziele und effizienter Marktergebnisse erfassen. Sein großes Anliegen ist die Schaffung konkreter
wirtschaftlicher Anreize für die Autoren, wobei der Schwerpunkt auf die vertragsrechtlichen Beziehungen zu legen ist.516 In diesem Rahmen hat das Urheberpersönlichkeitsrecht, Herzstück der kontinentaleuropäischen Rechtstradition, einen geringen Symbolwert und wird dementsprechend schwächer gestaltet bzw. in Vermögensrechte umgedeutet.517 Die für das Droit d’auteur-System typische
„paternalistische“ Zuwendung des Gesetzgebers zu den Urhebern fällt auch im
Rahmen der kollektiven Rechtewahrnehmung bei der Lizenzierung und Verteilung
der Einnahmen weg; die Investitionsleistung und die damit zusammenhängenden
finanziellen Interessen der Verleger und Produzenten spielen hier die zentrale Rolle.
Aus der Copyright-Sicht sollte nämlich derjenige, der das finanzielle Risiko für die
Herstellung und die Vermarktung des materialisierten Werks/Produkts trägt, auch
das Anrecht auf die finanziellen Erträge haben.518 Im Gegensatz zur fundamentalen
516 Das Copyright baut somit auf die Arbeitstheorie von John Locke und dem daraus resultierenden Utilitarismus des Schutzes geistigen Eigentums. Diesem anglo-amerikanischen theoretischen Fundament wird die Philosophie von Kant gegenübergestellt, der mit seiner Analyse für
das Kommunikationsverhältnis zwischen Autor und Leser den Grundstein für die Entwicklung
des kontinentaleuropäischen Autorenrechts legt; siehe hierzu Mayer-Schönberger, in: Fallenböck/Galla/Stockinger (Hrsg.), Urheberrecht in der digitalen Wirtschaft, 2005, S. 1, 2 ff.
517 Die Vorrangstellung des droit moral entspringt der im französischen, belgischen und italienischen Urheberrecht vorherrschenden dualistischen Theorie, welche zwischen den persönlichkeitsrechtlichen und den vermögensrechtlichen Elementen des Urheberrechts trennt. Aufgrund
seiner sozialen Ausprägung wird das deutsche Urheberrecht als einheitliches Recht verstanden, in dem persönlichkeits- und vermögensrechtliche Befugnisse untrennbar miteinander
verwoben sind (monistische Theorie). Demnach kann das Persönlichkeitsrecht nicht ohne
Rücksicht auf das Vermögensrecht ausgeübt werden; siehe hierzu Desbois, Droit d’auteur,
1978, Rn. 210 ff. In seiner Schlussfassung hat der Copyright Act 1988 vier urheberpersönlichkeitsrechtliche Befugnisse (moral rights) geschaffen: das Recht auf Namensnennung, das Recht auf Schutz gegen Beeinträchtigung, das Recht gegen falsche Zuschreibung eine Neufassung früherer, dem passing off verwandter Vorschriften - und das Recht auf
Schutz des Privatlebens (right of privacy), welches besondere Fälle betrifft, die sich aus Änderungen ergeben. Die ausdrückliche Aufnahme bestimmter Befugnisse des Urheberpersönlichkeitsrechts in das englische Recht wird durch die englische Lehre als Grundlage für
einen etwas weniger mageren Schutz in späteren Regelungen betrachtet; siehe Cornish,
GRUR Int. 1990, 500, 505.
518 Stewart, International Copyright and Neighbouring Rights, 1983, S. 7 ff. Dem Verleger, der
unter finanziellen Risiken ein Werk auf den Markt bringt, wird somit ein besonderer Stellenwert beigemessen. Der wahre Zweck des Schutzes ist, einen Ausgleich für die Initiative der
Werkschöpfung und für die in Produktion und Vermarktung riskierten Investitionen zu ermöglichen, so Cornish/Llewelyn, Intellectual Property, 2003, Rn. 9-46. Das „Copyright“ an
veröffentlichten Werken hat seine Ursprünge in dem Privileg des Buchgewerbes zur gewerblichen Herstellung und zum gewerblichen Vertrieb von Druckschriften. Indem die Zunft der
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Dichotomie zwischen Urheberrechten und verwandten Schutzrechten, die im kontinentaleuropäischen Rechtsraum tief verwurzelt ist, werden die Leistungsschutzrechte nicht vom Copyright „verbannt“, sondern stellen ein wichtiges Gerüst dieses Systems dar.519 Dem ökonomisch geprägten Geist der angelsächsischen Rechtstradition
entsprechend werden Urheber und Leistungsschutzberechtigte gleichgestellt.
