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unzutreffend, wenn auf den Tatplan als entscheidendes Element für die wechselseitige Zurechnung unter den Mittätern hingewiesen wird.557 Allein, das Erfordernis eines solchen Tatplanes, der dann wiederum die Zurechnung der gesamten,
gemeinschaftlich herbeigeführten objektiven Tatbestandsverwirklichung zum
subjektiven Tatbestand begründet, folgt nicht aus § 25 Abs. 2, sondern aus den
§§ 15, 16 Abs. 1. Der Tatplan ist nämlich nichts anderes als der, bei der Mittäterschaft, eben auf eine gemeinschaftliche Begehung bezogene Tatbestandsvorsatz.
Dieser ist bei der Mittäterschaft ebenso Voraussetzung für die Täterschaft oder
die täterschaftliche Zurechnung wie bei der Alleintäterschaft. Jedoch bezieht sich
dieser Vorsatz bei der Mittäterschaft auf eine arbeitsteilige Tatbestandsverwirklichung, also auch auf Tatbeiträge anderer Beteiligter. Verwirklicht ein Beteiligter
einen Teil des gesetzlichen Tatbestandes in objektiver Hinsicht durch sein eigenes
Verhalten selbst und ist ihm aufgrund seines entsprechenden Vorsatzes die
gesamte Tatbestandsverwirklichung zum subjektiven Tatbestand zuzurechnen, so
erscheint eine Bestrafung als Täter unter Gesichtspunkten der Strafgerechtigkeit
begründbar. Die Verwendung des Begriffes der wechselseitigen Zurechnung
sollte in diesem Zusammenhang jedoch besser unterbleiben, da sie wenig
Erkenntnisgewinn ermöglicht und erhebliche Gefahr von Missverständnissen in
sich birgt.
5. Zusammenfassung
Mittäterschaft setzt nach der hier entwickelten Auffassung als erste und unabdingbare Voraussetzung eine ex post festgestellte gemeinschaftliche Begehung
voraus. Darunter ist die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes im formalobjektiven Sinne durch insoweit korrelativ wirkende Beiträge mehrerer Beteiligter zu verstehen. Mittäterschaft wird in diesem Rahmen durch jeden Beitrag begründet, der als Korrelat im Hinblick auf die Verwirklichung des gesamten Tatbestandes anzusehen ist, d.h. der jedenfalls einen Teil des gesetzlichen Tatbestandes verwirklicht. Demnach ist Mitttäterschaft ausgeschlossen, wenn ein Tatbestand alleine durch das Handeln eines Einzelnen verwirklicht wird. Die gemeinschaftliche Begehung im Sinne des § 25 Abs. 2 erschöpft sich in der dargestellten,
objektiven Gemeinschaftlichkeit der Tatbestandsverwirklichung. In subjektiver
Hinsicht erfordert die Mittäterschaft beim Vorsatzdelikt bei jedem Mittäter Vorsatz bezüglich der die gemeinschaftliche Tatbestandsverwirklichung begründenden Umstände. Ob darüber hinaus ein gegenseitiges Wissen aller Beteiligter voneinander erforderlich ist oder ob Mittäterschaft in subjektiver Hinsicht bei einzelnen Beteiligten auch durch einen einseitigen, sog. »Einpassungsentschluss« begründet werden kann ist umstritten. Die gesetzlichen Vorschriften zwingen jedoch nicht zur Annahme eines solchen Gegenseitigkeitserfordernisses, so dass
