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suchung der Frage, ob diese Rechtsinstitute auch zur Bestandskraft von Beschlüssen
führen, die nach § 241 Nr. 3 AktG nichtig sind.
Mit der Begrenzung der Darstellung auf den unmittelbaren Anwendungsbereich
der Vorschrift verbindet sich gleichwohl die Hoffnung, allgemeine Erkenntnisse
zum Verständnis der §§ 241 ff. AktG zu gewinnen, die sich auch für die ausgeblendeten Fragen fruchtbar machen lassen. Gleiches gilt für die Beschränkung der Themenstellung auf die Auslegung der untersuchten Vorschriften, das heißt auf die lex
lata. Inwieweit im aktienrechtlichen Beschlussmängelrecht über die jüngsten Änderungen durch das UMAG de lege ferenda weiterer Änderungsbedarf besteht, setzt
die eingehende Analyse der geltenden Rechtslage voraus. Die anschließende rechtspolitische Problematik ist nicht Gegenstand der folgenden Ausführungen.
III. Gang der Darstellung
Die vorliegende Untersuchung geht in drei Schritten vor. Die §§ 1 bis 4 behandeln
Grundlagen des aktienrechtlichen Beschlussmängelrechts. Im Mittelpunkt der Ausführungen zum Hauptversammlungsbeschluss in § 1 steht der besondere Legitimationsbedarf von Mehrheitsbeschlüssen. § 2 enthält einen Exkurs zu den bürgerlichrechtlichen Regeln über fehlerhafte Rechtsgeschäfte. § 3 zeichnet die historische
Entwicklung des Beschlussmängelrechts nach und legt dabei Schwerpunkte auf die
im bisherigen Schrifttum wenig behandelte Vorgeschichte der Gesellschafterbeschlüsse im Oktroi- und Konzessionssystem, die Einführung der Anfechtungsklage
in der Aktienrechtsnovelle 1884 sowie die Entstehungsgeschichte des heutigen
§ 241 Nr. 3 AktG. Den Abschuss des grundlegenden Teils bildet eine detaillierte
Untersuchung der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage im Hinblick auf ihre gemeinsame Funktion, ihre parallele gesetzliche Ausgestaltung und schließlich die Regelungen, mit denen der Gesetzgeber die Geltendmachung von Anfechtungsmängeln
gegenüber Nichtigkeitsmängeln beschränkt hat.
Im Zentrum der Arbeit stehen die §§ 5 bis 7. Ziel dieser Kapitel ist es, auf der
Grundlage der vorangegangenen Ausführungen allgemeine Regeln zur Auslegung
von § 241 Nr. 3 AktG zu entwickeln. Zunächst gibt § 5 einen Überblick zum Diskussionsstand. Besondere Bedeutung hat dabei das Argument der Rechtssicherheit, das
in der Literatur auf verschiedene Weise Verwendung findet. Die anschließende
Stellungnahme in § 6 geht vom Wortlaut der Vorschrift aus und knüpft dann an die
in § 4 herausgearbeiteten Unterschiede von Nichtigkeit und Anfechtbarkeit an. Nach
der Formulierung eines Auslegungsvorschlags erfolgt eine Untersuchung der Anfechtbarkeit und schwebenden Unwirksamkeit, um die Nichtigkeit von diesen
Fehlerfolgen abzugrenzen. § 7 enthält weitere Einzelfragen zum Tatbestand und zur
Rechtsfolge von § 241 Nr. 3 AktG. Neben dem Tatbestand des Hauptversammlungsbeschlusses und der Begrenzung der Vorschrift auf Inhaltsfehler geht es vor allem
um die Frage, inwieweit Hauptversammlungsbeschlüsse trotz dieser Nichtigkeitsmängel Bestandsschutz genießen können.
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Die §§ 8 bis 10 dienen der Anwendung dieser Ergebnisse auf verschiedene Konstellationen. Die wichtigste Streitfrage im Schrifttum zu § 241 Nr. 3 AktG betrifft
dessen Verhältnis zur Regelung der aktienrechtlichen Satzungsstrenge in § 23 Abs. 5
AktG. In § 8 erfolgt nach einem Überblick des bisherigen Meinungsstandes eine
Stellungnahme auf Grundlage der in § 6 entwickelten Auslegung dieses Nichtigkeitstatbestandes. Das Ergebnis ist sodann mit Blick auf die Funktion der Satzungsstrenge einer eingehenden Überprüfung zu unterziehen. § 9 behandelt den Spezialfall von Satzungsänderungsbeschlüssen, die gegen mitbestimmungsrechtliche Normen verstoßen. Derartige Beschlüsse bilden einen Schwerpunkt der Rechtsprechung
zu § 241 Nr. 3 AktG. Die Frage gibt auch Gelegenheit, die Anwendbarkeit des Nichtigkeitstatbestandes auf ungeschriebene Gestaltungsgrenzen zu vertiefen. Im abschließenden § 10 sind beispielhaft fünf weitere Inhaltsmängel ausgewählt, um die
vorangegangenen Ergebnisse zur Auslegung einerseits zu überprüfen, andererseits
weiter auszudifferenzieren.
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References
Zusammenfassung
Im deutschen Aktienrecht führt nicht jeder Rechtsverstoß zur Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses. Regelmäßig soll bei der Verletzung eines Gesetzes oder der Satzung nur die bloße Anfechtbarkeit eintreten. In diesem Fall fehlen dem Beschluss nicht ipso iure die intendierten Rechtswirkungen, vielmehr bedarf es der Geltendmachung durch eine spezielle Klage, die personell und zeitlich eng begrenzt ist.
Trotz der zentralen Stellung dieser Unterscheidung ist die Abgrenzung von Nichtigkeitsmängeln und Anfechtungsmängeln bis heute nicht vollständig geklärt. Im Mittelpunkt des Interesses steht § 241 Nr. 3 AktG, der mit seinem weiten Wortlaut seit seinem Inkrafttreten im AktG 1937 für erhebliche Auslegungsschwierigkeiten sorgt. Ausgehend von der Entstehungsgeschichte und Systematik des aktienrechtlichen Beschlussmängelrechts entwickelt der Band ein besseres Verständnis dieser Vorschrift und ermöglicht dadurch eine klare Abgrenzung von Nichtigkeit und Anfechtbarkeit.
Die Arbeit wurde mit dem Harry Westermann-Preis 2008 ausgezeichnet.