Die unterschiedlichen Grundansätze zwischen Copyright und Urheberrecht setzen
sich auch bei der Rollenverteilung zwischen Gesetzgeber und Richter im jeweiligen
System fort. Der kontinentaleuropäische Gesetzgeber drückt sich im Allgemeinen
durch weit gefasste Begriffe aus, was dem Richter ausreichend Auslegungsspielraum überlässt, um vor allem solche Lücken zu schließen, die durch die Entwicklung der neuen Technologien entstanden sind. Das Copyright stellt hingegen ein
geschlossenes System dar, das die Rechte und Nutzungsarten starr präzisiert und
eingrenzt. Eine Ausweitung der Autorenrechte ist hierbei nur im Wege einer Gesetzesänderung möglich, entweder durch Beifügung neuer Rechte oder durch Änderung
der Auslegung. Mit dieser Aufgabe hat sich nicht die Rechtsprechung zu befassen,
sondern allein der Gesetzgeber, der die erforderlichen Lösungen zu konkretisieren
vermag.520
Welche Auswirkungen die europäische Harmonisierung auf das Copyright hat,
wird nachfolgend nur schwerpunktmäßig nachgezeichnet.
B. Verwertungsrechte
Dem britischen Urheberrecht liegt anders als in der kontinentaleuropäischen Rechtstradition nicht der Gedanke einer umfassenden Verwertungsbefugnis zugrunde;
vielmehr werden die dem Urheber vorbehaltenen Ausschließlichkeitsrechte in
CDPA 1988 im Einzelnen aufgezählt (Sec. 16 ff. CDPA). Als solche wurden bisher
das Vervielfältigungsrecht, das Recht der Herausgabe von Vervielfältigungsstücken
an die Öffentlichkeit, das Vermiet- und Verleihrecht, das Aufführungsrecht, das
Recht zur Sendung und Aufnahme in einen Kabelprogrammdienst521 und das Bear-
Drucker eine Liste der Werke führte, für die ihre Mitglieder Privilegien besaßen, bestand ein
Schutz gegen den Nachdruck.
519 Zu dieser Dichotomie siehe Ellins, Copyright Law, Urheberrecht und ihre Harmonisierung in
der Europäischen Gemeinschaft, 1997, S. 107 ff.
520 Siehe hierzu Strowel, in: Dittrich (Hrsg.), Beiträge zum Urheberrecht IV, ÖSGRUM Bd. 19
(1996), S. 1, 11 f.
521 Der Kabelprogrammdienst wurde in Sec. 7(1) CDPA 1988 als ein Dienst definiert, der ganz
oder überwiegend Bilder, Töne und sonstige Informationen mittels eines Telekommunikationssystems (a) zum (gleichzeitigen oder zeitversetzten) Empfang an zwei oder mehr Orten,
oder (b) zum Zwecke der Wiedergabe an die Öffentlichkeit zu senden – elektronische Datenabrufsysteme wurden somit als Kabelprogrammdienste angesehen. Sec. 7 (1) CDPA 1988 umfasste sämtliche externen Online-Informationsdienste - so wurden elektronische Pressespiegel
sowie der Internet-Abruf von Artikeln der Printausgabe einer Zeitung vor der Umsetzung der
Info-Richtlinie dem mittlerweile technisch überholten Kabelprogrammdienst zugeordnet, sie-
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References
Zusammenfassung
Die Anpassung der kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten durch die Verwertungsgesellschaften an das digitale Zeitalter gewinnt zunehmend an Brisanz. Diese rechtsvergleichende Studie nimmt den Urheberrechtswandel in vielen Ländern Europas unter die Lupe, um anschließend die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Wahrnehmungspraxis ausgewählter Verwertungsgesellschaften zu untersuchen. Nachgezeichnet werden dabei die Konturen einer gemeinschaftsweiten Rechtewahrnehmung, vor allem im Bereich der Online-Lizenzierung. Dazu wird der Frage nach Handlungsoptionen für eine gestärkte Rolle der Verwertungsgesellschaften in einer stets wandelnden Medienlandschaft nachgegangen.