der isoliert individuelle Tatbestandsvorsatz beim einzelnen Beteiligten zur Be-
557 Vgl. Küpper ZStW Bd. 105 (1993), 295 (302).
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gründung von Mittäterschaftsvorsatz, entgegen der ganz herrschenden Auffassung, ausreichend ist. Damit ist auch deutlich geworden, dass bei der Mittäterschaft nicht von einer besonderen Verzahnung subjektiver und objektiver Elemente auszugehen ist, wie dies häufig behauptet wird. Sobald die Verwirklichung
eines Straftatbestandes durch das korrelative Zusammenwirken mehrerer in objektiver Hinsicht feststeht, schließt sich eine darauf bezogene, ganz gewöhnliche
Vorsatzprüfung an.558 Nur so kann man dem gesetzlich normierten logischen Verhältnis zwischen Begehung der Tat als objektivem, mit den gesetzlichen Tatbeständen korrespondierendem Element, sowie Vorsatz, Rechtswidrigkeit und
Schuld als hierauf bezogenen weiteren Merkmalen gerecht werden. Die gesonderte Prüfung eines »Täterschaftskriteriums« ist nicht erforderlich. Probleme
hinsichtlich des systematischen Standortes einer etwaigen Täterschaftsproblematik ergeben sich nicht. Schließlich ist noch deutlich geworden, dass von einer
wechselseitigen Zurechnung unter den Mittätern allenfalls in zweierlei Hinsicht
gesprochen werden kann. Zum einen könnte man diesen Begriff verwenden, um
die Verbindung der die gemeinschaftliche Begehung konstituierenden Tatbeiträge
zu charakterisieren, zum anderen wird jedem Mittäter bei entsprechendem Vorsatz die gesamte Tatbestandsverwirklichung zum subjektiven Tatbestand zugerechnet. Da mit dieser Formulierung aber häufig das Missverständnis verbunden
ist, die Mittäter seien nicht allein aufgrund ihres eigenen Verhaltens strafbar,
sollte sie aufgegeben werden. Obwohl also der Mittäter in der Regel nicht den gesamten Tatbestand durch eigenes Verhalten verwirklicht und ihm auch etwaige,
die Tatbestandsverwirklichung komplettierende Beiträge anderer Beteiligter
nicht zugerechnet werden, erscheint die Rechtsfolge der täterschaftlichen Strafbarkeit nicht ungerecht. Zwingend ist sie in rechtsprinzipieller Hinsicht jedoch
nicht.
IV. Darstellung der mit der hier vertretenen Auffassung erzielten Ergebnisse
Soweit ersichtlich stimmt die hier entwickelte Auffassung in ihren Ergebnissen
weitgehend überein mit derjenigen von Luzon Pena und Diaz Y Garcia559 sowie
auch mit derjenigen von Schild560. Diese Ergebnisse sollen im nunmehr letzten
Teil dieser Arbeit auf konkrete Fallgruppen angewandt und insbesondere im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit kriminalpolitischen Erwägungen sowie einem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden untersucht werden. Schließlich soll noch versucht werden, anhand der hier entwickelten Auffassung eine Lösung für weitere
»Sonderfälle« der Mittäterschaft, namentlich die »fahrlässige«, die »alternative«
sowie die »sukzessive« Mittäterschaft aufzuzeigen sowie eine begründete Stel-
558 Dass der einzelne Mittäter auch Vorsatz hinsichtlich der Tatbeiträge der anderen haben
muss, ergibt sich allein aus §§ 15, 16 und dem darin normierten Erfordernis des Vorsatzes
hinsichtlich der gesamten Tatbestandsverwirklichung.
559 Luzon Pena / Diaz Y Garcia FS – Roxin S. 575 ff.
560 NK – Schild § 25 Rn. 95 ff.
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References
Zusammenfassung
Das Werk behandelt die Abgrenzung von Mittäterschaft und Teilnahme, eine angesichts der Verbreitung des Tatherrschaftsgedankens rückläufige Diskussion. Losgelöst vom Begriff „Tatherrschaft“ wird die Mittäterschaft – anhand der sog. „additiven Mittäterschaft“ – konsequent auf ihre gesetzliche Regelung in § 25 Abs. 2 StGB zurückgeführt. Die entwickelte Lösung, eine teilweise Renaissance der formal-objektiven Theorie, mag dem Einwand fehlender argumentativer Flexibilität und somit mangelnder Praxistauglichkeit ausgesetzt sein. Demgegenüber steht die Rückbesinnung auf eine echte Tatbestandsbezogenheit, die den dahinterstehenden verfassungsrechtlichen Garantien die notwendige Geltung verschafft.